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Standard "Erkennung von Depressionen"

Traurig, dement oder schon depressiv? Mit Erfahrung und Einfühlungsvermögen können Pflegekräfte zwischen normalen Stimmungseintrübungen und psychischen oder gar neurologischen Krankheitsbildern unterscheiden. In einem Standard sollten Sie festlegen, wann ein Betroffener besser in Ruhe gelassen wird - und wann er therapeutische Hilfe braucht.


Standard "Erkennung von Depressionen"


Definition:

    Eine Depression ist eine psychiatrische Störung des gesamten Gefühls- und Gemütslebens. Betroffene leiden unter einer krankhaft gedrückten und freudlosen Grundstimmung, Hoffnungslosigkeit und Minderwertigkeitsgefühlen. Weitere häufige Symptome sind Antriebsschwäche, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Eine Depression liegt vor, wenn die traurige Stimmung mindestens zwei Wochen anhält und der Bewohner unter zusätzlichen Begleiterscheinungen einer Depression leidet. Ein zentraler Faktor beim Auftreten von Depressionen ist Demenz. Mehr als ein Drittel aller Senioren mit Alzheimer leiden an Depressionen.

Grundsätze:

    Das Stellen der Diagnose "Depression / keine Depression" ist Aufgabe des Arztes. Dieser jedoch sieht den Bewohner nur jeweils wenige Minuten und ist auf unsere Informationen angewiesen. Es ist somit unsere Aufgabe, den Arzt mit verlässlichem und belastbarem Hintergrundwissen zu versorgen. Eine Depression ist keine natürliche Folgeerscheinung des Alterns, sondern eine ernstzunehmende Krankheit, die in jedem Fall von einem Facharzt behandelt werden muss. Nicht jeder Bewohner, der auf uns über einen längeren Zeitraum traurig und niedergeschlagen wirkt, ist gleichzeitig depressiv. Wir sind uns bewusst, dass Depressionen noch immer mit einem sozialen Stigma verbunden sind und gehen mit diesem Thema daher sehr umsichtig und verschwiegen um. Wir sind uns aber auch der Verantwortung bewusst, die wir auf uns laden, wenn wir einen möglicherweise depressiven Bewohner mit seinen Gefühlen allein lassen.

Ziele:

    Eine Depression wird schnell und richtig erkannt. Eine wirksame und angemessene Therapie wird eingeleitet. Eine Depression wird sicher gegen andere Krankheitsbilder abgegrenzt, die zu ähnlichen Symptomen führen aber anders therapiert werden. Das Recht des Bewohners, eine gewisse Zeit ungestört traurig sein zu dürfen, wird respektiert.

Vorbereitung:

    Unser Personal wird regelmäßig zum Thema depressive Störungen fortgebildet. Zwei Pflegefachkräfte unserer Einrichtung verfügen über eine Weiterbildung zur gerontopsychiatrischen Fachkraft. Wir erweitern unsere Bibliothek regelmäßig um aktuelle Fachbücher zu diesem Thema. Wir ermuntern unsere Pflegekräfte, diese Bücher zu lesen. Wir sensibilisieren auch andere Berufsgruppen, etwa Hauswirtschaftskräfte oder Ergotherapeuten, und bitten diese, entsprechende Beobachtungen an die Pflegekräfte weiterzugeben.

Durchführung:

Informationssammlung

Durchführung: Informationssammlung Wir sammeln relevante Hinweise, die für oder gegen eine Depression sprechen bzw. diese fördern oder hemmen. Diese Anamnese erfolgt nach dem Heimeinzug sowie immer dann, wenn das Verhalten eines Bewohners auffällig wird.


körperliche Ursachen: Eine Depression kann erblich bedingt sein. Gibt es Hinweise in der Bewohnerbiografie auf Verwandte, die ebenfalls depressiv waren oder sind? Gibt es Hirnschädigungen wie Demenz, Hirnarteriosklerose, Apoplexie, Hirntumor oder Parkinsonsyndrom? Gibt es symptomatische Auslöser wie Herzinsuffizienz, Krebs, Leber- oder Nierenleiden? Gibt es eine Schilddrüsenunterfunktion? Leidet der Bewohner an einer Infektion oder chronischen Erkrankung? Leidet der Bewohner unter chronischen Schmerzen? Nimmt der Bewohner Medikamente, deren Nebenwirkungen Depressionen auslösen könnten, etwa Neuroleptika, Blutdrucksenker oder Kortison? Konsumiert der Bewohner in großen Mengen Alkohol oder Drogen?


psychische und soziale Ursachen:

  • Hat der Bewohner in letzter Zeit einen Familienangehörigen oder Freund verloren? Hat er den Verlust bislang nicht verarbeitet?
  • Gibt es Gefühle der Isolation, etwa nach dem Umzug in das Heim oder in eine andere Stadt?
  • Gibt es Eheprobleme? Gibt es Streit mit der Familie? Leidet der Bewohner unter einer überfürsorglichen Familie?
  • Hat der Bewohner noch Pläne, die er nun nicht mehr umsetzen kann?
  • Gibt es einen Verlust der gewohnten sozialen Rolle, etwa als Ernährer der Familie, Hausfrau/Großmutter usw.?
  • Ergeben sich aus der Bewohnerbiografie Hinweise auf eine problematische Kindheit und Jugend? Etwa: Kriegstraumata, lieblose Umgebung, mangelnde Anerkennung, überfürsorgliche Eltern usw.
  • Ist der Bewohner arm und leidet er darunter?

Symptombeobachtung

Wir beobachten das Verhalten des Bewohners und achten insbesondere auf typische Hinweise für eine Depression.


Wahrnehmung und Denken:

    Der Bewohner nimmt gezielt negative Aspekte seiner Umgebung wahr. Erfreuliche Ereignisse werden ausgeblendet. Der Bewohner bezieht alle Wahrnehmungen auf sich. Der Bewohner denkt in "Entweder-oder-Schemata" (etwa: "Entweder du hörst mir jetzt zu, oder ich rede nie wieder mit dir"). Der Bewohner unternimmt Gedankenreisen, während derer er völlig in sich gekehrt ist.

Kommunikation:

    Der Bewohner redet wenig und dann sehr einsilbig. Über sich selbst und seine Umwelt redet er zumeist schlecht. Die Aussagen sind generalisiert ("Es ist alles sinnlos!"). Der Bewohner wiederholt immer wieder die gleichen Fragen. Der Bewohner klagt offen und laut und häufig ohne Pause. Wichtige Themen für den Erkrankten sind der Tod, Selbstmord und eigene Fehlleistungen.

Antriebslosigkeit:

    Dem Bewohner ist alles gleichgültig. Dem Bewohner fehlt häufig bereits morgens die Energie um aufzustehen. Er ist nicht in der Lage, wichtige Entscheidungen zu treffen. Dem Bewohner ist das eigene Äußere zunehmend gleichgültig. Der Bewohner gibt ihm wichtige Hobbys auf.

körperliche Beschwerden:

    Der Bewohner klagt über Erschöpfung, Kopfschmerzen und Schwindelgefühle. Er leidet ohne offensichtlichen Grund unter Schweißausbrüchen, Übelkeit und Herzbeschwerden. Der Bewohner beschreibt ein Engegefühl in der Brust. Der Bewohner hat deutlich weniger Appetit und verliert an Körpergewicht. Der Bewohner ist ständig müde, kann aber in der Nacht nicht durchschlafen. Der Bewohner hat keinerlei sexuelles Interesse mehr.

Abgrenzung zur Trauer

Eine aktuelle Trauerphase kann in eine Depression übergehen. Wir grenzen beide Zustände mit folgenden Kriterien voneinander ab.


Depression:

Trauer:


    Die Traurigkeit ist lang anhaltend.

    Die Traurigkeit dauert deutlich kürzer.

    Der Bewohner weint selten und gibt seiner Traurigkeit wenig anderen Ausdruck.

    Die Trauer wird offen ausgedrückt, etwa durch reden oder weinen.

    Die Schuldgefühle und Selbstvorwürfe sind ständig in gleicher Stärke vorhanden.

    Schuldgefühle werden Schritt für Schritt aufgearbeitet.

    Der Bewohner zieht sich von Freunden und anderen Bezugspersonen zurück.

    Der Bewohner behält soziale Kontakte bei.

    Der Bewohner passt sich der veränderten Situation nicht an und findet keinen neuen Sinn für sein Leben.

    Der Bewohner kann für sich neue Lebensinhalte entdecken.

    Der Bewohner hält sich für minderwertig.

    Der Bewohner erhält sein positives Selbstwertgefühl.

Abgrenzung zur Demenz

Eine Demenz und Depressionen können ein teilweise sehr ähnliches Krankheitsbild entwickeln. Wir grenzen beide Krankheiten nach folgenden Kriterien voneinander ab:


Depression:

Demenz:


    Der Beginn der Krankheit kann zeitlich klar eingegrenzt werden. Der Bewohner ist von Anfang an traurig und antriebslos.

    Die Störungen steigern sich allmählich und blieben ggf. zunächst lange unentdeckt. Der Bewohner ist zuerst kognitiv beeinträchtigt. Die Stimmungseintrübungen folgen später.

    Die Krankheit schreitet schnell voran.

    Die Krankheit steigert sich nur langsam.

    Der Bewohner ist in Grenzen kooperativ.

    Der Bewohner ist unkooperativ und uneinsichtig.

    Der Bewohner ist vergesslich, grüblerisch und wehklagend. Er ist in der Lage, Sachverhalte detailliert zu beschreiben. Der Bewohner betont sein Versagen.

    Der Bewohner ist unkonzentriert und unaufmerksam. Bei Schilderungen von Sachverhalten kann der Bewohner diese nur vage und lückenhaft wiedergeben. Der Bewohner versucht, seine Handicaps zu überspielen oder zu verbergen.

     Der Sprachfluss ist lediglich verlangsamt, ansonsten aber intakt.

    Die Sprachfähigkeiten verfallen zunehmend.

    Der Bewohner ergeht sich in Selbstanklagen und stellt seine Fehler hervor.

    Der Bewohner fühlt sich alles andere als schuldig, insbesondere nicht an seiner Krankheit.

    Der Bewohner findet sich in seiner Umwelt problemlos zurecht. Auch in fremder Umgebung kann er sich orientieren.

    Der Bewohner ist hilflos, wenn er seinen Wohnbereich verlässt. Auch innerhalb der vertrauten Umgebung schwindet das Orientierungsvermögen.

    Der Bewohner ist über Wochen durchweg depressiv. Seine Ablehnung richtet sich vor allem gegen sich selbst.

    Die Stimmung des Bewohners ist schwankend. Seine Ablehnung richtet sich vor allem gegen andere.

    Die Wahnideen sind einfühlbar. Er leidet unter Schuld- und Krankheitswahn.

    Die Wahnideen sind vollständig irrational. Der Bewohner beschuldigt etwa grundlos andere Menschen, ihn zu bestehlen.

    Der Bewohner verhält sich unsicher und gehemmt. Er versucht sich unauffällig zu verhalten. Er ist sozial kompetent.

    Der Bewohner vernachlässigt sich und ist ungepflegt.
  • Der Bewohner ist sozial inkompetent.

Nachbereitung:

    Alle Beobachtungen werden dokumentiert. Falls es hinreichende Anzeichen für eine Depression gibt, wird der Hausarzt des Bewohners informiert und eine psychiatrische Untersuchung angeregt. Dafür stellen wir alle relevanten Informationen zusammen und übergeben diese an den Hausarzt. Wenn die Untersuchung ergibt, dass eine Depression vorliegt, wird der Standard "Pflege von Bewohnern mit Depressionen" umgesetzt. Wenn zudem die Gefahr eines Selbstmordes besteht, wird der Standard "Pflege von suizidgefährdeten Bewohnern" umgesetzt. Selbst wenn der Bewohner nicht depressiv ist, ist eine lang anhaltende Traurigkeit immer auch ein Anlass, die Pflege und Betreuung zu überdenken. Ggf. können Gespräche und mehr menschliche Wärme den Bewohner wieder mehr in die Gegenwart bringen.

Dokumente:

    Pflegebericht Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

    alle Pflegekräfte