Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert.
Für die PC-Version
klicken Sie bitte hier.
Standard "Aggressive Bewohner:
Prophylaxe und Verhalten im Notfall" (stationäre Pflege)
Die
Versorgung von Senioren mit Korsakow-Syndrom, Schizophrenie oder
Rauschmittelsucht ist nervenaufreibend, aufwendig und vor allem nicht
ohne Risiko. Dass viele Betroffene dennoch in regulären Seniorenheimen
versorgt werden, hat einen einfachen Grund: Die Plätze in
psychiatrischen Fachkliniken sind knapp und teuer.
Standard
"Aggressive Bewohner: Prophylaxe und Verhalten im Notfall" (stationäre
Pflege)
Definition:
-
Aggressivität und Gewalt sind tief im
menschlichen Verhalten verwurzelt, da sie über viele Generationen
hinweg das Überleben und die Nahrungsversorgung sicherten. Mit dem
gesellschaftlichen Fortschritt und der Entwicklung der Zivilisation
wurde aggressives Verhalten zunehmend aus dem Alltag verbannt oder in
andere Bahnen (wie etwa Sport) gelenkt. Ein mental gesunder Mensch
wendet daher im sozialen Umgang keine Gewalt an.
-
Verschiedene Krankheitsbilder können dazu
führen, dass der Mensch einen Kontrollverlust erleidet. Er zeigt dann
Aggressionen gegen sich selbst, gegen Pflegekräfte oder gegen
Mitbewohner. Betroffen sind z. B. Bewohner mit einer Manie, mit
wahnhaften
Erkrankungen sowie mit Alkohol- bzw. Drogensucht.
-
Die Einstellung zur Gewalt ist abhängig von der
individuellen Sozialisation. Je nach sozialer oder kultureller
Gruppenzugehörigkeit kann etwa der Schlag mit der flachen Hand auf das
Gesäß ein "freundschaftlicher Klaps" oder eben Körperverletzung sein.
Die Akzeptanz von aggressivem Verhalten unterliegt auch zeitlichen
Veränderungen. In der Schulzeit unserer Bewohner waren Schläge durch
den Lehrer an der Tagesordnung. Dazu kommen oftmals Kriegserlebnisse.
All dieses ist für die meisten Pflegekräfte unvorstellbar.
Grundsätze:
-
Die meisten gewalttätigen Bewohner sind nicht
"von Grund auf" aggressiv. Fast immer gibt es für das Handeln einen
Grund oder einen Auslöser.
-
Auch eine Einrichtung von demenziell erkrankten
Senioren ist kein rechtsfreier Raum. Wir wollen und dürfen daher Gewalt
niemals tolerieren. Gewaltvermeidung hat dabei stets oberste Priorität.
-
Auch Bewohner mit Gewaltverhalten sind
wertvolle Mitglieder unserer Hausgemeinschaft. Sie sind aber auch eine
potenzielle Gefahr für sich selbst und für andere. Daher ist ein
permanentes Maß an Vorsicht unverzichtbar.
-
Bei aggressivem Verhalten eines Bewohners gilt
"Sicherheit geht vor". Das bedeutet: Bei allen Maßnahmen haben
Pflegekräfte auch an die körperliche Unversehrtheit von unbeteiligten
Mitbewohnern sowie an die eigene Gesundheit zu denken.
-
Unsere Mitarbeiter haben ein Recht darauf, ihre
Arbeit ohne Angst vor Gewalt zu leisten.
-
Gewalt ist kein Tabuthema. Wir sprechen dieses
Problem offen an und verheimlichen es nicht.
-
Wir arbeiten eng mit Hausärzten und
Selbsthilfegruppen zusammen.
-
Wir halten es für notwendig, Aggressivität
ganzheitlich zu behandeln. Medikamente sind dabei nur eine Säule.
Ebenso wichtig sind therapeutische Gespräche, sozialpsychiatrische
Betreuung und Beschäftigungstherapie.
-
Körperlicher Zwang und Fixierungen sind immer
als allerletztes Mittel zu wählen und keinesfalls zu disziplinarischen
Zwecken.
-
Unsere Möglichkeiten zur Betreuung von
aggressiven Bewohnern sind begrenzt. Wenn unsere Mittel nicht reichen,
prüfen wir eine Überstellung des Bewohners an eine Fachklinik. Dieses
ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kranke eine latente Gefahr für
andere Bewohner oder Mitarbeiter unserer Einrichtung darstellt.
Ziele:
-
Der Bewohner, seine Mitbewohner und
Pflegekräfte bleiben unversehrt.
-
In unserer Einrichtung herrscht ein angstfreies
Klima.
-
Wir schaffen ein Umfeld, das der Bewohner als
angenehm empfindet und das etwaige aggressive Impulse dämpft.
-
Der Bewohner ist in der Lage, seine aggressiven
Impulse zu kontrollieren. Er verzichtet auf jede Form der Gewalt.
-
Der Bewohner erkennt, dass er seinen
Mitmenschen seelischen oder gar körperlichen Schaden zufügt.
Vorbereitung:
Organisation
-
Unser Team wird regelmäßig zum Thema
Gewaltprävention fortgebildet.
-
Der Umgang mit aggressiven Bewohnern wird in
Rollenspielen geübt. Insbesondere erwarten wir, dass erfahrene
Pflegekräfte ihr Wissen an jüngere Kollegen weitergeben. Neue
Mitarbeiter werden im Rahmen der Einarbeitung in die bei uns üblichen
Abläufe eingewiesen.
-
Aggressive Bewohner erhalten eine geschulte und
erfahrene Bezugspflegekraft, die dauerhaft für den Senioren zuständig
bleibt. Bei der Zuteilung ist darauf zu achten, dass kein Mitarbeiter
unangemessen viele verhaltensauffällige Bewohner als Bezugspflegekraft
betreut.
-
Nach Möglichkeit werden keine Praktikanten,
ehrenamtliche Mitarbeiter oder Pflegeschüler mit der Versorgung von
aggressiven Senioren betraut.
-
Ärzte, Therapeuten und andere externe Partner
werden gewarnt, wenn sie erstmals auf einen Bewohner treffen, der
regelmäßig aggressives Verhalten zeigt.
-
Falls ein oder mehrere Bewohner potenziell
gewalttätig sind, wird das Team auf Zwischenfälle vorbereitet. Wir
halten daher ein funkgesteuertes Notrufsystem bereit. Jede Pflegekraft,
die einen aggressiven Senioren versorgt, verfügt über einen mobilen
Notrufknopf. (Hinweis: Diesen Punkt ggf. streichen.)
-
Wir beachten, dass der optische Zustand einer
Einrichtung Einfluss auf Aggressionen haben kann. In einer gut
gepflegten Einrichtung sind weniger Zwischenfälle zu erwarten als in
einer heruntergekommenen Umgebung.
-
Wir kontrollieren regelmäßig, ob die
verordneten Medikamente aggressionssteigernde Nebenwirkungen haben.
-
In den ersten Wochen nach dem Umzug nehmen wir
uns besonders viel Zeit, um mit dem neuen Bewohner zu sprechen. Dieser
wird ermuntert, sich an unserem Freizeitprogramm zu beteiligen.
-
Wir versuchen, Alkoholmissbrauch durch Bewohner
zu verhindern.
-
Nicht jede Meinungsverschiedenheit unter
Bewohnern muss von Pflegekräften sofort geschlichtet werden.
Pflegekräfte sollten erst dann einschreiten, wenn die Situation außer
Kontrolle zu geraten droht. Also:
-
verbale Aggressivität
-
sexuelle Belästigung
-
Demütigungen, öffentliches Lächerlichmachen
und Kränkungen
-
soziale Ausgrenzung von Bewohnern, Ausschluss
von Gemeinschaftsaktivitäten
-
Ist die Gefahr real, reagieren wir möglichst
frühzeitig. Mit jeder ungenutzten Minute können sich die Spannungen
verschärfen.
-
Wir befragen die Angehörigen nach "Reizthemen",
die den Bewohner emotional belasten könnten. Diese werden in der
Pflegeplanung vermerkt. Wichtig ist auch zu klären, inwieweit Gewalt
Teil des bisherigen Lebensweges war.
-
Das Verhalten des Bewohners wird in
Fallbesprechungen sorgfältig thematisiert. Wichtig sind insbesondere
-
Faktoren, die das aggressive Verhalten
offenbar fördern oder hemmen.
-
Frühwarnzeichen (etwa Mimik oder Gestik), die
auf ein baldiges aggressives Verhalten hindeuten.
-
"bevorzugte" Tageszeiten für aggressives
Verhalten.
-
Die Maßnahmen innerhalb des Pflegeteams
werden genau abgesprochen. Es ist wichtig, dass alle Pflegekräfte
einheitlich handeln. Jeder Mitarbeiter muss wissen, welche
Verhaltensweisen eines Bewohners toleriert werden und welche nicht.
-
In einem Wohnbereich, in dem aggressive
Bewohner leben, sollten stets zwei Nachtwachen eingesetzt werden. Zudem
sollten Nachtwachen ein Mobiltelefon bei sich tragen.
Prophylaxemaßnahmen
Wir gestalten die Versorgung
des Bewohners so, dass Auslöser für aggressives Verhalten vermieden
werden.
Kommunikation:
-
Auch im Verlauf einer demenziellen Erkrankung
wird der Bewohner als erwachsener Mensch und nicht wie ein Baby
angesprochen.
-
Der Bewohner wird nur dann geduzt, wenn er
dieses ausdrücklich wünscht. Wenn uns der Bewohner vor Beginn einer
demenziellen Erkrankung das Du angeboten hat, gilt dieses Privileg u.U.
nicht dauerhaft. Beim Fortschreiten des mentalen Verfalls empfindet er
ggf. das fortgesetzte Duzen als distanzlos und unangemessen.
-
Der Bewohner wird ansonsten gesiezt sowie mit
"Herr" oder "Frau" und dem Nachnamen angesprochen. In keinem Fall wird
er als "Opa", "Oma" usw. bezeichnet.
-
Wir vermeiden es, pflegewissenschaftliche oder
medizinische Fachbegriffe zu nutzen. Falls dieses doch erforderlich
ist, erklären wir dem Bewohner die Zusammenhänge.
-
Wir bevorzugen geschlossene Fragen, die mit
"ja" oder mit "nein" beantwortet werden können. Wir vermeiden offene
Fragen ("warum").
-
24-Stunden-ROT sowie Gruppen-ROT
(Realitäts-Orientierungs-Training) wird nur im Anfangsstadium einer
demenziellen Erkrankung eingesetzt. Bei einer mittleren oder bei einer
schweren Demenz nutzen wir das Konzept der "validierenden
Kommunikation".
-
Der Bewohner wird von vorne angesprochen. Die
Pflegekraft sucht nach Möglichkeit Blickkontakt. Die Kommunikation
sollte stets "auf gleicher Höhe" erfolgen. Wenn der Bewohner steht,
sollte auch die Pflegekraft stehen. Wenn der Bewohner sitzt, sollte
sich auch die Pflegekraft setzen.
-
Der Umgang mit dem Bewohner ist immer
wohlwollend und freundlich. Bei Fehlverhalten machen wir dem Bewohner
keine Vorwürfe. Wir vermeiden auch längere Diskussionen, die die
mentalen Ressourcen des Bewohners überfordern.
-
Wir sprechen stets deutlich und mit normaler
Lautstärke. Wir stellen sicher, dass uns ein hörgeschädigter Bewohner
verstehen kann. Wenn der Bewohner (grundlos) schreit, schreien wir
nicht zurück.
Beschäftigung:
-
Die biografischen Gewohnheiten werden möglichst
umfassend erfasst und beachtet. Dieses beinhaltet insbesondere die Wahl
von Brettspielen, des Fernsehprogrammes usw. Die Reaktionen des
Bewohners auf die Angebote werden beobachtet. Wenn der Bewohner negativ
reagiert, erhält er zeitnah alternative Beschäftigungsmöglichkeiten.
-
Wir passen das Niveau der Angebote an den
stetigen Verfall der mentalen Fähigkeiten an. Wir vermeiden es
insbesondere, den Bewohner bei Brett- oder bei Kartenspielen gegen
Mitbewohner spielen zu lassen, die ihm mental überlegen sind.
-
Unverzichtbar sind Rückzugsmöglichkeiten für
Bewohner, wenn diese in einem Zweibettzimmer leben. Dazu zählt etwa ein
Garten oder eine Bibliothek.
-
Eine Reizüberflutung des Bewohners wird
vermieden. Insbesondere werden unnötig laufende Fernseher und Radios
ausgeschaltet.
Ernährung:
-
Der Bewohner soll seine Nahrung so lange wie
möglich eigenständig zu sich nehmen. So nutzen wir bei
fortgeschrittenen demenziellen Erkrankungen das Prinzip des
Fingerfoods. Dem Bewohner wird das Essen erst dann angereicht, wenn
dieses absolut zwingend erforderlich ist.
-
Wir nutzen so lange wie möglich konventionelles
Essgeschirr und Besteck. Schnabeltassen und hochwandige Teller werden
vermieden.
-
Wir lassen uns beim Anreichen der Nahrung Zeit
und vermeiden Hektik.
-
Die Essgewohnheiten des Bewohners werden (etwa
im Rahmen der Biografiearbeit) erfasst und soweit möglich beachtet.
-
Die Essenszeiten werden flexibel gestaltet.
-
Fixierungsmaßnahmen während der
Nahrungsaufnahme werden soweit möglich vermieden.
-
Der Bewohner kann seinen Platz im Speisesaal
frei wählen. Wir vermeiden es, dass der Bewohner neben einem
Mitbewohner sitzen muss, der ihm unsympathisch ist.
-
Die Portionsgröße entspricht den Vorlieben und
den Ernährungsbedürfnissen des Bewohners. Wir vermeiden es, den
Bewohner zum Essen aufzufordern.
Körperpflege:
-
Die Intimsphäre des Bewohners wird soweit
möglich beachtet. So wird der Genitalbereich bei der Ganzwäsche
abgedeckt, wenn aktuell eine andere Körperzone gereinigt wird.
-
Die biografisch verankerten Gewohnheiten bei
der Körperpflege werden beachtet. Dieses betrifft insbesondere den
Zeitpunkt der Körperpflege und die Wahl der Pflegeprodukte.
-
Wenn der Bewohner in jüngeren Jahren nur wenig
Körperpflege betrieb und diese ablehnt, so wird das Waschen auch von
uns auf das Minimum beschränkt.
-
Die Wünsche des Bewohners zur Frisur und zum
Bartwuchs werden beachtet.
-
Durch eine ausreichende Schichtbesetzung
stellen wir sicher, dass der Bewohner nicht vom Nachtdienst gewaschen
wird. Dieses ist nur dann sinnvoll, wenn der Bewohner etwa aufgrund
seines beruflichen Lebensweges daran gewöhnt ist, dass die Körperpflege
sehr früh erfolgt.
-
Die Wünsche des Bewohners bei der Kleidungswahl
werden befolgt, sofern sich nicht zwingende Einschränkungen aufgrund
von Krankheitsbildern ergeben. So kann es z. B. bei einer
Dranginkontinenz erforderlich sein, dass der Bewohner eine
Trainingshose trägt, die er bei einem Toilettengang schnell
herunterziehen kann.
-
Verschmutztes oder durchfeuchtetes
Inkontinenzmaterial wird zeitnah ersetzt.
weitere Maßnahmen:
-
Wir achten auf ein gutes Arbeitsklima.
Spannungen unter den Pflegekräften und insbesondere ein rauer
Umgangston können sich auf die Senioren übertragen.
-
Dauerhafter Lärm kann Aggressionen auslösen und
wird daher vermieden. Dazu zählen Straßenlärm, Lärm aus der
Hauswirtschaft usw.
-
Wir vermeiden (soweit möglich) weitere
aggressionsauslösende Faktoren, etwa:
-
unangenehme Gerüche
-
Hitze, insbesondere Temperaturen über 25°C
-
unbekannte Geräusche
-
Unterzuckerung oder Hunger
-
Atemnot
-
Austrocknung
-
Harnverhalt
-
hoher Blutdruck
-
Schilddrüsenüberfunktion
-
Arzneimittel, insbesondere Nootropika,
aktivierende Antidepressiva oder Koffein-Produkte.
-
morgendlicher Stress, wenn der Bewohner noch
verlangsamt reagiert
-
unnötige Störungen in der Nacht
-
mangelhafte Schmerzbehandlung
-
bedrohlich wirkende Pflegemaßnahmen, wie etwa
das unangekündigte Einführen von Schläuchen
-
Aggressives Verhalten darf nicht durch
unverhältnismäßige Aufmerksamkeit "belohnt" werden. Dieses führt beim
verhaltensauffälligen Bewohner zu einem Lerneffekt. Zudem würden stille
und zurückhaltende Bewohner ins Hintertreffen geraten.
-
Wir prüfen, ob sich die Aggressionen mit
Medikamenten lindern lassen, insbesondere Magnesium, Betablocker usw.
Durchführung:
Verhalten, wenn der Bewohner
verbale Aggressionen zeigt
-
Beschimpfungen werden ruhig und sachlich
zurückgewiesen. Die Pflegekräfte reagieren niemals mit eigenen verbalen
Entgleisungen.
-
Mitbewohner werden in Schutz genommen, wenn sie
das Ziel von Beschimpfungen werden.
-
Beschimpfungen sind immer auch eine Möglichkeit
für den Bewohner, "Dampf abzulassen". Wenn damit körperliche
Aggressionen vermieden werden, können (je nach individuellen
Gegebenheiten) verbale Angriffe in Grenzen toleriert werden. Gewalt
gegen Gegenstände oder Lebewesen wird niemals toleriert.
Verhalten bei einer sich
andeutenden Gewaltsituation
Das
Verhalten des Bewohners wird sorgfältig beobachtet, damit wir die
Gefahr einer gewalttätigen Eskalation frühzeitig erkennen. Dieses ist
etwa dann der Fall, wenn der Bewohner drohende Gebärden zeigt, Gewalt
verbal androht oder unerfüllbare Forderungen stellt.
-
Bei dementen Bewohnern wird geprüft, ob
Validation sinnvoll ist.
-
Wir versuchen den Bewohner in einer Weise zu
beschäftigen, die seine Aggressionen mindert, etwa
-
Spaziergang
-
Gymnastik
-
Musiktherapie
-
handwerkliche Tätigkeiten
-
Arbeit im Garten
-
Wir vereinbaren falls möglich mit dem Bewohner,
dass er von sich aus anzeigt, wenn er in sich das Ansteigen von
Aggressionen bemerkt und mehr Freiraum benötigt.
-
Wir entfernen alle Gegenstände, mit denen der
Demenzpatient sich selbst oder andere Mitbewohner verletzen könnte,
also etwa spitze Scheren, Werkzeuge usw. Glasflaschen werden gegen
Kunststoffflaschen getauscht.
Verhalten bei einer
Gewaltsituation
-
Häufig lässt sich die Situation bereits dadurch
entschärfen, dass das Personal Geschlossenheit, Stärke und erhöhte
Präsenz zeigt.
-
Ggf. richtet sich die Aggressivität des
Bewohners gegen eine einzelne Pflegekraft. Dann kann es sinnvoll sein,
dass diese Pflegekraft den Sichtbereich des Bewohners verlässt, sobald
ein anderer Kollege anwesend ist.
-
Die Bezugspflegekraft oder eine andere
vertraute Pflegekraft werden herbeigerufen. Diese suchen den Dialog mit
dem Bewohner und versuchen, ihn von Gewalttaten abzubringen.
-
Wir prüfen, wie der Bewohner auf
andersgeschlechtliches Pflegepersonal reagiert. Insbesondere bei
Männern wirken weibliche Mitarbeiter oftmals deeskalierend. Zudem
verfügen Frauen i.d.R. über ein besseres empathisches Verständnis und
können insbesondere Körpersprache und Mimik besser "lesen".
-
Bedrohte Mitbewohner und Kollegen werden aus
dem direkten Gefahrenbereich geführt. Danach wird die nähere Umgebung
geräumt, also etwa der Flur. Mitbewohner werden gebeten, in ihre Zimmer
zu gehen und dort zu bleiben, bis sich die Situation entspannt hat.
-
Dem Bewohner wird eine Rückzugsmöglichkeit
angeboten, damit er seine Gedanken ordnen kann. Er wird aber nicht
unbeobachtet gelassen, da er sich selbst verletzen könnte.
-
Die Pflegekraft versucht im Dialog mit dem
Bewohner zu klären, durch was die Aggressionen ausgelöst wurden.
-
Es kann sinnvoll sein, dem Bewohner zu zeigen,
dass sein Verhalten auf andere Menschen bedrohlich wirkt. Etwa: "Herr
Meier, wenn Sie sich so aggressiv verhalten, bekomme ich Angst vor
Ihnen."
-
Pflegekräfte sollten versuchen, die
Erwartungshaltung des aggressiven Bewohners zu durchbrechen. Er
erwartet von den Pflegekräften, dass diese ihn beschwichtigen oder
überwältigen wollen. Stattdessen können Pflegekräfte etwas Unerwartetes
tun. Beispiel: Ein Bewohner bedroht Pflegekräfte mit einem
Schraubenzieher. Eine Pflegekraft geht, ohne Angst zu zeigen, auf den
Bewohner zu und sagt: "Das ist ja nett, dass Sie mir den
Schraubenzieher bringen möchten. Den brauche ich jetzt für die
Reparatur des Tisches." Oft kann man dem verblüfften Bewohner nun den
Gegenstand abnehmen.
Überwältigung eines Bewohners
Nur
wenn alle Alternativen ausgeschöpft sind und es keine Möglichkeit zu
einer gewaltfreien Lösung gibt, wird der aggressive Bewohner
überwältigt. Dieses ist insbesondere dann notwendig, wenn eine
eindeutige Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt. Kein eigener Zugriff
erfolgt, wenn der Bewohner etwa mit einem Messer bewaffnet ist. In
solchen Fällen wird die Polizei gerufen.
-
Ein Mitarbeiter bereitet außer Sichtweite des
Bewohners die Fixierungsmaterialien vor.
-
Der Zugriff erfolgt primär durch männliches
Pflegepersonal.
-
Der Zugriff erfolgt niemals im Alleingang. Es
müssen stets mindestens zwei Pflegekräfte anwesend sein.
-
Der Zugriff erfolgt stets von zwei Seiten
gleichzeitig. Eine Pflegekraft führt einen Scheinzugriff durch, während
der zweite Mitarbeiter den tatsächlichen Zugriff beginnt.
-
Das Gesicht des Bewohners wird mit Kleidung
überdeckt (Bissgefahr!).
-
Die Handgelenke werden fest gegriffen, ebenso
die Füße.
-
Alle weiteren Maßnahmen erfolgen gemäß des
Standards "Fixierung von Bewohnern".
Nachbereitung:
-
Wenn Bewohner bei dem Zwischenfall verletzt
wurden, werden umgehend ein Arzt und die Polizei gerufen. Nach
Möglichkeit werden Verletzungen fotografiert.
-
Alle Beobachtungen werden genau dokumentiert.
Die Beschreibung erfolgt wertfrei. Wir achten insbesondere auf
Veränderungen im Verhalten des Bewohners.
-
Die Dokumentation sollte präzise erfolgen.
Statt also zu schreiben, dass der Bewohner "aggressiv" ist, sollten
dessen Handlungen genau beschrieben werden, etwa:
-
Der Bewohner wirft das Tablett mit dem
Mittagessen um.
-
Der Bewohner beschimpft Mitbewohner im
Gymnastikraum.
-
Entstandene Sachschäden werden erfasst und
sorgfältig dokumentiert. Dieses insbesondere, wenn das Eigentum eines
Mitbewohners betroffen ist.
-
Wir prüfen, ob wir den Grund für das aggressive
Verhalten ermitteln können. Dieses ist i.d.R. ein Ereignis, dass sich
kurze Zeit vor dem Wutausbruch ereignet hat.
-
Der Abbau der Aggressionen wird in der
Pflegeplanung als Ziel definiert. Bei der Anpassung der Pflegeplanung
berücksichtigen wir, dass die Wahrscheinlichkeit für aggressives
Verhalten mit jedem Zwischenfall ansteigt. Der Bewohner "erlernt", dass
er mittels Gewalt "Dampf ablassen" kann.
-
Wenn ein Bewohner wiederholt aggressiv gegen
seine Bezugspflegekraft vorgeht, so wird diese ausgewechselt.
-
Der Vorfall wird mit dem behandelnden Arzt
besprochen. Ggf. wird die medikamentöse Behandlung angepasst. Sollte
das Gewaltverhalten regelmäßig auftreten, werden eine Zwangseinweisung
und die Bestellung eines Betreuers erörtert.
-
Pflegekräfte müssen sich darüber bewusst sein,
dass sie ihre eigene Angst nicht unterdrücken sollten. Dieses könnte
dazu führen, dass sie ihrerseits übermäßige Gewalt anwenden. Wir bieten
unseren Pflegekräften daher regelmäßig Supervision an.
Dokumente:
-
Pflegebericht
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
-
Pflegefachkräfte
-
Pflegehilfskräfte
|