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Betriebsräte
gegen Geschäftsführung: Streit ohne Sieger
Sorge um das Überleben des Betriebes auf der einen Seite - Angst vor Stellenstreichungen und Lohnkürzungen auf der anderen. Wenn Pflegeeinrichtungen in Schieflage geraten, wird auch das Klima zwischen Betriebsräten und der Geschäftsführung schnell frostig. Wir haben die interessantesten Fälle der letzten drei Jahre zusammengetragen: Vom pragmatischen Zweckbündnis bis zum erbitterten Kleinkrieg ist alles dabei.
Mitarbeiter haben einen gesetzlichen Anspruch
darauf, bei wichtigen betrieblichen Fragen mitzubestimmen. Wenn
fünf oder mehr Vollzeitstellen bestehen, haben Arbeitnehmer das
Recht, einen Betriebsrat zu wählen. Ab 21 Mitarbeitern wächst
die Arbeitnehmervertretung gar auf drei Mitglieder an. Deren
Mitspracherecht reicht von der Arbeitszeitgestaltung, den
Pausen, den Überstunden bis zur Arbeitssicherheit.
Zumeist wird ein Betriebsrat gegründet, wenn
die Firma sichtbar kränkelt und den Tritt auf die Kostenbremse
plant. Machen die ersten Gerüchte über Lohnkürzungen oder gar
Kündigungen die Runde, vergehen mitunter nur wenige Wochen bis
zur ersten Wahlsitzung der Belegschaft. Die Freude der
Geschäftsführung über die neu gewonnenen "Berater" hält sich
naturgemäß in engen Grenzen. Schließlich stehen zumeist
drastische Einschnitte bei den Personalkosten an, die nicht
durch endlose Diskussionen auf die lange Bank geschoben werden
dürfen.
Seltenheitswert:
Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten
Dabei
zeigt ein Beispiel aus Bergheim, dass Betriebsräte auch
drastischen Maßnahmen zustimmen, wenn damit möglichst viele Jobs
gesichert werden können. Im dortigen Krankenhaus musste mangels
Auslastung ein kompletter Trakt geschlossen werden. 20
Pflegekräfte, die sich 14 Vollzeitstellen teilen, erhielten die
betriebsbedingte Kündigung.
Die Mitarbeitervertretung der Klinik
stimmte zähneknirschend zu. "Wir sind uns bewusst, dass die
Sparmaßnahmen nicht anders zu organisieren sind", sagt der
Vorsitzende "Zurzeit wird ein Sozialplan erarbeitet, wobei wir
alles dafür tun, um soziale Härten zu vermeiden."
(Kölnische
Rundschau©, 19. Juni 2004)
Unkündbarkeit als
Schutzschild
So viel Harmonie zwischen Betriebsräten
und der Geschäftsführung ist keine Selbstverständlichkeit. Um
Arbeitnehmervertreter davor zu schützen, bei Widerworten vor die
Tür gesetzt zu werden, stellt der Gesetzgeber diese unter einen
umfangreichen rechtlichen Schutz. Sie sind praktisch unkündbar,
sofern sie nicht die berühmten "goldenen Löffel" klauen oder wie
im folgenden Fall - angeblich - Bewohner misshandeln.
In Berlin erhielt im Herbst 2003 eine
Altenpflegehelferin die Kündigung. Die Vorsitzende des
Betriebsrates hatte sich gegen neue, für die Kollegen
schlechtere Arbeitsverträge gewandt. Schon zuvor hatte die
Geschäftsführung versucht, die Mitarbeiterin vor die Tür zu
setzen, war jedoch stets am Kündigungsschutz gescheitert.
Nun jedoch half auch der rechtliche
Sonderstatus nicht mehr. Zeugen beobachteten sie dabei, wie sie
wiederholt demente Bewohner beschimpfte und misshandelte. Den
Schreck über ihr eigenes Handeln verarbeitete sie daraufhin auf
ganz eigene Weise - sie ließ sich für 14 Tage krankschreiben.
(Berliner Morgenpost©, 12. September 2003)
Kündigungsgrund: Attacke
auf Brötchen
Eine
Gewalttat wurde auch einer Altenpflegerin aus Herne zum
beruflichen Verhängnis. Allerdings war in diesem Fall kein
Bewohner sondern ein Brötchen das Opfer. Die Mitarbeiterin hatte
eben jenes Brötchen zwischen Tür und Angel und nicht im
Aufenthaltsraum verspeist, was zu einer fristlosen Kündigung
führte.
Nach Ansicht der Gekündigten war der
Rausschmiss indes die Reaktion der Geschäftsführung auf ihren
Versuch, einen Betriebsrat zu gründen. Zumal eine Mitstreiterin
ebenfalls vor die Tür gesetzt wurde. Die Kündigungen erfolgten
einen Tag vor der Wahlversammlung zur Vorbereitung der
Betriebsratswahl. Wohl um zu verhindern, dass die Altenpflegerin
dort auftauchte, verhängte das Unternehmen gleich noch ein
Hausverbot.
(WAZ©, 26. Juli 2005)
Vorwurf gegen
Betriebsrätin: Faulenzerei
Ein ganz ähnlicher Fall aus Frankfurt:
Hier wurde einer Pflegekraft fristlos gekündigt, die zwar
krankgeschrieben war, aber dennoch an einer zweistündigen
Sitzung des Wahlvorstandes zu den Betriebsratswahlen teilnahm.
Der Arbeitgeber fühlte sich getäuscht und vertrat die Ansicht,
dass die Pflegekraft mit diesem Verhalten die Genesung verzögert
habe.
Das sahen die Arbeitsrichter anders und
kassierten die Kündigung. Laut Urteil ist die Teilnahme an einem
solchen Treffen nicht vergleichbar mit den Belastungen, die sich
aus der Tätigkeit als Krankenschwester im Schichtdienst ergeben.
(ArbG Frankfurt/M., Urt. v. 27.01.2004 - 15 Ca 5387/03, dpa© v.
27.01.2004).
Viel Arbeit für Richter
Wie
schnell ein Konflikt eskalieren kann, zeigt der "Rekordversuch"
eines privaten Altenheims in Grafenwöhr. Um die Bildung eines
Betriebsrates zu verhindern, sprach die Geschäftsführung
dutzendfach Kündigungen, Änderungskündigungen und Abmahnungen
aus - und handelte sich rund 50 Klagen vor dem Arbeitsgericht
ein.
Die Richter hatten sich in den
Folgemonaten mit einigen kuriosen Begründungen zu befassen. Mal
wurden Verspätungen mit Abmahnungen geahndet, mal ein angeblich
unverschlossener Arzneimittelschrank. Fristlos gekündigt wurde
eine Mitarbeiterin, die ihre Kollegen zur Betriebsratswahl
eingeladen hatte. Mindestens 20 weitere Pflegekräfte erhielten
unmittelbar vor der Versammlung eine betriebsbedingte
Änderungskündigung.
In den meisten Fällen musste schließlich
die Geschäftsführung nachgeben. Einige Abmahnungen wurden
zurückgezogen, andere erklärten die Richter für ungültig. Um
trotz der dünnen Beweislage zumindest einige Pflegekräfte
loszuwerden, musste die Geschäftsführung schließlich hohe
Abfindungen anbieten.
(Oberpfalznetz©, 17.09.2004)
Erbitterter Streit auf
Kosten der Bewohner
Doch egal, wie das Urteil ausfällt, der
Schaden für die Einrichtung ist meistens enorm. Hohe
Anwaltsgebühren, Gerichtskosten, demotivierte Mitarbeiter,
frustrierte Führungskräfte und vor allem ein lädierter Ruf in
der Öffentlichkeit. Ohnehin sinkt die Hemmschwelle, einen
Konflikt nicht innerhalb der Einrichtung zu klären, sondern nach
außen - insbesondere in die Medien - zu tragen.
Das gleiche Szenario, diesmal in Dortmund:
Wieder sollte ein Betriebsrat gegründet werden, wieder erhielten
einige Pflegekräfte - unter ihnen die Initiatorin - die
Kündigung. Doch zusätzlich zum juristischen Weg wählten einige
Mitarbeiter offenbar eine weitere Methode, um sich zu
revanchieren. Eine geheimnisvolle "Gemeinschaft der Angehörigen
der Bewohner" machte Pflegedefizite in der Einrichtung publik.
Die Bandbreite der Vorwürfe beginnt mit einer angeblichen
Unterschlagung von Bewohnereigentum bis zum Pflegebedürftigen,
der auf der Toilette vergessen wurde und dort verstarb.
(WAZ©,
12. August 2003)
Das öffentliche Waschen schmutziger Wäsche
birgt aber immer ein hohes Risiko für beide Seiten. Denn welcher
Heimplatzinteressent würde schon in eine Einrichtung ziehen,
deren Mitarbeiter und Vorgesetzte sich im Streit aufreiben?
Mangelnde Bettenbelegung wiederum führt letztlich zu
Sparmaßnahmen und zum Verlust von Arbeitsplätzen. Der Kreis
schließt sich.
Ruinierter Ruf als
Druckmittel
Jede
Menge zerschlagenes Porzellan auch in Mülheim. Hier steckte der
Betriebsratsvorsitzende eines privaten Seniorenheimes einem
Journalisten Interna aus seiner Arbeit. Bewohner lägen
stundenlang im Nachthemd auf dem kalten Boden, andere rutschten
im Schlaf zwischen die Gitter ihrer Betten und warten
schmerzvoll verrenkt, bis dann doch eine Pflegekraft Zeit für
sie findet. Sein Fazit: "Verstöße gegen die Menschenwürde sind
hier an der Tagesordnung".
Ausgelöst wurde dieser Konflikt durch die
angespannte Personalsituation in der Einrichtung. Der
Betriebsratsvorsitzende: "Unsere Pfleger sind völlig überlastet.
Oft ist einer für 20 Bewohner zuständig, da dauert es manchmal
Stunden bis Hilfebedürftige bemerkt werden." An den Wochenenden
sei die Situation noch gravierender.
Aus der Zeitung erfahren somit potentielle
Heimplatzinteressenten, warum es nach Ansicht des
Arbeitnehmervertreters besser wäre, im Alter doch woanders
unterzukommen: "Der Nachtdienst ist mit höchstens fünf
Nachtwachen für mehr als 270 Senioren zuständig. Die schaffen
oft nicht mal das Nötigste."
(taz© Ruhr vom 4.1.2005)
Schmutzige Wäsche im
Fernsehen
Aber selbst das lässt sich noch steigern -
per Auftritt in der Talkshow "Fliege". Diesen Weg wählte ein
Betriebsratsmitglied aus Pentenried, der sich nach seiner Wahl
gemobbt fühlte. Er berichtete von Demütigungen und dem Versuch,
seine Arbeit zu behindern. Zusätzlich zu seinem TV-Gastspiel
reichte er Klage gegen den Arbeitgeber ein. Er fordert
Schadenersatz, Schmerzensgeld und Gehaltsnachzahlungen. Im
Vergleich zum Imageschaden für die Einrichtung dürften sich
diese Forderungen wie Peanuts ausnehmen.
(MerkurOnline©,
20.09.2003)
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