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Pflegebericht:
Mehr Mut zur Lücke!
In vielen Pflegeteams hält sich hartnäckig
der Mythos, dass täglich etwas in den Pflegebericht eingetragen
werden sollte. Wenn der Tag ereignisreich war, ist es sicherlich
kein großes Problem, die Spalte im Dokumentationsbogen sinnvoll
zu füllen. Doch was eintragen, wenn es ein völlig ereignisloser
Tag war?
Viele
Pflegekräfte behelfen sich mit sog. "Floskeleinträgen". Ein paar
Beispiele:
Patient geht es gut
keine
Beschwerden
keine
Besonderheiten
keine
besonderen Vorkommnisse
alles
in Ordnung
Patient war unauffällig
Versorgt nach Plan
Zustand wie gestern
Eine ganze
Reihe von Argumenten spricht gegen die Nutzung von
Floskeleinträgen.
Zunächst einmal haben sie keinen praktischen Nutzen für die
Kollegen aus anderen Schichten, die den Bericht lesen.
Zudem
verstopfen solche Floskeln den Pflegebericht. Wenn
seitenweise nur Belanglosigkeiten vermerkt werden, gehen die
wirklich relevanten Fakten unter. Dass manche Teams deswegen
dazu übergehen, die wichtigen Einträge mit Marker
hervorzuheben, ist dann der finale Offenbarungseid. Noch
deutlicher wird es, wenn man spaßeshalber einen
Pflegebericht fotokopiert und alle Floskeln herausstreicht.
In manchen Bögen bleibt - ohne Übertreibung - nichts übrig.
Zu welcher Bewertung wird der MDK dann wohl kommen?
Floskeln können sich auch bei Einstufungen rächen. Wenn ein
Patient über Wochen "unauffällig" und "in Ordnung" ist,
lässt sich ein erhöhter Pflegebedarf kaum begründen.
Insbesondere pflegeerschwerende Faktoren bei dementen
Senioren bedürfen einer soliden und stringenten Begründung,
die sich natürlich auch im Pflegebericht niederschlägt.
Zudem
werfen derartige Eintragungen oftmals Fragen auf. Ein
Beispiel: Im Pflegebericht steht "Patient geht es gut". Nun
fragt sich der Leser, ob es dem Patienten gestern etwa noch
schlecht ging. Er blättert zurück und sucht im Eintrag vom
Vortag Hinweise auf Unwohlsein. Erfolglos natürlich.
Nicht
besser ist eine Eintragung wie "versorgt nach Plan". Auch
hier steht die Frage im Raum, ob der Bewohner gestern etwa
nicht nach Plan versorgt wurde. Und warum findet sich über
diese Abweichung dann kein Eintrag vom Vortag? Dieses
Dilemma ließe sich nur lösen, wenn die Pflegekraft nun jeden
Tag "versorgt nach Plan" einträgt. Da aber im Pflegebericht
nur die Besonderheiten vermerkt werden sollten, wäre ein
solcher Routinevermerk kontraproduktiv.
Die
Pflegekraft muss sich den Vorwurf gefallen lassen, keine
ausreichende Krankenbeobachtung durchzuführen. Denn Einträge
wie "keine Besonderheiten" oder "keine Auffälligkeiten" sind
schlicht falsch. Der Zustand eines Patienten ändert sich
jeden Tag etwas. Er schläft mal gut, mal schläft er unruhig.
Mal ist er gut gelaunt, dann wieder schlecht. Mal spricht er
mehr, mal ist er schweigsam. Mal muss er getröstet werden.
Mal gibt es Kontroversen. Es wird gelacht oder geweint. Der
Patient stellt Fragen. Selbst bei einem Wachkomapatienten
lässt sich mit etwas Beobachtungsgabe die Tageskonstitution
herausarbeiten. Ob die Erkenntnisse hinreichend relevant für
eine Eintragung sind, steht auf einem anderen Blatt. Der
Vermerk "alles wie immer" ist jedoch in jedem Fall
unangemessen.
Zudem
spricht aus solchen "Floskeleinträgen" ein einseitiger
Denkansatz. Dokumentiert werden bevorzugt Probleme, also
Gesundheitsverschlechterungen oder
Verhaltensauffälligkeiten. Ebenso wichtig jedoch ist auch
das Positive. Auch kleine Fortschritte sind im Zweifel einen
Eintrag im Pflegebericht wert. Nicht ohne Grund gibt es bei
der Pflegeplanung sowohl Pflegeprobleme als auch Ressourcen.
Im
Pflegebericht spiegelt sich auch das Pflegeverständnis
wider. Welchen Eindruck bekommt der Leser, wenn es im
Pflegebericht immer nur um "körperliche" Schwerpunkte geht,
also bevorzugt um die Themen Verdauung, Schmerzen,
Medikamente, Bewegung usw.? Wo bleiben soziale oder
psychische Faktoren? Und insbesondere kirchlich geprägte
Pflegeeinrichtungen sollten geistige, weltanschauliche und
religiöse Aspekte berücksichtigen.
Wi
e
also geht es besser?
-
Grundsätzlich gilt: Beobachten Sie den Patienten oder reden
Sie mit ihm. Oft erfahren Sie dann eine Besonderheit.
Stellen Sie sich dann folgende Fragen:
Über welche Themen haben Sie mit dem Patienten
gesprochen? Oft ergibt sich hier ein pflegerischer
Bezug. Nutzen Sie auch Zitate.
Zeigte der Patient ungewöhnliche Reaktionen? Dieses etwa
bei Pflegemaßnahmen, bei denen es sonst keine oder nur
unmerkliche Reaktionen gibt.
Beispiel:
Der Patient gibt an, dass er heute besonders gut
geschlafen hätte. (Die Angabe "besonders" ist wichtig.
Anderenfalls kommt die Frage auf, ob der Patient denn
sonst schlecht schläft.)
Beim Waschen am Waschbecken konnte Hr. Müller seinen
Oberkörper eigenständig mit dem Waschlappen säubern. Ich
habe ihn gelobt.
Während des Waschens wirkte Hr. Maier ungewöhnlich wach.
Sein Blick folgte mir. Er schien mich aktiv zu beobachten.
Die Patientin sagt, dass sie sich sehr auf den morgigen
Besuch ihrer Enkel freut.
Während Fr. Müller auf meine morgendliche Begrüßung
sonst nicht reagiert, antwortete Sie heute mit "guten
Morgen" und einem Lächeln.
Der Patient wirkt nach der Zahnarztbehandlung sehr
erschöpft. Er nahm an der Gymnastikgruppe nicht teil.
Herr Müller griff nach Abschluss der Ganzkörperwaschung
nach meiner Hand und hielt sie für einige Sekunden fest.
Die Patientin gibt an, dass sie heute Nacht schreckliche
Albträume gehabt hätte. Sie spricht danach über ihre
Erlebnisse aus der Nachkriegszeit.
Reservieren Sie den Pflegebericht ausschließlich für
relevante Beobachtungen. Wenn es wirklich keine hinreichend
bedeutenden Auffälligkeiten oder Veränderungen gibt, bleibt
der Eintrag leer. Bei manchen Kollegen mögen sich beim
Anblick eines leeren Feldes die Haare sträuben. Aber das
gibt sich mit der Zeit. Haben Sie Mut zur Lücke!
Natürlich sollte die Berichtsspalte nicht wochenlang leer
bleiben. Einen konkreten Turnus geben weder der Gesetzgeber
noch der MDK vor. Daher muss jedes Pflegeteam eigene
Regelungen finden.
Wir raten bei stationären Einrichtungen zu folgender
Faustregel:
Pflegestufe eins: 1 bis 2 Einträge pro Woche
Pflegestufe zwei: 2 bis 3 Einträge pro Woche
Pflegestufe drei: 3 bis 5 Einträge pro Woche
Gibt
es über Wochen hinweg deutlich mehr oder deutlich weniger
Einträge als im o.g. Schwellenwert definiert, sollte die
eintragende Pflegekraft dieses begründen können. Bei einem
immobilen Patienten der Pflegestufe drei wird es weniger zu
berichten geben als bei einem dementen aber hochmobilen
Senioren der Stufe eins, der jeden Tag etwas anderes
"anstellt".
Im ambulanten Bereich ist eine Differenzierung nach
Einsätzen pro Tag sinnvoller. Hier wäre folgende Einteilung
denkbar:
ein Einsatz pro Tag: 1 bis 2 Einträge pro Woche
zwei Einsätze pro Tag: 2 bis 3 Einträge pro Woche
drei Einsätze pro Tag: 3 bis 5 Einträge pro Woche
Zudem
gilt: Jede Abweichung vom Alltag, jede Besonderheit und
jedes unerwartete Vorkommnis erfordern einen Vermerk im
Berichtsblatt.
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