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Pflegestandard "Mobilisierung von Hemiplegie-Patienten: Sitzen am Tisch"

Endlich wieder sitzen können! Nach einem Schlaganfall ist diese wiedergewonnene Fähigkeit ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zurück ins Leben. Wir zeigen Ihnen, welche entscheidenden Details dabei beachtet werden sollten.


Pflegestandard "Mobilisierung von Hemiplegie-Patienten: Sitzen am Tisch"


Definition:

  • Die Mobilisierung aus dem Bett ist ein zentraler Schritt im Rehabilitationsprozess. Eine sitzende Position auf einem Stuhl erleichtert es Betroffenen insbesondere, wieder am sozialen Leben teilzunehmen.
  • Hemiplegie-Patienten werden in unserer Einrichtung daher so früh wie möglich in eine sitzende Position auf einem Stuhl mobilisiert. Es ist wichtig, dass ein betroffener Bewohner bei allen Mahlzeiten und bei jeder oralen Flüssigkeitsaufnahme sitzt. Die Blasen- und Darmentleerung sollte ebenfalls im Sitzen erfolgen. Soweit es die Kondition des Bewohners zulässt, wird dieser auch für die Dauer von Besuchen durch Angehörige in einen Stuhl mobilisiert.
  • Erst ein korrektes Sitzen auf einem Stuhl ermöglicht es einem Bewohner, sich an einem Tisch sinnvoll zu beschäftigen. Das häufig zu beobachtende Kippen zur mehr betroffenen Seite kann der Bewohner nur kompensieren, indem er sich mit der weniger betroffenen Hand z.B. an der Armlehne festhält. Diese Hand steht folglich für Aktivitäten nicht mehr zur Verfügung.
  • Zum Sitzen auf einem Stuhl gibt es keine Alternative:
    • Das Sitzen im Bett hat für Hemiplegie-Patienten zahlreiche Nachteile. Die Sitzhaltung ist unbequem und fördert das Auftreten von Druckgeschwüren insbesondere zwischen den Gesäßhälften direkt über dem Steißbein; also in einer Körperregion, in der Dekubiti erfahrungsgemäß nur mit größtem Aufwand zur Abheilung gebracht werden können. Zudem erlauben viele Betten nur eine halbliegende Position.
    • Ein Rollstuhl ist primär ein Transportmittel. Viele Rollstühle sind mit einer flexiblen Rückenlehne und einer durchhängenden Sitzfläche ausgestattet. Ein stabiles Sitzen ist daher für viele Betroffene nicht möglich; insbesondere spastische Bewohner könnten aus dem Rollstuhl herausrutschen.

Grundsätze:

  • Das Sitzen im Stuhl am Tisch ist eine ideale Lagerung. Die Körperspannung wird reguliert, Spastiken werden gehemmt und gleichzeitig ist es einem Betroffenen möglich, sein Umfeld wahrzunehmen.
  • Auch eine nur kurze Mobilisierung ins Sitzen ist eine erfolgreiche Pflegemaßnahme. Jeder Transfer fördert die Beweglichkeit und den Kreislauf des Bewohners.
  • Ein Bewohner sollte sich im Sitzen sinnvoll beschäftigen und vor allem in der Gesellschaft von Mitbewohnern sein. In keinem Fall wird der Bewohner über längere Zeit sich selbst überlassen. Es ist strikt zu vermeiden, dass ein Bewohner im Rollstuhl sitzend einschläft. Dieses würde die abnormale Haltung und den abnormalen Tonus verstärken.
  • Die in der Pflegeplanung beschriebenen Maßnahmen sind für alle Mitarbeiter verbindlich. Abweichungen können zur Überforderung des Bewohners führen.

Ziele:

  • Der Bewohner sitzt sicher vor einem Tisch und kann sich dort im Rahmen seiner Fähigkeiten sinnvoll beschäftigen.
  • Der Bewohner wird stärker in das soziale Leben innerhalb der Einrichtung eingebunden.
  • Der Tonus wird normalisiert.
  • Der Kreislauf wird an einen Aufenthalt außerhalb des Bettes gewöhnt.
  • Der Bewohner wird weder über- noch unterfordert. Die sitzende Zeit wird Schritt für Schritt gesteigert.
  • Das Auftreten eines Druckgeschwürs wird vermieden.

Vorbereitung:

  • Wir wählen einen Stuhl mit gerader Sitzfläche, der über eine stabile durchgehende Rückenlehne sowie Armlehnen verfügt.
  • Die Sitzfläche sollte so groß sein, dass drei Viertel der Oberschenkellänge darauf abgelegt werden können. Je stabiler die Sitzfläche ist, umso einfacher ist es für einen Bewohner, sitzend das Gleichgewicht zu halten.
  • Wir achten darauf, dass der Tisch, an dem der Bewohner sitzt, stabil ist. Leichte oder rollbare Tische sollten dafür nicht genutzt werden.
  • Der Gesundheitszustand des Bewohners wird abgeschätzt. Je nach vorhandener Rumpfstabilität wird die Mobilisierung geplant. Wir nutzen dafür insbesondere Fallbesprechungen und suchen den Dialog mit dem behandelnden Arzt.
  • In der Pflegeplanung wird dokumentiert, wie lange der Bewohner bei jeder Mobilisierung sitzen sollte. Maßgeblich ist dabei nur die Zeitspanne, in der der Bewohner gerne und bequem sitzt und seine Kräfte auf die Beschäftigung verwenden kann. Wenn die Kräfte des Bewohners nachlassen, kann er zwar immer noch sitzen, ist dann aber mit der Stabilisierung seines Kopfes und des Oberkörpers beschäftigt. Diese sitzende Zeit ist aus therapeutischer Sicht nutzlos, da sie den Tonus und den Kooperationswillen des Bewohners beeinträchtigt.

Durchführung:

allgemeine Maßnahmen

  • Das Gesäß des Bewohners wird weit hinten auf der Sitzfläche platziert.
  • Mit einem Kissen unterstützt die Pflegekraft die Lendenwirbelsäule. Der Körper neigt sich also bei aufgerichteter Wirbelsäule leicht nach vorn. Ein Kissen zwischen dem Brustkorb und der Tischkante stabilisiert den Bewohner.
  • Falls notwendig werden die Flanken (insbesondere die mehr betroffene Seite) des Bewohners mit zwei weiteren Kissen unterstützt.
  • Die Füße werden parallel und mit etwas Abstand zueinander auf dem Boden aufgestellt. Wir prüfen, ob die Füße mit der gesamten Sohle auf dem Fußboden aufsetzen. Falls die Sitzhöhe dafür zu hoch ist, kann ggf. eine Fußkiste genutzt werden. Durch den Bodenkontakt der Fußsohlen ist die Spitzfußprophylaxe sichergestellt. (Hinweis: Falls der Bewohner mit dem Rollstuhl an den Tisch mobilisiert wird, müssen die Fußstützen hochgeklappt werden. Ansonsten würden die Beine zu weit angehoben. Der Oberkörper würde sich dann nicht nach vorne, sondern nach hinten neigen durch das nach hinten gekippte Becken und sich an der Lehne abstützen.)
  • Der Kopf sollte nicht gestützt werden. Der Bewohner sollte seinen Kopf selbständig halten und frei drehen können.
  • Ggf. wird die Rumpfstabilität durch einen elastischen Bauchgurt gefördert, der vergleichsweise stramm an den Oberkörper des Bewohners angelegt wird. Alternativ kann ein gerolltes Badehandtuch genutzt werden.
  • Der mehr betroffene Arm des Bewohners wird auf der Tischplatte abgelegt. Um insbesondere den Ellenbogen vor einer zu hohen Druckbelastung zu schützen, wird ggf. ein Kissen oder ein gerolltes Handtuch untergelegt. (Hinweis: Wir verhindern mit dieser Lagerung auch, dass das Gewicht des Armes den Bewohner zur Seite zieht. Der Bewohner würde diese Zugrichtung mit einer entgegengesetzten Bewegung kompensieren oder müsste sich gar festhalten.) Wir stellen sicher, dass das Handgelenk nicht abgeknickt ist.
  • Wir erfragen, welche Aktivitäten der Bewohner durchführen will. Er erhält ggf. eine Zeitschrift, ein Buch oder Papier und Stifte. Falls gewünscht, schalten wir den Fernseher ein. Alternativ wird der Bewohner in den Gemeinschaftsraum gebracht und dort vor einen Tisch mobilisiert.
  • Wir achten auf nonverbale Signale, falls der Bewohner zu einer verbalen Kommunikation nicht mehr in der Lage ist. Eine Überforderung äußert sich oftmals in einem Vorschieben des Beckens, Unruhe oder dem Verlust der Kontrolle über die Kopf- und Oberkörperhaltung. In diesem Fall wird die Position des Bewohners angepasst. Führt dieses nicht zu einer Entlastung, wird der Bewohner zurück in sein Bett transferiert.

Grafik


zusätzliche Maßnahmen bei fehlender Rumpfstabilität und Kopfhaltung

  • Wir vermeiden es, den Bewohner in einer nach hinten angelehnten Position in den Rollstuhl zu setzen. Diese Haltung macht für den betroffenen Senioren kaum einen Unterschied zum Liegen im Pflegebett, da in beiden Fällen eine umfassende Unterstützungsfläche im Bereich des Rückens angeboten wird. Zudem läuft der Speichel bei Bewohnern mit Schluckstörungen in die Luftröhre.
  • Auf dem Tisch wird ein Lagerungswürfel platziert, der mit einer Antirutschfolie auf der Tischplatte fixiert wird. Rechts und links neben dem Würfel sind Kissen, auf denen die Arme abgelegt werden können.
  • Der Kopf wird seitlich auf dem Würfel abgelegt. Eine Gesichtshälfte liegt auf der Oberseite des Lagerungswürfels auf. Die Blickrichtung des Bewohners weist also zur Seite. Ein Kissen und ein Nackenhörnchen fixieren den Kopf. Alternativ können zwei gerollte Handtücher jeweils den Kopf und die Schultern stabilisieren.

Maßnahmen bei einer Beckenasymmetrie

  • Wir prüfen, ob der Gesäßmuskel auf der mehr betroffenen Seite schwächer ausgebildet ist als auf der weniger betroffenen Körperhälfte. In diesem Fall ist die Sitzhaltung asymmetrisch. Ggf. versucht sich der Bewohner sogar mit der weniger betroffenen Hand seitlich festzuhalten. (Hinweis: Der Muskeltonus ist auf der weniger betroffenen Seite als Folge unbewussten Korrigierens deutlich verstärkt. Letztlich wird sich die Muskulatur auf der weniger betroffenen Seite verkürzen und die Muskelaktivität auf der mehr betroffenen Seite reduzieren.)
  • Ggf. falten wir ein oder zwei Handtücher soweit, dass diese unter die mehr betroffene Gesäßhälfte gelegt werden können. Die Asymmetrie wird dadurch ausgeglichen, der Bewohner sitzt gerade.

Nachbereitung:

  • Der Bewohner sollte mindestens eine Stunde pro Tag sitzend verbringen. Wir beachten, dass diese Zeitspanne aber oftmals durch die individuelle Konstitution begrenzt wird.
  • Die Zeit, die der Bewohner sitzend verbringt, sollte mit Augenmaß gesteigert werden. Die Pflegeplanung wird entsprechend aktualisiert.
  • Eine gute Gelegenheit, um die Belastung des Bewohners während des Sitzens abzuschätzen, ist der Transfer zurück ins Bett. Wenn die Tonusverhältnisse hoch sind, die Kräfte aber bereits erschöpft sind, wird die Zeitspanne des Sitzens beim nächsten Mal reduziert.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Leistungsnachweis
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte ggf. mit entsprechender Weiterbildung