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Pflegestandard
"Mobilisierung von Hemiplegie-Patienten: Sitzen am Tisch"
Endlich wieder sitzen können! Nach einem
Schlaganfall ist diese wiedergewonnene Fähigkeit ein wichtiger
Meilenstein auf dem Weg zurück ins Leben. Wir zeigen Ihnen,
welche entscheidenden Details dabei beachtet werden sollten.
Pflegestandard
"Mobilisierung von Hemiplegie-Patienten: Sitzen am Tisch"
Definition:
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Die Mobilisierung aus dem Bett ist ein
zentraler Schritt im Rehabilitationsprozess. Eine sitzende Position
auf einem Stuhl erleichtert es Betroffenen insbesondere, wieder am
sozialen Leben teilzunehmen.
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Hemiplegie-Patienten werden in unserer
Einrichtung daher so früh wie möglich in eine sitzende Position auf
einem Stuhl mobilisiert. Es ist wichtig, dass ein betroffener
Bewohner bei allen Mahlzeiten und bei jeder oralen
Flüssigkeitsaufnahme sitzt. Die Blasen- und Darmentleerung sollte
ebenfalls im Sitzen erfolgen. Soweit es die Kondition des Bewohners
zulässt, wird dieser auch für die Dauer von Besuchen durch
Angehörige in einen Stuhl mobilisiert.
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Erst ein korrektes Sitzen auf einem Stuhl
ermöglicht es einem Bewohner, sich an einem Tisch sinnvoll zu
beschäftigen. Das häufig zu beobachtende Kippen zur mehr betroffenen
Seite kann der Bewohner nur kompensieren, indem er sich mit der
weniger betroffenen Hand z.B. an der Armlehne festhält. Diese Hand
steht folglich für Aktivitäten nicht mehr zur Verfügung.
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Zum Sitzen auf einem Stuhl gibt es keine
Alternative:
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Das Sitzen im Bett hat für
Hemiplegie-Patienten zahlreiche Nachteile. Die Sitzhaltung ist
unbequem und fördert das Auftreten von Druckgeschwüren
insbesondere zwischen den Gesäßhälften direkt über dem
Steißbein; also in einer Körperregion, in der Dekubiti
erfahrungsgemäß nur mit größtem Aufwand zur Abheilung gebracht
werden können. Zudem erlauben viele Betten nur eine halbliegende
Position.
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Ein Rollstuhl ist primär ein
Transportmittel. Viele Rollstühle sind mit einer flexiblen
Rückenlehne und einer durchhängenden Sitzfläche ausgestattet.
Ein stabiles Sitzen ist daher für viele Betroffene nicht
möglich; insbesondere spastische Bewohner könnten aus dem
Rollstuhl herausrutschen.
Grundsätze:
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Das Sitzen im Stuhl am Tisch ist eine ideale
Lagerung. Die Körperspannung wird reguliert, Spastiken werden
gehemmt und gleichzeitig ist es einem Betroffenen möglich, sein
Umfeld wahrzunehmen.
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Auch eine nur kurze Mobilisierung ins Sitzen
ist eine erfolgreiche Pflegemaßnahme. Jeder Transfer fördert die
Beweglichkeit und den Kreislauf des Bewohners.
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Ein Bewohner sollte sich im Sitzen sinnvoll
beschäftigen und vor allem in der Gesellschaft von Mitbewohnern
sein. In keinem Fall wird der Bewohner über längere Zeit sich selbst
überlassen. Es ist strikt zu vermeiden, dass ein Bewohner im
Rollstuhl sitzend einschläft. Dieses würde die abnormale Haltung und
den abnormalen Tonus verstärken.
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Die in der Pflegeplanung beschriebenen
Maßnahmen sind für alle Mitarbeiter verbindlich. Abweichungen können
zur Überforderung des Bewohners führen.
Ziele:
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Der Bewohner sitzt sicher vor einem Tisch und
kann sich dort im Rahmen seiner Fähigkeiten sinnvoll beschäftigen.
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Der Bewohner wird stärker in das soziale
Leben innerhalb der Einrichtung eingebunden.
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Der Tonus wird normalisiert.
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Der Kreislauf wird an einen Aufenthalt
außerhalb des Bettes gewöhnt.
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Der Bewohner wird weder über- noch
unterfordert. Die sitzende Zeit wird Schritt für Schritt gesteigert.
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Das Auftreten eines Druckgeschwürs wird
vermieden.
Vorbereitung:
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Wir wählen einen Stuhl mit gerader
Sitzfläche, der über eine stabile durchgehende Rückenlehne sowie
Armlehnen verfügt.
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Die Sitzfläche sollte so groß sein, dass drei
Viertel der Oberschenkellänge darauf abgelegt werden können. Je
stabiler die Sitzfläche ist, umso einfacher ist es für einen
Bewohner, sitzend das Gleichgewicht zu halten.
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Wir achten darauf, dass der Tisch, an dem der
Bewohner sitzt, stabil ist. Leichte oder rollbare Tische sollten
dafür nicht genutzt werden.
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Der Gesundheitszustand des Bewohners wird
abgeschätzt. Je nach vorhandener Rumpfstabilität wird die
Mobilisierung geplant. Wir nutzen dafür insbesondere
Fallbesprechungen und suchen den Dialog mit dem behandelnden Arzt.
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In der Pflegeplanung wird dokumentiert, wie
lange der Bewohner bei jeder Mobilisierung sitzen sollte. Maßgeblich
ist dabei nur die Zeitspanne, in der der Bewohner gerne und bequem
sitzt und seine Kräfte auf die Beschäftigung verwenden kann. Wenn
die Kräfte des Bewohners nachlassen, kann er zwar immer noch sitzen,
ist dann aber mit der Stabilisierung seines Kopfes und des
Oberkörpers beschäftigt. Diese sitzende Zeit ist aus therapeutischer
Sicht nutzlos, da sie den Tonus und den Kooperationswillen des
Bewohners beeinträchtigt.
Durchführung:
allgemeine Maßnahmen
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Das Gesäß des Bewohners wird weit hinten auf
der Sitzfläche platziert.
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Mit einem Kissen unterstützt die Pflegekraft
die Lendenwirbelsäule. Der Körper neigt sich also bei aufgerichteter
Wirbelsäule leicht nach vorn. Ein Kissen zwischen dem Brustkorb und
der Tischkante stabilisiert den Bewohner.
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Falls notwendig werden die Flanken
(insbesondere die mehr betroffene Seite) des Bewohners mit zwei
weiteren Kissen unterstützt.
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Die Füße werden parallel und mit etwas
Abstand zueinander auf dem Boden aufgestellt. Wir prüfen, ob die
Füße mit der gesamten Sohle auf dem Fußboden aufsetzen. Falls die
Sitzhöhe dafür zu hoch ist, kann ggf. eine Fußkiste genutzt werden.
Durch den Bodenkontakt der Fußsohlen ist die Spitzfußprophylaxe
sichergestellt. (Hinweis: Falls der Bewohner mit dem Rollstuhl an
den Tisch mobilisiert wird, müssen die Fußstützen hochgeklappt
werden. Ansonsten würden die Beine zu weit angehoben. Der Oberkörper
würde sich dann nicht nach vorne, sondern nach hinten neigen durch
das nach hinten gekippte Becken und
sich an der Lehne abstützen.)
-
Der Kopf sollte nicht gestützt werden. Der
Bewohner sollte seinen Kopf selbständig halten und frei drehen
können.
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Ggf. wird die Rumpfstabilität durch einen
elastischen Bauchgurt gefördert, der vergleichsweise stramm an den
Oberkörper des Bewohners angelegt wird. Alternativ kann ein
gerolltes Badehandtuch genutzt werden.
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Der mehr betroffene Arm des Bewohners wird
auf der Tischplatte abgelegt. Um insbesondere den Ellenbogen vor
einer zu hohen Druckbelastung zu schützen, wird ggf. ein Kissen oder
ein gerolltes Handtuch untergelegt. (Hinweis: Wir verhindern mit
dieser Lagerung auch, dass das Gewicht des Armes den Bewohner zur
Seite zieht. Der Bewohner würde diese Zugrichtung mit einer
entgegengesetzten Bewegung kompensieren oder müsste sich gar
festhalten.) Wir stellen sicher, dass das Handgelenk nicht
abgeknickt ist.
-
Wir erfragen, welche Aktivitäten der Bewohner
durchführen will. Er erhält ggf. eine Zeitschrift, ein Buch oder
Papier und Stifte. Falls gewünscht, schalten wir den Fernseher ein.
Alternativ wird der Bewohner in den Gemeinschaftsraum gebracht und
dort vor einen Tisch mobilisiert.
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Wir achten auf nonverbale Signale, falls der
Bewohner zu einer verbalen Kommunikation nicht mehr in der Lage ist.
Eine Überforderung äußert sich oftmals in einem Vorschieben des
Beckens, Unruhe oder dem Verlust der Kontrolle über die Kopf- und
Oberkörperhaltung. In diesem Fall wird die Position des Bewohners
angepasst. Führt dieses nicht zu einer Entlastung, wird der Bewohner
zurück in sein Bett transferiert.
Grafik
zusätzliche Maßnahmen bei fehlender
Rumpfstabilität und Kopfhaltung
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Wir vermeiden es, den Bewohner in einer nach
hinten angelehnten Position in den Rollstuhl zu setzen. Diese
Haltung macht für den betroffenen Senioren kaum einen Unterschied
zum Liegen im Pflegebett, da in beiden Fällen eine umfassende
Unterstützungsfläche im Bereich des Rückens angeboten wird. Zudem
läuft der Speichel bei Bewohnern mit Schluckstörungen in die
Luftröhre.
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Auf dem Tisch wird ein Lagerungswürfel
platziert, der mit einer Antirutschfolie auf der Tischplatte fixiert
wird. Rechts und links neben dem Würfel sind Kissen, auf denen die
Arme abgelegt werden können.
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Der Kopf wird seitlich auf dem Würfel
abgelegt. Eine Gesichtshälfte liegt auf der Oberseite des
Lagerungswürfels auf. Die Blickrichtung des Bewohners weist also zur
Seite. Ein Kissen und ein Nackenhörnchen fixieren den Kopf.
Alternativ können zwei gerollte Handtücher jeweils den Kopf und die
Schultern stabilisieren.
Maßnahmen bei einer Beckenasymmetrie
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Wir prüfen, ob der Gesäßmuskel auf der mehr
betroffenen Seite schwächer ausgebildet ist als auf der weniger
betroffenen Körperhälfte. In diesem Fall ist die Sitzhaltung
asymmetrisch. Ggf. versucht sich der Bewohner sogar mit der weniger
betroffenen Hand seitlich festzuhalten. (Hinweis: Der Muskeltonus
ist auf der weniger betroffenen Seite als Folge unbewussten
Korrigierens deutlich verstärkt. Letztlich wird sich die Muskulatur
auf der weniger betroffenen Seite verkürzen und die Muskelaktivität
auf der mehr betroffenen Seite reduzieren.)
-
Ggf. falten wir ein oder zwei Handtücher
soweit, dass diese unter die mehr betroffene Gesäßhälfte gelegt
werden können. Die Asymmetrie wird dadurch ausgeglichen, der
Bewohner sitzt gerade.
Nachbereitung:
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Der Bewohner sollte mindestens eine Stunde
pro Tag sitzend verbringen. Wir beachten, dass diese Zeitspanne aber
oftmals durch die individuelle Konstitution begrenzt wird.
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Die Zeit, die der Bewohner sitzend verbringt,
sollte mit Augenmaß gesteigert werden. Die Pflegeplanung wird
entsprechend aktualisiert.
-
Eine gute Gelegenheit, um die Belastung des
Bewohners während des Sitzens abzuschätzen, ist der Transfer zurück
ins Bett. Wenn die Tonusverhältnisse hoch sind, die Kräfte aber
bereits erschöpft sind, wird die Zeitspanne des Sitzens beim
nächsten Mal reduziert.
Dokumente:
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Berichtsblatt
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Leistungsnachweis
-
ärztliches Verordnungsblatt
-
Kommunikationsblatt mit dem Arzt
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
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alle Pflegekräfte ggf. mit entsprechender
Weiterbildung
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