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Pflegestandard "Einsatz von Hydrokolloid-Wundverbänden"

Nicht appetitlich, dafür aber spektakulär: Mit allerlei Vorher-Nachher-Bildern preist die Industrie die Wirksamkeit von Hydrokolloid-Wundverbänden an. Tatsächlich jedoch funktioniert der Zauber nur bei penibler Beachtung der Vorgaben. Und selbst dann kann das "Heilungswunder" ganz anders ausfallen als erhofft.


Pflegestandard "Einsatz von Hydrokolloid-Wundverbänden"


Definition:

Aufbau von Hydrokolloidverbänden

  • Ein Hydrokolloidverband besteht im Wesentlichen aus drei Elementen:
  • Hydrokolloide, also quellfähige, hydrophile Substanzen, die Carboxymethylcellulose, Alginate, Gelatine, Pektin, Karaya-Gummi und weitere Zusatzstoffe enthalten.
  • Die Hydrokolloide werden in eine Trägermasse (sog. "Klebematrix") eingebettet. Diese besteht aus synthetischen Kautschukarten und verleiht der Masse Elastizität. Die gute Haftfähigkeit sorgt dafür, dass die Masse auf der Wunde nicht verrutscht.
  • Umschlossen wird der Verband durch einen Polyurethanfilm oder vergleichbare Schaumstoffe. Diese Schicht ist semipermeabel, keim- und wasserdicht.
  • Hydrokolloide werden in verschiedenen Formen verkauft. Insbesondere können Auflagen genutzt werden, die bereits an die anatomischen Gegebenheiten etwa der Sakralgegend oder der Fersen angepasst sind.
Funktionsweise
  • Wenn die hydrophilen Partikel mit Wundsekret in Kontakt kommen, quellen diese auf und lösen sich aus der Klebematrix. Es bildet sich ein zähflüssiges Gel, das sich in der Wunde ausbreitet und dort für ein ideal feuchtes Mikroklima sorgt.
  • Das Gel nimmt dabei eine gelbliche, grünliche oder bräunliche Färbung und einen unangenehmen Geruch an. Es legt sich auf die Wunde, ohne damit zu verkleben. Überschüssiges Wundexsudat wird ebenso wie Zelltrümmer und Keime aufgenommen und eingeschlossen.
  • Je mehr die Gelschicht expandiert, um so geringer wird die Klebekraft der Wundauflage. Daher kann der spätere Verbandswechsel atraumatisch und schmerzarm erfolgen. Allerdings bleibt dann eine Gelschicht zurück, die entfernt werden muss.
  • Das Gel kann leicht mit Eiter verwechselt werden. Daher ist es wichtig, die Wunde zunächst gründlich auszuspülen. Erst danach wird der Wundzustand beurteilt und per Fotodokumentation festgehalten.
  • Inzwischen werden aber auch Hydrokolloidverbände mit kompakter Gelstruktur angeboten. Diese dehnen sich zwar in die Wunde aus, behalten dabei aber ihre Form. Sie werden in einem Stück und rückstandsfrei aus der Wunde entfernt.
  • Einige Produkte lösen eine überschießende Granulation aus. Dieses ist die Reaktion auf den vorübergehenden Sauerstoffmangel, den ein Hydrokolloidverband im Wundgebiet auslöst. Dieser Effekt kann reguliert werden, indem für die weitere Therapie ein Verband gewählt wird, der mehr Sauerstoff passieren lässt. Ggf. kann die Heilungsstörung durch einen späteren chirurgischen Eingriff korrigiert werden.
Vorteile
  • Hydrokolloidverbände geben Feuchtigkeit an das Wundgebiet ab und fördern die Selbstreinigungsfähigkeiten einer Wunde.
  • Hydrokolloidverbände verflüssigen oberflächliche Beläge und fördern die Granulation.
  • Es wird ein ideal feuchtes Wundklima geschaffen.
  • Die Wunde wird stets ideal warmgehalten. Die Epithelisierung kann ungestört fortschreiten.
  • Hydrokolloid-Wundauflagen sind aufgrund der Matrixeigenschaften elastisch und adhäsiv. Sie können daher ggf. ohne weitere Fixierung direkt auf die Wunde geklebt werden.
  • Viele Produkte benötigen keinen Sekundärverband.
  • Schmutz und Keime können nicht in die Wunde gelangen.
  • Hydrokolloide haben eine starke Barriereeigenschaft. Sie ermöglichen es dem Bewohner sogar, ggf. zu duschen.
  • Viele Betroffene berichten, dass diese Auflagen den Wundschmerz lindern.
  • Die Wundauflage kann zumeist atraumatisch und schmerzfrei entfernt werden.
  • Hydrokolloidverbände können bis zu sieben Tage auf dem Wundgebiet verbleiben.

Grundsätze:

  • Wir sind uns bewusst, dass Hydrokolloide die Chancen auf eine Ausheilung deutlich steigern. Dennoch können diese Wundtherapeutika nur eine Komponente einer komplexen Behandlungsstrategie sein. Zudem hat die konsequente Druckentlastung auch bei einer Hydrokolloid-Therapie oberste Priorität.
  • Die lange Verweildauer der Wundauflage auf der Haut ist Chance und Risiko zugleich. Zwar wird die Hauttraumatisierung reduziert, gleichzeitig jedoch können krankhafte Veränderungen über Tage unbemerkt bleiben.

Ziele:

  • Die Wunde heilt ab.
  • Der Bewohner hat keine vermeidbaren Schmerzen, insbesondere nicht beim Verbandswechsel.
  • Komplikationen wie etwa Infektionen werden vermieden.
  • Die Lebensqualität des Bewohners wird erhöht.

Vorbereitung:

Indikation:

  • Die Wundauflage ist geeignet für alle Wunden mit schlechter Heilungstendenz, also insbesondere Dekubitus sowie Ulcus cruris.
  • Verbrennungen bis zum zweiten Grad können mit Hydrokolloiden zur Abheilung gebracht werden.
  • Hydrokolloide können bei allen Wunden mit geringer bis mittlerer Exsudation benutzt werden.
  • Wirksam sind Hydrokolloide auch bei Wunden mit fibrinösen und mit schmierigen Belägen. Diese werden aufgeweicht, gelöst und im Gel gebunden.
  • Hydrokolloide werden auch nach der Entnahme von Spalthaut oder zur Versorgung von umfangreicheren Schürfwunden eingesetzt.
  • Hydrokolloide eignen sich für Wunden in allen Heilungsphasen.
  • Hydrokolloide können auch als Sekundärverband genutzt werden, etwa wenn Alginate oder silberhaltige Produkte direkt auf der Wunde aufliegen.

Kontraindikationen:

  • Bei klinisch infizierten Wunden nutzen wir keine Hydrokolloide, sondern silberhaltige Produkte oder Kombinationsprodukte mit Lavaseptgel.
  • Hydrokolloide sind ungeeignet bei Wunden mit freiliegenden Muskeln, Sehnen oder Knochen.
  • Die Nutzung bei blutenden Wunden ist nicht sinnvoll.
  • Wenn die Wunde schlecht zugänglich ist, sollten keine Hydrokolloide genutzt werden. Ausnahme: Es stehen speziell angepasste Wundauflagen zur Verfügung.
  • Bei ischämischen Ulzera nutzen wir keine Hydrokolloide.
  • Problematisch ist die Nutzung bei allen Wunden, die häufig inspiziert werden müssen. Dieses etwa bei Geschwüren am diabetischen Fuß.
  • Hydrokolloide sind kontraindiziert bei allen Geschwüren, die durch chronische Infektionen verursacht werden, also etwa durch Tuberkulose, Syphilis, AIDS oder tief gehende Pilzinfektionen.
  • Bei Tumorwunden kann die Nutzung von Hydrokolloiden das Wachstum der entarteten Zellen um bis zu 20 Prozent beschleunigen.

allgemeine Maßnahmen

  • Die Wundauflage muss mindestens einmal täglich inspiziert werden.
  • Es gibt eine große Anzahl verschiedener Produkte, deren Eigenschaften im Detail abweichen können. Die Pflegekraft muss daher den Beipackzettel sorgfältig lesen.
  • Die Pflegekraft beachtet die Vorgaben, die im Standard "Verbandswechsel bei septischen und bei aseptischen Wunden" festgelegt sind. Dieses betrifft insbesondere die Bestimmungen zur Hygiene. Sie setzt zudem den Standard "Wundspülung" um.

Durchführung:

Anwendung:

  • Die Haut um die Wunde sollte sauber und fettfrei sein. Dieses erhöht die Saugkraft der Wundauflage.
  • Die Pflegekraft wärmt die Wundauflage mit der Hand auf. Der enthaltene Polyacrylatkleber entwickelt erst bei Wärme seine optimale Haftfähigkeit.
  • Die Pflegekraft entfernt die Schutzfolie der Wundauflage.
  • Der Verband sollte die Wunde um mindestens drei Zentimeter überlappen. Wenn die Blase den Wundrand erreicht hat, könnte eine Verbindung nach außen entstehen. Keime könnten in die Wunde eindringen.
  • Falls nötig (und vom Hersteller erlaubt) können auch mehrere Verbände gleichzeitig aufgebracht werden. Diese überlappen sich dann.
  • Ggf. kann die Wundauflage zugeschnitten werden.
  • Die Wundauflage wird zunächst auf einer Seite aufgebracht. Mit einer rollenden Bewegung wird nun der Rest auf der Wundfläche abgelegt.

  • Nach dem Auflegen wird das Hydrokolloid mit der Hand anmodelliert. Wenn die Pflegekraft den Verband für zwei Minuten vorsichtig aufdrückt, erhöht sie damit erheblich die Haftfähigkeit.
  • Es ist wichtig, dass der Wundverband direkten Kontakt mit dem Wundgrund hat. Es dürfen keine Luftblasen zu sehen sein. Ist dieses nicht möglich, können zusätzlich Alginate genutzt werden.
  • Falls notwendig kann der Verband per Pflasterfixierung auf dem Wundgebiet befestigt werden. Dieses ist insbesondere bei Auflagen ohne einen Kleberand notwendig.
  • Bei unruhigen Senioren kann die Wundauflage mit einer zusätzlichen Binde fixiert und geschützt werden.

Verbandswechsel:

  • Ein angemessener Wechselzyklus ist wichtig für den Therapieerfolg. Wird die Wundauflage zu häufig gewechselt, wird die Wunde unnötig traumatisiert. Eine zu lange Wartezeit kann zu einer Mazeration der Wunde führen.
  • Durch die Aufnahme des Wundexsudats quillt das Hydrokolloid auf. Es bildet sich eine Blase, die durch das Verbandsmaterial sichtbar ist. Spätestens, wenn sich die Blase über die gesamte Wunde erstreckt oder bereits Wundexsudat ausläuft, muss der Verband gewechselt werden.
  • Die Wundauflage kann bei geringer Exsudation bis zu sieben Tage auf dem Wundgebiet verbleiben. Bei hoher Exsudation erfolgt der Wechsel ggf. täglich.
  • Wenn der Verband entfernt wird, verbleibt ein Teil des Gels auf der Wunde. Der Hautdefekt muss daher mit Kochsalzlösung ausgespült werden.
  • Beim Entfernen des Verbands löst die Pflegekraft diesen zunächst an einer Ecke. Die gegenüberliegende Haut wird mit der anderen Hand fixiert.
  • Die Wundauflage wird nun nicht senkrecht von der Haut nach oben abgezogen. Stattdessen dehnt die Pflegekraft die Wundauflage parallel zur Haut, bis sich der Verband Schritt für Schritt ablöst. In der Mitte haftet der Verband nicht, da sich hier die Flüssigkeitsblase gebildet hat.
  • Ggf. kann die Ablösung des Verbands erleichtert werden, wenn die Haut mit steriler Kochsalzlösung angefeuchtet wird.

Nachbereitung:

Komplikationen.:

  • In seltenen Fällen kann es zu Irritationen oder zu allergischen Reaktionen kommen. Betroffen ist die Hautregion in unmittelbarer Umgebung der Wunde.
  • Auf trockener Haut kann der Verband zu stark haften. Insbesondere bei empfindlicher Haut (etwa als Folge einer Kortisontherapie) kann ein unvorsichtiges Abziehen des Verbands die oberen Hautschichten schädigen.
  • Bei feuchter Haut ist die Haftung oftmals unzureichend. Dieses kann insbesondere bei Inkontinenz oder bei stark schwitzenden Senioren dazu führen, dass die Wundauflage verrutscht.
  • Dicke Wundauflagen neigen dazu, sich vom Rand ausgehend aufzurollen.
  • Die Reaktionen der Wundauflage mit dem Wundexsudat können zu Geruchsbelästigungen führen.
  • Das sich bildende Gel kann leicht mit Eiter verwechselt werden. Dieses kann dazu führen, dass eine nicht infizierte Wunde fälschlicherweise für infiziert gehalten wird.
  • Es kann anfänglich zu einer scheinbaren Vergrößerung der Wunde kommen. Dieser Eindruck täuscht. Durch die Wundauflage wird Gewebe abgebaut, das zwar gesund aussieht, tatsächlich jedoch bereits irreparabel geschädigt ist.

weitere Maßnahmen

  • Die Applikation, die Reaktionen des Bewohners darauf sowie die erzielte Wirkung werden dokumentiert. Bei relevanten Abweichungen vom geplanten Therapieerfolg wird der behandelnde Arzt informiert.
  • Ggf. kann es sinnvoll sein, den Umriss der Wunde auf dem Verband aufzuzeichnen. Es ist dann erkennbar, in welchem Bereich die Gelblase und die Verfärbung zu erwarten sind. Die Vorteile dieser Markierung sind abzuwägen mit dem Risiko, dass die Lösungsmittel des Stiftes mit den Wirkstoffen der Wundauflage interagieren könnten. In keinem Fall jedoch wird auf dem Verband das Datum des Aufklebens vermerkt. Es handelt sich dabei um eine Doppeldokumentation.

Dokumente:

  • Wunddokumentation
  • Berichtsblatt
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegefachkräfte