pqsg mobil
Start Index Impressum
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Pflegestandard "Dehydratationsprophylaxe"

Hunderttausende Senioren liegen halb verdurstet im Pflegebett. Das zumindest glaubt der MDK und setzt auch in diesem Sommer seine Vorstellungen mit dem notwendigen Prüfungsdruck durch. Höchste Zeit also, die eigenen Prophylaxestrategien zu überdenken.


Pflegestandard "Dehydratationsprophylaxe"


Definition:

  • Der menschliche Körper besteht zu 50 bis 60 Prozent aus Wasser. Durch Miktion (Wasserlassen), Defäkation (Stuhlentleerung), Emesis (Erbrechen), Transpiration (Schweiß) und Respiration (Atmung) verliert ein Mensch jeden Tag eine beträchtliche Wassermenge, die durch Flüssigkeitsaufnahme kompensiert werden muss. Als minimale Flüssigkeitszufuhr gelten 2 Liter Wasser, von denen durchschnittlich 1,3 Liter über Getränke und 0,7 Liter über die Nahrung zugeführt werden.
  • Eine andere Faustregel besagt: Ein Mensch benötigt täglich 30 ml Flüssigkeitszufuhr pro kg Körpergewicht. Berechnungsbasis ist das Körpersollgewicht.
  • Wird die dem Körper entzogene Flüssigkeit nicht ersetzt, kommt es zu einem Defizit im Wasser- und Elektrolythaushalt ("Dehydratation" oder "Exsikkose"). Vor allem Senioren sind gefährdet, da deren Durstgefühl vermindert ist.
    • Bei einer Dehydratation werden drei Schweregrade unterschieden:
    • Bei einer leichten Dehydratation tritt eine mäßige Austrocknung der Schleimhäute auf. Der Achselschweiß ist vermindert. Die Urinmenge lässt nach. Der Urin ist konzentrierter.
    • Bei einer mäßigen Dehydratation trocknen die Schleimhäute vollständig aus. Der Spannungszustand der Haut ist reduziert. Die Harnausscheidung kommt nahezu zum Erliegen. Die Herzfrequenz steigt deutlich. Der Blutdruck sinkt. Der Bewohner klagt über Schwäche und Schwindel. Die Sturzneigung steigt. Der Bewohner ist unkonzentriert.
  • Bei einer schweren Dehydratation scheidet der Bewohner keinen Urin mehr aus. Der Puls ist schnell und fadenförmig. Der Blutdruck ist zu niedrig. Der Bewohner ist verwirrt.
  • Eine fundierte Dehydratationsprophylaxe umfasst daher zwei Komponenten: zum einen die Beobachtung des Trinkverhaltens und zum anderen die Hilfestellung beim Trinken.

Grundsätze:

  • Durch prophylaktische Maßnahmen lässt sich eine Dehydrierung vermeiden.
  • Ausreichendes Trinken lässt sich auch im hohen Alter noch lernen.
  • Jeder Bewohner hat das Recht, das Getränk zu sich zu nehmen, das ihm am besten schmeckt. Sofern keine zwingenden medizinischen Diagnosen dem entgegen stehen, kann jeder Bewohner in Maßen auch alkoholische Getränke wie etwa Bier, Wein, Alster / Radler usw. zu sich nehmen.
  • Kein Bewohner darf gegen seinen Willen zwangsweise mit Flüssigkeit versorgt oder zum Trinken genötigt werden.
  • Ausnahmslos alle Maßnahmen zur Dehydratationsprophylaxe werden sorgfältig dokumentiert.
  • Eine verminderte Flüssigkeitszufuhr ist kein geeignetes Mittel, um die Anzahl der Toilettengänge zu reduzieren.

Ziele:

  • Der Bewohner erhält ausreichend Flüssigkeit. Er nimmt die individuell notwendige Wassermenge auf möglichst natürliche Art zu sich, also in Form von Getränken und von flüssigkeitshaltigen Speisen.
  • Der Bewohner ist in der Lage, sich möglichst eigenständig mit Flüssigkeit zu versorgen.
  • Eine Dehydratation wird frühzeitig festgestellt und überwunden.
  • Invasive Maßnahmen, wie etwa intravenöse oder subkutane Infusionen, rektale Flüssigkeitszufuhr oder eine PEG-Sonde, werden vermieden.
  • Die Ursachen für die Dehydratation werden ermittelt.

Vorbereitung:

Informationssammlung

Die Ermittlung des bisherigen Trinkverhaltens ist Teil des Aufnahmegespräches. Wenn der Bewohner etwa infolge einer Demenz zu klaren Antworten nicht mehr in der Lage ist, befragen wir die Angehörigen.

  • Welche Getränke bevorzugte der Bewohner in der Vergangenheit?
  • Welche Rituale und Gewohnheiten sind mit der Flüssigkeitsaufnahme verbunden?
  • Äußert der Bewohner den Wunsch nach einem Getränk von sich aus oder muss er von anderen zum Trinken animiert werden?
  • Trinkt der Bewohner ein angebotenes Glas in wenigen Zügen aus oder nimmt er nur wenige Schlucke und stellt es dann wieder zurück?

Symptome

Wir achten auf Symptome, die für eine sich entwickelnde Dehydratation sprechen. Diese treten i.d.R. gebündelt auf. Die Pflegekraft sollte die Symptomatik daher im Gesamtzusammenhang betrachten. Dann ist eine Dehydratation vergleichsweise einfach zu erkennen.

  • Durst, der im weiteren Verlauf einer Dehydratation aber nachlassen kann
  • verringerte Speichelsekretion, verschwundener "Speichelsee" unter der Zunge
  • trockene Schleimhäute, insbesondere raue, borkige Zunge und trockene Lippen
  • verringerte Hautspannung (siehe Hinweis unten)
  • reduzierte Urinmenge, konzentrierter und dunkler Urin
  • Augenringe, also tief liegende und von ringförmigen Schatten umgebene Augen
  • Blutdruckabfall
  • verminderte Venenfüllung
  • Tachykardie
  • Kopfschmerzen
  • Müdigkeit und Kraftlosigkeit
  • Mundgeruch
  • Krämpfe
  • Antriebslosigkeit
  • Obstipation
  • Magenbeschwerden und Appetitlosigkeit
  • Schwindel und plötzlich auftretende Gangunsicherheit
  • Verwirrtheit
  • Gedächtnisstörungen
  • Sprachstörungen
  • plötzlicher Gewichtsverlust
  • Fieber
(Hinweis zur Hautspannung bei einer bestehenden Dehydratation: Wenn die Pflegekraft eine Hautfalte bildet, bleibt diese nach dem Loslassen für einige Augenblicke stehen. Die Aussagekraft des Hautfaltentests wird häufig allerdings überbewertet. Nicht bei jedem dehydrierten Menschen bleibt die Hautfalte stehen. Zudem bleibt die Hautfalte auch bei vielen Senioren stehen, die gut mit Flüssigkeit versorgt sind.)

Ursachen und andere erschwerende Faktoren

Wir prüfen, welche Ursachen für die Dehydratation infrage kommen:

  • Der Bewohner leidet unter Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts und damit unter einem Flüssigkeitsverlust, etwa durch Erbrechen oder Durchfall.
  • Die Außentemperaturen sind hoch. Der Körper verliert zu viel Flüssigkeit über das Schwitzen und über die Atemluft.
  • Der Bewohner hat Fieber.
  • Es kommt zu Flüssigkeitsansammlungen in körpereigenen Hohlräumen, etwa bei Aszites.
  • Der Bewohner leidet unter Erkrankungen, die zu einem Flüssigkeitsungleichgewicht führen, etwa unter Nierenerkrankungen.
  • Der Bewohner trinkt zu wenig als Folge mangelnden Durstgefühls.
  • Der Bewohner reduziert die Flüssigkeitsaufnahme, um einen unfreiwilligen Urinabgang zu verhindern.
  • Die Trinkmenge ist zu gering, da der Bewohner Harndrang in der Nacht vermeiden will.
  • Es liegen Lähmungen vor (Hemiplegie oder Fazialisparese).
  • Der Bewohner leidet unter Schluckstörungen. Er trinkt zu wenig aus Angst, sich an dem Getränk zu verschlucken.
  • Der Bewohner hat zu wenig Kraft, um den Becher zu heben.
  • Die Handkontrolle des Bewohners ist beeinträchtigt. Er hat Angst, das Getränk zu verschütten.
  • Die Krankheitseinsicht ist unzureichend, etwa infolge einer demenziellen Erkrankung.
  • Der Bewohner schätzt seinen Flüssigkeitsbedarf zu gering ein.
  • Es liegt eine Sehbehinderung vor. Der Bewohner kann das Trinkgefäß nicht sehen.
  • Der Bewohner ist vergesslich. Er vergisst die Flüssigkeitsaufnahme.
  • Der Bewohner leidet unter Vergiftungswahn.
  • Der Bewohner ist fixiert, etwa aufgrund motorischer Unruhe oder Selbstgefährdung. Er kann das Glas nicht erreichen.
  • Es liegt eine Immobilität vor mit der Folge, dass der Bewohner das Getränk nicht erreichen kann oder den Gang zur Toilette vermeiden will.
  • Der Bewohner leidet unter großflächigen und nässenden Wunden.
  • Es liegt eine Stoffwechselstörung vor wie etwa ein unbehandelter Diabetes mellitus.
  • Der Bewohner leidet unter einer Herzinsuffizienz. Er unterliegt einer Trinkmengenbeschränkung.
  • Der Bewohner nimmt Medikamente ein, die den Flüssigkeitshaushalt beeinflussen wie etwa entwässernde Arzneimittel.
  • Es liegt ein Abführmittelmissbrauch vor.
  • Der Hypothalamus des Bewohners ist geschädigt mit der Folge eines verminderten Durstgefühls.
  • Der Lebenswille des Bewohners ist erloschen.
  • Die angebotenen Getränke schmecken dem Bewohner nicht.

weitere Maßnahmen

  • Jeder Bewohner wird über die Wichtigkeit einer angemessenen Flüssigkeitsversorgung informiert. Wir haben dafür ein Beratungsprotokoll erstellt. Dieses wird von der Bezugspflegekraft im Dialog mit dem Bewohner und seinen Angehörigen ausgefüllt. Der Bewohner erfährt darin, wie er einen Flüssigkeitsmangel erkennt und welche Maßnahmen er treffen kann, um das Defizit zu kompensieren. Wir erfragen auch, welche Maßnahmen der Bewohner ablehnt. (Hinweis: Das Protokoll sollte vom Bewohner oder von seinem rechtlichen Stellvertreter unterschrieben werden.)
  • Wir suchen den Dialog mit dem behandelnden Arzt. Ggf. legen wir fest, welche Flüssigkeitsmenge der Bewohner jeden Tag erhalten soll. Dieser Wert ist z.B. die Grundlage für die Erstellung eines Trinkplans.
  • Wir legen auch einen Schwellenwert für ein Flüssigkeitsdefizit fest, bei dessen Unterschreitung eine ergänzende Infusionstherapie durchzuführen ist.

Durchführung:

Auswahl der Getränke

  • Empfehlenswerte Getränke sind Wasser, Früchte- und Kräutertees sowie verdünnte reine Fruchtsäfte.
  • Diverse Tees und Alkohol wirken teilweise entwässernd, sind also als Flüssigkeitslieferanten nur eingeschränkt wirksam. Ungeeignet sind (in großen Mengen) auch Getränke mit einem hohen Anteil an Kohlenhydraten und Zucker, also etwa Cola oder Multivitaminsäfte.
  • Dem Bewohner werden stets nur solche Getränke angeboten, die er akzeptiert. Ggf. fragt die Pflegekraft nach, ob ihm das Getränk nicht schmeckt und ob er ggf. ein anderes Getränk bevorzugt.
  • Wenn ein Bewohner Getränke bevorzugt, deren Langzeitkonsum ungesund ist (Brause, Cola usw.), so weisen wir den Bewohner auf die negativen Folgen und auf mögliche Alternativgetränke hin. Bleibt der Bewohner bei seiner Wahl, so haben die Pflegekräfte diese Entscheidung zu respektieren.

Risikoermittlung

  • Sofern der Verdacht besteht, dass der Bewohner zu wenig Flüssigkeit zu sich nimmt, wird das Trinkverhalten eine Woche lang gezielt beobachtet und protokolliert. Die Auswertung dieses Protokolls sollte möglichst zusammen mit dem Bewohner erfolgen.
  • Die Vorgaben des Standards "Flüssigkeitsbilanzierung" werden umgesetzt.

animieren zum Trinken / Nutzung von Hilfsmitteln

  • Dehydratationsgefährdete Bewohner werden mehrmals am Tag zum Trinken aufgefordert.
  • Bewohnern, die nicht mehr in der Lage sind, selbstständig zu trinken, bieten wir Getränke vor und nach jeder pflegerischen Maßnahme an.
  • Wir bitten Angehörige, dem Bewohner während eines Besuchs mehrmals Getränke anzubieten. Sie sollen dem Bewohner ggf. beim Trinken zu helfen.
  • Der Bewohner soll einen Trinkwecker ("Drink Reminder") nutzen.
  • Dehydratationsgefährdete Bewohner erhalten ggf. einen Wackelpudding, da dieser fast vollständig aus Wasser besteht. Weitere geeignete Lebensmittel für heiße Sommertage sind Wassereis, Wassermelonen, Speiseeis, Quark und andere flüssigkeitsreiche Speisen.
  • Wir verwenden (falls möglich) Gläser und Trinkhilfen mit einheitlichem Füllvolumen, um eine Abschätzung der zugeführten Flüssigkeitsmenge zu erleichtern.
  • Wir halten Trinkgefäße mit Griffvorrichtungen sowie Trinkhilfen mit Ventilen bereit, die sich unter Saugdruck öffnen.
  • Falls gewünscht kann der Bewohner aber auch vertraute Trinkgefäße weiternutzen, wenn diese biografisch vertraut sind und die Bereitschaft zum Trinken erhöhen.
  • Wir stellen sicher, dass sich die angebotenen Getränke stets in Griffweite des Bewohners befinden. Sehbehinderten Bewohnern wird die Position des Getränks gezeigt.
  • Ggf. nutzen wir Strohhalme als Trinkhilfe. Diese sind der Nutzung von sog. "Schnabeltassen" vorzuziehen.
  • Am Nachttisch des Bewohners sollte stets eine Wasserflasche stehen.
  • Bei warmen Getränken überprüft die Pflegekraft die Temperatur der Flüssigkeit (etwa durch eine Kontrolle an der Innenseite des Armes).

weitere Maßnahmen

  • Wir achten darauf, dass der Bewohner beim Trinken korrekt sitzt.
  • Wir achten darauf, ob Bewohner die angebotenen Getränke heimlich entsorgen (etwa in den Blumentopf oder in eine Vase).
  • Wenn ein Bewohner unter neurologischen Schluckstörungen leidet, prüfen wir den Einsatz eines Logopäden. Eine Aspiration ist aufgrund einer Pneumoniegefahr zu vermeiden.
  • Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt wird geprüft, ob der Bewohner eine Magensonde erhalten sollte. Bei vielen Krankheitsbildern ist die Flüssigkeitsversorgung damit deutlich einfacher. Überdies besteht ein besserer Überblick über die Gesamtmenge der zugeführten Flüssigkeit.
  • Wenn unsere Maßnahmen zur Kompensation einer Dehydratation erfolglos bleiben, sollte nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt eine Überstellung an ein Krankenhaus geprüft werden.
  • Wir achten auf Muskelkrämpfe, plötzlich einsetzende Schläfrigkeit, Verwirrtheit, Schwindel sowie auf einen stark erhöhten Puls. Wenn diese Symptome mutmaßlich auf eine Dehydratation zurückzuführen sind, liegt ein Notfall vor. Der Notarzt wird informiert.

Nachbereitung:

weiteres Vorgehen

  • Massive Wasserverluste sollten maßvoll und im Laufe von zwei bis drei Tagen ausgeglichen werden. Eine zu rasche Kompensation kann z.B. ein Hirnödem auslösen. Zudem kann eine bislang kompensierte Herzschwäche entgleisen, wenn die Flüssigkeitszufuhr zu schnell erhöht wird.
  • Anhand der Einfuhr-/Ausfuhrbilanz wird die Dehydratationsgefahr regelmäßig neu bewertet.
  • Bei einer negativen Flüssigkeitsbilanz über mehrere Tage muss zwingend der behandelnde Arzt informiert werden.
  • Alle Beobachtungen, die für eine Dehydratationsgefährdung relevant sind, werden im Berichtsblatt dokumentiert.
  • Die aktuelle Dehydratationsgefährdung wird bei der Erstellung der Pflegeplanung berücksichtigt.
  • Aufgetretene Probleme thematisieren wir regelmäßig im Qualitätszirkel.

Dokumente:

  • Durchführungsnachweis / Pflegebericht
  • Ein- und Ausfuhrprotokoll
  • Trinkplan
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte