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Pflegestandard "chronische Niereninsuffizienz"

Eine Niereninsuffizienz bleibt lange Zeit unentdeckt - nur um dann umso gravierender in die Lebensqualität einzugreifen. Viele betroffene Senioren stellen auf stur. Denn selbst eine strikte Befolgung der rigiden Ernährungsvorgaben bewahrt einen Betroffenen mitunter nicht vor der Dialyse. Pflegekräfte stehen vor einer schweren Aufgabe.


Pflegestandard "chronische Niereninsuffizienz"


Definition:

Die Nieren sind zuständig für die

    Produktion von Harn sowie die Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen Konzentrierung des Harns zur Regulierung des Wasser- und Elektrolythaushalts ( sog. „Osmoregulation“), des Säure-Basen-Gleichgewichts im Blut sowie des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels Produktion renaler Hormone.
Eine chronische Niereninsuffizienz ist eine sich langsam entwickelnde Funktionsstörung der Nieren, in deren Verlauf funktionsfähiges Nierengewebe zerstört wird.
    Die Nieren sind zwar weiterhin in der Lage, Wasser auszuscheiden, die harnpflichtigen Stoffe jedoch verbleiben im Körper und sammeln sich an. Letztlich kommt es zu einer Urämie („Harnvergiftung“). Mit einer frühzeitigen konservativen Therapie kann eine Niereninsuffizienz auch über einen längeren Zeitraum kompensiert werden. Dennoch ist diese Störung nicht heilbar. Langfristig sind viele Betroffene auf eine Dialysebehandlung oder eine Nierentransplantation angewiesen.
Eine Niereninsuffizienz kann durch verschiedene Krankheiten ausgelöst werden, etwa:
    Glomerulonephritis (Entzündung der Nierenkörperchen) Pyelonephritis (Entzündung des Nierenbeckens) interstitielle Nephritis (Entzündung des interstitiellen Nierengewebes) diabetische Nephropathie (Schädigung der Niere durch Diabetes mellitus) Zystennieren Infektion der Harnwege Einnahme von Schmerzmitteln über einen langen Zeitraum und in großen Mengen Tumorerkrankungen
Die Niereninsuffizienz wird in vier Stadien unterteilt. Stadium I und II:
    Die Konzentrationsfähigkeit der Niere ist reduziert. Durch Laboruntersuchungen lässt sich ein Anstieg von Kreatinin und Harnstoff im Blut feststellen. Die Harnausscheidung steigt an („Polyurie“), insbesondere auch in der Nacht („Nykturie“). Der Bewohner hat häufig ein Durstgefühl. Ggf. kommt es zur Hypertonie und zur Anämie (sog. „Blutarmut“) Im Stadium I treten noch keine klinischen Symptome auf. Im Stadium II droht eine rasche Verschlechterung in das Stadium III, etwa wenn der Bewohner eine Infektion erleidet oder die Flüssigkeitszufuhr stark drosselt.
Stadium III und IV:
    Das klassische Symptombild tritt auf (siehe unten). Im Stadium III kann durch eine angemessene Therapie eine Rückbildung in das Stadium II erreicht werden. Wenn das Stadium IV erreicht wird, kommt es zum irreversiblen Nierenversagen. Der Bewohner wird dialysepflichtig und benötigt eine Transplantation.
(Hinweis: Dieser Standard ist ausgerichtet auf Bewohner, die noch keine Dialyse benötigen.)

Grundsätze:

    Wir wägen stets ab zwischen den Einschränkungen, die sich aus der Krankheit ergeben, und der Lebensqualität des Bewohners. Wir respektieren den Wunsch des Bewohners, wenn sich dieser maßvoll über Diätvorschriften hinwegsetzen will. Eine Heilung der Krankheit ist selbst bei vollständiger Kooperation nicht zu erwarten. Der oftmals schleichende Verlauf der Krankheit darf nicht dazu führen, dass die Herzinsuffizienz übersehen wird. Wir nehmen Schmerzäußerungen ernst und reagieren darauf umgehend. Wir arbeiten eng mit dem Hausarzt zusammen und besprechen sorgfältig jede Maßnahme. Ohne Zustimmung des Arztes werden insbesondere keine Medikamente abgesetzt. Wenn sich der Gesundheitszustand eines Bewohners verschlechtert, wird umgehend der Arzt / Notarzt gerufen.

Ziele:

    Die harnpflichtigen Substanzen im Blut wie etwa Kreatinin, Harnstoff oder Harnsäure werden reduziert. Eine Hypertonie wird abgebaut. Ödeme werden ausgeschwemmt. Eine Mangelernährung wird vermieden. Ein Fortschreiten der Nierenerkrankung wird verlangsamt oder komplett gestoppt.

Vorbereitung:

Symptome

Wir achten auf die typischen Symptome einer Niereninsuffizienz.

    Die Nieren verfügen über hohe Leistungsreserven. Daher bleibt ein Betroffener bei einer sich langsam entwickelnden Nierenschädigung lange beschwerdefrei. Zumeist tritt zunächst ein Leistungsabfall auf. Der Bewohner hat ein allgemeines Unwohlgefühl.
Herz und Kreislauf
    Hypertonie (Bluthochdruck) Überwässerung Perikarditis (Entzündung des Herzbeutels) Herzrhythmusstörungen Risiko eines Herzversagens als Folge des erhöhten Kaliumspiegels im Blut
Lunge
    Lungenödem Pleuritis (Brust-, Rippenfellentzündung) Bei immungeschwächten Bewohnern Anfälligkeit für Pneumonie (Lungenentzündung) vertiefte Atmung bei Azidose (Störung im Säure-Basen-Haushalt)
Magen-Darm-Trakt
    Mundgeruch nach Urin Störungen des Geschmacksempfindens Appetitlosigkeit Rückgang der Tagesurinmenge (Oligurie oder Anurie) Übelkeit Erbrechen Durchfall Obstipation urämische Gastroenteritis (Schleimhautentzündung von Magen und Dünndarm)
Zentralnervensystem
    Konzentrationsstörungen Kopfschmerzen Wesensveränderungen Verwirrtheitszustände Schlafstörungen Schädigung der peripheren Nerven; Kribbeln in den Füßen Muskelzuckungen, insbesondere Wadenkrämpfe Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma
Haut und Körper
    Juckreiz der Haut blass-gelbliche Hautfarbe urinöser Geruch Knochenschmerzen Knochenumbau
Blut
    BlutungsneigungThrombozytopenie  (Verminderung der Blutplättchen) schwere Anämie („Blutarmut“)

Durchführung:

Ernährung

    Die tägliche Eiweißmenge sollte bei nicht mehr als 0,5 bis 0,7 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht liegen. Lebensmittel mit vielen Kohlenhydraten müssen bei einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz ggf. durch alternative Lebensmittel ausgetauscht werden. Wir nehmen dabei auf die Vorlieben des Bewohners Rücksicht, da diese Produkte teilweise ungewohnt schmecken. Der Kochsalzkonsum sollte auf sechs Gramm pro Tag reduziert werden. Wenn der Bewohner unter Bluthochdruck oder Wassereinlagerungen leidet, muss dieser Wert ggf. noch weiter reduziert werden. Salzreiche Lebensmittel wie Sauerkraut, Oliven, gesalzene Nüsse, Salzstangen, Chips, Salzheringe, roher Schinken oder gekörnte Brühe sollte der Bewohner meiden. Der Bewohner sollte Lebensmittel mit einem hohen Kaliumanteil meiden. Dazu zählen etwa Nüsse, Hülsenfrüchte, Brokkoli, dicke Bohnen, Schwarzwurzeln, Rosenkohl, Obst- und Gemüsesäfte, Trockenobst, Aprikosen und Bananen. Einmal am Tag kann der Bewohner Obst zu sich nehmen. Er sollte dabei Obst mit wenig Kalium wählen, etwa Gurken, Möhren, Äpfel oder Orangen. Wenn beim Bewohner ein erhöhter Phosphatwert festgestellt wurde, sollte er auf Nüsse, Hülsenfrüchte, Hartkäse, Schmelzkäse sowie Roggenvollkornprodukte verzichten. Der Bewohner sollte den Nikotin- und Alkoholkonsum einstellen. Abhängig von der Ausscheidung, dem Blutdruck und auftretenden Ödemen wird die Flüssigkeitszufuhr geregelt. Bereits zu Beginn der Erkrankung lässt die Konzentrationsfähigkeit der Niere nach. Die Folge ist eine tendenziell zu hohe Urinmenge. Wird die Flüssigkeitszufuhr jetzt reduziert, verschlechtert sich die Nierenfunktion. Bei zu hohem Konsum, also mehr als zweieinhalb Liter, kann es zu einer Überwässerung kommen. Sobald im weiteren Krankheitsverlauf die Urinmenge nachlässt, sollte eine Trinkmengenbeschränkung in Betracht gezogen werden. Die einzunehmende Flüssigkeit wird über den ganzen Tag verteilt. In vielen Fällen äußert sich die Hoffnungslosigkeit des Bewohners darin, dass dieser nicht mehr ausreichend trinkt. Wir machen den Bewohner dann auf die Wichtigkeit der Flüssigkeitsversorgung aufmerksam. Bei der Getränkewahl werden Wünsche des Bewohners soweit möglich berücksichtigt.

Körperpflege

    Wenn sich der Bewohner übergibt, unterstützen wir ihn während des Erbrechens. Eine Aspiration muss vermieden werden. Nach dem Übergeben sind wir ggf. bei der Mundpflege behilflich. Ggf. werden die Bekleidung und die Bettwäsche gewechselt. Der urinähnliche Mundgeruch kann teilweise neutralisiert werden. Wir führen mehrmals täglich eine umfassende Mundpflege durch und nutzen dafür erfrischendes Mundwasser. Bei Urämie auftretender Juckreiz kann mit kühl-feuchten Umschlägen sowie Bädern gelindert werden.

weitere Maßnahmen

    Wir helfen dem Bewohner bei der Verarbeitung von Ängsten. Wir stehen ihm jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung. Wir hören aktiv zu und lassen den Bewohner bestimmen, über welche Themen er reden möchte. Wir beziehen die Angehörigen aktiv ein. Wir informieren über das Krankheitsbild sowie über die sich daraus ergebenden Folgen, wie etwa die Diät. Solange sich der Bewohner belastbar fühlt, kann und sollte er sich maßvoll körperlich bewegen. Alle Maßnahmen zur Prophylaxe von Harnwegsinfektionen werden umgesetzt (siehe Standard „Zystitisprophylaxe“). Das Gewicht des Bewohners wird einmal täglich unter vergleichbaren Bedingungen ermittelt. Also etwa morgens nach dem Toilettengang vor dem Frühstück. Aufgrund der Immobilität ist das Risiko erhöht, dass der Bewohner einen Dekubitus, eine Thrombose oder eine Obstipation erleidet. Die entsprechenden Prophylaxestandards werden gewissenhaft umgesetzt.
  • Die Flüssigkeitsansammlung in der Lunge kann die Atmung des Bewohners erschweren. Die Folge ist Kurzatmigkeit sowie Angstzustände. Der Bewohner soll daher unnötige körperliche Anstrengungen vermeiden. Bei akuter Atemnot wird der Bewohner in eine Oberkörperhochlagerung gebracht. Wir führen alle Maßnahmen durch, die im Standard „Pneumonieprophylaxe“ definiert sind.

Mithilfe bei der ärztlichen Behandlung

    Bei einer Niereninsuffizienz werden Medikamente verlangsamt ausgeschieden. Sie bleiben also länger im Körper und können sich bei konstant anhaltender Medikamentenzufuhr anhäufen. Es kommt zu einer sog. „Kumulation“ im Blut. Letztlich kann die Konzentration ein toxisches Niveau erreichen.
  • Wenn der Bewohner Digitalisglykoside zu sich nimmt, kann es zu einer sog. „Hyperdigitalisierung“ kommen. Die Folge sind Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen sowie Verwirrtheitszustände. Daher muss die Wirkung der Digitalisglykoside nach der Einnahme überwacht und dokumentiert werden. Die Dosierung muss kritisch hinterfragt und ggf. gemeinsam mit dem behandelnden Arzt angepasst werden.

Nachbereitung:

  •  Der Zustand des Bewohners wird engmaschig überwacht. Die Ergebnisse werden dokumentiert. Relevante Kriterien sind:
      Flüssigkeitsbilanz Gewicht Vitaldaten, insbesondere Atmung, Körpertemperatur und Gewicht Verlauf von Infekten Symptome einer Urämie Symptome einer Überdosierung von Medikamenten
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt. Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.

Dokumente:

    Berichtsblatt Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen Vitaldatenblatt Pflegenachweis Flüssigkeitsbilanzierung / Trinkprotokoll Mobilisierungs- und Bewegungsplan Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

     alle Pflegekräfte