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Standard "Pflege
von Senioren mit Aszites"
Der Nachkriegsgeneration ist die Aszites
noch als "Hungerbauch" in unguter Erinnerung. Heute jedoch ist
die Bauchwassersucht zumeist die Folge einer Leberzirrhose. Und
die Überlebenschancen stehen dann schlechter als 50 zu 50.
Standard "Pflege
von Senioren mit Aszites"
Definition:
Der Begriff "Aszites"
(auch "Bauchwassersucht") beschreibt eine Ansammlung von Flüssigkeit in
der freien Bauchhöhle. Aszites tritt häufig auf mit abdominalen
Schwellungen, Hämodilution (sog. "Blutverdünnung"), Ödemen oder einer
reduzierten Urinausscheidung.
Es gibt vier
Formen der Aszites:
-
Die entzündliche Aszites (Exsudat) tritt auf
bei
-
Peritonitis (sog. "Bauchfellentzündung")
-
Polyserositis (gleichzeitige Entzündung
mehrerer oder aller seröser Häute, wie etwa Perikarditis,
Pleuritis und Peritonitis (mitunter auch der Leberkapsel)
-
Die nichtentzündliche Aszites tritt auf bei
-
portaler Hypertension (erhöhter Druck in
der Pfortader oder ihren Ästen)
-
Leberzirrhose (sog. "Schrumpfleber")
-
Tumorbildung im Magen-Darm-Trakts
-
Peritonealkarzinose (Ansiedlung
zahlreicher Metastasen eines Karzinoms im Bauchfell)
-
Herzinsuffizienz
-
Erniedrigung des kolloidosmotischen
Drucks bei Hypalbuminämie (Verminderung verschiedener Proteine
im Blut)
-
nephrotisches Syndrom (Symptomenkomplex
bei primären und sekundären Nierenerkrankungen)
-
exsudativer Enteropathie (sog.
"Eiweißverlustsyndrom")
-
Die chylöse Aszites ist die Folge eines
Austritts von Lymphflüssigkeit bei Lymphabflussstörungen im Bereich
des Ductus thoracicus ("Brustmilch- oder Milchbrustgang"), etwa nach
einem Trauma.
-
Die hämorrhagische Aszites mit Blutbeimengung
tritt z.B. auf bei
-
tuberkulöser Peritonitis (s.o.),
Peritonealkarzinose (s.o.)
-
als Folge einer Blutung in die freie
Bauchhöhle, etwa nach einer Verletzung eines Gefäßes
Weiteres:
-
Mit rund 80 Prozent ist Leberzirrhose die
häufigste Ursache eines Aszites. Deutlich seltener ist in
Wohlstandsgesellschaften der sog. "Hungerbauch", also ein Aszites
als indirekte Folge einer Mangelernährung.
-
Ab einem Liter Flüssigkeit kann ein Aszites
durch Perkussion des Abdomens nachgewiesen werden. Eine abdominale
Sonographie stellt bereits Flüssigkeiten ab rund 50 bis 200 ml dar.
Grundsätze:
-
Wir dulden keine Denkansätze, die Aszites als
verdiente Strafe für frühere Alkoholexzesse werten.
-
Wir nehmen Schmerzäußerungen ernst und
reagieren darauf umgehend.
-
Wir arbeiten eng mit dem Hausarzt zusammen
und besprechen sorgfältig jede Maßnahme. Ohne Zustimmung des Arztes
werden insbesondere keine Medikamente abgesetzt.
-
Wenn sich der Gesundheitszustand eines
Bewohners verschlechtert, wird umgehend der Arzt / Notarzt gerufen.
Ziele:
-
Ein Aszites wird rechtzeitig bemerkt. Eine
ärztliche Therapie wird zeitnah eingeleitet.
-
Der Aszites wird durch Diuretika
ausgeschwemmt.
-
Eine Überbelastung des Kreislaufes wird
vermieden.
-
Die Schmerzbelastung wird auf ein Minimum
reduziert.
Vorbereitung:
Allgemeines
-
Unser Team wird regelmäßig zum Thema Aszites
fortgebildet.
-
Wir halten stets aktuelle Fachliteratur zum
Thema Aszites bereit.
Symptome
Wir achten auf die typischen
Symptome eines Aszites:
-
Bei geringen Flüssigkeitsmengen ist der
Aszites häufig symptomlos.
-
Der Bewohner nimmt innerhalb kurzer Zeit
deutlich an Gewicht zu. Alternativ kann das Gewicht gleich bleiben,
obwohl der Bewohner optisch abmagert. In diesem Fall verliert der
Bewohner durch die Grunderkrankung zwar an Körpermasse, das Gewicht
des eingelagerten Wassers gleicht diesen Verlust aber aus.
-
Im weiteren Verlauf wölbt sich das Abdomen
vor. Vor allem die Flanken sind ausladend.
-
Die Nabelregion ist verstrichen. Ggf. kommt
es zu einem Nabelbruch.
-
Es kommt zum Zwerchfellhochstand und zur
Atemnot.
Der Bewohner klagt über Schmerzen im Abdomen.
Durchführung:
Mithilfe bei der ärztlichen Therapie
-
Priorität hat die Behandlung der
Grunderkrankung, etwa Leberzirrhose oder Herzinsuffizienz /
Herzmuskelschwäche. Die entsprechenden Pflegestandards werden
umgesetzt.
-
Der Bewohner soll Bettruhe halten.
-
Die Vorgaben zur Beschränkung des Natrium-
und Flüssigkeitskonsums werden konsequent umgesetzt. Leichtere Fälle
lassen sich damit zur Abheilung bringen.
-
Die Natriumaufnahme wird auf unter drei
Gramm pro Tag reduziert. (Hinweis: Häufig werden auch zwei Gramm
als Obergrenze genannt.) Ein hoher versteckter Salzanteil ist
häufig in Fertiggerichten, Gemüsekonserven und Salzgebäck zu
finden. Diese Speisen sollte der Bewohner meiden.
-
Die Wasseraufnahme sollte einen Wert von
ein bis eineinhalb Litern pro Tag nicht überschreiten.
Flüssigkeitsreiche Lebensmittel wie etwa Früchte werden
angerechnet.
-
Mittels Flüssigkeitsbilanzierung und
Gewichtskontrolle wird sichergestellt, dass der Aszites nicht zu
schnell ausgeschwemmt wird. Ein guter Wert ist ein halbes
Kilogramm pro Tag. Wenn der Bewohner unter zusätzlichen
peripheren Ödemen leidet, kann der Wert auf maximal ein
Kilogramm pro Tag gesteigert werden.
-
Wenn der Gewichtsverlust unter dem Plan
bleibt, kann ein Diuretikum verabreicht werden.
Ggf. lässt sich eine Aszitespunktion nicht vermeiden. Der Arzt
sticht dafür in die Bauchhöhle ein und leitet die Flüssigkeit
über einen Beutel ab. Diese Maßnahme kann im Abstand von einigen
Wochen ggf. wiederholt werden.
Pflegemaßnahmen
-
Der Bewohner wird im fortgeschrittenen
Krankheitsverlauf konsequent entlastet. So wird z.B. die
Körperpflege komplett von uns geleistet.
-
Zur Atemerleichterung ist eine
Oberkörperhochlagerung sinnvoll. Diese Position kann ggf. auch in
der Nacht beibehalten werden.
-
Häufig ist die Rückenlage für Betroffene
angenehmer, wenn ein Bein angezogen ist und dadurch die
Bauchdeckenspannung reduziert wird. Dafür kann dem Bewohner ein
Kissen unter die Knie gelegt werden.
-
Der Bewohner soll lockere Kleidung tragen,
die nicht einschnürt. Hosenbündchen oder Bündchen von Pyjamas sind
oftmals nicht geeignet.
-
Das Gewicht und der Bauchumfang des Bewohners
werden jeden Tag zu gleichen Zeiten und unter gleichen Bedingungen
ermittelt. Beispiel: Jeden Morgen nach dem Toilettengang vor dem
Frühstück.
-
Die Prophylaxen werden konsequent
durchgeführt, insbesondere
-
Pneumonieprophylaxe, da die Atmung
eingeschränkt ist
-
Dekubitusprophylaxe, da der Bewohner
Bettruhe halten muss
-
Der Bewohner soll den Alkoholkonsum
unverzüglich und komplett einstellen.
-
Suprapubische Blasenpunktionen sind bei
Aszites kontraindiziert.
Pflegemaßnahmen nach einer
Aszitespunktion
Häufig ist es erforderlich, dass der
Aszites in einer gastroenterologischen Fachpraxis punktiert wird. Neben
einer Entlastung bei ausgedehntem Aszites kann dieser Eingriff auch dem
Nachweis von Zellen und Erregern dienen. Da heute leistungsfähige
Diuretika zur Verfügung stehen, können Punktionen häufig vermieden
werden.
Wir achten auf mögliche Komplikationen:
-
Wir ermuntern den Bewohner, sich bei
Schmerzen umgehend bei der Pflegekraft zu melden.
-
Die Punktionsstelle wird bei jedem
Verbandswechsel inspiziert.
-
Sobald die Einstichstelle trocken und reizlos
ist, ist ein Verband nicht mehr notwendig.
-
Nach dem Abpunktieren von größeren Mengen
Aszitesflüssigkeit ist es sehr wichtig, dass die Kreislauffunktionen
des Bewohners engmaschig überwacht werden.
-
Ggf. muss Humanalbuminlösung per Infusion
zugeführt werden.
Beratung und Unterstützung des
Bewohners
-
Wir vermitteln ggf. Kontakt zu einem
Seelsorger oder zu Selbsthilfegruppen.
-
Wir ermutigen den Bewohner, den Kontakt zu
Angehörigen und Freunden nicht abreißen zu lassen. Insbesondere
sollte er an gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen.
-
Wir beraten den Bewohner umfassend über das
Krankheitsbild Aszites. Die Aufklärung über den individuellen
Krankheitszustand ist aber immer Aufgabe des Arztes.
-
Wir sind zum Bewohner stets ehrlich und
machen ihm hinsichtlich der Prognose keine falschen Hoffnungen.
Inwieweit das bei dementiell erkrankten Bewohnern sinnvoll ist,
hängt vom Einzelfall ab.
-
Wir nehmen uns ausreichend Zeit, um mit dem
Bewohner auch über private Dinge zu reden.
-
Wir akzeptieren es, wenn der Bewohner seine
Ruhe haben möchte und sich für eine begrenzte Zeit abkapselt.
Pflege des Bewohners in der
Sterbephase
-
Wir setzen die im Standard "Sterbebegleitung"
beschriebenen Maßnahmen um.
Nachbereitung:
Allgemeines
-
Der Zustand des Bewohners wird engmaschig
überwacht. Die Ergebnisse werden dokumentiert. Relevante Kriterien
sind:
-
Flüssigkeitsbilanz
-
Gewicht
-
Vitaldaten, insbesondere Atmung,
Körpertemperatur und Gewicht
-
Alle relevanten Veränderungen werden umgehend
dem Hausarzt mitgeteilt.
-
Die Pflegeplanung wird regelmäßig
aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.
Prognose
-
Die langfristigen Überlebenschancen sind
gering, insbesondere wenn der Aszites die Folge einer Leberzirrhose
ist. Nach einem Jahr sind 60 Prozent der Betroffenen verstorben.
Nach zwei Jahren steigt dieser Wert auf 70 Prozent.
-
Die Sterblichkeit lässt sich durch eine
Lebertransplantation deutlich auf 25 Prozent reduzieren. Bei
Alkoholikern erfordert dieser Eingriff jedoch eine komplette
Umstellung des Lebenswandels. Dieser gelingt nur selten.
-
Bei 10 bis 20 Prozent aller Bewohner mit
Aszites breiten sich Bakterien in der Aszitesflüssigkeit aus. Es
kommt zu einer bakteriellen Peritonitis, die in bis zu 30 Prozent
aller Fälle tödlich endet. Häufige Spätfolgen sind intraabdominale
Verwachsungen mit dem Risiko der Entwicklung eines Ileus.
Dokumente:
-
Berichtsblatt
-
Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen
-
Vitaldatenblatt
-
Pflegenachweis
-
Flüssigkeitsbilanzierung / Trinkprotokoll
-
Mobilisierungs- und Bewegungsplan
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
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