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Standard "Pflege
von Senioren mit Polyneuropathie"
Rund 200 Ursachen für Polyneuropathie hat
die Medizin bis heute gefunden. Doch zwei Faktoren stechen
heraus: Diabetes mellitus und Alkoholismus. Allein eine Million
Fälle sind die Folge der Zuckerkrankheit. Wir zeigen Ihnen,
welche Faktoren bei der Pflege von Betroffenen bedacht werden
müssen.
Standard "Pflege von Senioren mit Polyneuropathie"
Definition:
Die Nervenstränge
und -fasern des peripheren Nervensystems sind für eine Vielzahl
verschiedenster Funktionen zuständig. Sie regulieren etwa die sensible
Wahrnehmung, leiten also die Empfindungen über Schmerz, Kälte, Wärme und
Berührungen weiter. Über die motorischen Nerven kontrolliert der Körper
die Bewegungen der Muskeln. Zudem leiten sie Informationen über die
räumliche Lage der Gliedmaßen weiter, also etwa in welcher Position sich
ein Bein aktuell befindet. Vegetative Fasern schließlich steuern die
Funktionen von Organen, regulieren aber auch z.B. die Weitung und
Verengung der Blutgefäße. Aufgrund dieser großen Bandbreite an Aufgaben
kann eine Schädigung dieser Nerven zu sehr unterschiedlichen Symptomen
führen.
Die Polyneuropathie
ist keine eigenständige Krankheit, sondern die Spätfolge einer anderen
Erkrankung oder sonstigen Gesundheitsschädigung. Sie ist in der Hälfte
der Fälle die Folge von
Diabetes
mellitus und
chronischem
Alkoholismus
weitere Auslöser
können sein:
Niereninsuffizienz oder Gicht
Medikamentenmissbrauch
Unverträglichkeit von Antibiotika
Zeckenstich (Lyme-Krankheit),
Virusinfektionen wie HIV
Metallvergiftungen (etwa mit Blei, Arsen oder Quecksilber)
Krebserkrankungen (vor allem Bronchialkarzinom)
hämatologische
Erkrankungen
Durchblutungsstörungen
Grundsätze:
Eine Gabe von
Vitaminpräparaten ohne nachgewiesenen Mangelzustand ist nicht
sinnvoll.
Polyneuropathien sind oft mit großen Schmerzen verbunden. Daher ist
die Versorgung mit Analgetika ein entscheidender Faktor für die
Lebensqualität des Bewohners. Die medikamentöse Schmerztherapie
erfolgt in enger Absprache mit dem Arzt.
Ziele:
Die Ursache
der Polyneuropathie wird ermittelt.
Das weitere
Fortschreiten der Erkrankung wird vermieden oder verzögert.
Vorhandene
Fähigkeiten des Bewohners werden erhalten. Verlorene Fähigkeiten
werden zurück gewonnen.
Die
Schmerzbelastung des Bewohners wird auf ein Minimum reduziert.
Vorbereitung:
Wir achten auf
Symptome, die auf eine Polyneuropathie hinweisen. Zu Beginn der
Krankheit sind äußerlich noch keine Veränderungen festzustellen,
allerdings wird der Bewohner zunehmend über Missempfindungen klagen. Die
Beschwerden treten zumeist symmetrisch auf, also auf beiden
Körperseiten. Etwa:
Ein Kribbeln
in den Händen und Füßen, als würden Ameisen darüber krabbeln.
Der Bewohner
hat das Gefühl, Handschuhe oder Strümpfe anzuhaben.
Die Füße sind
kalt, als würden diese im Eis stecken.
Es kommt zu
stechenden Schmerzen in den Händen und in den Füßen. Der Bewohner
leidet unter Wadenkrämpfen.
Die
Temperatur- und Berührungsempfindlichkeit in diesem Bereich lässt
nach.
Im weiteren Verlauf
der Polyneuropathie werden die Auswirkungen zunehmend sichtbar:
Der Bewohner
läuft scheinbar ziellos im Wohnbereich herum. Er leidet unter "burning
feet", also Schmerzen, die sich durch Bewegung bessern.
Die
Anfälligkeit für Ulcus cruris und Nagelpilzerkrankungen steigt.
Der Bewohner
leidet unter Ataxie und anderen Koordinationsstörungen. Der Bewohner
klagt über ein Schwächegefühl in den Beinen; dieses vor allem in der
Großzehen- und in der Fußhebermuskulatur. Die Folge sind ein
unsicheres Gehen und ein instabiler Stand. Die Feinmotorik in den
Händen ist eingeschränkt.
Die
Schweißbildung ist vermindert.
Der Bewohner
verliert die Kontrolle über die Blasen- und über die Darmentleerung.
Der Bewohner
klagt über Herzrasen (Tachykardie) auch im Ruhezustand sowie über
eine veränderte Pupillenmotorik.
Weiteres:
Das Ausmaß der
Schädigung kann mittels verschiedener Sensibilitätstests ermittelt
werden. Geprüft wird, ob der Körper auf Kälte- oder Wärmereize
reagiert und ob der Kontakt mit stumpfen oder spitzen Gegenständen
registriert wird. Per Stimmgabeltest wird kontrolliert, ob der
Bewohner an den Füßen Vibrationen wahrnehmen kann.
Der Hausarzt
muss über alle relevanten Beobachtungen informiert werden.
Durchführung:
ärztliche, medikamentöse und therapeutische Behandlung
Da die
Polyneuropathie zumeist Folge einer anderen Grunderkrankung ist, wird
diese konsequent behandelt. Etwa:
Vitamin-B-Präparate bei eindeutigem Mangel als Folge einer
Fehlernährung oder verminderter Resorption
Verzicht auf
Alkoholkonsum
konsequente
Behandlung eines Diabetes mellitus mit Insulin
Zusätzlich prüfen
wir, inwieweit sich die Symptome bessern lassen. Wir nutzen:
Alpha-Liponsäure
gegen die Sensibilitätsstörungen (umstrittenes Vorgehen)
Carbamazepin
bei neuralgieähnlichen Schmerzen (hemmt die synaptische
Reizübertragung)
Krankengymnastik, damit der Bewohner weiterhin alle im Alltag
wichtigen Bewegungen ausführen kann
Nervenstimulation mit elektrischem Strom ("TENS", transkutane
Nervenstimulation)
-
Wir
bitten den Arzt um eine entsprechende Bedarfsmedikation zur
Schmerzbehandlung. Rezeptfreie Schmerzmittel zeigen bei Patienten
mit einer Polyneuropathie zumeist keine ausreichende Wirkung.
Pflegemaßnahmen
Wir beobachten
das Verhalten des Bewohners und dokumentieren seinen Zustand.
Relevant sind insbesondere Empfindungsstörungen, Muskelschwäche,
Inkontinenz, Schmerzbelastung und Nebenwirkungen der Medikamente.
Der Bewohner
ist nur noch eingeschränkt in der Lage, Schmerzreize zu bemerken und
darauf zu reagieren. Daher können verschiedene Körperbereiche
anhaltendem Druck ausgesetzt sein. Dieses führt zur Bildung von
Dekubitalgeschwüren. Die im Prophylaxestandard vorgegebenen
Maßnahmen werden daher sorgfältig umgesetzt.
Die
Wundheilung des Bewohners ist reduziert. Folglich müssen
Verletzungen strikt vermieden werden. Insbesondere ist bei der
Fußpflege große Vorsicht erforderlich.
Druckstellen,
Hühneraugen, Einrisse und vor allem beginnende Geschwüre sollten
umgehend vom Arzt untersucht werden.
Der Bewohner
erhält vitaminreiche und fettarme Kost. Eine vollwertige Mischkost
kann die Genesung fördern, da sie die allgemeine Abwehrlage des
Körpers verbessert.
Die
Sturzgefährdung ist erhöht. Daher werden die im Prophylaxestandard
genannten Maßnahmen sorgfältig umgesetzt.
Wir nutzen
Wickel, Wärmeanwendungen und insbesondere Bewegungsbäder. Achtung:
Heißes oder kaltes Wasser ist ein Risiko. Da die
Temperaturempfindlichkeit oft stark reduziert ist, kann es zu
Verbrühungen oder Erfrierungen kommen, ohne dass es der Bewohner
rechtzeitig bemerkt.
Wir stehen dem
Bewohner stets für ein entlastendes Gespräch zur Verfügung. Ggf.
vermitteln wir den Kontakt zu einem Psychologen oder zu einer
Selbsthilfegruppe.
Nachbereitung:
allgemeine Maßnahmen
Alle
Maßnahmen und Beobachtungen werden lückenlos dokumentiert.
Die
Pflegeplanung wird ggf. aktualisiert.
Prognose
Die Aussichten
sind abhängig von der Anzahl der betroffenen Nervenbahnen. Ist deren
Zahl gering, ist die Prognose günstig.
Wenn die
Therapie schnell und umfassend eingeleitet wird, gehen die Symptome
oftmals im Laufe mehrerer Monate zurück. Da der Bewohner
gleichzeitig Strategien entwickelt, um mit den Beschwerden
umzugehen, halten sich die Einbußen bei der Lebensqualität in
Grenzen.
Eine durch
Alkohol ausgelöste Polyneuropathie bildet sich schrittweise zurück,
sobald der weitere Konsum des Nervengifts eingestellt wird.
Die
diabetische Polyneuropathie lässt sich durch eine optimale
Einstellung des Blutzuckers vermeiden oder zumindest lindern.
-
Wenn
keine Ursache für die Polyneuropathie gefunden werden kann oder
falls die Behandlung zu keiner ausreichenden Besserung führt, löst
dieses bei vielen Betroffenen Verunsicherung, Angst oder
Depressionen aus.
Dokumente:
Wunddokumentation
Berichtsblatt
ärztliches
Verordnungsblatt
Kommunikationsblatt mit dem Arzt
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
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