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Standard "Stumpf- und Phantomschmerzen nach Amputationen"

Nach jahrelangem Kampf gegen die diabetische Gangrän oder die arterielle Verschlusskrankheit lässt sich eine Amputation oftmals nicht mehr verhindern. Viele Betroffene erhoffen sich vor allem ein Ende der unerträglichen Dauerschmerzen. Und tauschen letztlich doch nur eine Form des Schmerzes gegen eine andere.


Standard "Stumpf- und Phantomschmerzen nach Amputationen"


Definition:

  • Bei einer Amputation werden neben Knochen, Sehnen und Muskeln auch wichtige Nervenbahnen durchtrennt. In der Folge leiten diese gekappten Nervenstränge teils heftige Schmerzempfindungen an das Gehirn weiter.
  • Eine der dann auftretenden Schmerzformen sind "Stumpfschmerzen", ein zumeist permanent vorhandener Wundschmerz. I.d.R. ist die Schmerzbelastung direkt nach dem Eingriff am größten und nimmt dann kontinuierlich ab, da die Gewebeschädigungen abheilen. Bei der Mehrzahl der Patienten ist nach einigen Wochen keine oder nur noch eine moderate Schmerztherapie erforderlich. Ein "chronischer Stumpfschmerz" liegt vor, wenn die Beschwerden länger als drei Monate anhalten.
  • Darüber hinaus leiden 60 bis 80 Prozent der Betroffenen unter sog. "Phantomschmerzen". Diese scheinen aus dem inzwischen entfernten Körperteil zu kommen. Der Bewohner hat also beispielsweise trotz eines amputierten Unterschenkels Schmerzen in der Ferse. Phantomschmerzen treten nur selten kontinuierlich auf. Bei der Mehrzahl der Betroffenen haben die Schmerzzustände einen intermittierenden und anfallsartigen Charakter. Die Attacken dauern zumeist nur wenige Minuten.
  • Die Unterscheidung beider Schmerzformen ist in der Praxis schwierig, da beide Varianten gleichzeitig auftreten können und sich wechselseitig beeinflussen.
  • Viele Ansätze zur Linderung von Stumpf- und Phantomschmerzen sind wissenschaftlich nur unzureichend erforscht. Daher basiert die Therapie letztlich auf dem "Versuch-und-Irrtum-Prinzip".

Grundsätze:

  • Auch ein Phantomschmerz ist real und muss therapiert werden, wenn er die Lebensqualität mindert.
  • Eine rein medikamentöse Therapie ist zumeist nicht sinnvoll. Erfolgsversprechender ist eine Kombination aus Medikamenten, Psychotherapie und Physiotherapie.
  • Eine gute Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und dem Arzt entscheidet über den Therapieerfolg. Dieses insbesondere, wenn der Bewohner unter einer Demenz leidet und nicht mehr sinnvoll mit dem Arzt kommunizieren kann. Es liegt dann an uns, den Bewohner intensiv zu beobachten, um die Schmerzintensität und somit die Effektivität der Therapiemaßnahmen zu beurteilen.
  • Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapieform liegt einzig beim Bewohner bzw. dessen Betreuer.

Ziele:

  • Die Ursache für den Schmerz wird gefunden. Wundheilungsstörungen werden zeitnah therapiert.
  • Die Schmerzbelastung wird auf ein möglichst geringes Niveau gesenkt. Insbesondere bleibt die Lebensqualität des Bewohners erhalten.

Vorbereitung:

Informationssammlung

  • Bei der Heimaufnahme erheben wir alle relevanten Daten zur Amputation; also Zeitpunkt und Grund der Amputation. Wichtig ist auch, ob Nachamputationen erforderlich waren.
  • Viele Betroffene haben im Laufe der Jahre eigene Strategien entwickelt, um die Schmerzen zu kontrollieren. Diese Techniken sollten auch weiterhin angewendet werden. Falls sich der Bewohner nicht mehr klar äußern kann, befragen wir dazu ggf. auch Angehörige.
  • Die Schmerzbelastung wird immer wieder erfasst. Grundlage dafür ist der Standard "Schmerzanamnese". Wir erfassen damit den zeitlichen Verlauf der Beschwerden über mehrere Wochen hinweg.

Schmerzprophylaxe

  • Wir prüfen, ob der Bewohner (abgesehen von der Amputationswunde) unter anderen Krankheitsbildern leidet, die mit Schmerzen verbunden sind. Beispiel: Das Kniegelenk des Bewohners oberhalb der Amputation ist von Arthrose betroffen. Diese Schmerzen sollten konsequent therapiert werden, da sie Phantomschmerzen auslösen können. Auch Bandscheibenvorfälle können Stumpfschmerzen auslösen.
  • Wir prüfen, ob die Prothese passt; also insbesondere, ob sich der Auflagedruck optimal verteilt. Im Lauf der Zeit kann sich die Stumpfform verändern. Durch Materialalterung kann sich auch die Prothese verformen. Falls notwendig veranlassen wir eine Korrektur bzw. Anpassung der Prothese.
  • Wir intensivieren die Sturzprophylaxe. Dieses auch, um Stöße auf den Stumpf zu verhindern. Schon kleine Traumata an einem eigentlich abgeheilten Stumpf können zu erneuten chronifizierten Schmerzzuständen führen.
  • Wir stellen sicher, dass ein sich entwickelnder Diabetes mellitus schnell erkannt und angemessen therapiert wird. Dauerhafte Fehleinstellungen des Blutzuckerspiegels können Amputationsschmerzen auslösen, auch wenn der Eingriff bereits Jahre zurückliegt.
  • Wir achten auf den korrekten Sitz des Wundverbandes. Eine zu enge Bandagierung kann Schmerzen auslösen. Der Pflegestandard "Wickeln eines Stumpfes" wird beachtet.
  • Wir berücksichtigen, dass Schmerzen durch Miktion oder durch Defäkation ausgelöst werden können; dieses insbesondere, wenn untere Extremitäten amputiert wurden.
  • Langeweile intensiviert die Schmerzbelastung. Wir fördern daher Ablenkung etwa durch Hobbys oder durch andere Freizeitangebote in unserer Einrichtung.
  • Emotionale Reize sowie Erinnerungen an das Kriegs- oder Unfallgeschehen können ebenfalls Schmerzzustände auslösen. Auch Angst sowie Stress wirken förderlich. Dieses ist insbesondere bei Demenz-Patienten relevant, denen die emotionale Kontrolle zunehmend entgleitet.
  • Viele Betroffene berichten, dass Wetterwechsel Schmerzen auslösen können.
  • Wenn der Bewohner unter Infektionen leidet, kann dieses auch die Schmerzbelastung intensivieren; etwa bei Herpes Zoster.

Durchführung:

Inspektion des schmerzenden Stumpfes

  • Wenn der Bewohner über ungewöhnliche Schmerzempfindungen klagt, wird der Stumpf von der Pflegekraft inspiziert. Wir suchen etwa nach Druckstellen durch die Prothese. Ggf. kann es sinnvoll sein, einen Verbandswechsel vorzuziehen und eine Wundkontrolle durchzuführen.
  • Relevant sind Verfärbungen der Haut. Hautentzündungen sowie Entzündungen des Knochenmarks können die Symptomatik auslösen. Als Ursache kommen auch Hauttumore oder Neurome in Betracht.
  • Die Pflegekraft prüft die Temperatur des Stumpfes. Sie legt eine Hand erst auf den Stumpf und dann auf das intakte Bein bzw. auf den intakten Arm. Beide Seiten müssen gleich warm sein; ansonsten liegt ggf. eine Durchblutungsstörung vor.
  • Wenn der Bewohner die Extremität als Folge eines Tumors verloren hat, sind erneut auftretende Wundschmerzen ein Alarmsignal. Es könnte ein Tumorrezidiv oder eine Metastasierung vorliegen.

Maßnahmen zur Schmerzredution

  • Wir nutzen Tens, also die transkutane elektrische Nervenstimulation.
  • Sofern der Bewohner darauf anspricht, erhält er Akkupunktur.
  • Wir prüfen, ob lokale Kältebehandlungen oder Wechselbäder die Beschwerden lindern.
  • Bei lang anhaltenden Phantomschmerzen prüfen wir die Notwendigkeit einer begleitenden psychologischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung. Bei religiösen Bewohnern ist ggf. eine seelsorgerische Betreuung sinnvoll.
  • Wir prüfen, ob die Schmerzintensität durch Aromatherapie oder Massagen beeinflusst werden kann.
  • Wir schlagen dem Bewohner vor, Entspannungstechniken nach Jacobsen zu nutzen. Alternativ nutzen wir Ablenkungsverfahren ("Imagination") oder Biofeedback.
  • Insbesondere bei der Amputation eines Beines nutzen wir die Spiegeltherapie (per "Spiegelbox"). Damit entsteht die Illusion, dass die amputierte Extremität noch vorhanden wäre. Bei einigen Betroffenen lindert das Betrachten des gespiegelten Körperteils das Schmerzgeschehen.
  • Bei der Therapie von Phantomschmerzen sollte nicht zu lange gewartet werden. Nach Ausschöpfung aller nichtmedikamentösen Maßnahmen sollte zeitnah eine medikamentöse Schmerzlinderung erfolgen. Dem Bewohner werden damit unnötige Qualen erspart. Zudem wird verhindert, dass sich ein gestörtes Schmerzgedächtnis und somit eine chronische Verlaufsform entwickeln. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt prüfen wir eine medikamentöse Therapie. Je nach Ausmaß der Beschwerden können trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva, Lokalanästhetika, Opioide, Kalzitonin oder NMDA-Rezeptorantagonisten appliziert werden.
  • Bleibt die medikamentöse Therapie erfolglos, raten wir dem Bewohner dazu, sich ggf. einem operativen Eingriff zu unterziehen, bei dem die entsprechenden Schmerzeintrittszonen im Rückenmark elektrisch inaktiviert werden.

Nachbereitung:

  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Jede Beobachtung, die auf eine Wundheilungsstörung oder auf eine andere relevante Beeinträchtigung schließen lässt, wird dem Arzt zeitnah mitgeteilt.
  • Die Wirksamkeit jeder Maßnahme wird über einen längeren Zeitraum beobachtet. Ist sie erfolgreich, wird sie in die Pflegeplanung übernommen.
  • Der Zustand des Bewohners und die aktuelle Therapie werden regelmäßig in Fallbesprechungen diskutiert.

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • Durchführungsnachweis / Leistungsnachweis
  • Wunddokumentation
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte