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Recht in der
Pflege: Wer haftet bei Organisationsmängeln?
In vielen Pflegeteams regiert die
Mangelwirtschaft. Immer weniger Mitarbeiter müssen immer mehr
leisten. Hilfskräfte ersetzen examiniertes Personal. An allen
Enden wird gespart. Manch einer fragt sich: Wie lange geht das
noch gut? Und wer haftet eigentlich bei einem Zwischenfall?
Zunächst liegt die
Organisationsverantwortung bei der Geschäftsführung der
Einrichtung, geht dann aber auf die Pflegedienstleitung, die
Wohnbereichsleitung und die Schichtleitung über. Diese
Führungskräfte sind im Rahmen ihrer Kompetenzen dafür
verantwortlich, dass ausreichend Pflegekräfte zur Verfügung
stehen und dass diese für ihre Aufgaben ausreichend qualifiziert
sind.
Was bedeutet das also etwa für eine Pflegedienstleitung?
-
Sie muss die Mitarbeiter korrekt auswählen, sorgfältig
anleiten und deren Arbeitsleistung überwachen. Eine sichere
Pflege, Betreuung und Versorgung muss permanent
gewährleistet sein.
-
Wenn es zu einem Unfall kommt, kann sich eine
Führungskraft nur dann entlasten, wenn alle im Rahmen des
Qualitätsmanagements erforderlichen Maßnahmen belegt werden
können. Doch wie kann dieser Nachweis gelingen? Ein
möglicher Weg sind Pflegevisiten. Die Pflegedienstleitung
macht sich dabei ein eigenes Bild von den Fähigkeiten und
ggf. vorhandenen Qualifikationslücken jedes ihr
unterstellten Mitarbeiters. Die Maßnahme sollte per
Protokoll schriftlich festgehalten werden.
-
Die Führungskraft muss korrekte und verständliche
Anordnungen geben und die Pflegekräfte über deren Aufgaben
informieren. Dieses geschieht in der Regel durch mündliche
Weisungen. Die Anordnungen müssen inhaltlich richtig,
vollständig und rechtzeitig gegeben werden.
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Möglich ist auch eine schriftliche Form, etwa über
Dienstanweisungen oder Standards. Wichtig ist dabei der
Nachweis, dass die Mitarbeiter die Anweisungen erhalten
haben und Zugriff auf alle für die Pflege relevanten
Dokumente haben. Standards sollten im QM-Handbuch gesammelt
werden, das allen Mitarbeitern zugänglich ist.
Ein Organisationsverschulden ist immer dann gegeben, wenn
durch eine fehlerhafte Organisation die korrekte Betreuung der
Bewohner oder Patienten nicht mehr gesichert ist und auf diese
Weise ein Senior zu Schaden kommt.
Beispiel: Das Pflegeheim "zur Mühle" verfügt derzeit
nicht über ausreichend examiniertes Personal. Daher wird der
Nachtdienst mit Pflegehilfskräften abgedeckt. Bewohner
Gustav K. liegt im Wachkoma und ist nicht in der Lage
abzuhusten. Das Sekret behindert seine Atmung, er droht zu
ersticken. Beim hektischen Versuch,
Gustav K. abzusaugen, kommt es zu Blutungen in der
Luftröhre.
Ein klarer Fall von Organisationsverschulden. Die Einrichtung
muss auch den Nacht- und Wochenenddienst so organisieren, dass
für Bewohner keine Gefährdung auftreten kann.
Beispiel: Der adipöse Bewohner Hubertus G. soll
gebadet werden. Der Badewannenlifter ist seit einigen Wochen
defekt, obwohl die Heimleitung über den Schaden informiert
ist. Pflegekraft Gudrun E. soll den Bewohner in die Wanne
heben, die Unterstützung durch eine Pflegehilfskraft wird
ihr verweigert. Beim Transfer fällt Hubertus G. auf die
Kante der Wanne und bricht sich den Schenkelhals.
In diesem Fall liegt ebenfalls ein Organisationsverschulden
vor. Die Einrichtung ist nicht nur für den Einsatz des Personals
verantwortlich, sondern auch für die Bereitstellung und Nutzung
von Pflegehilfsmitteln.
Beispiel: Im Pflegeheim "zur Blume" wird der
Nachtdienst zwar von einer Pflegefachkraft geleistet, diese
ist aber oftmals allein. Schon mehrfach hat Nachtwache
Margitta P. den Träger erfolglos darauf aufmerksam gemacht,
dass in ihrer Pause der Wohnbereich zeitweise
unbeaufsichtigt bleibt. Während einer Nachtschicht verlässt
die Pflegekraft in ihrer Pause den Wohnbereich, um im
Innenhof eine Zigarette zu rauchen. In dieser Zeit erleidet
die Bewohnerin Paula T. einen Herzinfarkt. Das
Klingelzeichen bleibt für 15 Minuten unbeachtet.
Auch in diesem Fall wird das Heim haften müssen, da ein
Organisationsverschulden vorliegt. Die Leitung hätte den
Nachtdienst anders organisieren müssen. Der Nachtwache selbst
kann kein Vorwurf gemacht werden.
Rechtsbezug:
§ 823 BGB / Schadensersatzpflicht
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den
Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum
oder ein sonstiges Recht eines anderen
widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz
des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen,
welcher gegen ein den Schutz eines anderen
bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt
des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne
Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur
im Falle des Verschuldens ein.
§ 831 BGB / Haftung für den Verrichtungsgehilfen
Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt,
ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der
andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten
widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht
ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der
bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder
Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der
Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder
der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung
dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Die gleiche Verantwortlichkeit trifft
denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die
Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten
Geschäfte durch Vertrag übernimmt.
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