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Standard "Pflege von adipösen Senioren"

Das Bild des "sympathischen Dicken" hat sich seit den 50er-Jahren fast komplett ins Gegenteil verkehrt. Körperfülle steht nicht mehr für Lebensfreude und Gemütlichkeit, sondern für Bluthochdruck, Diabetes und Apoplexie. Lauter Probleme also, die im hohen Alter die Pflege von Betroffenen deutlich erschweren.


Standard "Pflege von adipösen Senioren"


Definition:

  • Adipositas, also ein krankhaftes Übergewicht, ist in der westlichen Welt die häufigste Form der Fehlernährung. Mehr als 40 Prozent aller Deutschen über 40 Jahre sind übergewichtig.
  • Ausgelöst wird die Krankheit durch eine Vielzahl von Faktoren, darunter eine genetische Disposition, Überernährung oder mangelnde Bewegung. In der Folge steigt das Risiko von Folgeerkrankungen, wie etwa Diabetes mellitus, Hypertonie, Arteriosklerose oder Gicht.
  • Adipositas liegt vor, wenn das Gewicht mindestens 10 Prozent über dem Broca-Normalgewicht liegt oder ein BMI von mindestens 25 erreicht wird. Abhängig vom BMI wird Adipositas in drei Ausprägungsgrade unterteilt:
    • Starkes Untergewicht < 16
    • Mäßiges Untergewicht 16 bis 17
    • Leichtes Untergewicht 17 bis 18,5
    • Normalgewicht 18,5 bis 25
    • Präadipositas 25 bis 30
    • dipositas Grad I 30 bis 35
    • Adipositas Grad II 35 bis 40
    • Adipositas Grad III > 40
  • Die langfristigen Erfolgsaussichten für die Behandlung von Adipositas sind gering. Verschiedene Studien geben die Heilungschancen mit 5 bis 40 Prozent an.

Grundsätze:

  • Adipositas ist wesentlich mehr als ein ästhetisches Problem, es handelt sich dabei um eine behandlungsbedürftige Erkrankung.
  • Jeder Bewohner hat das Recht, sein Essverhalten eigenverantwortlich zu gestalten. Wir werden niemals einem Bewohner Essen vorenthalten, auch wenn dieses zu seinem Besten wäre.
  • Maßgeblich bei der Beratung des Senioren darf nicht das Schlankheitsideal der Pflegekraft sein, sondern das individuelle Wohlfühlgewicht des Bewohners. Dieses kann durchaus etwas oberhalb des Idealgewichtes liegen.
  • Radikaldiäten sind mit einer professionellen Pflege unvereinbar.
  • Adipositas wird zwar in den meisten, nicht aber in allen Fällen durch individuelle Fehlernährung ausgelöst. Daher müssen stets weitere Krankheiten (etwa Schilddrüsenunterfunktion) ausgeschlossen werden.
  • Häufig sind schwerwiegende psychische Gründe die Ursache für Übergewicht. In diesem Fall regen wir eine Überweisung zu einem psychiatrischen Facharzt an.
  • Uns ist bewusst, dass es nicht immer möglich ist, ein Idealgewicht zu erreichen.
    • Eine deutliche Gewichtsreduktion bedeutet immer auch enorme Belastungen für den Körper.
    • Die Vielzahl körperlicher Einschränkungen unserer Senioren setzt Grenzen bei der Ausübung von Sport.
    • Viele Senioren bringen nicht mehr die notwendige Motivation auf, um massiv Körpermasse abzubauen.

Ziele:

  • Das Gewicht wird dauerhaft gesenkt.
  • Komplikationen werden vermieden.
  • Der Bewohner ist über die Risiken informiert.
  • Der Bewohner weiß, wie er sich gesund ernähren kann.
  • Der Bewohner hält sich an seine Diätvorschriften.
  • Der Bewohner entwickelt Kontrollstrategien, um sein Essverhalten zu korrigieren.
  • Der Bewohner entwickelt alternative Bewältigungsstrategien, um mit emotionalen Problemen umzugehen.
  • Der Bewohner bewegt sich ausreichend.
  • Die individuellen psychischen Auslöser für die gesteigerte Nahrungsaufnahme sind bekannt.

Vorbereitung:

Ursachenforschung

  • Wir prüfen, welche Ursachen für das Übergewicht relevant sind:
    • gestörte Energiebilanz, die dazu führt, dass mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden
    • Fehlernährung, also ein zu hoher prozentualer Anteil von Fett und Zucker bei konsumierten Speisen
    • Überernährung, also der Konsum von zu vielen Kalorien
    • hormonelle Störungen, etwa eine Unterfunktion der Schilddrüse oder eine Fehlregulation der Hypophyse
    • mangelnde Bewegung
    • genetische Faktoren
  • Sofern als Hauptfaktor die falsche Ernährung angenommen werden kann, prüfen wir die Ursachen dafür:
    • fehlerhaft erlerntes Essverhalten
    • psychische Faktoren ("Frustfressen" oder "Kummerspeck" als Reaktion auf belastende soziale Konflikte)
    • gestörtes Appetitempfinden
  • Insbesondere prüfen wir die Ernährungsgewohnheiten des Bewohners:
    • Seit wann leidet der Bewohner unter dem Übergewicht?
    • Was isst der Bewohner besonders gern und in großen Mengen?
    • Wie verteilt der Bewohner seine Speisen über den Tag?
    • Beschäftigt sich der Bewohner während des Essens mit anderen Aktivitäten?
    • In welchem Beruf hat der Bewohner gearbeitet? Hatte er dabei viel Bewegung oder handelte es sich um eine primär sitzende Tätigkeit?
    • Leidet der Bewohner an unkontrolliertem Essverhalten in Folge einer Demenz?

weitere Maßnahmen

  • Die korrekte Berechnung des BMI (Body-Mass-Index) wird regelmäßig im Team geübt.
  • Der Speiseplan wird in gut lesbarer Schrift an verschiedenen Punkten der Einrichtung öffentlich gemacht. Auf dem Speiseplan werden zusätzlich die Essenszeiten angegeben.
  • Wir bilden unser Personal stets zum Thema "Adipositas" fort.

Durchführung:

Wiegen des Bewohners

  • Wir halten verschiedene Waagentypen bereit, um bei allen Bewohnern das Gewicht sicher bestimmen zu können:
    • Sitzwaage
    • Stehwaage
    • Patientenlifter mit Wiegefunktion
  • Die Funktionsfähigkeit der Waagen wird regelmäßig überprüft. Ungenau funktionierende Waagen werden repariert oder ausgetauscht.
  • Bei allen Bewohnern berechnen wir alle drei Monate den Body-Mass-Index. Bei gesundheitlichen Veränderungen sowie sichtbarem Gewichtsverlust wird diese Berechnung in kürzeren Zyklen durchgeführt.
  • Damit die Messung hinreichend genau ist, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein:
    • Der Bewohner wird stets zur gleichen Zeit gewogen, also etwa immer morgens vor dem Frühstück.
    • Der Bewohner wird immer auf der gleichen Waage gewogen.
    • Das Gewicht der Kleidung sollte nicht unnötig variieren.
    • Der Bewohner sollte vor dem Wiegen die Toilette aufsuchen.
  • Alle Informationen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Aus den gewonnen Daten wird der Body Mass Indes (BMI) ermittelt.
  • Zusätzlich zum BMI ermitteln wir bei unseren Bewohnern ggf. den Taillen- und Hüftumfang (WHR). Wir nutzen dafür einen Fettcaliper. Wir versuchen damit zu klären, ob das Fettgewebe hauptsächlich im Bauchraum ("Apfeltyp") angesetzt wird oder eher im Bereich der Hüfte, Gesäß und Oberschenkel ("Birnentyp"). Ein gefährliches Fettverteilungsmuster liegt vor, wenn bei Frauen ein Quotient von 0,85 und bei Männern ein Quotient von 1,0 erreicht wird.

Beratung des Bewohners

  • Wir informieren den Bewohner über sein Krankheitsbild und versetzen ihn in die Lage, die entstehenden Risiken selbständig abzuschätzen.
  • Wir empfehlen dem Bewohner ein Ernährungsprotokoll zu führen. In diesem notiert er, was er wann und warum gegessen hat. Häufig führt diese Beschäftigung mit der eigenen Ernährung bereits zu mehr Kooperationsbereitschaft.
  • Die Gewichtsreduktion ist kein kontinuierlicher Prozess, sondern verläuft mal schneller und mal stockend. Wir unterstützen den Bewohner und ermutigen ihn, wenn das Gewicht einige Tage nicht sinkt.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner eine psychologische Behandlung benötigt, etwa wenn der überhöhte Nahrungsgenuss massive persönliche Probleme kompensieren soll.
  • Wir raten dem Bewohner, langsam zu essen und die Mahlzeit zu genießen.
  • Wir empfehlen dem Bewohner, die Nahrungszufuhr in den späten Abendstunden zugunsten des Mittagessens zu reduzieren.
  • Der Bewohner sollte Nahrung nur zu den zuvor geplanten Zeiten zu sich nehmen.
  • Wir raten dem Bewohner dringend von der Nutzung von Appetitzüglern ab.
  • Wir bitten Angehörige, auf das Mitbringen von Süßigkeiten als Geschenk zu verzichten. Stattdessen sollten sie den Senioren beim Abnehmen moralisch unterstützen.
  • Der Bewohner sollte konsequent kein Essen annehmen, das ihm von anderen angeboten wird.
  • Pflegekräfte bringen adipösen Bewohnern keine Süßwaren aus dem Supermarkt mit.
  • Wenn es eine hinreichende Anzahl von Betroffenen in unserer Einrichtung gibt, bieten wir regelmäßige Informationsveranstaltungen an.
  • Wir beraten insbesondere Bewohnerinnen zu der Frage, wie man sich trotz Übergewicht optisch ansprechend kleiden und schminken kann.
  • Wir prüfen, ob Langeweile Auslöser für die Überernährung sein kann. In diesem Fall empfehlen wir dem Bewohner, verstärkt die Freizeitangebote in unserer Einrichtung zu nutzen.

begleitende Maßnahmen

  • Wir raten dem Bewohner dazu, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten körperlich stärker zu bewegen. Rad fahren, z.B. auf einem Hometrainer, schwimmen, zügiges gehen sollte auch im Alter möglich sein.
  • Vielen Senioren fällt es leichter, sich in einer Gruppe körperlich zu betätigen. Daher vermitteln wir auf Wunsch den Kontakt zu einem lokalen Sportverein.
  • Ggf. vermitteln wir dem Bewohner den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe. Wenn es im finanziellen Rahmen des Bewohners liegt, prüfen wir, ob kommerzielle Anbieter interessant sein können (etwa "Weight-Watchers©").
  • Wir suchen ggf. den Kontakt zu einer Ernährungsberatung.
  • Wir wirken auf Mitbewohner ein, etwaige Hänseleien von übergewichtigen Bewohnern zu unterlassen. Auch sollten sie übergewichtigen Bewohnern keine eigenen Nahrungsmittel abgeben.
  • Im Zimmer des Bewohners sollten keine Lebensmittel liegen, insbesondere Süßwaren.
  • Der Bewohner sollte beim Essen alle Ablenkungen meiden, wie etwa fernsehen, lesen usw.
  • Gemeinsam mit dem Bewohner können Belohnungen für erreichte "Meilensteine" geplant werden, also etwa ein schönes Buch für fünf Kilo Gewichtsverlust.
  • Wir suchen den Dialog mit dem Bewohner und bieten ihm psychische Hilfe an. Viele adipöse Senioren leiden unter seelischen Beeinträchtigungen:
    • soziale Vereinsamung
    • Ängste
    • Depressionen
    • Zwangsstörungen
    • Minderwertigkeitsgefühle
    • Vernachlässigung der Körperpflege
  • Wir suchen den Dialog mit dem Hausarzt. Wichtige Themen sind die sportliche Belastbarkeit des Bewohners und etwaige medizinisch bedingten Ernährungsvorschriften.

Erstellung einer Diät

  • Wenn es zweifelhaft ist, dass der Bewohner nach der Diät sein Gewicht halten wird, ist es zumeist besser, auf die Nahrungsumstellung komplett zu verzichten. Ein dauerhaftes Überwicht ist weniger gefährlich als andauernde Gewichtsschwankungen ("Jo-Jo-Effekt")
  • Die Diät wird stets vom behandelnden Hausarzt und von unserer Diätassistenz zusammengestellt und medizinisch begleitet.
  • Der Bewohner sollte vornehmlich fettreduzierte Eiweißträger wie Magerquark, fettarme Käse-, Fleisch- und Wurstsorten konsumieren.
  • Der Bewohner sollte maximal 40g Fett pro Tag konsumieren, und diese bevorzugt etwa in Form von Keimölen und Diätmargarine.
  • Die Nahrung sollte reich an Stärke und Ballaststoffen sein, etwa Gemüse, Reis, Vollkornnudeln, Kartoffeln oder Vollkornbrot. Diese führen schnell zu einem Sättigungsgefühl, können aber vom Körper nur eingeschränkt verwertet werden.
  • Der Anteil von niedermolekularen Kohlenhydraten sollte möglichst gering gehalten werden. Diese Stoffe sind vor allem in Haushaltszucker, Süßigkeiten, Süßspeisen, Kuchen und süßen Getränken zu finden.
  • Als primäre Quelle für Vitamine und Mineralstoffe sollten Tabletten reduziert werden zugunsten von Obst und Gemüse.
  • Die Zubereitung der Speisen sollte möglichst schonend geschehen, also etwa im Backofen, durch Dünsten oder Dämpfen. Das Frittieren oder (fettreiche) Braten von Nahrungsmitteln sollte unterbleiben.
  • Der Bewohner sollte mindestens zweieinhalb Liter Flüssigkeit zu sich nehmen, bevorzugt in Form von Wasser oder ungesüßten Tees.
  • Der Alkoholgenuss sollte auf ein Minimum reduziert oder im Idealfall komplett eingestellt werden.
  • Wir vermeiden extreme Diäten ("Nulldiäten"), da diese den Kreislauf der Bewohner unnötig belasten und zu keiner langfristigen Ernährungsumstellung führen.
  • Die Gewichtsabnahme sollte einen Wert von 500g pro Woche nicht überschreiten.
  • Wir achten darauf, ob der Bewohner die Diät unterläuft, etwa durch den heimlichen Kauf von Süßwaren.

pflegerische und medizinische Maßnahmen

  • Beim Waschen des Bewohners achtet die Pflegekraft genau darauf, auch die Körperfalten sorgfältig zu trocknen. Ansonsten drohen Hautpilzinfektionen.
  • Bei allen Transfers des adipösen Bewohners ist stets ein Lifter zu nutzen. Alternativ assistiert eine zweite Pflegekraft. Die im Standard "Rücken schonendes Arbeiten" beschriebenen Maßnahmen werden sorgfältig umgesetzt.
  • Wir stellen zusammen, welche gesundheitlichen Probleme bereits bestehen und wie sich diese im Laufe der Monate entwickeln. Etwa:
    • Skelettveränderungen, insbesondere Abnutzungserscheinungen
    • Überbelastung von Sehnen und Bändern
    • Osteoporose
    • Hypertonie (Bluthochdruck)
    • Dyspnoe (subjektive Atemnot)
    • Husten
    • koronare Herzkrankheit (KHK)
    • permanente Gesichtsrötung
    • gesteigerte Schweißsekretion
    • allgemeine Kraftlosigkeit
    • Obstipation
    • Diabetes mellitus
    • Intertrigo
    • Pilzinfektionen der Haut
  • Wir sorgen für eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte, insbesondere Blutfette und Blutzucker.
  • Wir setzen alle notwendigen Prophylaxestandards sorgfältig um, etwa:
    • Dekubitusprophylaxe
    • Intertrigoprophylaxe
    • Obstipationsprophylaxe

Nachbereitung:

  • Alle relevanten Ergebnisse werden sorgfältig dokumentiert. Etwa:
    • Körpergewicht
    • Essverhalten
    • Vitaldaten
    • Bereitschaft zur Kooperation
  • Nach dem Erreichen des angestrebten Gewichts ist es wichtig dieses zu halten. Da der Körper sich auf einen niedrigeren Energieumsatz eingestellt hat, würde eine Erhöhung der Kalorienzufuhr zu einer schnellen Gewichtszunahme führen.
  • Die Pflegeplanung wird permanent dem aktuellen Verhalten des Bewohners und seinem BMI angepasst.
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Die Zufriedenheit unserer Bewohner mit den Mahlzeiten wird regelmäßig in Kundenbefragungen überprüft.

Dokumente:

  • Trink- und Ernährungsprotokoll
  • Ernährungsplan
  • Vitaldatenblatt (Gewicht)
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegekräfte
  • Hauswirtschaftskräfte