pqsg mobil
Start Index Impressum
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Standard "Hilfestellung geben beim Erbrechen"

Nach zehn oder mehr Berufsjahren haben die meisten Pflegekräfte eine beeindruckende Ekel-Resistenz entwickelt. Aber selbst das dickste Fell wird arg strapaziert, wenn es daran geht, Erbrochenes unter die Lupe zu nehmen. Doch nur, wenn Farbe, Konsistenz und Beimengungen korrekt bestimmt werden, wissen Pflegekräfte, ob der Senior einen Kamillentee oder den Notarzt braucht.


Standard "Hilfestellung geben beim Erbrechen"


Definition:

  • Erbrechen (auch "Emesis" oder "Vomitus") bezeichnet die Entleerung von Magen- und Speiseröhreninhalt durch den Mund. Es handelt sich dabei um einen komplexen Vorgang, der im Hirn durch das Brechzentrum gesteuert wird.
    • Der Betroffene atmet tief ein. Der Kehldeckel und der Nasenrachen werden verschlossen.
    • Die Magenmuskulatur und der obere Ösophagusschließmuskel erschlaffen.
    • Es kommt zu einer ruckartigen Kontraktion des Zwerchfells und der Bauchmuskulatur. Der intraabdominale Druck steigt. Der Magen entleert sich. Falls es zusätzlich zu einer Pyloruserschlaffung kommt, erbricht der Bewohner auch Gallenflüssigkeit.
    • Nach dem Erbrechen kommt es in vielen Fällen zu einer ausgeprägten Muskelschwäche. Viele Betroffene zittern am ganzen Körper. Diese Symptomatik klingt aber i.d.R. nach wenigen Minuten wieder ab.
  • Ein einmaliges Erbrechen hat i.d.R. weder einen Krankheitswert noch sonstige Folgen. Dauerhaftes Erbrechen verursacht Hunger, Austrocknung sowie Störungen im Säure-Basen-Haushalt. Im Extremfall kann die Elektrolytverschiebung zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand führen.
  • Erbrechen ist insbesondere für bettlägerige und stark geschwächte Senioren eine Gefahr, da Erbrochenes in die Luftröhre gelangen kann.
  • Auslöser können Erkrankungen des Magen-Darm-Bereiches, Störungen des ZNS, mechanische Störungen, Manipulationen im Mund-Rachen-Raum sowie der Kontakt mit chemischen Substanzen sein. Wir unterscheiden verschiedene Formen des Erbrechens:
    • Das nervöse Erbrechen wird durch schaukelnde Bewegungen (im Auto oder auf einem Schiff) sowie durch emotionalen Stress (Ärger, Angst und Aufregung) ausgelöst.
    • Das gastrische Erbrechen ist die Reaktion des Körpers auf den Verzehr von verdorbenen Lebensmitteln. Weitere Ursachen können eine Gastritis oder der Missbrauch von Alkohol sein.
    • Das zerebrale Erbrechen ist die Folge etwa von Gehirnerschütterungen, Schädelverletzungen, Tumorwachstum oder starken Schmerzen.
    • Ein organisch bedingtes Erbrechen tritt auf etwa nach Herzkreislauferkrankungen, Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, Appendizitis oder nach einer diabetischen Entgleisung.
    • Erbrechen kann auch als Folge von Infektionserkrankungen auftreten.

Grundsätze:

  • Das Erbrechen ist für jeden Bewohner eine große physische und psychische Belastung. Viele Menschen empfinden es als entwürdigend, wenn sie sich übergeben müssen. Der betroffene Bewohner ist in dieser Situation auf die Unterstützung, Hilfe und Zuwendung durch die Pflegekraft angewiesen.
  • In solchen Situationen ist es für Pflegekräfte wichtig, die Ruhe zu bewahren. Angst und Aufregung werden auf den Bewohner übertragen und können die Symptome verstärken.
  • Jede Pflegekraft muss sich bewusst sein, dass sie den Ekel vor dieser Situation zwar unterdrücken, aber nicht ausschalten kann. Dieses darf später nicht zu unterschwelligen Aggressionen gegen den Bewohner führen.
  • Der Bewohner wird beim Erbrechen nicht allein gelassen. Es besteht die große Gefahr einer Aspiration

Ziele:

  • Der Bewohner erbricht nicht mehr.
  • Der Bewohner fühlt sich wohl und hat keine Schmerzen.
  • Eine Exsikkose wird vermieden.
  • Die Versorgung mit Elektrolyten ist sichergestellt.
  • Auslösende Krankheiten werden festgestellt und angemessen behandelt.
  • Komplikationen wie etwa eine Aspiration werden vermieden.

Vorbereitung:

  • Wenn ein Bewohner bereits über Übelkeit klagt, versuchen wir zu verhindern, dass sich der Bewohner übergibt. Wir passen die Ernährung an und prüfen Medikamentennebenwirkungen. Oft können Pflegekräfte Erbrechen verhindern, indem sie den Bewohner ablenken, etwa durch Fernsehen, Radio, Gespräche oder Lesen. Im Detail sind diese Maßnahmen im Standard "Pflege von Senioren bei Übelkeit" beschrieben.
  • Wir sorgen dafür, dass die Toilette eines Bewohners mit Magen-Darm-Problemen in kürzeren Intervallen gereinigt wird und dort insbesondere keine Geruchsbelästigungen auftreten.

Durchführung:

Verhalten bei Erbrechen

  • Der Bewohner wird nicht allein gelassen.
  • Die Pflegekraft zieht Schutzkleidung an. Dazu zählen insbesondere Einmalhandschuhe.
  • Der Bewohner wird aufgefordert, sich in eine aufrechte Position zu bringen. Ggf. wird er dabei unterstützt.
  • Falls sich der Bewohner eigenständig nicht in aufrechter Position halten kann, wird das Kopfteil des Bettes aufgestellt und der Bewohner mit Kissen unterstützt. Die Pflegekraft stützt den Kopf des Betroffenen. Sie hält eine Nierenschale und Zellstoff bereit und reicht es dem Bewohner an.
  • Falls möglich, wird dem Bewohner vor dem Erbrechen die Zahnprothese entnommen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Gebiss aus dem Mund heraus fällt.
  • Falls sich der Bewohner aufgrund einer Krankheit nicht aufsetzen darf oder bewusstlos ist, wird er in eine stabile Seitenlage gebracht und der Kopf zur Seite gedreht.
  • Ggf. wird die Kleidung des Bewohners gelockert. Sie wird falls möglich mit Zellstoff vor Verschmutzung geschützt.
  • Der Bewohner wird aufgefordert, ruhig und gleichmäßig zu atmen.
  • Sofern es der Bewohner nicht bis zur Toilette schafft, wird ihm eine Nierenschale bereitgestellt.
  • Es ist wichtig, die Atemwege frei zu halten. Falls notwendig, wird der Bewohner abgesaugt. Mitunter ist es zusätzlich erforderlich, dem Bewohner Sauerstoff zu verabreichen.
  • Wir halten für den Bewohner feuchte Tücher zur Reinigung bereit.
  • Zwischen den Erbrechensschüben wird dem Bewohner immer wieder der Mund mit Zellstoff abgewischt.
  • Ggf. wird an die Stirn des Bewohners ein kalter und gefalteter Waschlappen gehalten.
  • Das Erbrochene wird sofort entsorgt. Falls notwendig, wird von dem Erbrochenen eine Probe genommen; dieses etwa beim Verdacht auf eine toxikologische Ursache. Wir stellen sicher, dass sich keine Zahnprothese im Erbrochenen befindet und ungewollt ebenfalls entsorgt wird.
  • Die Vitaldaten werden erfasst; insbesondere Puls und Blutdruck.
  • Wenn der Bewohner unlängst in der Bauchregion operiert wurde, kann es beim Erbrechen zu starken Schmerzen kommen. Diese kann die Pflegekraft lindern, indem sie mit der flachen Hand einen sanften Druck auf den Wundbereich ausübt.

Nachbereitung:

Verhalten nach dem Erbrechen

  • Dem Bewohner wird eine Mund- und Nasenpflege angeboten.
  • Dem Bewohner wird ein Getränk angeboten.
  • Das Gesicht und die Hände des Bewohners werden gewaschen.
  • Falls notwendig, wird die Bekleidung des Bewohners gewechselt.
  • Wenn sich der Bewohner unkontrolliert übergeben hat, wird das Erbrochene aufgenommen. Betroffene Gegenstände werden sorgfältig gereinigt und desinfiziert. Ggf. wird das Bett neu bezogen.
  • Falls notwendig, sollte der Bewohner auf jede Nahrungsaufnahme verzichten. Wichtig: Bei Diabetikern wird das weitere Vorgehen in jedem Fall mit dem behandelnden Hausarzt diskutiert.
  • Danach erhält der Bewohner Schonkost. Die genauen Ernährungseckpunkte werden gemeinsam mit dem Arzt und der Hauswirtschaft festgelegt.
  • Ggf. sollte der Bewohner Bettruhe einhalten. Nach dem Erbrechen folgt häufig eine Phase der Lethargie oder ausgeprägte Muskelschwäche. Viele Senioren frieren. Der Bewohner wird deswegen gut zugedeckt.
  • Ggf. wird der Bewohner so gelagert, dass die Bauchdecke entspannt wird.
  • Ggf. wird das Zimmer gelüftet. Zugluft ist zu vermeiden.
  • Das Material wird entsorgt.
  • Wir prüfen, ob es notwendig ist, den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust mittels Infusion zu kompensieren.
  • Wenn eine Flüssigkeitsbilanzierung erfolgt, wird die Menge des Erbrochenen eingerechnet. Die Pflegekraft wiegt dafür die Nierenschale mit dem Erbrochenen. Sie zieht dann das Gewicht einer leeren Nierenschale davon wieder ab.
  • Wenn sich der Zustand des Bewohners verschlechtert, sollte ein Arzt bzw. ein Notarzt gerufen werden. Ggf. prüfen wir die Überweisung in ein Krankenhaus.

Dokumentation und Ursachensuche

Nach jedem Erbrechen ist es wichtig, die Ursache zu finden. Insbesondere, wenn das Erbrechen gehäuft auftritt, gelingt es ggf. den Auslöser zu bestimmen. Wir dokumentieren den Verlauf des Erbrechens sowie alle relevanten Begleiterscheinungen. Wir klären außerdem folgende Punkte:

  • Welche Mengen wurden erbrochen? Das Volumen kann etwa als "ein Mund voll" oder "eine Nierenschale voll" abgeschätzt werden. Bei größeren Mengen erfolgt die Angabe in Litern.
  • Wie wurde erbrochen? Gleichmäßig fließend, explosionsartig / schwallartig oder würgend?
  • Klagt der Bewohner über Schwindelgefühle?
  • Kam es zu Bewusstseinseintrübungen?
  • Klagt der Bewohner über Lähmungen?
  • Leidet der Bewohner unter Kopfschmerzen oder unter Nackensteifigkeit?
  • Klagt der Bewohner beim Erbrechen über Schmerzen? Wo hat er Schmerzen?
  • Gibt es Auffälligkeiten bei den Vitalwerten, etwa Puls, Blutdruck, Körpertemperatur?
  • Gibt es Beimengungen von Schleim, Blut, nicht gelösten Medikamenten oder Nahrungsresten? Unverdaute Nahrungsreste können auftreten bei
    • Aussackung der Speiseröhre
    • Verengung des Mageneingangs
    • Verzehr von verdorbenen Lebensmitteln
    • zu hastige Nahrungsaufnahme
  • Schleimbeimengungen deuten auf eine Gastritis.
  • Grünliche und gallige Verfärbungen treten auf
    • bei einer Abflussbehinderung unterhalb der Mündung des Gallengangs in das Duodenum
    • bei Erbrechen bei nüchternem Magen
  • Riecht das Erbrochene säuerlich? Dann kann eine Störung der Magenentleerung als Folge eines Tumors vorliegen.
  • Gibt es verlässliche Vorzeichen wie etwa Übelkeit, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Würgen oder intensivierten Speichelfluss? Ein reflektorisches Erbrechen kündigt sich häufig durch vorherige Übelkeit an. Ein zentrales Erbrechen tritt schwallartig und ohne Vorwarnung auf.
  • Wie oft übergibt sich der Bewohner pro Tag? Übergibt er sich nur nach bestimmten Mahlzeiten, etwa morgens oder mittags? Ereignet sich das Erbrechen direkt nach der Nahrungsaufnahme oder vergeht eine gewisse Zeitspanne?
    • Erbrechen nach jeder Nahrungsaufnahme ist ein Hinweis auf eine akute Gastritis.
    • Nüchternerbrechen kann bei einer Schwangerschaft und bei chronischem Alkoholmissbrauch auftreten.
  • Gibt es bestimmte Speisen, auf die der Bewohner gehäuft mit Erbrechen reagiert?
  • Hat der Bewohner mehr Nahrungsmittel zu sich genommen, als sein Magen aufnehmen kann?
  • Kann ein Diätfehler vorliegen, also etwa der Genuss fetter Speisen bei einer Gallenkolik?
  • Konsumierte der Bewohner vor dem Erbrechen Alkohol oder Zigaretten?
  • Ist frisches, hellrotes Blut zu sehen? Dieses kann auf eine Blutung aus den oberen Abschnitten des Magen-Darm-Traktes als Folge einer Ösophagusvarizenblutung hindeuten.
  • Gibt es kaffeesatzartige Beimengungen, die auf ein Magenulkus oder auf ein Magenkarzinom hinweisen?
  • Gibt es Kotbeimengungen, die auf einen Darmverschluss hindeuten?
  • Klagt der Bewohner über starke, krampfartige Schmerzen (Koliken)? Dies kann auf eine akute Pankreatitis oder auf eine Nierenkolik hinweisen.
  • Treten parallel zum Erbrechen auch Diarrhö oder Obstipation auf? Sind Darmgeräusche hörbar?
  • Sind Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich bekannt?
  • Leidet der Bewohner unter einer Infektion? Gibt es andere Mitbewohner, die seit Kurzem ebenfalls unter Erbrechen leiden?
  • Hat der Bewohner vor dem Erbrechen Medikamente zu sich genommen? Etwa Antibiotika, Diuretika, Glukokortikoide, Morphin, Opioide oder orale Antidiabetika? Es kann eine Unverträglichkeit vorliegen.
  • Ist der Bewohner mit sonstigen Giftstoffen in Kontakt gekommen?
  • Tritt das Erbrechen nur bei bestimmten Lagerungspositionen auf?
  • Wurde zuvor eine Pflegemaßnahme durchgeführt, die mit Berührungen im Rachenraum verbunden ist? Also etwa eine Mundpflege?
  • Leidet der Bewohner unter Allergien?
  • Musste sich der Bewohner unlängst einem operativen Eingriff im Bauchraum unterziehen?
  • Liegt eine Herzerkrankung vor, insbesondere eine Herzinsuffizienz? Hat der Bewohner einen Herzinfarkt erlitten?
  • Leidet der Bewohner unter einer Störung des Zentralnervensystems?
  • Steht der Bewohner unter emotionalem Stress? Hat der Bewohner Angst?
  • Hat der Bewohner etwas gesehen, was für ihn ekelhaft ist?
  • Kann das Erbrechen ggf. psychologische Gründe haben, wie etwa Protest oder den Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit?
  • Ist der Bewohner kurz zuvor gestürzt?
  • Hat der Bewohner chronische Schmerzen?

weitere Maßnahmen

  • Bei relevanten Auffälligkeiten wird umgehend der Arzt / Notarzt alarmiert. Dazu zählen insbesondere Blut-, Kaffeesatz- und Koterbrechen.
  • Die Versorgung von sich häufig übergebenden Bewohnern ist für Pflegekräfte eine immense Belastung. Um ein Ausbrennen unserer Mitarbeiter zu vermeiden, setzen wir konsequent auf das Mittel der Supervision.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.
  • Ggf. aufgetretene Probleme werden im Qualitätszirkel thematisiert.

Dokumente:

  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Leistungsnachweis

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte