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Notfallstandard "Asthmaanfall"

Die meisten Asthmatiker entwickeln sich im Laufe der Jahre zu wahren Experten, verfügen über die notwendigen Bedarfsmedikamente und können diese sicher einsetzen. Solange die Aerosole wirken, ist folglich eine Asthmaattacke keine echte Bedrohung. Doch mitunter trügt die Sicherheit.


Notfallstandard "Asthmaanfall"


Definition:

  • Asthma ist eine allergisch-entzündliche obstruktive Erkrankung der Atemwege. Vor allem drei Mechanismen lösen dabei Atemnot aus:
    • Eine Verkrampfung (Spasmus) der Bronchialmuskulatur führt dazu, dass die Atemwege verengt sind.
    • Dazu kommt eine Verdickung des Bronchialsekrets, das als zäher Schleim die Bronchien zusätzlich blockiert.
    • Eine Überempfindlichkeit der Bronchialschleimhaut verursacht gehäufte Entzündungsreaktionen in diesem Bereich. In der Folge kommt es zu Schleimhautschwellungen und somit zu einer teilweisen Verlegung der Atemwege.
  • Bei Kindern und bei jungen Erwachsenen tritt häufig ein allergisch bedingtes Asthma auf, vor allem durch das Einatmen von Pollen. Senioren hingegen leiden häufig unter endogenem, also unter nichtallergischem Asthma. Hier sind Atemwegsinfekte, mentaler Stress, körperliche Anstrengung sowie der Kontakt mit kalter Luft ursächlich für die Symptomatik.
  • Typisch für die Erkrankung sind plötzliche Asthmaanfälle. Diese treten häufig am Morgen auf. Leichte Attacken dauern nur wenige Minuten und klingen spontan ab. Schwere Anfälle halten Stunden an und erfordern die Applikation von Medikamenten. Mitunter besteht der Zustand länger als zwölf Stunden. Auch die verordneten Medikamente zeigen dann oft keine Wirkung. In diesem Fall liegt ein "Status asthmaticus" vor, also ein lebensbedrohlicher Zustand.
  • I.d.R. ist der Bewohner zwischen den Anfällen beschwerdefrei.

Grundsätze:

  • Zumeist hat ein betroffener Bewohner im Laufe der Jahre gelernt, die Krankheit und ihre Wirkung auf den eigenen Körper korrekt einzuschätzen. Eine wirksame Pflege kann nur dann gelingen, wenn im engen Dialog mit dem Bewohner dieses Wissen genutzt wird.
  • Der Anfall wird von dem Betroffenen zumeist als lebensgefährlich empfunden. Daher ist ruhiges und besonnenes Handeln der Pflegekräfte ebenso wichtig wie die Wahl der richtigen Notfallmaßnahmen.

Ziele:

  • Der Bewohner atmet wieder ruhig. Der Körper wird mit ausreichend Sauerstoff versorgt.
  • Die Schmerzbelastung wird minimiert.
  • Der Bewohner wird beruhigt. Er verspürt keine Todesangst.
  • Es treten keine Komplikationen auf, insbesondere keine Schädigungen des Herzens und keine weiteren Beeinträchtigungen des Lungengewebes.
  • Eine lebensbedrohliche Zuspitzung der Symptomatik wird zeitnah erkannt. Der Bewohner erhält schnelle Hilfe durch den Hausarzt oder durch den Notarzt.
  • Der Bewohner kennt die Zusammenhänge, die zu einem Anfall führen oder diesen fördern.
  • Der Bewohner weiß, welche Medikamente er einnehmen soll. Er ist in der Lage, diese korrekt zu dosieren und anzuwenden.

Vorbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Wir führen mit dem Bewohner ein Atemtraining durch. Häufig kann durch die richtige Atemtechnik die Symptomatik eines Anfalls abgemildert werden.
  • Ideal sind Schulungskonzepte, die von verschiedenen Kliniken umgesetzt werden. Ähnlich wie bei einer Diabetikerschulung wird der Betroffene umfassend in den richtigen Umgang mit seiner Erkrankung eingewiesen.
  • Wir raten dem Bewohner zu autogenem Training.
  • Wir sorgen dafür, dass die Bedarfsmedikamente stets griffbereit liegen, also etwa immer in der Handtasche oder im Nachttisch.
  • Wir suchen den Kontakt mit dem behandelnden Hausarzt. Wir bitten um detaillierte Vorgaben, wie im Notfall zu verfahren ist. Wichtig sind insbesondere Instruktionen zu Medikamentengaben, zur Sauerstoffverabreichung, zum Absaugen von Sekret usw.
  • Alle Pflegekräfte müssen mit der Handhabung der Dosieraerosole vertraut sein. Es gibt viele verschiedene Systeme mit im Detail abweichenden Anwendungsvorgaben. Die schriftliche Anleitung, die vom Hersteller mitgeliefert wird, muss daher stets in unmittelbarer Nähe des Geräts gelagert werden.
  • Die meisten Bewohner kennen die Vorzeichen für einen bevorstehenden Anfall. Wir bitten Betroffene, rechtzeitig vor dem Anfall die Klingel zu drücken und die Pflegekräfte zu alarmieren.

Frühwarnzeichen

Wir achten auf Frühwarnzeichen, die auf einen nahenden Asthmaanfall hindeuten:

  • Abfall der Messwerte des Peak-Flow-Meters am Morgen
  • zunehmende tageszeitliche Schwankungen der Messwerte des Peak-Flow-Meters (mehr als 20 Prozent Tagesvariabilität)
  • zunehmende Atemnot, insbesondere in der Nacht und am frühen Morgen
  • reduzierte körperliche Belastbarkeit
  • steigender Verbrauch von Bedarfsmedikamenten
  • Symptome einer Atemwegsinfektion wie etwa Fieber oder grünlich-gelbes Sputum

Symptome

Wir achten auf Symptome, die für eine Asthmaattacke typisch sind:

  • schwere Atemnot
  • giemende, keuchende brummende oder pfeifende Atmung
  • verlängerte und erschwerte Ausatmung
  • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
  • Zyanose im Gesicht und insbesondere im Bereich der Lippen
  • zäher, durchsichtiger Schleim beim Husten
  • Unruhe bis hin zur Panik
  • kalter Schweiß
  • allgemeine Erschöpfung, ggf. Bewusstseinseintrübung
  • Hypertonie
  • deutliche Tachykardie

Durchführung:

zu Beginn des Anfalls

  • Wir prüfen die Schwere des Anfalls:
    • Bei einem leichten Anfall kann der Bewohner noch sprechen. Die Atemfrequenz liegt bei unter 25 Zügen pro Minute und die Herzfrequenz bei unter 110 Schlägen pro Minute. (Je nach individueller Konstitution können diese Werte abweichen.)
    • Bei einem schweren Anfall kann der Bewohner nur noch einzelne Worte sprechen. Die Atemfrequenz und der Puls sind deutlich erhöht. Eine Peak-Flow-Messung ist völlig unmöglich.
  • Wenn es sich um einen ungewöhnlich schweren Asthmaanfall handelt, wird der Notarzt informiert. Der Bewohner wird dabei nach Möglichkeit nicht allein gelassen. Zumindest eine Pflegekraft bleibt stets beim Bewohner und versucht, diesem ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Angst verschlimmert die Symptome, die wiederum noch mehr Angst auslösen.
  • Bei vielen Bewohnern können körperliche Berührungen mit den Händen beruhigend wirken.
  • Der Bewohner erhält die verordnete Anzahl an Hüben des Bronchospasmolytikums in Form eines Dosieraerosols.
  • Wir bereiten uns darauf vor, dass das inhalierte Medikament zu Übelkeit, zu innerer Unruhe oder zu Tachykardie führen kann. Einige Wirkstoffe können auch einen vorübergehenden Tremor auslösen (Zittern der Hände).
  • Bewohner neigen unter Panik häufig dazu, das Medikament überzudosieren. Daher sollte die richtige Dosierung von den Pflegekräften überwacht werden. Der Bewohner wird mit ruhigen Worten angeleitet.
  • Die Vitalwerte werden ermittelt.
  • Eine Pflegekraft stellt das Material zusammen, um den Bewohner ggf. abzusaugen (gemäß Standard "Absaugen").
  • Einengende Kleidung wird geöffnet, etwa Kragen, Büstenhalter, Gürtel oder Hosenbund.
  • Offensichtliche Allergieauslöser werden entfernt (Sommerblumen, Hund usw.)
  • Der Bewohner erhält geringe Mengen Sauerstoff, sofern dieses nicht kontraindiziert ist. Die Pflegekraft appliziert zwei bis vier Liter pro Minute. Der Bewohner wird dabei ständig überwacht, da eine Atemdepression eintreten könnte. (Hinweis: Die Gefahr einer Atemdepression wird häufig überschätzt. Tatsächlich ist diese Komplikation vergleichsweise selten.)
  • Ggf. wird die Atemluft angefeuchtet. Wir nutzen dafür einen Ultraschallvernebler und 0,9%ige NaCl-Lösung.
  • Sofern eine Bedarfsmedikation besteht, erhält der Bewohner bei schwerster Panik ein Sedativum.
  • Der Bewohner wird in eine atemerleichternde Position gebracht. Bei mobilen Bewohnern ist der "Kutschersitz" zu bevorzugen. Immobile Bewohner werden in die Oberkörperhochlagerung gebracht. Die Arme werden durch untergelegte Kissen unterstützt. Ggf. wird eine Bettverkürzung oder eine Knierolle ins Bett gelegt. (Hinweis: Die meisten Asthmatiker kennen die für sie beste Körperhaltung und nehmen diese selbstständig ein. Ggf. wird der Bewohner von der Pflegekraft dabei unterstützt.)
  • Die Pflegekraft atmet mit dem Bewohner zusammen. Sie atmet durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Der Bewohner wird aufgefordert, die Lippenbremse zu nutzen, sofern ihm diese Technik bereits vertraut ist. Die Lippenbremse verlangsamt eine hastige Atmung. Bei starker Atemnot kann die Lippenbremse nicht genutzt werden.
  • Das Fenster wird geöffnet, um frische Luft in den Raum zu lassen. Ideal ist feuchte Frischluft, denn diese reduziert die Schleimhautschwellung. Im Winter ist Frischluft ggf. kontraproduktiv. Kalte Luft fördert bei vielen Betroffenen den Bronchospasmus. Auch Frischluft bei sommerlichem Pollenflug ist riskant.
  • Der Bewohner wird am Ende eines Anfalls beim Abhusten des zähen glasigen Schleims unterstützt. Ggf. soll der Bewohner "Äpfel pflücken", also jeweils einseitig die Hand nach oben in Richtung Zimmerdecke strecken. Diese Übung lockert die Atemmuskulatur und erleichtert das Abhusten. Auch eine vorsichtige Klopfmassage löst den Schleim, der dann einfacher abgehustet werden kann.

keine Besserung nach 10 Minuten

  • Falls sich die Symptomatik innerhalb der ersten 10 Minuten nach Medikamentengabe nicht deutlich verbessert, führen wir (falls möglich) eine Peak-Flow-Messung durch, um die Einschränkungen genau zu erfassen.
  • Abhängig von den ärztlichen Vorgaben zur Bedarfsmedikation werden nun ggf. weitere Hübe des Inhalats verabreicht oder alternativ Theophyllin appliziert. Die vom Arzt vorgegebene Höchstdosis wird beachtet.
  • Der Puls wird ständig überwacht. Insbesondere dann, wenn bereits zu Beginn der Attacke der Puls erhöht war, besteht nun das Risiko, dass dieser noch weiter ansteigen könnte oder unregelmäßig wird.

keine Besserung nach 20 Minuten

  • Der Notarzt wird verständigt.
  • Die Krankenhauseinweisung wird vorbereitet (gemäß Standard "Krankenhauseinweisung").

Nachbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Wenn dem Bewohner ein Dosieraerosol eingegeben wurde, muss danach eine Mundpflege durchgeführt werden.
  • Bei häufigem Gebrauch der Aerosole ist die Gefahr einer Pilzinfektion in der Mundhöhle gesteigert. Auch das Kariesrisiko erhöht sich. Daher ist es notwendig, den Mundbereich regelmäßig zu inspizieren.
  • Der Bewohner wird erst dann wieder allein gelassen, wenn sich sein Zustand vollständig normalisiert hat. In den folgenden zwei Stunden sollte seine Verfassung engmaschig überwacht werden.
  • Falls Theophyllin appliziert wurde, ist in der Nacht mit Schlafstörungen zu rechnen.

Dokumentation

Die Attacke wird genau dokumentiert. Die Kriterien:

  • Wie lange dauerte der Anfall?
  • Wie empfand der Bewohner den Anfall subjektiv? Klagt er über Erstickungsangst?
  • Welche Vitalwerte wurden gemessen, insbesondere Pulsfrequenz?
  • War die Atmung "pfeifend"?
  • Wie war die Hautfarbe? War der Bewohner zyanotisch?
  • War die Atemfrequenz erhöht, verlangsamt oder unregelmäßig?
  • War der Bewohner kaltschweißig?

Dokumente:

  • Medikamentenblatt
  • Pflegebericht

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegefachkraft