Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert.
Für die PC-Version
klicken Sie bitte hier.
Standard "Essen
und Trinken anreichen in der stationären Pflege"
Im hohen Alter wird manch Hochbetagter
wieder zum Kleinkind degradiert. Er bekommt ein "Lätzchen"
umgehängt, wird "gefüttert" und in Babysprache angeredet. Der
Löffel mit dem (im Mixer erzeugten) Nahrungsbrei schwebt schon
vor dem Mund, lange bevor die vorherige Portion geschluckt
werden konnte. Und hat sich die Pflegekraft eigentlich vorher
die Hände gewaschen? Mit einem Standard können Sie solche großen
und viele kleine Schnitzer vermeiden.
Standard "Essen
und Trinken anreichen in der stationären Pflege"
Definition:
Je nach
Krankheitsbild und Krankheitsfortschritt benötigen Bewohner bei der
Nahrungsaufnahme ein unterschiedlich großes Maß an Hilfe. Wir
versuchen diesen Unterstützungsbedarf genau zu ermitteln, um eine
Über- oder Unterversorgung des Bewohners zu vermeiden.
Es ist uns
bewusst, dass es oft einfacher und zeitsparender wäre, auch solchen
Bewohnern das Essen anzureichen, die mit etwas Unterstützung die
Nahrungsaufnahme zumindest teilweise selbst durchführen könnten. Das
Prinzip der aktivierenden Pflege verlangt jedoch, dass wir die
Selbstständigkeit und das Selbstvertrauen des Bewohners so lange wie
möglich erhalten.
Im hektischen
Pflegealltag bleibt für das Essenanreichen häufig nicht ausreichend
Zeit. Für Bewohner, die aufgrund ihrer Immobilität an das Bett
gefesselt sind, bilden die drei Mahlzeiten jedoch sehr wichtige
Fixpunkte im Tagesablauf.
Grundsätze:
Das
Essenanreichen hat unter allen Pflege- und Betreuungsmaßnahmen eine
hohe Priorität. Daher sollten sich Pflegekräfte so viel Zeit wie
möglich dafür nehmen.
Hektik beim
Essenanreichen kann Aggressionen erzeugen.
Wir achten auf
eine menschenwürdige Sprache. Bewohner werden nicht "gefüttert",
sondern es wird ihnen das Essen angereicht. Es gibt weder "Lätzchen"
noch "Esslatze" sondern nur Servietten.
Bei Bewohnern
mit Schluckstörungen oder einem eingetrübten Bewusstsein ist stets
von einer erhöhten Aspirationsgefahr auszugehen.
Das Anreichen
des Essens ist eine wichtige pflegerische Aufgabe, die insbesondere
bei dementen Bewohnern viel Einfühlungsvermögen und Berufserfahrung
erfordert. In Problemfällen wird diese Tätigkeit daher stets von
Pflegefachkräften durchgeführt und nicht etwa von
Zivildienstleistenden oder Praktikanten.
Das Eingeben
des Essens sollte i.d.R. durch die Bezugspflegekraft erfolgen. Durch
die personelle Kontinuität wird insbesondere bei dementen Senioren
die Bereitschaft erhöht, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen.
Das Eingeben
der Speisen ist immer auch eine ideale Aufgabe für Angehörige, die
sich aktiv an der Pflege beteiligen möchten. Es muss dabei aber
immer verdeutlicht werden, dass wir diese Hilfe nicht einfordern. Es
könnte sonst der Eindruck entstehen, dass wir keine Zeit für das
Eingeben der Speisen haben und die Durchführung daher an den
Angehörigen delegieren. Bei Schluckstörungen muss die Maßnahme von
der Pflegekraft durchgeführt werden.
Ziele:
Der Bewohner
kann in möglichst angenehmer Atmosphäre seine Mahlzeiten zu sich
nehmen.
Zwischen
Bewohner und Pflegekraft entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis.
Vorhandene
Restfähigkeiten werden erhalten und gefördert.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen werden rechtzeitig erkannt. Eine
Aspiration wird vermieden.
Vorbereitung:
Organisation
Wir prüfen,
welchen Umfang die Hilfsbedürftigkeit hat. Wir nutzen eventuell
vorhandene Restfähigkeiten, um die Selbständigkeit des Bewohners zu
fördern. Häufig ist ein Bewohner etwa in der Lage, sein
Frühstücksbrot allein zu essen, wenn ihm dieses zuvor belegt und in
kleine Quadrate zerschnitten wurde. Andere Senioren können zumindest
ein- oder zweimal eigenständig den Löffel zum Mund führen. Erst
danach wird die Maßnahme dann von der Pflegekraft fortgeführt.
Wir nutzen
nach Möglichkeit kein Essgeschirr oder Trinkgefäße aus Kunststoff.
Diese können aufgrund des geringeren Gewichts leichter umfallen und
beeinträchtigen oftmals auch das geschmackliche Empfinden.
Hilfsmittel
wie Schnabeltassen werden nur dann eingesetzt, wenn dieses zwingend
erforderlich ist. Dieses gilt auch für den generellen Ersatz der
Gabel durch einen Löffel.
Im Rahmen der
Biografiearbeit sowie im Dialog mit Angehörigen erheben wir auch
Daten zum Ernährungsverhalten. Diese Informationen nutzen wir, um
die Gewohnheiten des Bewohners auch in der Einrichtung zu beachten.
So sollte der Bewohner insbesondere zu vertrauten Tageszeiten seine
Nahrung aufnehmen.
Das Eingeben
der Nahrung wird im Rahmen der Einarbeitung neuer Mitarbeiter geübt.
Wir empfehlen insbesondere allen Mitarbeitern, sich probeweise von
einem Kollegen die Nahrung eingeben zu lassen und diese Maßnahme aus
der Sicht der Bewohner zu erleben.
Pflegebedürftige, die an einer Halbseitenlähmung leiden, erhalten
geeignetes Geschirr. Dazu zählen etwa Besteck mit verstärkten
Griffen, feststehende Teller mit Rand oder Schneidebretter mit
Seitenbegrenzung.
Wenn der
Bewohner erfahrungsgemäß sehr langsam isst, nutzen wir einen
Warmhalteteller.
Die
Pflegekraft wäscht sich die Hände und führt eine hygienische
Händedesinfektion durch. Dieses sollte in Sichtweite des Bewohners
geschehen.
Die
Pflegekraft sollte nicht unmittelbar nach der Desinfektion der Hände
mit der Zubereitung der Speisen beginnen. Der Geruch des Mittels
kann an verschiedenen Speisen anhaften und durch den verfälschenden
Geruch den Appetit mindern.
Wenn der
Bewohner in einem Zweibettzimmer lebt, wird sichergestellt, dass der
Mitbewohner alle planbaren Ausscheidungsprozesse rechtzeitig
abschließt. Beispiel: Einläufe oder rektales Ausräumen.
Bei
ausgeprägten Schluckstörungen wird ggf. ein Absauggerät
bereitgehalten.
Vor der
Essenseingabe überprüft die Pflegekraft, ob der Bewohner die
richtigen Speisen erhalten hat. Dieses ist insbesondere wichtig,
wenn der Bewohner Schonkost erhalten soll oder sich
kalorienreduziert ernährt.
Die
Pflegekraft bleibt während des gesamten Essenanreichens beim
Bewohner sitzen und erledigt in dieser Zeit keine anderen
Tätigkeiten.
Bei Bewohnern,
die sich nicht mehr sprachlich äußern können, verabreden wir
nonverbale Zeichen. Wenn der Bewohner satt ist, soll er z.B. die
Augen schließen, den Kopf wegdrehen, den Kopf schütteln oder mit der
Hand den Arm der Pflegekraft drücken. Das Öffnen des Mundes oder ein
Kopfnicken hingegen kann dann bedeuten, dass die Pflegekraft den
nächsten Bissen oder Löffel zum Mund führen soll.
Vorbereitung auf das Esseneingeben
Das Zimmer
wird gelüftet.
Wir nehmen mit
dem Bewohner Kontakt auf. Bei dementiell erkrankten Senioren kann
dieses z.B. auch mittels Handkontakt geschehen.
Die
Pflegekraft setzt sich so ans Bett, dass sie dem Bewohner gegenüber
sitzt und sich auf Augenhöhe befindet. Ggf. wird das Pflegebett
höher gefahren. Nach Möglichkeit sollte die Pflegekraft nicht "von
oben" auf den Bewohner herabsehen. Der Bewohner sollte beim Essen
den Kopf nicht überstrecken.
Ein ggf.
hochgefahrenes Bettgitter wird heruntergefahren.
Falls
notwendig und möglich wird der Nachttisch auf eine angemessene Höhe
eingestellt.
Das Bett und
die Bekleidung des Bewohners werden mit einer Serviette vor
Verschmutzung geschützt. Dieses ist appetitlicher als die Nutzung
von Zellstoff. Ein zusätzlicher Bettschutz wird nur dann angebracht,
wenn der Bewohner erfahrungsgemäß häufiger kleckert.
Der Teller
wird so nah wie möglich beim Bewohner aufgestellt. Er soll das
Gefühl bekommen, dass er von "seinem" Teller isst und nicht von dem
der Pflegekraft. Zudem sollte der Bewohner den Inhalt des Tellers
sehen können.
Rechtshändern
stellt die Pflegekraft Glas und Messer auf die rechte Seite; bei
Linkshändern ist dieses häufig (aber nicht immer) andersherum.
Niedriges
Geschirr steht vorne, hohes Geschirr wird weiter hinten
positioniert. Damit wird die Gefahr reduziert, dass der Bewohner
etwas umwirft.
Wenn der
Bewohner stark zittert, werden die Tassen und Becher nur bis zur
Hälfte gefüllt.
Die Mahlzeit
wird vor den Augen des Bewohners zerkleinert.
Vorbereitung des Bewohners
Wenn möglich
sollte der Bewohner soweit mobilisiert werden, dass er das Essen an
einem Tisch im Zimmer einnehmen kann.
Ggf. wird der
Bewohner daran erinnert, die Zahnprothese einzusetzen. Falls
notwendig wird er dabei unterstützt.
Ein immobiler
Bewohner sollte sich im Bett möglichst aufrichten. Dazu wird das
Kopfende des Bettes hochgefahren. Das Gewicht des Bewohners sollte
auf seinem Becken liegen.
Wenn das
Aufrichten nicht möglich oder kontraindiziert ist, ist die
Aspirationsgefahr deutlich erhöht. Zum Trinken muss dann ein
geeignetes Gefäß verwendet werden, etwa eine Schnabeltasse oder ein
Becher mit abknickbarem Trinkhalm.
Wenn der
Bewohner vor dem Essen Medikamente einnehmen muss, werden diese nun
appliziert.
Medikamente
werden dem Bewohner nicht unwissentlich "unter das Essen gerührt".
Dieses könnte das Vertrauensverhältnis zerstören.
Durchführung:
Die
Pflegekraft überprüft die Temperatur der Speisen. Dieses ggf. mit
einer eigenen (zusätzlichen) Gabel. Wenn die Speisen bereits
erkaltet sind, wärmt die Pflegekraft diese in der Mikrowelle wieder
auf.
Bei blinden
oder stark sehbehinderten Bewohnern sagen wir vor jedem Bissen an,
welche Speisenkomponente als nächstes angereicht wird. Also etwa ein
paar Bohnen, eine halbe Kartoffel, ein Stück Fleisch usw.
Bei Bewohnern
mit Halbseitenlähmung sollte die Pflegekraft die betroffene Hand
führen. Das Essen wird über die betroffene Seite angereicht.
Wenn die Hand
des Bewohners geführt werden muss, nutzt die Pflegekraft zwei
Kontaktpunkte: Mit einer Hand unterstützt sie den Ellenbogen des
Bewohners und mit der anderen Hand dessen Oberarm.
Die
Pflegekraft überprüft den Schluckvorgang beim Bewohner. Insbesondere
nach einem Schlaganfall leiden viele Betroffene unter Kau- und
Schluckproblemen.
Der Bewohner
bestimmt die Geschwindigkeit, mit der er isst. Die Pflegekraft
wartet ab, bis er die vorherige Portion schlucken konnte. Erst dann
führt sie den nächsten Löffel oder die nächste Gabel zum Mund des
Bewohners.
Dem Bewohner
wird vor und nach dem Essen sowie während des Essens ein Getränk
angeboten. Bei heißen Getränken prüft die Pflegekraft die
Temperatur, indem sie das Gefäß an die Innenseite Ihres Ellenbogens
hält.
Danach gibt
die Pflegekraft dem Bewohner die Flüssigkeit schluckweise ein. Sie
wartet dabei jeweils ab, bis der Schluckvorgang abgeschlossen ist.
Wenn der Bewohner zu hastig trinkt, sollte die Pflegekraft nach
jedem Schluck das Glas absetzen. Wir nutzen ggf. eine zusätzliche
Serviette, um verschüttete Flüssigkeit aufzunehmen.
Die
Pflegekraft stützt das Trinkgefäß von unten mit der Handfläche. Der
Bewohner soll das Glas seitlich umfassen und zum Mund führen. Ggf.
kann sie mit der anderen Hand den Kopf des Bewohners noch etwas
weiter aufrichten.
Speisereste,
die im Mundwinkel des Bewohners hängen bleiben, werden mit der
Serviette entfernt und nicht per Löffel abgenommen und wieder
angeboten.
Die
Pflegekraft sollte darauf achten, dass sie dem Bewohner die Speisen
nicht zu tief in den Mund hinein schiebt. Dieses kann einen
Würgereiz auslösen.
Ein Löffel
sollte bei festen Speisen nur bis zur vorderen Hälfte gefüllt
werden. Beim Herausziehen sollte der Löffel an der Oberlippe
abgestreift werden, aber nicht mit den Schneidezähnen in Kontakt
kommen. Dieses kann den Beißreflex auslösen, insbesondere bei
dementen Bewohnern.
Die
Pflegekraft achtet darauf, dass der Bewohner den Mund beim Kauen
schließt.
Während des
Schluckens sollte die Pflegekraft nicht mit dem Bewohner sprechen.
Dieses könnte ihn dazu veranlassen, ebenfalls während des Essens zu
reden und dabei ggf. Nahrungsbestandteile zu aspirieren. Wenn die
Pflegekraft eine Frage an den Bewohner richtet, sollte dieser den
Bissen geschluckt haben.
-
Wenn ein
Bewohner den Mund nicht öffnen möchte, nutzen wir verschiedene
Strategien:
Wir
berühren die Lippen des Bewohners mit der Spitze des gefüllten
Löffels oder der Gabel.
Die
Pflegekraft streicht behutsam über Mundwinkel, Lippen und Wange
des Bewohners.
Die
Pflegekraft übt einen sanften Druck auf die Kinngrübchen aus.
In keinem
Fall darf Gewalt ausgeübt werden. Dieses selbst dann, wenn der
Bewohner überhaupt nichts isst.
Hinweis: Nahrungsverweigerung muss nicht zwangsläufig ein
Anzeichen für Depressionen o.Ä. sein. Häufig sind Erkrankungen
im Mundraum oder im Magen-Darmbereich der Auslöser. Wir setzen
die Vorgaben des Standards "Verhalten bei Nahrungsverweigerung"
um.
Nachbereitung:
Soweit der
Bewohner dazu in der Lage ist, sollte er sich am Abräumen
beteiligen.
Die Serviette,
der Bettschutz usw. werden entfernt. Bei Verschmutzungen etwa des
Nachttisches werden die Oberflächen ggf. gesäubert.
Die
Pflegekraft bietet dem Bewohner eine Mundpflege an. Bei einer
entsprechenden Gefährdung sollten die Wangentaschen auf
Nahrungsreste überprüft werden.
Der Bewohner
erhält die Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Auch die
Pflegekraft wäscht sich die Hände.
Der Bewohner
sollte noch für 30 Minuten in der leicht aufgerichteten Position
verbleiben.
Nach dieser
halben Stunde setzt bei vielen Bewohnern der Stuhl- und Harndrang
ein. Wir bieten dem Bewohner folglich einen Toilettengang an.
Sehr
geschwächten Bewohnern sollte nach dem Essen Zeit zum Ausruhen und
ggf. zum Schlafen gegeben werden.
Die Klingel
wird in Reichweite des Bewohners abgelegt.
Insbesondere
bei Diabetikern muss sich die Pflegekraft vergewissern, dass auch
wirklich die gesamte Portion verzehrt wurde. Bei einem nur
teilweisen Genuss muss die Differenz bei der Dosierung des Insulins
berücksichtigt werden.
Der Bewohner
wird befragt, ob ihm die Mahlzeit geschmeckt hat und ob die
Portionsgröße angemessen war. Etwaige Beschwerden werden aufgenommen
und in Kooperation mit der Hauswirtschaft bearbeitet.
Ggf. wird das
Bettgitter wieder hochgefahren.
-
Die
Maßnahme wird dokumentiert, insbesondere
ungewöhnliche Reaktionen auf die Speise, etwa Heißhunger oder
Ablehnung
Hustenanfälle
ggf.
gleichzeitig eingegebene Medikamente.
Dokumente:
Berichtsblatt
Medikamentenblatt
Flüssigkeitsbilanzierung
Fragen an den
Arzt
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
|