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Standard "Harnverhalt"

Ist es ein Tumor, ein verstopfter Katheterschlauch ... oder war schlichtweg das letzte Bier zu kalt? Verschiedenste Faktoren können bei Senioren dazu führen, dass sie trotz eines quälenden Blasendrucks "einfach nicht können". Wir zeigen, wie Ihr Pflegeteam Bagatellen von echten Gefahrensituationen unterscheidet und Betroffenen effektiv hilft.


Standard "Harnverhalt"


Definition:

    Harnverhalt ist als Unvermögen definiert, trotz gefüllter Harnblase Urin zu lassen. Bis zu eineinhalb Liter Flüssigkeit können sich in der Harnblase anstauen. Dieses ist für Betroffene extrem unangenehm und schmerzhaft. Bei einem Harnverhalt ist nicht die Urinproduktion gehemmt, sondern die Urinausscheidung beeinträchtigt. Wir unterscheiden zwischen einem akuten Harnverhalt und einem chronischen Krankheitsverlauf. Bei einem akuten Geschehen ist die Schmerzsymptomatik deutlich intensiver, während eine chronische Beeinträchtigung weniger Beschwerden verursacht.

Grundsätze:

    Ein Harnverhalt bei unklarer Grunderkrankung ist immer als Notfall zu werten. Uns ist bewusst, dass das Wasserlassen insbesondere in Anwesenheit anderer Personen für viele Senioren unangenehm ist. Der Widerwille kann so groß sein, dass der Betroffene die Schließmuskulatur nicht entspannen kann, um Wasser zu lassen. Wir werden dem Bewohner daher keinen Vorwurf machen.

Ziele:

    Der Bewohner kann schmerzfrei Wasser lassen und seine Harnblase dabei nahezu vollständig entleeren. Die Pflegekräfte erkennen Gefährdungssituationen zeitnah und reagieren angemessen. Bei risikoarmen Auslösern finden wir ein wirksames Hausmittel, um den Harnabfluss zu erleichtern und gleichzeitig die Schmerzbelastung zu reduzieren.

Vorbereitung:

Risikofaktoren

Je mehr Risikofaktoren zutreffen, um so wahrscheinlicher wird das Auftreten eines akuten Harnverhalts:

    hohes Lebensalter vergrößerte Prostata Restharnvolumen (Ein Restharnvolumen von mehr als 50 ml steigert die Gefahr eines akuten Harnverhaltes um den Faktor drei.)

Symptome

Wir achten auf Symptome, die für Harnverhalt sprechen:

    Der Bewohner klagt über Harndrang, ist aber nicht in der Lage, Wasser zu lassen. Der Bewohner klagt über Schmerzen im Unterbauch. Der Bewohner klagt über Übelkeit oder Erbrechen. Der Bewohner ist unruhig. Der Bewohner ist blass. Es kommt zur Kaltschweißigkeit, schnellem Puls und anderen Schockzeichen. Es kommt zu einem ständigen Urintröpfeln, da die vollständig gefüllte Harnblase "überläuft". Die vergrößerte Harnblase zeichnet sich durch eine Hautwölbung sichtbar ab. Sie ist zudem unter dem Bauchnabel auch gut tastbar.

organische Ursachen

Wir prüfen, ob sich aus der Krankheitsgeschichte des Bewohners mögliche Ursachen für den Harnverhalt ableiten lassen. Mögliche Faktoren sind:

    Verlegung der Harnröhre als Folge einer Prostatavergrößerung zurückliegende operative Eingriffe im Unterbauch, die zu einer Narbenbildung und zu einer Verlegung der Harnleiter führen könnten Blasensteine Tumorwachstum neurogene Störung, wie etwa Multiple Sklerose Querschnittlähmung Bandscheibenvorfall Polyneuropathie bei Diabetes mellitus verschiedene Arzneimittel, etwa Benzodiazepin-Derivate, Antidepressiva sowie Opioide Blasenentzündung mit dadurch ausgelöster Schmerzsymptomatik
(Hinweis: Bei Senioren mit einer Prostatahyperplasie kann bereits der Genuss eines kalten Biers zu einem Harnverhalt führen.)

Durchführung:

Maßnahmen bei organischen Ursachen

  • Wir prüfen, ob ein Notfall vorliegt. Dieses ist der Fall bei folgenden Beobachtungen:
      intensive Schmerzsymptomatik in dieser Form und Intensität erstmalig auftretende Beschwerden
  • Bei einem Notfall wird der Notarzt gerufen und die Krankenhauseinweisung vorbereitet. Der Bewohner wird mit einem leicht erhöhten Oberkörper gelagert. Er erhält bis zum Eintreffen des Arztes keine Getränke. Wenn der Bewohner einen Blasenverweilkatheter hat, prüfen wir, ob der Katheter verstopft oder abgeklemmt sein könnte. Bei einem Katheter, der durch die Harnröhre führt, kann ein unbeabsichtigter Zug am Ableitungsschlauch dazu führen, dass die Katheteröffnung trotz Blockung von der Harnröhre umschlossen und verstopft wird. In diesem Fall ist ein sofortiger Katheterwechsel erforderlich. Nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgt eine Einmalkatheterisierung. Bei der Durchführung muss sichergestellt sein, dass die Engstelle ohne Verletzung passiert werden kann. Wir prüfen, ob die Harnableitung durch eine suprapubische Blasenfistel erfolgen sollte, also durch die Bauchdecke hindurch. Harnableitung per Katheter erfolgt stets fraktioniert, also in Teilschritten zu jeweils nicht mehr als 500ml bis 600ml. Ansonsten besteht das Risiko einer Blasenblutung als Folge der plötzlichen Entlastung der Blasenschleimhaut. Harnverhalt ist häufig die Nebenwirkung von Opioid-Einnahmen. In diesem Fall muss der behandelnde Arzt informiert werden. Dieser entscheidet über das weitere Vorgehen, also etwa eine Änderung der Medikation, eine Harnblasenkatheterisierung sowie eine Restharnbestimmung per Ultraschall.
(Hinweis: Bei post-operativem Harnverhalt wird häufig ein Parasympathikolytikum, etwa Doryl, appliziert.)

psychische Faktoren

Wir prüfen stets, ob es psychische Faktoren gibt, die die Harnausscheidung beeinträchtigen:

    Der Bewohner ist erst seit kurzer Zeit bettlägerig. Die Nutzung einer Urinflasche ist ihm peinlich. Er leidet unter einer sog. "schüchternen Blase". In diesem Fall sollte der Bewohner die Möglichkeit haben, in Abwesenheit der Pflegekraft Wasser zu lassen. Voraussetzung ist, dass die Flasche im Bett nicht verrutschen kann. Wir prüfen, ob es eine biografisch bedingte Ablehnung von andersgeschlechtlichen Pflegekräften gibt. In diesem Fall müsste die Zuordnung insbesondere der Bezugspflegekraft überdacht werden. In einem Zweibettzimmer kann die mangelnde Intimsphäre zu mentalen Blockaden führen. In diesem Fall wäre ggf. die Nutzung eines Raumteilers sinnvoll.

"Hausmittel"

Wir nutzen "Hausmittel" nur dann, wenn nach ärztlicher Diagnose keine organischen Faktoren ursächlich für den Harnverhalt sind:

    Wir tauchen die Hände des Bewohners in warmes Wasser oder lassen ihn auf- und abgehen. Wir nutzen Wärmeanwendungen im Bereich der Blasen- und Nierengegend, also insbesondere eine Wärmflasche, feuchtwarme Wickel oder Dampfkompressen. Der Auffangbehälter des Toilettenstuhls wird zu einem Drittel mit warmen Wasser gefüllt. Der Bewohner wird dann auf den Toilettenstuhl mobilisiert. Der Bauch des Bewohners wird mit ätherischen und pflanzlichen Ölen eingerieben. Alternativ nutzen wir Ölkompressen. Wir nutzen insbesondere die harntreibende Wirkung von Rosmarin, Fenchel oder Salbei. Der Bewohner soll ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, also möglichst mehr als zwei Liter pro Tag. Er erhält harntreibende Nieren-Blasen-Tees.

Nachbereitung:

Prognose

    Verschiedene auslösende Grunderkrankungen sind potentiell lebensbedrohlich. Insbesondere ein akuter Harnverhalt lässt auf massive Gesundheitsprobleme schließen, die nach einer britischen Studie zu einer Mortalität von 15 bis 25 Prozent binnen eines Jahres führen. Wenn ein Harnverhalt nicht korrekt behandelt wird, tritt letztlich eine Gewöhnung an die anhaltende Überdehnung ein. Zudem kann es durch den Harnrückstau zu einer Nierenschädigung bis hin zum Nierenversagen kommen.

weitere Maßnahmen

    Alle Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert. Die Pflegeplanung wird regelmäßig an die aktuellen Ressourcen und Pflegeprobleme angepasst. Alle relevanten Informationen werden zeitnah an den behandelnden Arzt weitergeleitet. Die Daten sollen es dem Arzt insbesondere ermöglichen, den Gesundheitszustand des Bewohners korrekt zu erfassen sowie die Wirksamkeit der Therapie korrekt zu bewerten.

Dokumente:

    Berichtsblatt Pflegeplanung Fragen an den Arzt

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

    alle Mitarbeiter