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Standard "Beckenbodentraining ohne unterstützende Technik"
Bei
der Lektüre des Expertenstandards zur "Förderung der Harnkontinenz"
wird sich manch Pflegekraft die Augen gerieben haben. Gleich
dutzendfach haben die Autoren "alte Zöpfe" abgeschnitten und die
gesamte Inkontinenzprophylaxe deutlich modernisiert. Wir zeigen Ihnen,
wie ein Beckenbodentraining heute aussehen sollte.
Standard "Beckenbodentraining ohne unterstützende Technik"
Definition:
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Die Beckenbodenmuskulatur befindet sich
unterhalb der Harnblase. Sie kann bewusst angespannt werden, um die
Blase zu verschließen. Gleichzeitig kann ein Mensch die
Beckenbodenmuskulatur erschlaffen lassen, um die Blasenentleerung
einzuleiten.
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Verschiedene Faktoren können die
Beckenbodenmuskulatur schwächen, wie etwa Geburten, operative Eingriffe
oder hohes Lebensalter. In der Folge verlieren insbesondere Frauen
häufig zunächst die Harn- und später ggf. auch die Stuhlkontinenz.
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Die Bewahrung und die Wiederherstellung der
Kontinenz zählen zu den primären pflegerischen Zielen. Dafür stehen uns
zwei Varianten des Beckenbodentrainings zur Verfügung:
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Das "Beckenbodentraining ohne unterstützende
Technik" (hier beschrieben) basiert auf Bewegungsübungen. Diese fördern
die Sensibilität der Bewohnerin für die eigene Beckenbodenmuskulatur.
Zudem kräftigen die Übungen die Muskulatur. Die Übungen werden ohne
Hilfsmittel durchgeführt.
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Beim "Beckenbodentraining mit unterstützender
Technik" kommen zusätzliche Trainingsgeräte zum Einsatz, also etwa
Vaginalkonen, Biofeedback-Geräte oder Systeme zur Elektrostimulation.
Grundsätze:
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Inkontinenz ist kein schicksalhaftes Leiden.
Mit sorgfältigem Training lässt sich das Problem lindern und ggf. sogar
ganz beseitigen.
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Beckenbodentraining ist auch im fortgeschrittenen Alter sinnvoll.
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Beckenbodentraining ist ein elementarer
Bestandteil jeder Gymnastikstunde; dieses ggf. auch bei Bewohnerinnen,
die noch nicht unter Inkontinenz leiden.
Ziele:
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Die Blasen- und Darmschließmuskulatur und der Beckenboden werden gestärkt.
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Harn- und Stuhlinkontinenz werden vermieden oder gelindert.
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Der Bewohner hat ein positives Körpergefühl.
Vorbereitung:
Indikation
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Wir prüfen, ob die Bewohnerin an einer
Gesundheitsstörung leidet, die durch Beckenbodentraining beeinflusst
werden kann. Dieses ist insbesondere der Fall bei Stressinkontinenz und
bei Dranginkontinenz.
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Wir stellen sicher, dass die Bewohnerin über
die erforderlichen Ressourcen verfügt. Verschiedene Übungen sind
körperlich anstrengend und werden im Sitzen durchgeführt. Der Kreislauf
der Bewohnerin muss also so weit belastbar sein, dass ihr dabei nicht
schwindelig wird.
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Die Bewohnerin darf nicht unter Harnwegsinfekten oder unter sonstigen entzündlichen Prozessen im Unterbauch leiden.
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Nach operativen Eingriffen muss der
Heilungsprozess so weit fortgeschritten sein, dass durch die Übungen
kein weiterer Schaden entsteht.
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Ein wichtiges Kriterium ist die Motivation. Ein
Training macht nur dann Sinn, wenn es konsequent über Wochen und Monate
hinweg mehrmals täglich durchgeführt wird. Wenn die Bewohnerin trotz
umfassender Beratung (siehe unten) nicht im ausreichenden Maße zur
Kooperation bereit ist, wird kein Beckenbodentraining durchgeführt.
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Ganz Ähnliches gilt für die mentale
Leistungsfähigkeit. Die Bewohnerin muss den Sinn und Zweck der Übungen
verstehen, um für die Durchführung dauerhaft motiviert zu sein. Bei
einer fortgeschrittenen Demenz ist dieses i.d.R. nicht mehr der Fall.
Ein Beckenbodentraining ist dann sinnlos.
Organisation
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Gemeinsam mit der Bewohnerin prüfen wir, wie
die Übungen am besten in den Tagesablauf eingebunden werden. Wir
berücksichtigen, dass die mentalen und körperlichen Ressourcen oftmals
tageszeitlichen Schwankungen unterworfen sind. Zudem müssen viele
Senioren Medikamente nehmen, die z.B. die Konzentrationsfähigkeit oder
den Gleichgewichtssinn beeinflussen.
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Viele der hier beschriebenen Übungen lassen
sich auch "nebenbei" etwa während des Fernsehens durchführen.
Pflegekräfte sollten die betroffenen Bewohnerinnen daher regelmäßig an
die Übungen erinnern.
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Wir suchen den Dialog mit dem behandelnden Arzt
und der Physiotherapeutin. Wir teilen diesen externen Partnern genau
mit, welche Pflegeprobleme und Ressourcen beachtet werden müssen.
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Wir lassen uns von der Physiotherapeutin sorgfältig in die richtige Durchführung der Übungen einweisen.
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Vor Beginn des Trainings wird der Bewohnerin ein Toilettengang angeboten. Die Blase sollte weitgehend entleert werden.
Durchführung:
Beckenbodentraining im Liegen
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Die folgenden Übungen können im Pflegebett oder
auf einer Bodenmatte durchgeführt werden. Sie haben den Vorteil, dass
keine Sturzgefahr besteht.
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Die Bewohnerin ist in Rückenlage. Sie soll
ausatmen und dann das Becken anheben. Während des Einatmens legt sie
das Becken wieder auf dem Boden ab.
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Die Bewohnerin soll das Becken vom Bett
abheben. Nun hebt sie zusätzlich im Wechsel jeweils einen Fuß vom Boden
ab und stellt ihn danach wieder auf dem Boden ab.
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Die Bewohnerin soll die linke Hand zum rechten
Knie führen. Sie atmet nun aus und drückt das Knie kräftig gegen die
Hand. Dann atmet die Bewohnerin wieder ein und reduziert dabei
gleichzeitig die Spannung. Danach wiederholt sie die Übung mit der
rechten Hand und dem linken Knie.
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Die Bewohnerin ist in Seitenlage. Sie soll
ausatmen und die Fersen zusammenpressen. Gleichzeitig hebt sie das oben
liegende Knie ab. Nun soll sie wieder ausatmen und dabei gleichzeitig
die Knie schließen. Danach dreht sich die Bewohnerin auf die
gegenüberliegende Seite und wiederholt die Übung.
Beckenbodentraining im Sitzen und im Stehen
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Die folgenden Bewegungsabläufe sind häufig in
einschlägigen Beratungsbroschüren zu finden. Für die Altenpflege sind
diese Übungen jedoch in vielen Fällen ungeeignet, da sie bei
Kreislaufdefiziten zum Sturz führen können.
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Die Bewohnerin sitzt am Rand der Sitzfläche
eines stabilen Stuhles. Der Rücken wird in eine Hohlkreuzstellung
gebracht, da die Bewohnerin nun die Muskulatur um die Harnröhre und die
Scheide besser spüren kann. Sie soll die Muskulatur nun im Wechsel
anspannen und lösen.
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Der Bewohnerin wird eine Handtuchrolle oder ein
vergleichbares Lagerungshilfsmittel untergeschoben. Dadurch wird die
Anspannung erleichtert und besser für die Bewohnerin spürbar.
Nachbereitung:
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Die Bewohnerin wird für ihr Engagement gelobt
und zum Durchhalten motiviert. Es wird i.d.R. mehrere Wochen dauern,
bis die Übungen zu spürbaren Resultaten führen.
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Die Pflegekraft fragt nach dem Befinden der Bewohnerin.
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Alle Beobachtungen werden dokumentiert.
Maßnahmen, auf die die Bewohnerin negativ reagiert, werden in den
nächsten Sitzungen nicht mehr genutzt.
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Relevante Beobachtungen werden dem Hausarzt und der Pflegedienstleitung weitergemeldet.
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Die Ergebnisse und Erfahrungen werden regelmäßig in Fallbesprechungen und in der Dienstübergabe diskutiert.
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Ggf. wird die Pflegeplanung aktualisiert.
Dokumente:
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Pflegeplanung
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Berichtsblatt
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Leistungsnachweise
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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