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Praxistipps zur Einstufung: Die Tücken des Hilfebedarfs

Fünf nicht anerkannte Minuten hier, zehn verlorene Minuten da ... und schon ist die gewünschte Pflegestufe verfehlt. Wer die Kniffe und Fallstricke der MDK-Richtlinien nicht kennt, wird bei der Einstufung stets nur der zweite Sieger bleiben. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre Position gegenüber dem Gutachter durchsetzen.

Viele Pflegekräfte haben Schwierigkeiten mit den Inhalten und mit den Begrifflichkeiten der Begutachtungsrichtlinien des MDK. Um einen Bewohner / Patienten in eine Pflegestufe einstufen zu können, benutzt der Gutachter aber die Terminologie der Begutachtungsrichtlinien. Deswegen ist es notwendig, die Pflegekräfte mit dieser Terminologie vertraut zu machen. Wenn die Mitarbeiter die Begriffe nicht kennen, können sie den Gutachter nicht verstehen und dementsprechend nicht eingreifen bei der Einschätzung des Pflegebedarfs. Im ungünstigsten Fall befindet sich der Bewohner in der verkehrten Pflegestufe. Wichtiges und Wissenswertes über die Minutenwerte: Um den Pflegebedarf überhaupt zu erfassen, hat der Gesetzgeber die Verrichtungen des täglichen Lebens definiert und mit Minutenwerten hinterlegt.


Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens:

täglicher Minutenwert (bezogen auf die vollständige Übernahme):


Körperpflege:


Ganzkörperwäsche (GK)

20 bis 25 Min.


Waschen Oberkörper (OK)

8 bis 10 Min.


Waschen Unterkörper(UK)

12 bis 15 Min.


Waschen Hände / Gesicht (H/G)

1 bis 2 Min.


Duschen

15 bis 20 Min.


Baden

20 bis 25 Min. (pro Tag: 4 Min.)


Zahnpflege

5 Min.


Kämmen

1 bis 3 Min.


Rasieren

5 bis 10 Min.


Haare waschen und föhnen (als einzelne Maßnahme, nicht im Zusammenhang mit Duschen, Baden, Ganzkörperwäsche) wird unter dem Punkt Teilwäsche Oberkörper dokumentiert

der Minutenwert wird individuell ermittelt


Ausscheidung:


Wasserlassen (Intimhygiene, Toilettenspülung )

2 bis 3 Min.


Stuhlgang (Intimhygiene, Toilettenspülung )

3 bis 6 Min.


Richten der Bekleidung

insgesamt 2 Min.


Wechseln von Inkontinenzprodukten nach Wasserlassen

4 bis 6 Min.


Wechseln von Inkontinenzprodukten nach Stuhlgang

7 bis 10 Min.


Wechsel kleiner Vorlagen

1 bis 2 Min.


Wechseln/Entleeren des Urinbeutels

2 bis 3 Min.


Wechseln/Entleeren des Stomabeutels

3 bis 4 Min.


Ernährung:


mundgerechte Zubereitung einer Hauptmahlzeit (einschließlich des Bereitstellens eines Getränkes)

je 2 bis 3 Min.


Essenanreichen der Hauptmahlzeiten einschließlich einschenken der Getränke (max. 3x pro Tag)

je 15 bis 20 Min.


Verabreichung von Sondenkost

15 bis 20 Min. pro Tag


Zwischenmahlzeiten und Getränke

Jeweils anteilig


Mobilität:


Hilfe zum Aufstehen/zu Bett gehen

je 1 bis 2 Min.


Umlagern

2 bis 3 Min.


Ankleiden des gesamten Körpers

8 bis 10 Min.


Ankleiden Oberkörper/Unterkörper

5 bis 6 Min.


Entkleiden gesamt

4 bis 6 Min.


Entkleiden Oberkörper/Unterkörper

2 bis 3 Min.


Gehen / Treppensteigen (Treppensteigen wird nur im häuslichen Bereich gewertet)

der Minutenwert wird individuell ermittelt


Transfer (Stehen)

Je 1 Min. pro Transfer


Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung

der Minutenwert wird individuell ermittelt (bei Wartezeiten in Arztpraxen und bei Therapeuten können bis zu 45 Min. angesetzt werden)


Hauswirtschaft:


Einkaufen

wird individuell ermittelt


Kochen

wird individuell ermittelt


Reinigung der Wohnung

wird individuell ermittelt


Spülen

wird individuell ermittelt


Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung

wird individuell ermittelt


Beheizen

wird individuell ermittelt Diese Minutenwerte sind aber keine starren Vorgaben, sondern sind als Anhalts- und Orientierungswerte gedacht.In den Begutachtungsrichtlinien heißt es wörtlich:   "Auch bei der Anwendung der Orientierungswerte bleibt die individuelle Pflegesituation für die Feststellung des zeitlichen Umfangs des Hilfebedarfs maßgeblich." "Die Zeitorientierungswerte stehen nicht in einem Gegensatz zu dem Individualitätsprinzip des SGB XI. Weil für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe allein der im Einzelfall bestehende individuelle Hilfebedarf des Antragstellers maßgeblich ist, können und sollen die Zeitorientierungswerte für die Begutachtung nur Anhaltsgrößen im Sinne eines Orientierungsrahmens liefern. Gerade damit geben sie dem Gutachter ein Instrument zur Feststellung des individuellen Hilfebedarfs." (Begutachtungsrichtlinien, Seite 66) Also kommt es darauf an, den tatsächlichen Hilfebedarf konkret und individuell für den Bewohner zu dokumentieren. Dafür ist die Pflegeplanung und -dokumentation das Maß aller Dinge. Ein Beispiel: Für das Essen und Trinken anreichen während einer Hauptmahlzeit werden bei einer vollständigen Übernahme 15 bis 20 Minuten veranschlagt. Folgende Situation: Ein demenzkranker Bewohner wird in den Speisesaal zum Mittagessen gebracht und an seinen Tisch gesetzt. Er bekommt seine Mahlzeit, die mundgerecht zubereitet wird (anrechenbar mit 2 bis 3 Minuten zusätzlich). Ein Getränk wird eingeschenkt. Nun passiert folgendes: Der Bewohner steht vom Tisch auf. Die Pflegekraft geht hin und spricht beruhigend auf ihn ein. Sie bewegt ihn dazu, sich wieder hinzusetzen. Er nimmt die Gabel und versucht, damit die Vorsuppe zu essen. Die Pflegekraft zeigt ihm den Löffel und demonstriert ihm, dass er damit die Suppe essen kann. Er isst zwei Löffel voll. Er lehnt sich zurück und vergisst weiter zu essen. Die Pflegekraft erinnert ihn daran. Das geht so einige Male. Dann ist die Suppe kalt und die Pflegekraft nimmt sie und lässt sie noch einmal erwärmen. Danach erinnert die Pflegekraft den Bewohner daran zu trinken. Die Suppe ist wieder warm und der Bewohner isst sie auf. Es folgt die Hauptspeise. Dem Bewohner muss der Umgang mit Messer und Gabel gezeigt werden. Danach benutzt er das Besteck wieder richtig. Durch einen für die Pflegekraft nicht verständlichen Anlass steht der Bewohner abermals erregt von seinem Platz auf und möchte weggehen. Die Pflegekraft beruhigt ihn mit einem Gespräch und motiviert ihn zum Weiteressen. Das Ganze geht so lange, bis er seine Mahlzeit beendet hat. Am heutigen Tag hat die Anleitung samt beruhigender Gesprächsführung beim Mittagessen 40 Minuten gedauert. Nehmen wir an, dass der Ablauf auch so in der Pflegeplanung dokumentiert ist und dass die Mahlzeiten täglich mehr oder weniger so zeitintensiv ablaufen. In dem Fall muss der Gutachter die individuelle Pflegesituation berücksichtigen und daraus einen Minutenmittelwert ermitteln. Der muss in diesem Fall dann oberhalb des Zeitkorridors von 15 bis 20 Minuten liegen. Da der Gutachter aber keine Zeit hat, sich persönlich von dieser Pflegesituation ein Bild zu machen, ist er auf die Pflegedokumentation angewiesen. Ist diese aber nicht ausführlich und individuell genug auf den Bewohner zugeschnitten, nimmt der Gutachter vielleicht eine teilweise Übernahme an und erkennt beim Mittagessen etwa nur 10 Minuten an. In der Begutachtungsrichtlinie steht zur aktivierenden Pflege und deren Dokumentation folgendes:   "Sie (die aktivierende Pflege) hat einen nachvollziehbaren Pflegeprozess zur Voraussetzung, der sich in der Pflegedokumentation widerspiegeln muss." Formen der Hilfeleistung: Das Beispiel macht auch deutlich, dass die Mitarbeiter die verschiedenen Formen der Hilfeleistungen kennen müssen. In den Begutachtungsrichtlinien ist die Rede von Unterstützung, Anleitung und Beaufsichtigung, teilweise Übernahme und vollständige Übernahme. Diese Formen müssen inhaltlich sauber voneinander getrennt werden und werden bis heute noch nicht von allen Mitarbeitern in der Pflege vollständig verstanden. Dazu kommt, dass sogar mancher Gutachter die Richtlinien selbst nicht bis in die Tiefe kennt. Also lautet das Motto: Je besser man sich mit den Richtlinien auskennt, desto besser kann man argumentieren und noch die eine oder andere Minute herausholen. Unterstützung: Die Unterstützung des Pflegebedürftigen meint, dass der Bewohner / Patient selbst in der Lage ist, sich zu waschen oder zu gehen. Aber er braucht Unterstützung beim Bereitstellen der Utensilien und Hilfsmittel. Also unterstützt ihn die Pflegekraft dabei, das Waschwasser einzulassen und etwa die Handtücher und Waschlappen bereit zu legen. Beim Gehen holt die Pflegekraft z.B. den Rollator her. Die Durchführung des Waschens und Gehens aber übernimmt dann der Pflegebedürftige selbst ohne Hilfe. Hier kann dann die Pflegekraft bei einer Einstufung nicht erwarten, dass etwa beim Waschen die vollen 20 Minuten angerechnet werden. Sehr wahrscheinlich werden eher 3 Minuten angerechnet. Und bei der Bereitstellung des Rollators eher 1 bis 2 Minuten. Anleitung: Bei der Anleitung geht es darum, dass der Pflegebedürftige die täglichen Verrichtungen selbst durchführt. Die Anleitung richtet sich an einen Personenkreis, der zwar in der Lage ist, die Verrichtungen motorisch durchzuführen, aber geistig nicht uneingeschränkt dazu fähig ist. In der Regel sind es demenzkranke Menschen, geistig Behinderte oder psychisch erkrankte Senioren, die es nicht schaffen, etwa das Waschen völlig selbständig in einer sinnvollen Reihenfolge zu bewältigen. Da nimmt der Demenzkranke die Zahnbürste zum Kämmen und will sich mit der Zahnpasta den Körper einreiben usw. Ein psychisch kranker Senior, der an einer Antriebsarmut leidet, würde einfach morgens im Bett bleiben und sich gar nicht waschen und anziehen. Die Anleitung zielt darauf ab, im Sinne einer aktivierenden Pflege die Erhaltung und Wiedergewinnung der verbliebenen Ressourcen zu gewährleisten. Dazu gehört, dass die Pflegekraft immer wieder dem Senioren zeigt und demonstriert, wie eine Pflegehandlung sinnvoll ausgeführt wird oder aber in einem Gespräch den psychisch kranken Bewohner zur Körperpflege motiviert (die Zeit für das Gespräch muss berücksichtigt werden). Jede Pflegekraft weiß aus eigener Erfahrung, dass eine aktivierende Pflege sehr viel zeitintensiver ist, als es eine vollständige Übernahme wäre. Diesem Umstand hat der Gutachter zu würdigen. Vorausgesetzt: Die Pflegeplanung zeigt die Anleitungssituation in den einzelnen Verrichtungen individuell und detailliert auf. In den Begutachtungsrichtlinien heißt es: "Art, Häufigkeit und Dauer des Hilfebedarfs sind abhängig von der individuellen Situation. Im Rahmen der aktivierenden Pflege kann die Anleitung und teilweise Übernahme einen höheren Zeitbedarf beanspruchen als die vollständige Übernahme." (Begutachtungsrichtlinien, Seite 51) Damit ist klar, dass sich eine aktivierende Pflege lohnt und sich durchaus in höheren Pflegeminuten niederschlagen kann. Beaufsichtigung: Die Beaufsichtigung zielt darauf ab, dass etwa aus Sicherheitsgründen die Pflegekraft bei den einzelnen Pflegemaßnahmen anwesend sein muss. Das ist dann der Fall, wenn etwa ein Demenzkranker im Bad mit einem Fön in Verbindung mit Wasser hantiert oder sich nass rasiert (Selbstgefährdung). Oder sie beaufsichtigt, ob der Betreffende sich überhaupt auszieht und wäscht. Und diese Tätigkeiten in einer sinnvollen Reihenfolge erledigt. Sie ist dabei also zeitlich und örtlich gebunden. Wichtig zu wissen ist, dass sich die Anleitung und Beaufsichtigung nur auf die Verrichtungen des täglichen Lebens bezieht. Nicht aber auf eine allgemeine Beaufsichtigung und Anleitung, die etwa ein geistig Behinderter oder ein psychisch Kranker über den ganzen Tag benötigt. teilweise Übernahme: Eine teilweise Übernahme liegt dann vor, wenn bei einer Verrichtung die Hilfe der Pflegekraft notwendig wird. Etwa beim Waschen: Die Pflegekraft wäscht etwa den Rücken und die Füße des Pflegebedürftigen, weil er es ohne Hilfe nicht könnte. Oder beim An- und Auskleiden benötigt der Bewohner Hilfe beim über den Kopf ziehen des Pullovers, oder beim Schließen des BHs. Eine teilweise Übernahme liegt auch dann vor, wenn ein Pflegebedürftiger wegen Erschöpfung eine Pflegemaßnahme abbrechen muss und sie von der Pflegekraft zu Ende geführt wird. Auch kann eine Anleitungssituation abgebrochen werden, falls die Maßnahme zu umständlich und zu lange dauert. Droht etwa der Senior auszukühlen, dann ist die Pflegekraft gehalten, die Maßnahme dem Senior abzunehmen und zu Ende zu bringen. vollständige Übernahme: Die komplette Verrichtung wird von einer Pflegekraft übernommen. Der Pflegebedürftige ist nicht in der Lage, etwas dazu beizutragen. Die komplette Übernahme zielt auf die Gruppe von Pflegebedürftigen ab, die etwa vollständig immobil sind, im Wachkoma liegen und komatöse Personen. Die vollständige Übernahme kommt erst dann zum Tragen, wenn alle anderen Hilfeformen nicht zutreffend sind. Das Wörtchen "selbständig" in der Pflegedokumentation: Leiten Sie ihre Mitarbeiter darin an, in der Pflegedokumentation vorsichtig mit dem Wort "selbständig" umzugehen. Ein Beispiel: Die Pflegekraft schreibt: "Der Bewohner geht selbständig zur Toilette." Aber in der Praxis muss sie den Bewohner regelmäßig zum Toilettengang auffordern und ihm an manchen Tagen den Weg zur Toilette zeigen bzw. begleiten. Der Bewohner ist nicht selbständig, nur weil er beim Vorgang des Ausscheidens keine Hilfe benötigt. Tatsächlich wird er angeleitet. Also können dafür Minuten berechnet werden.