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Recht in der Pflege: Arbeitnehmerhaftung

Pflegekräfte haben mit Medizinern eines gemeinsam: Wenn sie Fehler machen, wachsen die Schadenersatzansprüche schnell in fünfstellige Bereiche. Doch während Ärzte gut versichert sind, riskieren viele Pflegekräfte jeden Tag ihre Existenz - oft ohne es zu ahnen.

Grundsätzlich kann ein Heimträger oder ein Pflegedienstbetreiber von einer Pflegekraft Schadenersatz verlangen, wenn diese ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Falls jedoch dem Arbeitgeber eine Mitschuld an dem entstandenen Schaden nachgewiesen wird, kann sich dieses haftungsmildernd auswirken. Etwa bei diesen (in der Pflege recht häufigen) Konstellationen:

  • Im QM-Handbuch einer Einrichtung fehlen wichtige Pflegestandards, etwa zum sicheren Patiententransfer, zur Wundbehandlung oder zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. Oder es fehlen andere wichtige Dokumente wie Desinfektions- oder Hygienepläne. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall der Pflegekraft die gebotenen Anweisungen nicht erteilt.
  • Gesicherte Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik werden nicht umgesetzt. In der Pflege sind dieses vor allem die neuen Expertenstandards, etwa zur Dekubitusvermeidung oder zur Sturzprophylaxe. Stattdessen wird in der Einrichtung durchweg gepflegt wie in den 70er Jahren, ohne dass die Heimleitung auf Modernisierung dringt.
  • Der Arbeitgeber weigert sich, die Pflegekräfte angemessen weiterzubilden, etwa durch Inhouse-Seminare oder externe Schulungen. Dieses ist etwa dann von besonderer Bedeutung, sobald die Einrichtung ihren Schwerpunkt ändert. Beispiel: Ein Wohnbereich für beatmete Menschen wird eingerichtet. Jetzt müssen die Pflegekräfte entsprechend fortgebildet werden.
  • Der Arbeitgeber überwacht die Arbeit seiner Pflegekräfte nicht oder nur unzureichend. Dieses ist etwa dann der Fall, wenn die letzte Pflegevisite schon zwei Jahre zurückliegt. Oder: Bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter werden der frisch angestellten Pflegekraft zwar alle wichtigen Handgriffe demonstriert, die selbständige Durchführung unter den Augen der Praxisanleiterin wurde jedoch vergessen.
  • Die Pflegekraft verfügt über mangelhafte Arbeitmaterialien. Etwa:
    • Der Patientenlifter ist defekt.
    • Händedesinfektionsmittel für die Pflegekräfte fehlt seit Wochen.
    • Das einzige Blutdruckmessgerät wurde gestohlen, als Ersatz dient ein privates, nicht geeichtes Gerät.
  • Die Pflegedienstleitung ist offensichtlich überfordert mit der Dienstplanung. Zum Frühdienst erscheinen deutlich mehr Pflegekräfte als notwendig. Dafür fehlen drei Mitarbeiter im Spätdienst. Die Übergabe fällt komplett aus; die Pflegekräfte arbeiten bis zum Abend in größter Hektik.
Welchen Anteil die Pflegekraft am entstandenen Schaden tragen muss, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Die Rechtsprechung definiert dieses als Haftungsbeschränkung. Sprich: Hat die Pflegekraft nur einen kleinen Flüchtigkeitsfehler begangen oder es "einfach mal drauf ankommen lassen"? Die Fehler werden in drei Stufen aufgeteilt:
  • Leichte Fahrlässigkeit. Die für die Pflegekraft mildeste Stufe ist die "leichte Fahrlässigkeit". Dazu gehört etwa ein Glas Cola, das in der Hektik vom Tisch gefegt wird oder eine Delle im Pflegefahrzeug beim Einparken (sofern dabei nicht gleichzeitig telefoniert wurde). Wenn es sich also um eine bloße Unaufmerksamkeit handelt, entscheiden Richter zumeist, dass der Arbeitnehmer nicht haftet.
  • Mittlere Fahrlässigkeit: Solche Fälle lassen sich nicht mehr damit entschuldigen, "dass dieses jedem mal passieren kann". Es handelt sich also um Fehler, die vermeidbar wären, wenn die Pflegekraft die gültigen Standards beachtet hätte, also etwa das Vertauschen von Medikamenten oder die Beschädigung eines Dienst-PCs. In solchen Fällen werden die individuellen Umstände des Unfalls bewertet. Der Schaden wird dann entsprechend aufgeteilt, z.B. ein Drittel trägt die Pflegekraft und zwei Drittel die Einrichtung. Verschiedene Faktoren werden dabei berücksichtigt, etwa:
    • die hierarchische Position der Pflegekraft (Leitungsebene oder Pflegehilfskraft)
    • Höhe des Gehalts im Verhältnis zur Schadenshöhe
    • persönliche Lebenssituation der Pflegekraft
    • das bisherige Verhalten der Pflegekraft (erstes Missgeschick oder x-ter Verstoß gegen Vorschriften)
    • Umstände des Ereignisses (ggf. hektische Notsituation mit wenig Zeit zum Überlegen)
  • Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz: Hier verstößt eine Pflegekraft wissentlich gegen klare Vorgaben der Heimleitung. Etwa: Eine Pflegekraft erscheint unter Drogeneinfluss zum Dienst und badet einen Bewohner in zu heißem Wasser. Oder: Ein Mitarbeiter eines ambulanten Dienstes wechselt während der Fahrt den Sender des Autoradios und verursacht dabei einen Unfall. Normalerweise müsste die Pflegekraft in diesem Fall den Schaden komplett selbst tragen, allerdings setzen Richter hier zumeist eine Höchstgrenze. Etwa dann, wenn der Schaden so groß ist, dass die Pflegekraft diesen vom eigenen Gehalt niemals im Leben begleichen kann. Zumeist wird dem Mitarbeiter nicht mehr als ein Jahresgehalt zugemutet. Zwei oder drei Monatgehälter wird die Pflegekraft bei grober Fahrlässigkeit aber immer tragen müssen.
Weitere wichtige Punkte:
  • Wenn der Arbeitgeber einem Bewohner oder Patienten Schadenersatz leisten muss, so kann er von der (für den Schaden verantwortlichen) Pflegekraft eine Rückerstattung fordern. Allerdings setzen Richter auch hier oftmals Höchstgrenzen. Eine solche Forderung ist nur dann möglich, wenn die Pflegekraft den Schaden vorsätzlich herbeiführte oder mittel bzw. grob fahrlässig handelte.
  • Der gegenteilige Fall: Eine Pflegekraft muss Schadenersatz an einen Patienten oder Bewohner zahlen. Falls der Schaden das Ergebnis einer nur leichten Fahrlässigkeit war, kann der Mitarbeiter die Summe vom Arbeitgeber zurückfordern.
  • Je nach Versicherungsschutz, der vom Arbeitgeber gestellt wird, kann es sinnvoll sein, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung und eine Berufsrechtschutzversicherung abzuschließen. Zum Beispiel bieten einige Berufsverbände, wie etwa der DBfK, ÖTV, Berufshaftpflichtversicherungen zu günstigen Konditionen an.