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Standard "Flüssigkeitsbilanzierung"

Gleich ein ganzes Bündel von Regeln und Ausnahmen machen die Erstellung einer Flüssigkeitsbilanzierung zur kleinen mathematischen Herausforderung - und zu einem vorrangigen Thema für Ihr QM-Handbuch. Mit einem Standard sollten Sie daher nicht nur Anrechnungskriterien festlegen (Stichwort Bohnenkaffee), sondern auch viele kleine Fehlerquellen ausschließen.


Standard "Flüssigkeitsbilanzierung"


Definition:

  • Für eine Flüssigkeitsbilanzierung werden alle Flüssigkeiten, die dem Körper innerhalb von 24 Stunden zugeführt werden, jener Flüssigkeitsmenge gegenübergestellt, die den Körper im gleichen Zeitraum verlässt.
    • Wenn die Einfuhr größer ist als die Ausfuhr, spricht man von einer positiven Bilanz. In diesem Fall lagert sich Flüssigkeit im Gewebe ein und es kommt etwa zur Ödembildung.
    • Überwiegt die Ausfuhr die Einfuhr, so liegt eine negative Bilanz vor. Der Bewohner trocknet aus und es kommt zu einer Exsikkose.
    • Sind beide Werte nahezu gleich, besteht eine ausgeglichene Bilanz. Ein Pluswert von maximal 200 ml ist unproblematisch.
  • Ein Mann benötigt bei durchschnittlicher körperlicher Aktivität 2650 ml Wasser, eine Frau 2200 ml.

Grundsätze:

  • Die Flüssigkeitsbilanzierung erfolgt ausschließlich auf ärztliche Anordnung. Die Interpretation der Daten ist Aufgabe des Arztes.
  • Uns ist bewusst, dass die Flüssigkeitsbilanzierung von zahlreichen Fehlerquellen verfälscht werden kann. Daher kann die Flüssigkeitsbilanzierung niemals isoliert von weiteren Beobachtungen genutzt werden.
  • Die Lebensqualität des Bewohners darf auch während einer Flüssigkeitsbilanzierung nicht unnötig beeinträchtigt werden.
  • Der Bewohner sollte während der Flüssigkeitsbilanzierung nicht den Eindruck gewinnen, dass er kontrolliert wird. Es ist eine Kooperation anzustreben.

Ziele:

  • Kontrolle der Ein- und Ausfuhr
  • korrekte Ermittlung des innerhalb von 24 Stunden ausgeschiedenen Urins
  • ausschalten unnötiger Fehlerquellen
  • Vermeidung einer Dehydratation
  • Vermeidung von Flüssigkeitseinlagerungen im Körper
  • der Bewohner und seine Angehörigen kennen die Ziele der Maßnahme und kooperieren mit den Pflegekräften

Vorbereitung:

Indikation einer Flüssigkeitsbilanzierung:

  • parenterale Ernährung, also eine Nahrungszufuhr unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes etwa durch Injektionen bzw. Infusionen
  • Ernährung per Magensonde
  • Herz- oder Nierenerkrankung
  • Stoffwechselstörungen
  • Tumorkrankheiten
  • Ödeme
  • nach größeren chirurgischen Eingriffen oder gravierenden medikamentösen Behandlungen
  • starker Durchfall
  • starkes Erbrechen
  • Schockzustände und Bewusstlosigkeit

Organisation:

  • Wir legen ein Bilanzierungsblatt an.
  • Der Pflegebedürftige wird über die Maßnahme informiert. Seine Fragen werden ausführlich beantwortet. Der Bewohner wird um Zustimmung gebeten.
  • Die Angehörigen werden über die Flüssigkeitsbilanzierung informiert und um Kooperation gebeten (z.B. keine eigenmächtigen Flüssigkeitsgaben ohne Dokumentation usw.)
  • Die Pflegekräfte und die Mitarbeiter der Hauswirtschaft werden informiert. Insbesondere die Nachtwache wird benachrichtigt.
  • Der Bewohner erhält nur noch solche Trinkbehälter, deren Füllmenge bekannt ist.
  • Der Zeitraum der Flüssigkeitsbilanzierung wird bestimmt. Eine 24-stündige Spanne von 7 Uhr bis 7 Uhr ist zumeist eine gute Lösung.
  • Die benötigten Urinflaschen, Steckbecken und der Toilettenstuhl werden mit Namen und Zeitraum der Maßnahme gekennzeichnet.

pflegerische Vorbereitung:

  • Der Bewohner soll seine Blase vollständig entleeren. Der Urin wird verworfen.
  • Die in Drainagen gesammelten Sekrete werden verworfen.
  • Der Bewohner wird gebeten, für die Dauer der Flüssigkeitsbilanzierung in einen geeigneten Messbecher zu urinieren.

Vorgehen bei Harninkontinenz:

  • Eine Inkontinenz verhindert normalerweise eine korrekte Flüssigkeitsbilanzierung. Falls diese Maßnahme dennoch erforderlich ist, prüfen wir gemeinsam mit dem Hausarzt eine vorübergehende transurethale Katheterisierung. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass viele Bewohner dieser Maßnahme nicht zustimmen werden.

Durchführung:

Zufuhr von Flüssigkeiten:

  • Gläser und Tassen werden immer vollständig gefüllt und die konsumierte Menge dokumentiert. Restvolumina in den Trinkbehältern werden berücksichtigt.
  • Bohnenkaffee und seröse Flüssigkeiten werden mitberechnet, sofern der Hausarzt nicht anderweitig entscheidet.

Ausfuhr von Flüssigkeiten:

  • Wenn der Bewohner Stuhlgang verspürt, so sollte er zunächst Wasser lassen.
  • Am Ende des Beobachtungszeitraumes wird der Bewohner gebeten, seine Blase zu entleeren. Die gemessene Urinmenge wird mitbilanziert.
  • Während der Sammelperiode wird der Urin kühl gelagert.
  • Nach Ende der Überprüfung wird die Gesamtmenge des Urins gemessen und das Ergebnis dokumentiert.
  • Die Menge der in Drainagen gesammelten Sekrete wird abgeschätzt.

nicht genau messbare Größen, die geschätzt werden müssen:

  • Flüssigkeitsverluste durch Atmung und Hauttranspiration (-450 ml)
  • Schwitzen (-450 ml)
  • zusätzliche Flüssigkeitsabgabe bei Fieber (-500 ml pro 1°C Körpertemperatur über 36,8°C)
  • Stuhlgang (jeweils -100 ml, bei Durchfall deutlich mehr)
  • Wundsekrete und Blutverluste (individuell abzuschätzen)
  • Oxidationswasser, also interne Zufuhr von Wasser durch Verwertung von Kohlenhydraten (+300 ml)
  • Konsumierung fester Speisen (wir rechnen mit 80 Prozent Wasseranteil etwa bei Joghurt, Gemüse, Obst usw.)
  • Konsumierung flüssiger Speisen (dünne Suppen bestehen zu 90 Prozent aus Wasser)
  • Flüssigkeiten zur Durchführung einer Peritonealdialyse (Blutreinigungsverfahren zur Dialyse-Behandlung)

Fehlerquellen:

  • Der Bewohner erhält nicht erfasste Getränke von Dritten (etwa von Angehörigen, die über die Flüssigkeitsbilanzierung nicht informiert wurden).
  • (Demente) Mitbewohner konsumieren versehentlich Getränke, die für den Bewohner gedacht waren.
  • mangelnde Kooperation des Bewohners
  • Bewohner, die auch ohne Fieber übermäßig schwitzen.
  • schwer zu berechnender Durchfall.
  • Messfehler beim Einschenken oder der Berechnung der nicht getrunkenen Restflüssigkeit im Glas.

weitere Maßnahmen:

  • Wir ermitteln und dokumentieren während der Flüssigkeitsbilanzierung engmaschig wichtige Daten:
    • Körpertemperatur
    • Atemtiefe und -frequenz
    • Raumtemperatur
    • Körpergewicht
    • Spannungszustand und Feuchtigkeit der Haut
  • Das Bilanzierungsblatt kann alternativ - nach entsprechender Einweisung - auch beim Bewohner aufbewahrt werden, damit der Bewohner oder seine Angehörigen dort eintragen können.

Beobachtung der Harnfarbe und -beschaffenheit:

Wir achten auf die Farbe des Harns, da Abweichungen auf das Vorliegen von Krankheiten hindeuten können. Bei Anomalien verständigen wir den Hausarzt.

  • Eine Trübung sowie eine rötliche bis fleischfarbene Verfärbung kann durch krankhafte Ausscheidung von roten Blutkörperchen verursacht werden (Makrohämaturie oder Mikrohämaturie). Als Verursacher kommen bakterielle und parasitäre Erkrankungen sowie eine Tumorbildung in Betracht.
  • Eine Rot- bis Schwarzfärbung ohne sichtbare Trübung deutet auf eine Hämoglobinurie, also eine Ausscheidung von rotem Blutfarbstoff in Folge einer gravierenden Zerstörung von Blutkörperchen. Auslöser: Transfusionszwischenfälle, hämolytische Anämien u.A.
  • Ist der Urin dunkelbraun und gibt beim Schütteln gelben Schaum ab, so kann eine Bilirubinurie vorliegen, also eine Ausscheidung von Bilirubin im Harn. Ursachen können sein: Gelbsucht (Ikterus), Rotor-Syndrom oder Leberzirrhose.
  • Eine flockige Trübung mit Schlierenbildung ist ein Indiz für eine Eiterbeimischung im Harn, etwa in Folge einer Entzündung im Bereich des Urogenitaltrakts.

Nachbereitung:

  • Alle gewonnenen Informationen werden im Bilanzierungsbogen dokumentiert und die Ergebnisse dem Arzt mitgeteilt.
  • Alle weiteren Beobachtungen werden dokumentiert.
  • Der Bewohner wird darüber informiert, dass die Maßnahme beendet ist.
  • Die Urinflaschen werden gereinigt und desinfiziert.

Beispiele:

Es ist zwischen der registrierbaren und der effektiven Bilanz zu unterscheiden. Die registrierbare Bilanz listet nur die tatsächlich messbaren Flüssigkeitsmengen auf. Bei der effektiven Bilanz werden auch solche Mengen eingerechnet, die sich nur schätzen lassen. Folglich unterscheiden sich die Ergebnisse beider Bilanzen. Muster einer registrierbaren Bilanz:


Flüssigkeitszufuhr

ml

Flüssigkeitsabgabe

ml


orale Flüssigkeitszufuhr Infusionen

1600 600

Urin Kot

1400 100  


Summe

2200

Summe

1500 Bilanz: Ein Plus von 700 ml. Ein positiver Wert von 700ml ist bei der registrierbaren Bilanz der Normwert, der anzustreben ist. Muster einer effektiven Bilanz:


Flüssigkeitszufuhr

ml

Flüssigkeitsabgabe

ml


Trinkmenge Speisen Oxidationswasser

1350 850 300

Urin Kot Schwitzen Atmung und Hauttranspiration

1500 100 450 450


Summe

2500

Summe

2500 Bilanz: +/- 0. Das ist der Normwert.


Dokumente:

  • Bilanzierungsbogen
  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt

Verantwortlichkeit:

  • Pflegefachkraft