pqsg mobil
Start Index Impressum
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Standard "Pflege von Senioren mit Herzrhythmusstörungen"

Herzrhythmusstörungen können alles bedeuten - und gar nichts. Daher ist es wichtig, dass Pflegekräfte professionell und behutsam vorgehen. Selbst harmlose Extrasystolen können betroffene Senioren in Angst und Schrecken versetzen.


Standard "Pflege von Senioren mit Herzrhythmusstörungen"


Definition:

  • Das Herz eines gesunden Menschen schlägt 70 Mal pro Minute in einem weitgehend gleichmäßigen Rhythmus. Kommt es beim Herzschlag wiederholt zu Unregelmäßigkeiten, liegt eine Herzrhythmusstörung vor. Diese hat oftmals harmlose Ursachen. Eine Tachykardie kann z. B. als Folge von Aufregung oder nach Kaffeekonsum auftreten. Es gibt aber auch ernst zu nehmende Erkrankungen, die Auswirkungen auf die Herzaktivität haben, etwa eine Myokarditis, ein Herzinfarkt oder eine Schilddrüsenüberfunktion.
  • Herzrhythmusstörungen führen zu einer reduzierten Pumpleistung des Herzens, in deren Folge Organe unzureichend mit Sauerstoff und mit Nährstoffen versorgt werden. Es kommt zur Leistungsminderung, Schwindel und zu Stürzen. Andere Betroffene klagen über Herzrasen, Atemnot oder Angina Pectoris.
  • Um die Ursache einer Herzrhythmusstörung zu diagnostizieren, greifen Ärzte auf Ruhe-, Belastungs- und Langzeit-EKG zurück. Ggf. wird die Herzfunktion per Ultraschalluntersuchung überprüft (Echokardiografie).
Je nach Art der Störung werden unterschieden: (Die folgenden Grafiken sind vereinfachte Illustrationen.)

zum Vergleich: Die normale Herzaktivität

Bradykardie: Die Herzfrequenz fällt auf unter 60/min.

Tachykardie: Die Herzfrequenz steigt auf über 100/min.

Extrasystolen: Außerhalb des regulären Grundrhythmus treten vorzeitig einzelne oder gehäufte Herzaktionen auf. Bei einem sog. "Zwillingspuls" folgt dem regulären Grundrhythmus über längere Zeit regelmäßig eine Extrasystole. Diese Symptomatik ist typisch bei einer Digitalis-Überdosierung.

Vorhofflattern: Es kommt zu regelmäßigen Vorhofkontraktionen mit einer Frequenz von 220/min bis 350/min.

Absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern: Es kommt zu unregelmäßigen, meist sehr schnellen Vorhofkontraktionen.

Kammerflattern: Eine Herzarrhythmie mit sehr schnellen Kammerkontraktionen mit einer Frequenz von 250/m und höher. Es besteht Lebensgefahr.

Kammerflimmern: Eine Herzarrhythmie mit sehr schnellen und unkoordinierten Depolarisationen der Herzkammerwand. Die Frequenz liegt bei 350/min bis 500/min. Kammerflattern und Kammerflimmern sind funktionell gleichzusetzen mit einem Herz-Kreislaufstillstand. Das Herz pumpt kein Blut mehr. Das Hirn wird binnen weniger Minuten irreparable Schäden erleiden. Eine solche Situation ist lebensgefährlich und erfordert eine sofortige Reanimation ggf. mittels eines Defibrillators. Überleitungsstörung: Die Erregung der Vorkammerhöfe wird nur teilweise auf die Herzkammern übertragen. Dieses führt zu einer erniedrigten Pulsfrequenz.


Grundsätze:

  • Wenn hinreichende Anzeichen für eine Gesundheitsbedrohung sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Es ist uns bewusst, dass jeder Betroffene das Geschehen unterschiedlich erlebt. Die Schilderungen sind daher subjektiv gefärbt und ggf. unzuverlässig. Wir sind uns stets bewusst, dass viele Betroffene Herzrhythmusstörungen als lebensbedrohlich empfinden und Panik erleben.
  • Bei einem Einsatz von Antiarrhythmika wird sorgfältig abgewogen zwischen der Bedrohung der Gesundheit durch die Herzrhythmusstörungen und den zahlreichen teils schweren Nebenwirkungen des Medikaments.
  • Obwohl viele Herzrhythmusstörungen zumindest teilweise psychische Ursachen haben, geben wir dem Bewohner niemals das Gefühl, dass er am Krankheitsgeschehen eine Mitschuld trägt.

Ziele:

  • Komplikationen und insbesondere lebensbedrohliche Situationen werden schnell und korrekt erkannt.
  • Der Auslöser der Herzrhythmusstörungen wird gefunden und falls möglich behandelt.
  • Die Lebensqualität des Bewohners wird verbessert. Insbesondere werden unnötige Ängste abgebaut.
  • Der Bewohner ist bereit, seine Lebensführung soweit zu ändern, dass das Herz entlastet wird.
  • Der behandelnde Arzt verfügt über alle notwendigen Informationen, um eine Therapie zu finden und ihre Wirksamkeit zu überprüfen.
  • Neben- und Wechselwirkungen werden zeitnah erkannt und in ihrer Bedeutung richtig eingeschätzt. Falls notwendig, werden alternative Therapien gefunden.

Vorbereitung:

Wir stellen alle Informationen zusammen, die für die Behandlung der Herzrhythmusstörungen relevant sein könnten. Wir nehmen dafür auch Einblick in die Pflegedokumentation. Ggf. befragen wir auch Angehörige. Überdies zeigen zahlreiche Medikamente zur Therapie Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen. Wir stellen die Informationen dem behandelnden Hausarzt zur Verfügung. Dieses insbesondere, wenn der Bewohner demenziell erkrankt ist und eine Kommunikation zwischen Arzt und Patient somit erschwert ist. allgemeine Informationen:

  • Seit wann leidet der Bewohner unter den Störungen?
  • Kam es in den letzten Monaten oder Jahren zu Angina-Pectoris-Anfällen?
  • Ist oder war der Bewohner diesbezüglich in ärztlicher Behandlung?
  • Berichtet der Bewohner darüber, dass ihm nach bestimmten Kopfbewegungen "schwarz vor Augen wird"?
andere Grunderkrankungen:
  • Ist eine Herzerkrankung bekannt?
  • Leidet der Bewohner unter Hormonstörungen? Sind insbesondere Fehlfunktionen der Schilddrüse bekannt?
  • Liegt eine Jodunverträglichkeit vor?
  • Leidet der Bewohner unter einer Anämie?
  • Leidet der Bewohner unter Arteriosklerose?
  • Liegt eine Leber- oder Nierenfunktionsstörung vor?
  • Leidet der Bewohner unter schwerem Asthma?
  • Leidet der Bewohner unter grünem Star?
  • Leidet der Bewohner unter Darmträgheit?
  • Leidet der Bewohner unter Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren?
Medikamente:
  • Nimmt der Bewohner Medikamente ein, die sich auf den Herzrhythmus auswirken könnten?
  • Konsumiert der Bewohner freiverkäufliche Medikamente, von denen wir bislang nicht wussten und die auch nicht in der Pflegedokumentation verzeichnet sind?
  • Nimmt der Bewohner aufgrund einer Hypertonie oder koronaren Herzkrankheit Betablocker ein, etwa Metoprolol oder Propanolol?
  • Erhält er Kalziumantagonisten zur Linderung von Hypertonie, etwa Diltiazem, Gallopamil oder Verapamil?
  • Leidet der Bewohner unter HIV/ AIDS? Nimmt er Ritonavir ein?
  • Liegt derzeit eine Infektion vor, die mit Makrolid-Antibiotika therapiert wird, etwa mit Clarithromycin, Erythromycin, Roxithromycin oder Cotrimoxazol?
  • Leidet der Bewohner unter Depressionen, die medikamentös therapiert werden, etwa mit trizyklischen Antidepressiva, selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern oder Lithium? Nimmt der Bewohner MAO-Hemmer ein?
  • Wurden beim Bewohner Psychosen diagnostiziert? Werden daher Neuroleptika verabreicht, etwa Chlorpromazin oder Haloperidol?
  • Sind beim Bewohner Allergien bekannt, die mit Antihistaminika wie Diphenhydramin, Mizolastin oder Terfenadin gelindert werden?
  • Leidet der Bewohner unter Prostatabeschwerden, die mit Terazosin oder mit Alfuzosin therapiert werden?
  • Ist der Bewohner sexuell aktiv? Nimmt er Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil ein, um eine Erektion zu erreichen?
  • Leidet der Bewohner unter Schmerzen oder unter Rheuma? Nimmt er nichtsteroidale Antirheumatika ein?
  • Leidet der Bewohner unter Morbus Parkinson? Wird L-Dopa appliziert?
  • Ist der Bewohner anfällig für Thrombosen? Erhält er aus diesem Grund Antithrombosemittel wie Phenprocoumon oder Warfarin?
  • Kommt es beim Bewohner gehäuft zu Übelkeit und Erbrechen? Erhält er deshalb Medikamente?
Verhalten des Bewohners:
  • Trägt der Bewohner zu enge Kleidung? Bei Männern: Bevorzugt der Bewohner einschnürende Krawatten oder Hemdkragen?
  • War der Bewohner in seiner Jugend als Sportler aktiv?
  • Konsumiert der Bewohner Alkohol?
  • Konsumiert der Bewohner Drogen?

Durchführung:

allgemeine Maßnahmen

  • Falls die Herzrhythmusstörungen auch zu einer Herzinsuffizienz führen, wird der Bewohner bei allen anstrengenden Tätigkeiten entlastet. Die Vorgaben des Standards "Pflege von Senioren mit Herzinsuffizienz / Herzmuskelschwäche" werden umgesetzt.
  • Anders als bei der herkömmlichen Pulszählung wird bei Bewohnern mit Herzrhythmusstörungen eine komplette Minute gezählt. Dabei wird immer auch die Gleichmäßigkeit des Pulses überprüft.
  • Bei Kammerflimmern oder Kammerflattern wird der Bewohner reanimiert. Er erhält Atemspenden und Herzmassagen. Der Notarzt wird gerufen und sein Eintreffen abgewartet. Die Vorgaben einer Patientenverfügung werden beachtet.
  • Viele Medikamente können potenziell Herzrhythmusstörungen auslösen. Wenn ein Bewohner unter Herzrhythmusstörungen leidet, macht dieser häufig die Arzneien für die Beeinträchtigungen verantwortlich. Wir raten dem Bewohner davon ab, eigenmächtig Medikamente abzusetzen. Stattdessen suchen wir den Kontakt zum behandelnden Arzt und bitten ggf. um die Verschreibung eines alternativen Medikaments.
  • Wenn der Bewohner davor zurückschreckt, sich einen Herzschrittmacher implantieren zu lassen, suchen wir den Dialog. Wir raten dem Bewohner dringend, den Eingriff vornehmen zu lassen, sofern diese Maßnahme von den Ärzten empfohlen wurde. Unbegründete Ängste versuchen wir zu zerstreuen.
  • Im Sommer sollte der Bewohner direkte Sonneneinstrahlung meiden und den Schatten aufsuchen.

Maßnahmen bei akut auftretenden Herzrhythmusstörungen

  • Der Bewohner wird beruhigt.
  • Wir raten dem Bewohner dazu, seine Kräfte zu schonen. Ggf. begleiten wir ihn in sein Zimmer und bitten ihn, sich in sein Bett zu legen.
  • Sofern die Störungen bekannt sind und eine entsprechende Bedarfsmedikation vorhanden ist, erhält der Bewohner die vom Arzt vorgegebenen Arzneien.
  • Wenn ein Bewohner über aktuell vorhandene Herzrhythmusstörungen klagt, sammeln wir Informationen, um das Symptombild korrekt beschreiben zu können.
    • Wir prüfen die Vitaldaten, also insbesondere Pulsfrequenz und Blutdruck.
    • Wir prüfen die Pulsqualität. Ist der Puls weich oder hart? Ist er gut spürbar?
    • Berichtet der Bewohner über Herzklopfen, Herzstolpern oder Herzjagen?
    • Ist der Bewohner aufgeregt? Hat er Todesangst?
    • Ist der Bewohner benommen? Klagt er über Gleichgewichtsstörungen?
    • Ist der Bewohner kurzzeitig bewusstlos?
    • Leidet der Bewohner unter Atemnot? Ist die Atmung erschwert? Ist eine Zyanose erkennbar?
    • Hyperventiliert der Bewohner?
    • Leidet der Bewohner unter temporären Sprachproblemen?
    • Ist die Sehfähigkeit zeitweilig eingeschränkt?
    • Kommt es zu einer gesteigerten Schweißproduktion?

Entscheidung über die Alarmierung des Notarztes

  • Wenn es hinreichende Anzeichen für eine Gesundheitsgefährdung gibt, wird stets der Notarzt gerufen. Es gelten insbesondere die Vorgaben des Standards "Myokardinfarkt (Herzinfarkt)". Dieses ist auch erforderlich, bei Drogeneinnahme, bei Kontakt mit Giftstoffen sowie bei Überdosierung von Medikamenten wie Digitalis oder Betablockern.
  • Bei (vermuteter) Schilddrüsenüberfunktion, Panikattacken oder Depressionen sollte der Bewohner im Rahmen der regulären Sprechstunde dem Hausarzt vorgestellt werden.
  • Bei offensichtlich "harmlosen" Auslösern verbleibt der Bewohner in der Einrichtung. Sein Zustand wird in den nächsten Stunden engmaschig überwacht. Beispiele:
    • mentaler Stress, insbesondere Streit mit Angehörigen, Mitbewohnern oder Pflegekräften
    • körperliche Aktivität
    • Fieber
    • Schmerzen
    • übersteigerter Genuss etwa von Kaffee oder Tee
    • Konsum von sog. "Energydrinks" mit hohem Koffeingehalt

Einsatz von Antiarrhythmika

  • Wir prüfen gemeinsam mit dem behandelnden Arzt, ob der Bewohner Antiarrhythmika einnehmen sollte. Diese Medikamente reduzieren die Herzaktivität auf die erwünschten Funktionen.
  • Vor der Einnahme eines Antiarrhythmikums muss eine ggf. vorhandene Herzinsuffizienz behandelt werden. Ein Antiarrhythmikum darf nicht bei einem leistungsschwachen Herzen eingenommen werden.
  • Es ist darauf zu achten, dass der Bewohner die Medikamente stets zur gleichen Tageszeit einnimmt.
  • Der therapeutische Wert von Antiarrhythmika ist in vielen Fällen sehr begrenzt. Es ist zudem damit zu rechnen, dass die massiven Nebenwirkungen den Kooperationswillen des Bewohners überfordern könnten. Antiarrhythmika können überdies selbst Herzrhythmusstörungen auslösen.
  • Zum Einsatz kommen diese Arzneimittel vor allem bei tachykarden Herzrhythmusstörungen. Diese können auch dann auftreten, wenn die auslösende Grundkrankheit bereits erfolgreich behandelt wurde.
  • Wenn Bewohner Antiarrhythmika einnehmen, werden die Vitaldaten besonders engmaschig überwacht, insbesondere Puls, Blutdruck, Atmung und allgemeine körperliche Belastbarkeit. Sinnvoll können ggf. auch ein regelmäßiges großes Blutbild, eine Blutgerinnungskontrolle sowie ein EKG sein.
  • Auch die Lungenfunktion sollte regelmäßig fachärztlich untersucht werden.
  • Wir achten ebenfalls auf Symptome eines allergischen Schocks, also insbesondere starker Hautausschlag, Juckreiz, Herzrasen, Atemnot, Schwäche sowie Schwindelgefühle.
  • Bei der Grundpflege wird die Haut auf Hämatome kontrolliert. Wir achten auch auf Blut im Stuhl.
  • Wir achten stets auf Anzeichen eines Glaukomanfalls. Wir regen an, dass der Bewohner regelmäßig einem Augenarzt vorgestellt wird.

Nachbereitung:

Prognose

  • Viele Herzrhythmusstörungen sind nicht therapiebedürftig.
  • Bei gravierenden Störungen können per Schrittmacher zumeist gute Ergebnisse erreicht werden.
  • Antiarrhythmika mit Ausnahme von Betablockern verbessern die Prognose oftmals nur in geringem Maß.
  • Kammerarrhythmien stellen eine akute Lebensbedrohung dar. Sie müssen sofort behandelt werden, da sie ansonsten fast durchweg zum Versterben des Bewohners führen.
  • Wenn ein Bewohner häufig unter Vorhofflimmern leidet, können sich im Herzen oder in großen Gefäßen Blutgerinnsel bilden. Diese können sich lösen und einen Schlaganfall oder eine arterielle Embolie auslösen. Diese Gefahr muss beim Auftreten entsprechender Symptome bedacht werden.

allgemeine Maßnahmen

  • Alle Beobachtungen werden im Berichtsblatt dokumentiert.
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen
  • Vitaldatenblatt
  • Pflegenachweis
  • Mobilisierungs- und Bewegungsplan
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte