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Standard
"Delegation ärztlicher Tätigkeiten"
Wer darf was? Diese Frage lässt sich
rechtssicher derzeit nicht beantworten. Das liegt vor allem an
einer lückenhaften Gesetzgebung, einer inkonsequenten
MDK-Prüfanleitung und dreisten Krankenversicherungen. Wir zeigen
Ihnen, wie Sie mit einem soliden Standard und einer
Kompetenzmatrix die Haftungsrisiken senken und gleichzeitig die
Pflegenote aufbessern.
Standard Delegation ärztlicher
Tätigkeiten
Definition:
Die
Pflegebedürftigkeit der Senioren erfordert, dass unsere Pflegekräfte
auf Veranlassung der Ärzte diese bei ihrer Arbeit unterstützen.
Diese Unterstützung umfasst auch die Durchführung ärztlicher
Tätigkeiten, sofern diese zuvor an die Pflegekraft delegiert wurden.
Die nicht unerheblichen Haftungsrisiken zwingen uns allerdings zu
einer umfassenden rechtlichen Absicherung.
In der
pflegerischen Praxis ergibt sich häufig die Frage, welche
Qualifikation erforderlich ist, um bestimmte Tätigkeiten
durchzuführen.
Pflegedienste
können die Mindestvoraussetzungen aus dem Versorgungsvertrag
ableiten, den sie nach § 132/132a SGB V abgeschlossen haben. Dort
werden einzelne Pflegemaßnahmen aufgelistet und festgeschrieben,
welche Ausbildung für die Durchführung erforderlich ist. Zu beachten
sind auch die Richtlinien über die Verordnung von häuslicher
Krankenpflege in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 92 Abs. 1
Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V. Auch hier werden die Zuständigkeiten
von Pflegefach- und Pflegehilfskräften sowie Ärzten abgegrenzt.
In der
stationären Pflege gibt es keine verbindliche vertragliche Regelung,
die definiert, welche Ausbildung für einzelne Pflegemaßnahmen
erforderlich ist.
-
Für
beide Versorgungsformen gilt die MDK-Anleitung zur Prüfung der
Qualität nach den §§ 114 ff. SGB XI. Dort heißt es (Punkt 18.5
stationär, bzw. Punkt 15.5 ambulant):
Sind
die Mitarbeiter entsprechend ihrer fachlichen Qualifikation
eingesetzt worden? Die Frage ist mit "ja" zu beantworten, wenn
die eingesetzten Mitarbeiter die formale Qualifikation haben
oder für eingesetzte Mitarbeiter ohne formale Qualifikation der
Nachweis der materiellen Qualifikation (z.B. Fortbildung,
Anleitung) vorliegt.
Daraus lässt
sich ableiten, dass Pflegehilfskräfte z.B. auch Medikamente
verabreichen können, wenn Nachweise über entsprechende
Fortbildungen, Anleitung und Delegation vorliegen.
Wir
unterscheiden zwischen einer formellen Qualifikation und einer
materiellen Qualifikation. Eine formelle Qualifikation besteht, wenn
eine Pflegekraft eine Ausbildung erfolgreich absolviert hat und über
die entsprechende Bescheinigung verfügt. Eine materielle
Qualifikation liegt vor, wenn eine Pflegekraft die Tätigkeit in der
Praxis auch wirklich beherrscht. So kann es etwa sein, dass eine
Pflegekraft ausweislich ihres Examens eine bestimmte Tätigkeit
ausführen dürfte, diese aber mangels praktischer Erfahrung
tatsächlich aber gar nicht beherrscht. Solche Defizite können etwa
nach einem mehrjährigen Erziehungsurlaub auftreten.
Grundsätze:
Eine gute
Zusammenarbeit zwischen Arzt und Pflegekraft ist unverzichtbar für
die Gesundheit unserer Bewohner. Wir sind daher stets bemüht, eine
reibungslose Kooperation zu ermöglichen.
Gleichzeitig
ist es unsere Pflicht, unsere Mitarbeiter und die Einrichtung vor
unberechtigten Haftungsansprüchen zu schützen. Daher wird jede
ärztliche Anweisung und ihre Umsetzung durch unsere Pflegekräfte
genau dokumentiert. Insbesondere wenn der Arzt eine schriftliche
Fixierung der Anordnung verweigert, muss die mündliche Anweisung
genau und unter Zeugen auf dem dafür vorgesehenen Formblatt
protokolliert werden.
Die Delegation
durch den Arzt wird immer kritisch hinterfragt. Aufgrund ihrer
Ausbildung und ihrer langjährigen Erfahrung haben Pflegekräfte das
Recht und die Pflicht, ggf. auch einem Mediziner zu widersprechen.
Auch eine
jahre- oder jahrzehntelange gute Zusammenarbeit mit einem Arzt darf
nicht dazu führen, dass die hier beschriebenen Sicherheitsregeln nur
noch eingeschränkt umgesetzt werden.
Ziele:
Unsere
Bewohner sollen stets die optimale medizinische Betreuung erhalten.
Dazu ist es unerlässlich, dass die ärztlichen Anweisungen genau
befolgt werden.
Unsere
Pflegekräfte und unsere Einrichtung müssen vor Haftungsrisiken
geschützt werden.
Die Ärzte
unserer Bewohner und unser Pflegeteam sollen partnerschaftlich und
vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Vorbereitung:
allgemeine Organisation
Neben allen
Telefonen im Wohnbereich, die von Pflegekräften genutzt werden,
liegt stets ein Vorrat an Vordrucken des Protokolls "ärztliche
Anordnung".
Die
Pflegedienstleitung erstellt eine Kompetenzmatrix. Diese Tabelle
definiert, welche Qualifikation erforderlich ist, um bestimmte
Pflegemaßnahmen durchzuführen.
Alle auf
unsere Pflegekräfte ausgestellten Befähigungsnachweise
("Spritzenscheine" usw.) werden in einem angemessenen Zyklus
erneuert.
allgemeine Maßnahmen für alle Pflegekräfte
Unsere
Mitarbeiter werden regelmäßig fortgebildet.
Unsere
Mitarbeiter werden angehalten, im Zweifelsfall vor Ausführung einer
Delegation stets Rücksprache mit der Pflegedienstleitung zu halten.
Wenn sich der
Kontakt zu einem bestimmten Arzt erfahrungsgemäß problematisch
gestaltet, wird der richtige Umgang mit solchen Medizinern bei
Teambesprechungen thematisiert und ggf. in Rollenspielen geübt.
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Wir
ermutigen unsere Mitarbeiter zu Selbstvertrauen und Selbstkritik.
Selbstvertrauen, um im Dialog mit dem Arzt die eigenen
Interessen und die des Bewohners vertreten zu können.
Selbstkritik, um die eigenen Fähigkeiten korrekt einzuschätzen
und deren Grenzen zu erkennen.
Wir stellen
sicher, dass Pflegekräfte über alle Fähigkeiten verfügen, über die
sie ausweislich ihrer Ausbildung eigentlich verfügen sollten. Wir
kontrollieren das Vorhandensein dieser Fähigkeiten engmaschig
mittels Pflegevisiten.
Ggf.
vorhandene Qualifizierungslücken werden durch interne oder externe
Fortbildungen geschlossen.
Der Umfang der
medizinischen Tätigkeiten, die im Rahmen einer Delegation von der
Pflegekraft zu leisten sind, wird in der jeweiligen
Stellenbeschreibung genau definiert.
spezielle Maßnahmen für Pflegehilfskräfte
Wir verfügen
über ein Einarbeitungskonzept für Pflegehilfskräfte. Sie werden von
unserem Praxismentor sorgfältig begleitet. Der Praxismentor steht
der Pflegehilfskraft auch später immer als Ansprechpartner zur
Verfügung.
Maßnahmen, die
von Pflegehilfskräften durchgeführt werden, folgen strikt der
Pflegeplanung. Diese Pflegeplanung wird immer von einer
Pflegefachkraft erstellt.
Wir ermuntern
Pflegehilfskräfte, sich durch entsprechende Weiterbildungen zur
Pflegefachkraft zu qualifizieren.
Durchführung:
Annahme einer Delegation
Eine ärztliche
Tätigkeit darf nur dann durchgeführt werden, wenn die Pflegekraft
die dafür notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt.
Voraussetzung dazu sind die entsprechende Qualifikation und die
tatsächlichen Fähigkeiten der Pflegekraft.
Die
Pflegekraft lässt sich die durchzuführende Tätigkeit vom Arzt genau
erklären. (Dosierung, Darreichungsform, Einnahmezeitpunkt usw.)
Unklare Punkte werden von der Pflegekraft stets erneut angesprochen
und umfassend geklärt.
Die
Pflegekraft bittet den Arzt stets freundlich, die Anweisungen
schriftlich in die Dokumentationsmappe des Bewohners einzutragen.
Sie achtet darauf, dass die Informationen leserlich und vollständig
vermerkt werden. Im Zweifelsfall fragt die Pflegekraft erneut nach.
Bei Ärzten,
die erfahrungsgemäß eine schriftliche Fixierung der Anweisungen
ablehnen, sollten nach Möglichkeit bei der Erläuterung zwei
Pflegekräfte anwesend sein. Eine Pflegekraft dokumentiert die
Anweisungen, die andere überprüft die Eintragung. Beide
unterschreiben mit ihrem Kürzel.
(Hinweis: In der
Berufsordnung für Ärzte ist festgelegt, dass jede Anordnung oder
Verordnung schriftlich festgehalten werden muss. Dies muss aber nicht
notwendigerweise in der Pflegedokumentation erfolgen. Rein rechtlich
wären auch ein Zettel oder das Rezept samt Angabe der Dosierung
ausreichend.)
Bei
telefonischen Anweisungen bittet die Pflegekraft stets zusätzlich um
schriftliche Anweisungen per Fax. Wird dieses abgelehnt, so notiert
die Pflegekraft die Anweisungen eigenhändig und liest diese dem Arzt
danach erneut vor. Dabei sollte nach Möglichkeit eine zweite
Pflegekraft als Zeuge anwesend sein. Sie dokumentiert "v.u.g.", also
"vorgelesen und genehmigt". Beide unterschreiben mit ihrem Kürzel.
Es ist zudem wichtig, dass die Pflegekraft dokumentiert, welche
Gesundheitsveränderungen bzw. Symptome sie dem Arzt beschrieben hat.
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Voraussetzung für die Durchführung ärztlicher Tätigkeiten ist eine
ausdrückliche Anordnung des Arztes. Die zu übertragende Aufgabe muss
inhaltlich genau definiert sein. Die Pflegekraft muss zweifelsfrei
wissen, welche Maßnahmen sie durchführen soll. Die Anordnung umfasst
also insbesondere folgende Faktoren:
Bezeichnung des Medikaments
Menge und
Dosierung
Art der
Verabreichung
Zeitpunkt
der Verabreichung
Hinweise
zu etwaigen Gefahren und deren Abwendung
Bedarfsanordnungen erfordern besonders klare Verhaltensanweisungen
durch den Arzt an die Pflegekraft . Aus der Anweisung muss klar
hervorgehen, unter welchen Voraussetzungen welche Maßnahmen zu
treffen sind. Der Ermessensspielraum der Pflegekraft muss minimal
gehalten werden.
Bedarfsmedikationen,
die diese Anforderungen nicht erfüllen, dürfen nicht durchgeführt
werden. Wir drängen auch bei Bedarfsanordnungen stets auf eine
schriftliche Fixierung.
Annahme einer Delegation mit Einschränkungen
Verschiedene
Verordnungen entsprechen ggf. nicht dem aktuellen Stand der
medizinischen oder pflegerischen Wissenschaft. Die Durchführung
würde dem Pflegebedürftigen aber nicht schaden. Solche Verordnungen
führen wir durch, machen den Arzt aber auf den Mangel aufmerksam. In
jedem Fall wird die Pflegedienstleitung informiert. Es ist wichtig,
dass unsere Bedenken schriftlich in der Pflegedokumentation fixiert
werden.
Die
Durchführung der Tätigkeit muss in angemessenen Abständen zusätzlich
vom Arzt kontrolliert werden.
Wir lassen
eine Delegation ärztlicher Tätigkeiten nur dann zu, wenn diese
zwingend notwendig ist. Falls eine Delegation aus Gründen wie
Gefälligkeit, Bequemlichkeit oder Arbeitserleichterung geschehen
soll, lehnen wir diese ab.
Ein weiterer
Faktor bei der Entscheidung, ob wir eine Delegation akzeptieren,
ist, wie schnell ggf. der Arzt intervenieren kann. Bei Ärzten, die
weit entfernt praktizieren und zumeist schlecht erreichbar sind,
lehnen wir eine Delegation tendenziell schneller ab. Bei Ärzten, die
bei Fragen oder im Notfall schnell in die Einrichtung kommen können,
akzeptieren wir die Delegation tendenziell bereitwilliger.
Ablehnen einer Delegation
Wenn eine
Pflegekraft der Ansicht ist, dass sie der Verantwortung nicht
gewachsen ist, darf sie die delegierte Maßnahme nicht durchführen.
Der Arzt muss dann darauf hingewiesen werden.
Die Ablehnung
der Delegation kann zunächst mündlich erfolgen, sollte danach aber
stets auch schriftlich in der Dokumentation fixiert werden.
Wir prüfen, ob
bei dem zu applizierenden Medikament laut Beipackzettel ausdrücklich
eine Applikation durch den Arzt gefordert wird. In diesem Fall
lehnen wir eine Delegation ab.
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Wir
akzeptieren keinen Delegationszwang. Wenn eine Pflegekraft aufgrund
eindeutiger Fakten eine Delegation ablehnt, bleibt dieses ohne
arbeitsrechtliche Konsequenzen. Das Recht auf Verweigerung greift
insbesondere bei folgenden Umständen:
Die
Aufgabe erscheint als zu gefährlich für den Bewohner oder die
Pflegekraft.
Der
Pflegebedürftige ist nicht damit einverstanden, dass die
Maßnahme von einer Pflegekraft und nicht von "seinem" Arzt
durchgeführt wird. (s.u.)
Das zu
applizierende Medikament und dessen korrekte Handhabung sind der
Pflegekraft unbekannt.
Die
Handhabung eines benötigten technischen Geräts ist der
Pflegekraft nicht vertraut. Es fand keine oder nur eine
unzureichende Einweisung statt.
Die
Pflegekraft fühlt sich der Aufgabe nicht gewachsen, etwa weil
sie sich aufgrund von Kopfschmerzen nicht konzentrieren kann.
Wenn eine
Pflegekraft eine Delegation aufgrund fehlender Fähigkeiten
verweigert, wird geprüft, ob eine entsprechende interne oder externe
Weiterbildung notwendig ist.
Die
Pflegedienstleitung wird umgehend über jede Ablehnung informiert.
Information des Bewohners
Die
Durchführung delegierter ärztlicher Tätigkeiten ist ebenso wie alle
anderen pflegerischen Maßnahmen abhängig von der Einwilligung
unserer Bewohner. Eine wirksame Einwilligung liegt nur dann vor,
wenn der Bewohner umfassend aufgeklärt wurde. Unverzichtbar ist
zudem die Einsichtsfähigkeit des Bewohners.
Die Aufklärung
umfasst insbesondere den Hinweis auf etwaige Risiken und Gefahren
der Behandlung.
Der Bewohner
wird befragt, ob er damit einverstanden ist, dass die eigentlich
medizinische Maßnahme von einer Pflegekraft übernommen wird.
Im
Zweifelsfall sollte die Einwilligung schriftlich erfolgen.
Notfälle
Allein in
Notfällen, wenn ärztliche Hilfe nicht sofort verfügbar ist, kann die
Pflegekraft nach bestem Wissen und Fähigkeiten auch ohne ärztliche
Anordnung handeln. Sie ist dazu sogar verpflichtet, da sie sich
andernfalls wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen kann.
Nachbereitung:
Probleme bei
der Delegation ärztlicher Tätigkeiten werden schriftlich
festgehalten und im Rahmen des Qualitätsmanagements für
Verbesserungen genutzt (z.B. bei einem Qualitätszirkel).
Dokumente:
Pflegedokumentation des Bewohners
Protokoll
"ärztliche Verordnung"
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
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