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Standardpflegeplan "Belastungs- und Stressinkontinenz"

Stressinkontinenz zählt zu den Altersleiden, die viele weibliche Pflegekräfte aus leidvoller Erfahrung selbst kennen. Dann nämlich, wenn sie bereits ein Kind bekommen haben - und Monate brauchten, um beim Lachen und Niesen keinen Urin mehr zu verlieren.


Standardpflegeplan "Belastungs- und Stressinkontinenz"


Eine Belastungs- oder Stressinkontinenz liegt vor, wenn die Harnröhre unzureichend verschlossen wird und gleichzeitig eine plötzliche Drucksteigerung im Bauchraum auftritt. In solchen Situationen kommt es zu einem tropfen- oder spritzförmigen Urinabgang. Verursacht wird die Stressinkontinenz durch eine Schwächung des Schließmuskelsystems am Blasenauslass. Die Belastungsinkontinenz wird in drei Schweregrade eingeteilt:

  • 1. Stadium: Harnabgang beim Lachen, Niesen oder Husten
  • 2. Stadium: Harnabgang bei leichter körperlicher Belastung, etwa beim Aufstehen oder Bücken
  • 3. Stadium: Harnabgang auch beim Stehen oder Liegen, also ohne konkreten Auslöser
Anmerkung:
  • Standardpflegepläne geben für spezielle Pflegeprobleme die typischen pflegerischen Maßnahmen vor, so etwa wie in diesem Beispiel für die Stressinkontinenz. Standardpflegepläne umfassen generelle und potentielle Pflegeprobleme, Pflegemaßnahmen und Pflegeziele.
  • Aus diesem Grund erleichtert ein Standardpflegeplan zwar die Pflegedokumentation, aber er ersetzt auf keinen Fall eine individuelle auf den Bewohner / Patienten bezogene Pflegeplanung.
  • Jede Pflegefachkraft ist gehalten, diese generellen Pflegeprobleme, Pflegemaßnahmen und Pflegeziele auf Relevanz zu überprüfen und auf die individuellen Einschränkungen und Ressourcen des jeweiligen Bewohners / Patienten anzupassen. Wichtig ist auch beim Einsatz von Standardpflegeplänen, diese in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten, da sie immer auf dem aktuellen Stand sein sollten.  

Pflegeproblem

Pflegemaßnahmen

Pflegeziel


Sich bewegen


  • Der Bewohner verliert Harn, wenn er schwere Gegenstände anhebt.
  • Der Bewohner verliert Harn, wenn er Treppen steigt.

  • Der Bewohner wird über die Zusammenhänge informiert.
  • Gemeinsam prüfen wir, bei welchen Bewegungen der Bewohner Harn verliert. Diese Bewegungen sollte der Bewohner ggf. meiden.
  • Wir empfehlen dem Bewohner den Aufzug zu nehmen. Der Bewohner wird mit geeigneten Vorlagen versorgt.

  • Der Bewohner kennt die Bewegungen, bei denen er Harn verliert. Diese meidet er.

Vitale Funktionen des Lebens aufrecht erhalten


  • Der Bewohner nimmt Medikamente ein, deren Nebenwirkungen den Blasenschließmuskel schwächen oder auf sonstige Weise eine Stressinkontinenz begünstigen.

  • Wir überprüfen, welche Medikamente die Inkontinenz auslösen könnten. In Frage kommen:
    • Schlafmittel
    • Beruhigungsmittel
    • Antidepressiva
    • Kalziumantagonisten
    • blutdrucksenkende Mittel
    • Medikamente gegen Allergien
    • Entwässerungsmittel
    • Herzmittel
    • Anticholinergika
    • Beta-Blocker
  • Gemeinsam mit dem Hausarzt suchen wir nach alternativen Wirkstoffen.

  • Die Medikamentierung wird soweit angepasst, dass sie die Inkontinenz nicht zusätzlich begünstigt.

  • Die Bewohnerin leidet unter einem Mangel an Östrogen.
  • Die Bewohnerin erhält eine Östrogentherapie.

  • Wir prüfen, ob eine Östrogentherapie sinnvoll wäre. Östrogene können als Zäpfchen, als Pflaster oder als Tabletten zugeführt werden.
  • Die Medikamente werden sorgfältig nach den Vorgaben des Arztes eingenommen. Etwaige Nebenwirkungen werden beobachtet und dokumentiert. Zu rechnen ist mit:
    • Hautreaktionen
    • Hautjucken
    • Schwindel
    • Depression
    • gastrointestinale Störungen
    • Gelbsucht
    • Ödeme
    • Gewichtszunahme

  • Der Östrogenmangel wird korrigiert.

  • Die Bewohnerin leidet unter einer Beckenbodenschwäche. Dieses etwa dann, wenn sie im Laufe ihres Lebens Kinder geboren hat.

  • Die Bewohnerin wird über die Funktion des Beckenbodens beim Blasenverschluss informiert.
  • Der Bewohnerin werden Übungen zur Beckenbodengymnastik demonstriert. Wir fordern sie auf, diese mehrmals täglich durchzuführen und assistieren ggf. dabei.
  • Wir prüfen, ob ein Biofeedback-Training sinnvoll ist: Durch das Biofeedback wird das Beckenbodentraining kontrolliert. Die Bewegungen der Muskelgruppen werden hörbar oder sichtbar gemacht. Dieses erhöht den Lerneffekt.
  • Wir prüfen, ob eine Elektrostimulation sinnvoll wäre. Die Muskulatur des Beckenbodens wird mittels Elektroden stimuliert. Diese Technik steigert einerseits den Verschlussdruck und verbessert gleichzeitig die Kontrollfähigkeit der Schließmuskeln. Vor allem bei leichten bis mittelschweren Verläufen ist diese Technik sinnvoll. Innerhalb von einem bis zwei Monaten sollte eine spürbare Verbesserung der Symptomatik auftreten.
  • Wir prüfen, ob die Bewohnerin mit Gewichtsklonen trainieren sollte. Diese werden in die Scheide eingeführt. Durch die Muskelkraft soll die Bewohnerin nun ein Herausfallen der Gewichte verhindern.

  • Eine Beckenbodenschwäche wird überwunden.
  • Ist dieses nicht möglich, wird zumindest ein Fortschreiten der Symptomatik gebremst.  

  • Die Lage der inneren Genitalorgane ist krankhaft verändert.
  • Die Bewohnerin leidet unter einem Uterusprolaps (Gebärmuttersenkung) oder unter einem Abknicken der Harnleiter.

  • Ggf. wird ein Pessar genutzt. Dabei wird ein Metall-, Gummi- oder Kunststoffkörper (meist ring- oder schalenförmig) in die Scheide eingesetzt. Das Pessar stützt die inneren Genitalorgane und korrigiert so deren Lage. Zudem wird im Stehen und beim Gehen der Beckenboden trainiert.
  • Häufig lässt sich die Kontinenz nur durch eine Operation wiederherstellen. Wir bereiten die Bewohnerin auf den Eingriff vor. Wir schützen sie gleichzeitig vor falschen Heilungsversprechen. Häufig werden von Kliniken Heilungschancen von 90 Prozent versprochen. Tatsächlich weisen aktuelle Studien eher auf einen Wert um die 50 Prozent hin.

  • Die Lage der inneren Genitalorgane wird korrigiert.

Sich pflegen


  • Der Bewohner lehnt das Tragen von Inkontinenzmaterial ab. Die Haut des Bewohners ist angegriffen als Folge des häufigen Kontakts mit Urin.

  • Nach jedem Urinkontakt wird die Haut schonend gereinigt. Wir nutzen dafür lauwarmes, klares Wasser.
  • Der Säureschutzmantel der Haut wird durch geeignete Wasserzusätze verstärkt. Wir nutzen dafür z.B. Essig oder Zitronensaft (1 EL pro Waschschüssel).
  • Hautreinigungsmittel werden nur dann eingesetzt, wenn die Haut stark verschmutzt ist (etwa bei zusätzlicher Stuhlinkontinenz).
  • Waschlappen werden immer nur einmal genutzt.
  • Die Haut wird gründlich getrocknet, dabei aber nicht gerubbelt oder gefönt, sondern vorsichtig trocken getupft.
  • Die Hautpflege erfolgt vornehmlich durch W/O-Präparate.
  • Ggf. nutzen wir Hautprotektoren.
  • Wir nutzen keine Babypflegeartikel.
  • Wir nutzen keine abdeckenden Salben, Öle oder Pasten. Dieses vor allem, da sie die Hautbeobachtung behindern.

  • Die Haut des Bewohners bleibt trotz der Inkontinenz intakt und widerstandsfähig.

Essen und trinken


  • Der Bewohner nimmt gegen die Harninkontinenz eigenständig Nahrungsmittelergänzungspräparate ein, die in Zeitschriften und im Fernsehen beworben werden.

  • Wir machen den Bewohner darauf aufmerksam, dass diese Mittel bei Stressinkontinenz keinen nachweisbaren Nutzen haben und letztlich Geldverschwendung sind.

  • Der Bewohner verschwendet keine finanziellen Ressourcen für wirkungslose Präparate.

  • Der Bewohner leidet an Obstipation. Die Kotballen führen zu einer Überdehnung des Beckenbodens.

  • Die Obstipation wird konsequent behandelt.
  • Durch eine umfassende Obstipationsprophylaxe werden weitere Verstopfungen in Zukunft vermieden.

  • Die Obstipation wird behandelt.

  • Der Bewohner leidet unter Übergewicht, das wiederum die Harninkontinenz begünstigt.

  • Wir informieren den Bewohner über die Zusammenhänge zwischen Übergewicht und Harninkontinenz.
  • Der Bewohner erhält ggf. Reduktionskost.
  • Wir streben einen normalen BMI an.

  • Der Druck auf die Blase wird reduziert.
  • Die Kontinenz wird wieder hergestellt.

Ausscheiden


  • Der Bewohner verliert ungewollt Urin. Er nutzt kein Inkontinenzmaterial.

  • Bei Männern kann ein Kondomurinal genutzt werden. In Kombination mit einem Unterschenkelholster kann die Inkontinenz vollständig verborgen werden.
  • Bei Frauen bleibt als letzte Möglichkeit die Nutzung eines Blasenverweilkatheters. Der Blasenkatheter wird über die Harnröhre in die Harnblase eingeführt. Der Urin kann über das Schlauchsystem abfließen. (Hinweis: Der Einsatz von Blasenverweilkathetern ist umstritten.)
  • Alternativ zum Kondomurinal und dem Blasenverweilkatheter können ggf. externe Urinableiter genutzt werden. Diese bestehen aus einer Basisplatte, einem Kunststoffbeutel und einem Anschluss für den Abflussschlauch. Der Urinableiter kann bei mobilen Frauen nicht genutzt werden.
  • Wir prüfen, ob die Bewohnerin einen Harnröhreneinsatz erhalten soll. Es handelt sich dabei um einen sterilisierten Schlauch mit blockbarem Ballon. Die Harnröhre wird damit für jeweils maximal sechs Stunden versperrt. Die Durchführung erfordert ein hohes Maß an Hygiene. (Hinweis: Der Einsatz von Hilfsmitteln zum Verschluss der Harnröhre ist umstritten.)
  • Bei Männern kann es sinnvoll sein, einen künstlichen Sphinkter (Schließmuskel) zu implantieren. Hierbei droht allerdings eine Abstoßungsreaktion.

  • Der Urin wird sicher aufgefangen.

  • Es ist nicht sicher, ob überhaupt eine Stressinkontinenz vorliegt.

  • Eine Harnwegsinfektion muss ausgeschlossen werden. Dafür wird der Bewohner einem Facharzt vorgestellt (Frauenarzt / Urologe). Wir führen im Vorfeld des Arzttermins über einen Zeitraum von mindestens drei Tagen ein Miktionsprotokoll.
  • Wir führen einen sog. "Stresstest" durch.
    • Die Bewohnerin soll viel Flüssigkeit zu sich nehmen und die Blase mit mindestens 200 ml füllen.
    • Die Bewohnerin stellt sich breitbeinig hin oder spreizt die Beine im Sitzen.
    • Die Pflegekraft spreizt die Schamlippen auseinander. Die Bewohnerin hustet einmal kräftig.
    • Wenn parallel zum Hustenstoß Harn austritt, liegt mit einiger Sicherheit eine Stressinkontinenz vor.

  • Eine Stressinkontinenz wird korrekt als solche erkannt.

  • Das Ausmaß der Stressinkontinenz ist nicht bekannt.

  • Die Miktion wird sorgfältig überwacht. Wir sammeln Informationen:
    • Bei welchen Tätigkeiten oder Anlässen verliert der Bewohner Urin?
    • In welcher Menge verliert der Bewohner Urin?
    • Gibt es Tageszeiten, in denen die Symptomatik stärker ist?

  • Das Ausmaß der Inkontinenz wird korrekt abgeschätzt.

  • Der Bewohner geht selten auf die Toilette. Seine Blase ist daher häufig stark gefüllt. Schon geringe Auslöser (Niesen oder Husten) reichen dann, um ungewollt Harn zu verlieren.

  • Wir erinnern den Bewohner regelmäßig an den Toilettengang.
  • Ähnlich wie beim Toilettentraining kann auch ein Wecker gestellt werden.

  • Die Blase wird durch regelmäßige Toilettengänge entlastet.

  • Der Bewohner meint, dass die ausgeschiedene Urinmenge das Tragen von Inkontinenzmaterial nicht rechtfertigt. Tatsächlich aber ist die Unterhose des Bewohners in unregelmäßigen Abständen durchfeuchtet.

  • Wir verdeutlichen dem Bewohner, welche gesundheitlichen Gefahren von dieser Entscheidung ausgehen:
    • Die Haut wird durch den Kontakt mit dem Urin geschädigt.
    • Durch die Verdunstung des Urins wird der Intimregion Wärme entzogen und diese ausgekühlt. Es drohen Infektionen.
    • Ggf. akzeptiert der Bewohner zumindest die Nutzung einer deutlich kleineren Vorlage. Diese sind bei leichten Verlaufsformen zumeist ausreichend.
    • Die Akzeptanz wird gefördert, wenn der Bewohner in der Lage ist, die Vorlagen eigenständig zu wechseln.
    • Die Vorlagen sollten mit einem Klebehaftstreifen zur Fixierung in der Unterhose versehen sein.
    • Wichtig sind ein Gelkern zur Feuchtigkeitsaufnahme, ein seitlicher Auslaufschutz und luftdurchlässiges Material.
  • Bei Männern mit Stressinkontinenz ist häufig ein sog. "Tropfenfänger" ausreichend. Dieser wird über Penis und Hodensack gezogen und kann zwischen 50 bis 80 ml aufnehmen.

  • Der Bewohner akzeptiert das Inkontinenzmaterial.

Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten


  • Der Sexualpartner wird durch die Inkontinenz abgestoßen.

  • Wir regen an, dass sich beide Partner zum Thema aussprechen.
  • Wir bieten an, dass wir die tägliche Intimwäsche in den Abend (und somit unmittelbar vor den Geschlechtsverkehr) verlegen.

  • Das Intimleben und die Paarbeziehung bleiben intakt.

Soziale Bereiche des Lebens sichern


  • Der Bewohner hat Angst, dass Freunde und Mitbewohner die Inkontinenz bemerken (insbesondere riechen).

  • Wir informieren den Bewohner über die Möglichkeiten moderner Inkontinenzversorgung.
  • Viele Vorlagen verwenden Geruchsbinder. Diese bremsen die bakteriellen Zersetzungsprozesse und reduzieren die Geruchsbildung deutlich.
  • Wir versprechen dem Bewohner, dass wir ihn rechtzeitig auf unangenehme Gerüche aufmerksam machen.

  • Die sozialen Kontakte bleiben trotz der Inkontinenz erhalten.

Mit existentiellen Erfahrungen des Lebens umgehen


  • Der Bewohner leugnet die Inkontinenz innerlich.
  • Der Bewohner entwickelt Schuldgefühle und Aggressionen gegen sich selbst.

  • Der Bewohner erhält psychosoziale Betreuung und Beratung.
  • Wir bauen ein Vertrauensverhältnis zum Bewohner auf und setzen konsequent auf das System der Bezugspflege.
  • Wir achten auf die Wahrung der Intimsphäre bei allen Pflegemaßnahmen.
  • Der Bewohner sollte Pflegemaßnahmen nach Möglichkeit eigenständig vornehmen.

  • Die psychische Belastung wird reduziert.