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Die neue Doku-Schule: Vitalzeichenblatt

Bei der Berechnung der Pflegenote entscheidet nicht zuletzt die Qualität der Dokumentation. Daher lohnt es sich, das eigene Team frühzeitig für die typischen Fehlerquellen zu sensibilisieren. Im vierten Teil unserer Doku-Schule zeigen wir Ihnen die häufigsten Mängel beim Führen des Vitalzeichenblatts.

Noch vor zehn Jahren konnten wir den Blutdruck, den Blutzucker oder das Gewicht problemlos im Pflegebericht eintragen. Und kein alter Mensch kam deshalb zu Schaden. Jetzt gibt es Vitalwerte-Bögen, Diabetes-Bögen und Atemskalen. Manche mit aufgedrucktem Karofeld für eine grafische Verlaufskurve. Diese Dokumentationsbögen verdanken ihre Existenz vor allem dem unersättlichen Papierhunger des MDK. Dazu kommt der Geschäftssinn der Doku-Anbieter und - als „wissenschaftliche“ Grundlage - der missratene Expertenstandard zum Ernährungsmanagement. Und auch wenn viele MDK-Prüfer stock und steif auf diesen Bögen bestehen: Es gibt keine Verpflichtung, separate Vitalzeichenblätter zu führen. In der Praxis jedoch ist jede PDL gut beraten, unnötigen Diskussionen mit dem Medizinischen Dienst aus dem Weg zu gehen.

Eine solche Eintragung lässt vermuten: Bei diesem Pflegedienst hat sich die Erfassung der Vitalwerte als fast schon rituelle Handlung eingeschliffen. Einmal im Monat werden bei jedem Klienten Puls und Blutdruck erfasst. Selbst bei Klienten, die offenkundig keine entsprechenden Risikofaktoren aufweisen, werden diese Daten im festen Intervall ermittelt. Warum eigentlich? Viele Pflegedienste versorgen auch jüngere Menschen, die etwa nach einem Arbeitsunfall vorübergehend Hilfe beim Waschen, Rasieren, Kämmen oder Zähne putzen brauchen. Welchen diagnostischen Sinn macht es, hier regelmäßig mit dem Blutdruckmessgerät anzurücken? Forscht man nach, warum das so starr gehandhabt wird, hört man: Der MDK hat von uns verlangt, dass wir die Vitalwerte einmal im Monat erfassen. Und bei Pflegeheimen hat mitunter ein Mitarbeiter der Heimaufsicht diesen Turnus vorgegeben. Fakt ist aber: Weder der MDK noch die Heimaufsicht sind befugt, eine solche regelmäßige Vitalzeichenerhebung zu fordern. Es liegt allein beim behandelnden Arzt, eine entsprechende Anordnung zu geben. Dieses ist etwa sinnvoll, wenn ein Klient jeden Tag Herzkreislaufmedikamente erhält, deren Wirkungen und Nebenwirkungen erfasst werden müssen. Alles, was darüber hinausgeht, liegt in der Entscheidungsbefugnis der Pflegekräfte. Völlig einstellen sollten Sie die Erhebung der Vitalzeichen natürlich nicht. Wenn etwa ein Notarzt gerufen wird und dieser nach Vergleichswerten fragt, sollten Sie zumindest einige aussagekräftige Daten vorlegen können. Außerdem gibt es immer wieder die eine oder andere Situation, bei der es sich lohnt, zur Sicherheit einmal nachzumessen. Ähnliches gilt für den BMI: Es gibt keinen Grund, einen alten Menschen im Monatsrhythmus auf die Waage zu stellen. Selbst der MDK ist in der stationären Pflege mit einer vierteljährlichen Messung zufrieden.

  • „Ein Screening inklusive einer Gewichtsmessung sollte mindestens alle 3 Monate erfolgen, sofern die Situation keine häufigere Überprüfung des Ernährungszustandes erfordert.“ (Qualitätsprüfungs-Richtlinien • MDK-Anleitung • Transparenzvereinbarung / Grundlagen der MDK-Qualitätsprüfungen in der stationären Pflege, Seite 171)
In der ambulanten Pflege wird lediglich auf den Expertenstandard verwiesen:
  • Die Expertengruppe Ernährungsmanagement des DNQP empfiehlt auch für Menschen in der häuslichen bzw. ambulanten Pflege im Rahmen des Erstkontakts eine Einschätzung (Screening)  für  Mangelernährung  durchzuführen.  Sie  empfiehlt  eine  Wiederholung  alle  drei Monate.  Eine erneute Einschätzung muss nach Ereignissen erfolgen wie z.B. fieberhafte Infektionskrankheiten, aber auch einschneidenden Lebensereignissen. (Qualitätsprüfungs-Richtlinien • MDK-Anleitung • Transparenzvereinbarung Grundlagen der MDK-Qualitätsprüfungen in der ambulanten Pflege, Seite 148)
Pflegekräfte sollten dem BMI also keine übertriebene Bedeutung beimessen. Ein niedriger BMI ist nicht automatisch ein Interventionsgrund. Viele Frauen waren zeitlebens sehr schlank, etwa wenn sie im Turnsport aktiv waren. Diese Personengruppe wird i.d.R. auch im Alter kein Normalgewicht erreichen. Das hat inzwischen auch der MDK begriffen. Viel wichtiger ist die Gewichtsentwicklung, vor allem wenn der Bewohner oder der Klient in kurzer Zeit viel Körpermasse verliert. Der MDK hat eine klare Grenze gezogen: Als relevante Gewichtsabnahme gelten mehr als fünf Prozent in einem bis drei Monaten sowie mehr als zehn Prozent binnen eines halben Jahres. Wenn also ein zuvor adipöser alter Mensch innerhalb weniger Wochen auf einen BMI von 23 sinkt, also auf das Idealgewicht, ist das kein gutes Zeichen. Im Gegenteil: Der MDK will eine Reaktion darauf sehen. Kein Handlungsbedarf besteht hingegen bei einem Mann, der in der Jugend Skispringer war und seit 60 Jahren mit einem BMI von 21 lebt.

In diesem Fall weist der Bewohner gravierende Haltungsschäden auf. An eine Messung der Körpergröße im Stehen ist nicht zu denken. Daher wurde die Körpergröße anhand des Knie-Fersen-Abstands hochgerechnet. Leider ist diese Messmethode sehr ungenau. Es muss mit Abweichungen von plus/minus 15 Zentimetern gerechnet werden. Dadurch hat der ermittelte BMI-Wert keinerlei Aussagekraft mehr. Verzichten Sie dann gleich komplett auf die Ermittlung des BMI. Alternativ kann eine Bestimmung der Hautfaltendicke mithilfe eines Calipers sinnvoll sein. Oder messen Sie den Oberarmumfang.

Auch im Zeitalter von Weight-Watchers und der Brigitte-Diät soll es Menschen geben, die sich nicht sonderlich für das eigene Gewicht interessieren. Viele besitzen gar keine Waage. Oder die Waage ist alt und ungenau. So oder so: Das Gewicht kann unter diesen Bedingungen nicht ermittelt werden. Und der BMI erst recht nicht. Die Werte zu schätzen (das soll wirklich vorkommen!), ist natürlich keine Lösung. Das dämmert mittlerweile auch dem MDK:

  • Im Bereich der ambulanten Pflege ist zu berücksichtigen, dass eine Gewichtskontrolle in der häuslichen Umgebung aufgrund fehlender geeigneter Personenwaagen häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. (Qualitätsprüfungs-Richtlinien • MDK-Anleitung • Transparenzvereinbarung Grundlagen der MDK-Qualitätsprüfungen in der ambulanten Pflege, Seite 148)
Verzichten Sie in diesem Fall auf Gewichts- und BMI-Angaben in der Dokumentation und vermerken Sie stattdessen die besonderen Umstände. Es wird Sie natürlich auch niemand davon abhalten, auf eigene Kosten Personenwaagen anzuschaffen, die Ihre Mitarbeiter dann reihum zum Klienten schleppen.

Unter diesen Bedingungen ist der BMI falsch errechnet und ohne Aussagekraft. Zahlreiche Senioren weisen Amputationen auf, sei es als Folge des Krieges, eines Unfalls oder einer Erkrankung. Bei der Ermittlung des BMI ist dann ein Zwischenschritt notwendig. Es gilt ,das theoretische Körpergewicht zu ermitteln. Also das Gewicht, das der Bewohner hätte, wenn die Gliedmaßen noch vollständig wären. Diese Umrechnung ist mittels einer Formel möglich:


gemessenes Gewicht


theoretisches Körpergewicht =

--------------------------------------------

multipliziert mit 100


100 Prozent minus Amputationsfaktor

Je nach amputiertem Körperteil werden folgende Amputationsfaktoren angesetzt: Oberarm 3,5 Prozent; Unterarm 2,3 Prozent; Hand 0,8 Prozent; kompletter Arm 6,5 Prozent; Oberschenkel 11,6 Prozent; Unterschenkel 5,3 Prozent; Fuß 1,8 Prozent; komplettes Bein 18,5 Prozent. Also:

Zum Blutdruck: Auf den ersten Blick wirken diese sehr schwankenden Einträge beunruhigend.

Erst der Blick auf die jeweilige Uhrzeit zeigt den Fehler. Bei der kontinuierlichen Erfassung der Vitalwerte ist es wichtig, dass diese nach Möglichkeit stets zur gleichen Tageszeit erhoben werden. In diesem Beispiel erhält der Bewohner jeden Morgen nach dem Frühstück seine Betablocker. Am Abend lief ein spannender Krimi. Wenn nun einmal morgens nach dem Aufstehen gemessen wird und beim nächsten Mal am Nachmittag, erhält man keine aussagekräftigen Werte.

Nur am Rande erwähnt: Für die Erhebung der Vitalwerte bedarf es der Zustimmung durch den Bewohner oder durch den Betreuer. Insbesondere dann, wenn ein Diabetiker zur BZ-Messung mit einer Lanzette gestochen werden soll.

Doppeldokumentationen sind eine Unsitte, die Sie schnellstens und gründlich abstellen sollten.  So finden sich der BZ-Wert, das Körpergewicht und die Blutdruckwerte häufig nicht nur im Vitalwerteblatt, sondern auch im Pflegebericht. Und mitunter gibt es sogar Pflegeteams, die darüber hinaus separate Listen für BZ-Werte, Körpergewicht und Blutdruckwerte aller Senioren führen. Eine solche Vorgehensweise macht unnötige Arbeit und ist ggf. sogar ein Risiko für die Gesundheit. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Angenommen, eine BZ-Messung war erforderlich, weil der Bewohner desorientiert wirkte und die Pflegekraft eine Unterzuckerung befürchtete. In diesem Fall ist es sinnvoll, die Messung in den Bericht zu übernehmen. Schließlich will der MDK lesen, ob und wie die Pflegekraft auf das ungewöhnliche Verhalten des Bewohners reagiert hat.