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Standard "Verhalten bei Diebstahlsverdacht (stationäre Pflege)

Das gute Hörgerät ist weg. Oder ein teurer Ring. Hat der Senior den Gegenstand bloß verlegt? Oder wurde er von einem ebenfalls verwirrten Mitbewohner eingesteckt? Machten am Ende gar eine Pflegekraft oder Angehörige lange Finger? Wir zeigen, wie Ihr Pflegeteam auf Vorwürfe richtig reagiert.


Standard "Verhalten bei Diebstahlsverdacht (stationäre Pflege)


Definition:

  • Der Umzug in ein Pflegeheim bedeutet für Senioren einen Verlust an vertrauter Umgebung. Somit gewinnen die unmittelbaren Dinge des Lebens an Wichtigkeit. Dazu zählen etwa die Brille, das Hörgerät, der Gehstock, die Geldbörse, Schlüssel, das Fotoalbum oder Schriftstücke. Wenn diese verschwinden, reagieren Senioren oft mit Ratlosigkeit, Unruhe, Trauer oder sogar mit Panik. Schnell kommt der Verdacht auf, dass Pflegekräfte den Gegenstand gestohlen hätten.
  • Die krankheitsbedingten Veränderungen befördern diese Problematik. So äußert sich der degenerative Prozess einer Demenz insbesondere in einem reduzierten Kurzzeitgedächtnis. In der Folge sind Betroffene oft nicht mehr in der Lage, wichtige Gegenstände wiederzufinden.
  • Der mentale Abbau kann dazu führen, dass sich bei schon zuvor misstrauischen Personen diese Charaktereigenschaft weiter verstärkt. Gleichzeitig können auch solche Senioren großes Misstrauen entwickeln, die diese Eigenart zuvor nicht zeigten.
  • Oftmals tritt dieses Verhalten nur vorübergehend auf und reduziert sich innerhalb einiger Monate.
  • Bei manchen Demenz-Patienten entwickeln sich gravierende psychische Störungen, wie etwa ein Bestehlungswahn. Der Bewohner lebt in der Überzeugung, dass er regelmäßig von anderen Menschen bestohlen wird.
(Hinweis: Der Vollständigkeit halber muss angemerkt werden, dass Bewohner mitunter tatsächlich von Pflegekräften bestohlen werden. Der Verdacht sollte also nicht generell ignoriert werden.)

Grundsätze:

  • Jeder Diebstahlsverdacht bringt uns in einen moralischen Zwiespalt. Einerseits ist es unsere Pflicht, das Eigentum unserer Bewohner zu schützen und dem Diebstahl nachzugehen. Gleichzeitig jedoch werden wir unsere Mitarbeiter vor ungerechtfertigten Verdächtigungen schützen.
  • Die Situation ist für beide Seiten sehr belastend. Die Pflegekraft sieht sich einem ernsten Verdacht ausgesetzt, obwohl sie ggf. den Bewohner seit Jahren versorgt. Der Bewohner steht unter Stress, weil er der festen Überzeugung ist, dass er bestohlen wurde und ihm keiner glauben möchte.
  • Die Vorwürfe dürfen von der Pflegekraft nicht als persönlicher Angriff gewertet werden. Das übersteigerte Misstrauen ist Symptom einer Krankheit.

Ziele:

  • Das Verhältnis zwischen Pflegekraft, Angehörigen und Bewohnern wird nicht unnötig beeinträchtigt.
  • Der Arbeits- und Suchaufwand beim Verschwinden eines Gegenstandes wird begrenzt. Der vermisste Gegenstand wird schnell wiedergefunden.
  • Der finanzielle Schaden wird begrenzt, falls der Bewohner einen Gegenstand verliert und dieser nicht mehr gefunden wird.
  • Der gute Ruf der Pflegekraft und des Pflegedienstes wird geschützt.

Vorbereitung:

  • Die Vorgaben des Standards "Umgang mit Bewohnereigentum" werden umgesetzt.
  • In jedem Zimmer stehen abschließbare Fächer zur Verfügung, für die nur der jeweilige Bewohner einen Schlüssel hat. Außerdem bieten wir den Bewohnern die Möglichkeit an, Wertsachen im Zentralsafe des Heimes unterzubringen. Der Bewohner wird noch vor dem Heimeinzug über diese Vorsichtsmaßnahmen informiert.
  • Damit die Bewohner keine größeren Geldbeträge in ihren Zimmern oder Appartements lagern, bieten wir außerdem ein Taschengeldkonto an, von dem an der Rezeption des Hauses Geld abgehoben werden kann.
  • Wir empfehlen dem Bewohner, die Türen zum Zimmer nicht nur hinter sich zuzuziehen, sondern richtig abzuschließen, wenn er z. B. zum Essen geht.
  • Wertvolle Schmuckstücke und andere Gegenstände ab einem Wert von 500 € werden in unserer Einrichtung durch uns fotografiert, sodass in einem Schadensfall z. B. bei Diebstahl ein Foto an die Polizei weitergegeben werden kann.
  • Im Rahmen von Teambesprechungen führen wir Rollenspiele durch. Wir üben die angemessene Reaktion auf Vorwürfe von Bewohnern oder von Angehörigen.
  • Wenn wir feststellen, dass die demenzielle Erkrankung des Bewohners zu einem übersteigerten Misstrauen führt, suchen wir frühzeitig den Dialog mit den Angehörigen; also noch bevor die ersten Vorwürfe im Raum stehen. Wir verdeutlichen ihnen, dass dieses Misstrauen ein Ausdruck der degenerativen Schädigung ist und dass sich entsprechende Vorhaltungen häufen können.
  • Von wichtigen Gebrauchsgegenständen, die der Bewohner häufig vermisst, sollten Duplikate hergestellt oder beschafft werden. Also etwa Lesebrillen, Schlüssel usw.
  • Wir empfehlen den Angehörigen, Wertgegenstände sicher zu verwahren und gegen Duplikate zu ersetzen. Wenn eine Bewohnerin z. B. teuren Schmuck besitzt, sollte sie stattdessen Modeschmuck erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass der mentale Verfall soweit fortgeschritten ist, dass die Bewohnerin den Unterschied nicht bemerkt.
  • Es ist wichtig zu prüfen, ob das Verhalten die Folge der Demenz ist oder ob es der Ausdruck einer Wahnkrankheit ist. Falls wir den Verdacht haben, dass der Bewohner wahnkrank ist, wird der Arzt über unsere Beobachtungen informiert.
    • Bei einer Demenz richtet sich das Misstrauen gegen Menschen aus der näheren Umgebung. Der Verdacht könnte also bei rationaler Betrachtung durchaus glaubhaft erscheinen.
    • Wahnkranke hingegen verdächtigen fremde Mächte, Gruppen oder Einzelpersonen, die keinen Zugriff auf das Eigentum des Bewohners haben und deshalb nicht als Diebe in Betracht kommen. Also etwa der geschiedene Ex-Ehepartner, der längst in einer anderen Stadt lebt.
  • Wir achten darauf, dass Mülleimer, Wertstoffsäcke und Wäschekörbe vor dem Entleeren durchsucht werden. Der Demenzkranke könnte dort Gegenstände versteckt haben.
  • Schränke und Schubladen, die nicht mehr benötigt werden, sollten ggf. verschlossen werden. Dadurch wird die Anzahl der möglichen Verstecke reduziert und die Suche nach vermissten Gegenständen beschleunigt. (Dieser Punkt muss gut abgewogen werden, da sich dadurch das Gefühl verringert, im Pflegeheim wirklich zuhause zu sein.)
  • Die häufigen Vorwürfe sind oftmals Ausdruck einer emotionalen Unsicherheit. Der Bewohner spürt den Zerfall seiner geistigen Kräfte. Er versucht unbewusst, sein Selbstbild aufrechtzuerhalten. Auf der Suche nach einem Schuldigen für das Verschwinden eines Gegenstandes richtet sich sein Misstrauen gegen die erstbeste Person; also ggf. gegen die Pflegekraft. Im Umgang mit sehr misstrauischen Personen bevorzugen wir daher den Ansatz der validierenden Kommunikation. Wir versuchen, ihn auf der Gefühlsebene zu erreichen und das Selbstwertgefühl zu erhalten. Maßnahmen aus dem Umfeld des Realitäts-Orientierungs-Trainings (ROT) sind nicht sinnvoll. Die meisten Betroffenen reagieren auf Korrekturen mit noch mehr Misstrauen und Aggressionen.

Durchführung:

Verhalten beim Verschwinden eines wichtigen Gegenstandes

  • Wir hören dem Angehörigen und dem Bewohner zu und lassen sie ausreden. Wir versichern, den Sachverhalt schnellstmöglich aufzuklären. Insbesondere bieten wir an, den vermissten Gegenstand zu suchen.
  • Es ist besser, den Gegenstand gemeinsam mit dem Bewohner zu suchen. Falls ihn die Pflegekraft allein findet und dem Bewohner wiedergibt, wird sich dieser in seinem Verdacht bestätigt sehen.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner einen real existierenden Gegenstand sucht. Viele Demenzkranke vermissen Gegenstände, die sie schon vor Jahren verkauft oder verschenkt haben.
  • Wir prüfen, ob demenziell erkrankte Mitbewohner als "Diebe" in Betracht kommen. Viele verwirrte Senioren können nicht mehr zwischen fremdem und eigenem Besitz unterscheiden. Sie nehmen daher interessante Gegenstände an sich. In diesem Fall finden sich die zuvor verschwundenen Gegenstände später wieder an.

Reaktion auf den Vorwurf eines Diebstahls durch Angehörige

  • Falls der Angehörige den Anschuldigungen Glauben schenkt, nehmen wir den Verdacht ernst. Wird die Pflegekraft selbst beschuldigt, informiert sie die Pflegedienstleitung und bittet um zeitnahe Anwesenheit. Die Pflegekraft verteidigt sich also nicht selbst.
  • Ggf. erstattet ein Angehöriger oder ein Betreuer Anzeige gegen eine Pflegekraft oder "gegen unbekannt", um den Diebstahl aufzuklären. Wir arbeiten dann mit der Behörde zusammen und händigen insbesondere die Dienstpläne aus.

Schadensregulierung durch die Versicherung

  • Die Einrichtung hat eine sog. "Altenheim-Police" abgeschlossen. Diese umfasst auch Einbruchdiebstahl. Wird Bargeld oder Schmuck gestohlen, und die Polizei findet keine Einbruchspuren, übernimmt die Versicherung i.d.R. den Schaden nicht. (Dieser Punkt muss je nach Versicherungsschutz überarbeitet werden.)
  • Schäden aus einfachem Diebstahl werden ggf. von der Hausratversicherung reguliert, wenn der Senior lediglich im Rahmen der Kurzzeitpflege von uns versorgt wird. Nicht versichert sind i.d.R. optische und elektronische Geräte sowie deren Zubehör. Die maximale Entschädigungssumme ist häufig vergleichsweise gering.

Nachbereitung:

  • Jeder derartige Vorfall muss sorgfältig dokumentiert werden. Also sowohl die Art des Vorwurfes, ggf. der spätere Fundort des Gegenstandes und auch alle anwesenden Personen. Sollte es polizeiliche Ermittlungen oder gar juristische Auseinandersetzungen geben, sind derartige Aufzeichnungen sehr wichtig.
  • Bewohner bevorzugen oft bestimmte Verstecke. Diese werden dokumentiert. Bei einem erneuten Verschwinden von wichtigen Gegenständen werden diese als erstes durchsucht.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner Gegenstände bewusst versteckt, um sie vor einem Diebstahl zu schützen.

Dokumente:

  • Pflegebericht

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter