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Standard "Pflege von alkoholabhängigen Senioren"

Alkoholabhängigkeit zählt zu den heikelsten Pflegeproblemen. An aktivierende Pflege ist kaum zu denken, viel häufiger werden Pflegekräfte beschimpft oder gar bedroht. Es gilt, die Grundrechte des alten Menschen, die geforderte Pflegequalität und elementare Sicherheitsaspekte gegeneinander abzuwägen.


Standard "Pflege von alkoholabhängigen Senioren"


Definition:

"Late onset" und "Early onset": Senioren mit einer Alkoholabhängigkeit werden heute in drei Gruppen unterteilt:

  • Die "Late onset"-Gruppe ist durch eine Alkoholabhängigkeit gekennzeichnet, die erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter eintritt. Bis zu diesem Zeitpunkt führten die Betroffenen ein weitgehend selbstbestimmtes Leben. Die Alkoholabhängigkeit wird meist durch Lebenskrisen verursacht, etwa wenn der Partner gestorben ist oder der Betreffende durch den Renteneintritt in ein "emotionales Loch" fällt. Diese Gruppe bildet die größte bei den Senioren.
  • Betroffene der "Early onset"-Gruppe sind schon in früheren Jahren alkoholabhängig geworden. Diese Gruppe ist bei den Senioren zahlenmäßig eher gering, da durch die gesundheitlichen Folgen einer i.d.R. jahrzehntelangen Alkoholabhängigkeit die meisten Suchtkranken das Seniorenalter gar nicht erst erreichen.
  • Vergleichsweise gering ist auch die Anzahl der sog. "Rezidiv-Alkoholiker". Es handelt sich um alkoholabhängige Senioren, die über Jahre erfolgreich abstinent lebten und dann im Alter einen Rückfall erlitten haben.
Ein Abhängigkeitssyndrom ist an folgenden Symptomen zu erkennen (nach ICD-10):
  • Der Bewohner verspürt einen starken Zwang, Alkohol zu konsumieren.
  • Der Bewohner kann weder den Beginn noch das Ende des Alkoholkonsums steuern, noch kann er die Menge des konsumierten Alkohols bestimmen.
  • Im Laufe der Zeit verträgt der Bewohner eine stetig steigende Menge an Alkohol. Die Dosis wird daher ständig erhöht.
  • Andere Interessen, Bedürfnisse und Verpflichtungen rücken immer weiter in den Hintergrund.
  • Der Bewohner zeigt zunehmend Vergiftungserscheinungen.
  • Selbst wenn körperliche Folgeschäden sichtbar werden, schränkt der Bewohner den Alkoholkonsum nicht ein.
  • Der Bewohner zeigt bei Abstinenz körperliche Entzugserscheinungen, etwa Schweißausbrüche, ausgeprägte Unruhe, Tremor und Angstzustände. Der Bewohner ist desorientiert und wahrnehmungsgestört oder leidet unter Halluzinationen.
Von diesen Kriterien müssen drei oder mehr mindestens einen Monat lang oder aber innerhalb eines Jahres wiederholt gleichzeitig vorhanden sein. Dann ist ein Abhängigkeitssyndrom gegeben. Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit:
  • 1. Stufe: präalkoholische Phase: In dieser Phase wird Alkohol getrunken, um innere Spannungen abzubauen und um sich Erleichterung vom Alltag zu verschaffen. Dabei erhöht sich stetig die Menge des Alkohols, da sich der Körper an steigende Alkoholdosen gewöhnt und der Rausch entsprechend später einsetzt.
  • 2. Stufe: Prodromalphase: Der Betreffende denkt ständig an Alkohol, trinkt allein und heimlich. Es entwickeln sich erste Schuldgefühle.  Zudem entstehen die ersten Gedächtnislücken nach dem Alkoholkonsum.
  • 3. Stufe: kritische Phase: Der Suchtkranke verliert zunehmend die Kontrolle über den Konsum. Er trinkt, bis es nicht mehr geht. Gelegentlich werden noch Pausen nach den "Abstürzen" eingelegt, aber die körperliche Abhängigkeit ist schon eingetreten. Der Betreffende isoliert sich immer weiter, da das Umfeld und die Familie über die Sucht nicht mehr hinwegsehen kann. Oft verändert sich die Persönlichkeit so gravierend, dass der Alkoholkranke seinen alten Hobbys und Interessen nicht mehr nachgeht. Häufig entwickelt sich ein stark auffallendes Selbstmitleid. In diese Phase fallen häufig auch die ersten Krankenhausaufenthalte, da die Folgeerscheinungen sichtbar werden, etwa eine Gastritis oder eine Bewusstlosigkeit.
  • 4. Stufe: chronische Phase: Ohne Alkoholkonsum bereits am Morgen geht es oft nicht mehr. Das Verlangen nach Alkohol ist übermächtig ("Craving" ). Der Suchtkranke baut körperlich und mental immer mehr ab. Die Körperpflege wird zunehmend vernachlässigt, der Betreffende ernährt sich oft nicht mehr ausreichend. Die physische Konstitution verschlechtert sich, die Person verträgt den hohen Konsum immer weniger. Der Suchtkranke kämpft mit Entzugserscheinungen wie Zittern und undefinierbaren Ängsten. Die Merkfähigkeit nimmt ab. Organschäden treten auf. Letztlich kann eine Demenz entstehen.
Wichtig zu wissen ist:
  • 10 Prozent aller psychischen Alterserkrankungen sind auf Alkoholmissbrauch zurückzuführen.
  • Rund 20 Prozent der älteren Männer und 2 Prozent der älteren Frauen nehmen exzessiv Alkohol zu sich.
  • Alkoholmissbrauch liegt vor, wenn Frauen mehr als 20 Gramm Alkohol pro Tag zu sich nehmen (Männer 40 Gramm).
  • Wenn sich Bewohner ernsthaft dazu entschließen, eine Alkoholabhängigkeit zu überwinden, haben sie gute Erfolgschancen (ca. 70 Prozent).
  • Das Gehirn eines alten Menschen reagiert viel empfindlicher auf Alkohol als das eines jüngeren.

Grundsätze:

  • Alkoholismus ist kein Tabuthema. Wir sprechen diese Krankheit offen an und verheimlichen sie nicht.
  • Jeder Bewohner hat trotz aller Risiken das Recht, Alkohol in jeder gewünschten Menge zu sich zu nehmen. Pflegekräfte können dem Bewohner zwar eine Änderung seines Verhaltens nahe legen, eine Beschlagnahme der Getränke ist jedoch nicht möglich.
  • Das Recht des Bewohners am eigenen Rausch endet, wenn er eine Gefahr für andere Bewohner oder Mitarbeiter unserer Einrichtung darstellt.
  • Unsere Möglichkeiten zur Bekämpfung von Alkoholabhängigkeit sind begrenzt. Wenn unsere Mittel nicht reichen, prüfen wir eine Überstellung des Bewohners an eine Fachklinik.
  • Wir enthalten uns jeder moralischen Bewertung zur Handlung des Suchtkranken. Unabhängig von der Verschuldensfrage leisten wir jedes uns mögliche Maß an Hilfe.
  • Alle Maßnahmen zur Verringerung oder zur Beseitigung der Alkoholabhängigkeit bedürfen der Zustimmung und der Unterstützung durch den Bewohner.
  • Eine möglichst frühzeitige Therapie ist zwar wünschenswert, scheitert aber zumeist am mangelnden Einsichtsvermögen des Bewohners. Häufig ist eine sinnvolle Therapie erst dann möglich, wenn der Bewohner einen psychischen und physischen Tiefpunkt durchlitten hat.
  • Wir arbeiten eng mit Hausärzten und Selbsthilfegruppen zusammen.

Ziele:

  • Die Lebensqualität der alkoholabhängigen Bewohner wird gesichert.
  • Der Suchtkranke ist in der Lage, sein Leben zu meistern.
  • Soziale Kontakte werden wieder hergestellt.
  • Der Gesundheitszustand wird verbessert.
  • Die täglich konsumierte Alkoholdosis wird gesenkt. Es werden längere Abstinenzzeiträume erreicht.
  • Wir vermeiden es, dass sich die Abhängigkeit auf Nikotin, auf Medikamente oder auf Drogen verlagert oder ausweitet.
  • Unsere Bewohner und Pflegekräfte werden vor gewaltsamen Übergriffen durch Alkoholisierte geschützt.

Vorbereitung:

  • Wir achten auf Symptome, die auf einen (versteckten) Alkoholgenuss deuten:
    • alkoholischer Atemgeruch ("Fahne")
    • gelbe Bindehaut
    • rote Nase
    • Magenschmerzen
    • Brechreiz
    • unsicherer Gang
    • lallende Sprache
    • Depressionen
    • Aggressionen
    • Gereiztheit, Angstschübe
    • Stimmungsschwankungen
    • Gedächtnisverlust ("Filmriss")
    • Selbstmitleid und Schuldgefühle
    • Vereinsamung
    • Stehlen von Geld oder von Alkohol
    • Verschuldung bei anderen Bewohnern
    • Verwahrlosung, insbesondere Vernachlässigung der Körperpflege
    • Streit mit Angehörigen
    • beleidigendes Verhalten gegenüber Mitbewohnern oder Pflegekräften
  • Der Umgang mit alkoholisierten oder aggressiven Bewohnern wird regelmäßig in Rollenspielen geübt.
  • Unser Team wird regelmäßig zum Thema Alkoholismus fortgebildet.
  • Wir halten stets aktuelle Fachliteratur zum Thema Alkoholismus bereit.

Durchführung:

Alkoholsucht

Bei alkoholabhängigen Bewohnern treffen wir folgende Maßnahmen, sofern der Bewohner bzw. sein Betreuer diesen zugestimmt haben:

  • Schon im Aufnahmegespräch wird die Alkoholabhängigkeit thematisiert. Wir besprechen mit dem Bewohner und seinen Angehörigen, wie das Alkoholproblem angegangen werden soll.
  • Suchtkranke Bewohner werden besonders behutsam und mitfühlend in den Heimalltag und in die Umgebung eingeführt.
  • Wenn der Bewohner eine Tätigkeit gut ausgeführt hat, wird er gelobt. Es ist wichtig, sein Selbstbewusstsein wieder zu erlangen.
  • Wir weisen den Bewohner in die Nutzung von Gedächtnisstützen ein, etwa einem Notizbuch oder Zetteln. Zudem führen wir besonders intensive Gedächtnisübungen durch.
  • Wir bleiben bei Medikamentengaben anwesend.
  • Bei invasiven und intimen Pflegehandlungen gehen wir besonders einfühlsam mit dem Bewohner um, da dieser mit Aggressionen reagieren könnte.
  • Gewalttätige Bewohner werden ausschließlich durch männliche Pflegekräfte betreut. Weibliche Pflegekräfte sollten nicht allein das Zimmer betreten.
  • Pflegekräfte lassen sich nicht zu "Komplizen" machen. Sie beschaffen weder Alkohol, noch verharmlosen sie die Sucht.
  • Wir regen die Teilnahme an entsprechenden Selbsthilfetreffen an.
  • Wir reden mit dem Bewohner offen über Gefühle, Konflikte und Täuschungsversuche.
  • Wir treffen Maßnahmen zur Verbesserung der Sturzprophylaxe.
  • Wir bleiben konsequent. Wenn etwa einem Bewohner als Folge einer alkoholbedingten Gewalttat eine Klinikeinweisung angedroht wurde, wird diese im Wiederholungsfall unverzüglich eingeleitet.
  • Wenn es der Bewohner wünscht, zieht er in eine beschützte Wohngruppe um. Hier ist es entweder wesentlich schwieriger, an Alkohol zu gelangen, oder aber er darf dort kontrolliert trinken. Je nach therapeutischem Konzept der jeweiligen Einrichtung.
  • Der Bewohner wird verstärkt ergotherapeutisch betreut.
  • Wir versuchen, gestörte Kontakte zu Angehörigen und zu Mitbewohnern wieder herzustellen.
  • Wir sorgen für einen geregelten Tagesablauf, da viele Alkoholabhängige diesen ordnenden Faktor verloren haben.
  • Wir sprechen die Angehörigen an und prüfen, ob hier eine Co-Abhängigkeit besteht. Dieses ist der Fall, wenn Angehörige die Sucht herunterspielen oder den Bewohner gar mit Alkohol versorgen.
  • Der Bewohner erhält kein Bargeld mehr.
  • Der Heimkiosk wird informiert, dass der Bewohner keinen Alkohol bekommen sollte.
  • Einkäufe tätigt der Bewohner nur im Beisein einer Pflegekraft oder zuverlässiger Mitbewohner.
  • Der Bewohner erhält keine Nahrungsmittel, die in irgendeiner Form Alkohol enthalten.
  • Wir schätzen regelmäßig die Suizidgefährdung ein und treffen entsprechende Maßnahmen.
  • Bei Medikamentengaben bedenken wir, dass viele Wirkstoffe in Kombination mit Alkohol unerwünschte oder gar gefährliche Wechselwirkungen zeigen. Dieses wird genau mit dem behandelnden Arzt besprochen. Zudem enthalten viele Medikamente Alkohol, z.B. Hustensäfte.

Korsakow-Syndrom

Bei Bewohnern, die unter dem Korsakow-Syndrom leiden, wird die Pflege entsprechend angepasst:

  • Wir formulieren stets einfache Sätze mit einfachen Anweisungen.
  • Wir achten sorgfältig auf Anzeichen, die auf einen Aggressionsschub hindeuten. In diesem Fall sollte eine Pflegekraft nicht in Panik verfallen, sondern beruhigend auf den Bewohner einwirken.
  • Bei anhaltend aggressivem Verhalten prüfen wir, ob eine medikamentöse Behandlung sinnvoll wäre. Wir arbeiten dabei eng mit dem Hausarzt zusammen.
  • Uns ist bewusst, dass viele Korsakow-Patienten konfabulieren, also Erinnerungslücken durch spontane Einfälle überbrücken. Viele Angaben der Bewohner könnten also falsch sein.
  • Wir versuchen, den Bewohner aktivierend zu pflegen. Allerdings ist uns bewusst, dass der Kooperationswille häufig sehr gering ist.
  • Wir sind bereit, auch einfachste Tätigkeiten immer und immer wieder zu üben. Korsakow-Patienten lernen nur sehr langsam.
  • Da Korsakow-Patienten Probleme damit haben, sich etwas abstrakt vorzustellen, beziehen sich Aufforderungen stets auf eine konkrete Situation, etwa beim Tischdecken, Bettenmachen oder Aufräumen.
  • Die genaue Befolgung des strukturierenden Tagesplanes hat eine hohe Priorität. Korsakow-Patienten benötigen Kontinuität besonders dringend.

Nachbereitung:

  • Alle Maßnahmen und Angebote werden sorgfältig dokumentiert.
  • Wir bieten unseren Pflegekräften regelmäßig Supervision an.

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter