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Standard "Hypothermie (Unterkühlung)"

In den kalten Wintermonaten kann ein ungeplanter Ausflug ins Freie gefährliche Folgen haben - vor allem in Kombination mit Demenz und Alkohol. Wir zeigen Ihnen, wie Ihre Pflegekräfte die Schwere der Unterkühlung korrekt einschätzen und die richtigen Maßnahmen wählen.


Standard "Hypothermie (Unterkühlung)"


Definition:

  • Eine Hypothermie ist ein länger anhaltender Abfall der Körpertemperatur unter die Grenze von 35°C. Der Wärmeverlust betrifft den gesamten Körper und insbesondere den Körperkern. Hauptursache ist der Kontakt mit kalter Luft oder mit kaltem Wasser.
  • Der menschliche Körper kann verschiedene Strategien nutzen, um die Unterkühlung zu beseitigen oder zumindest die Folgen zu begrenzen. So können etwa die Muskeln durch anhaltendes Zittern zusätzliche Wärme produzieren. Gleichzeitig kann die Blutversorgung der Haut eingeschränkt werden, um Wärmeverluste einzudämmen.
  • Ab 27°C sind die Vitalfunktionen soweit eingeschränkt, dass der Betroffene von medizinischen Laien für tot gehalten werden kann. Wird ein Wert von 25°C unterschritten, führen Kammerflimmern und Herzstillstand tatsächlich zum Tod. Bei Senioren kann dieser Grenzwert bedingt durch den schlechteren Allgemeinzustand ggf. deutlich höher liegen.
  • Eine Unterkühlung ist abzugrenzen von einer Erfrierung. Diese betrifft nur einzelne Körperbereiche wie etwa Finger, Zehen, Ohren oder Nasenspitzen.

Grundsätze:

  • Eine Unterkühlung kann dazu führen, dass der Betroffene keine sichtbaren oder spürbaren Lebenszeichen zeigt. Er wird dann fälschlicherweise für tot gehalten und nicht wiederbelebt. Ein Bewohner ist aber erst dann "verstorben", wenn er von einem Arzt für tot erklärt wurde.
  • Wenn ein Bewohner nach einem (nächtlichen) Sturz oder Unfall liegend angetroffen wird, ist stets von einer Unterkühlung auszugehen.
  • Wir halten engen Kontakt zum Hausarzt und sprechen alle Maßnahmen mit ihm ab.
  • Alle Beobachtungen und Vitaldatenmessungen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Im Zweifelsfall werden wir immer einen Notarzt rufen, um etwaigen Gesundheitsrisiken zu begegnen.

Ziele:

  • Ein komatöser Bewohner wird nicht fälschlicherweise für tot gehalten.
  • Der Auslöser der Unterkühlung wird erkannt.
  • Die Temperatur erreicht wieder den Normbereich. Die Unterkühlung wird dabei nicht zu schnell korrigiert.
  • Sekundärerkrankungen und Folgeschäden werden vermieden.
  • Der Bewohner hat das Gefühl, dass er sicher ist und gut versorgt wird.

Vorbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Wir halten pro Wohnbereich mindestens ein Thermometer mit erweiterter Temperaturskala bereit.
  • Wir stellen sicher, dass Bewohner angemessen bekleidet sind, bevor sie unser Haus verlassen.
  • Bei sturzgefährdeten Bewohnern legen wir großen Wert auf eine fundierte Sturzprophylaxe.

Ursachenforschung

Wir prüfen, ob sich der Auslöser der Unterkühlung bestimmen lässt. Häufige Ursachen sind:

  • Auskühlung, etwa wenn ein Bewohner bei kalter Witterung im Freien umherirrt. Dieses vor allem bei Missbrauch von Drogen, Medikamenten oder Alkohol.
  • fehlende Fettdepots bei ausgeprägter Unterernährung
  • Verlangsamung des Stoffwechsels, etwa als Folge einer Hypothyreose (Unterfunktion der Schilddrüse)
  • starker Blutverlust, etwa als Folge eines Unfalls
  • Kollaps oder Schock
  • Beeinträchtigung des Hirnbereiches, der für die Wärmeregulation zuständig ist (Hypothalamus)
  • gestörtes Temperaturempfinden etwa durch Morbus Parkinson, Apoplexie oder Diabetes Mellitus
  • Sterbeprozess

Symptome

Die Art der Symptome erlaubt Rückschlüsse auf die Schwere der Unterkühlung. Stadium 1 (Erregung, 35 °C bis 32 °C)

  • Der Bewohner ist erregt und wach, mitunter aber auch bereits verwirrt.
  • Der Bewohner zittert vor Kälte.
  • Der Bewohner klagt über Schmerzen. Die Schmerzempfindlichkeit kann aber auch  reduziert sein.
  • Die peripheren Gefäße werden eng gestellt (Vasokonstriktion). Die Haut ist blass, trocken und marmoriert. Der Bewohner hat eine "Gänsehaut" (Piloarrektion).
  • Die Lippen und Nagelbetten sind zyanotisch.
  • Der Stoffwechsel ist erhöht.
  • Es kommt zu einer Hyperglykämie (erhöhte Konzentration von Glukose im Serum).
  • Die Atemfrequenz ist erhöht.
  • Der Blutdruck ist erhöht.
  • Es kommt zu Herzrhythmusstörungen mit einem Anstieg der Herzfrequenz auf über 100 Schläge pro Minute (Tachykardie).
Stadium 2 (Erschöpfung, 32 °C bis 28°C)
  • Das Kältezittern endet und die Muskeln erstarren.
  • Mit dem Licht einer Taschenlampe lässt sich die Pupillenreaktion noch auslösen.
  • Die Stoffwechselrate sinkt.
  • Der Blutdruck ist normal bis erniedrigt.
  • Der Bewohner ist schläfrig und verliert immer wieder das Bewusstsein.
  • Der Bewohner halluziniert.
  • Die Herzfrequenz sinkt auf unter 60 Schläge pro Minute (Bradykardie). Der Herzschlag wird ungleichmäßig.
  • Die Atmung ist flach und unregelmäßig. Es kommt ggf. zur Atemdepression.
Stadium 3 (Lähmung, unter 28 °C)
  • Die Pupillen sind geweitet und reagieren nicht mehr auf das Licht einer Taschenlampe.
  • Der Bewohner ist komatös und zeigt keine Reflexe.
  • Der Puls ist flach und kaum tastbar.
  • Die Atmung ist minimal und von außen kaum wahrzunehmen.
  • Es kommt zum Kammerflimmern.
  • Das Herz schlägt nicht (Asystolie) oder sehr ungleichmäßig.
  • Die Atmung setzt aus (Apnoe, also das Ausbleiben der Atemströmung für mindestens 10 Sekunden).

Durchführung:

  • Die Maßnahmen sind abhängig von der Schwere der Unterkühlung. Eine Unterkühlung ersten Grades erfordert nicht zwangsläufig die Alarmierung des Notarztes, dieses insbesondere dann, wenn der Bewohner stets bei klarem Bewusstsein blieb.
  • Bei einem Stadium zwei oder drei sowie bei Bewusstlosigkeit ist hingegen immer von einer lebensbedrohlichen Situation auszugehen. In solchen Fällen muss die Rettungsstelle benachrichtigt werden.
Stadium 1
  • Der Bewohner wird mittels Decken oder Spezialfolie vor weiterer Auskühlung geschützt. Wenn die Beine nicht zugedeckt werden, kann das Risiko gesenkt werden, dass das Blut dort "versackt" und ein Schock als Folge des Volumenmangels eintritt.
  • Durchnässte Kleidung wird ausgezogen und ersetzt. Der Bewohner wird abgetrocknet.
  • Durch die eigene Körperwärme steigt die Temperatur um rund 0,5 °C  bis 1 °C pro Stunde. Bei einer schnelleren Erwärmung steigt das Risiko eines Kreislaufschocks.
  • Die Erwärmung sollte von der Körpermitte ausgehen und erst dann die Extremitäten erreichen.
  • Die Arme und Beine werden nicht massiert.
  • Sofern möglich sollte sich der Bewohner körperlich bewegen.
  • Sofern kein Schock vorliegt, darf der Bewohner nicht in Schocklage gebracht werden.
  • Der Bewohner erhält warme und gesüßte Getränke und warme Speisen. Dem Bewohner wird in keinem Fall Alkohol angeboten, da dieser zu einer Gefäßerweiterung führen würde.
  • Die Vitalzeichen und der Bewusstseinszustand werden engmaschig überwacht. Achtung: Durch die Langsamkeit des Pulses ist es notwendig, dass dieser über einen Zeitraum von mindestens 30 Sekunden erfasst wird.
  • In keinem Fall nutzen wir ohne ärztliche Anweisung eine Wärmflasche oder eine Heizdecke. Diese Hilfsmittel wärmen nur lokal und führen zu einer Gefäßerweiterung. In der Folge kann der Bewohner zusätzlich auskühlen. Sinnvoll können hingegen warme Packungen sein, die im Bereich des Körperstammes angelegt werden. Also etwa im Nacken, in den Armhöhlen oder in den Leisten.
  • Bei Bewusstlosigkeit oder Kreislaufstillstand wird der entsprechende Notfallstandard umgesetzt.
Stadium 2 und Stadium 3
  • Der Notarzt wird gerufen.
  • Die Krankenhauseinweisung wird vorbereitet.
  • Der Bewohner wird so wenig wie möglich bewegt, da kaltes Blut in den Körperkern strömt und diesen abkühlt.
  • Bis zum Eintreffen des Rettungswagens wird der Bewohner vor weiterem Auskühlen geschützt und überwacht (siehe Stadium 1).
  • Bei Unterkühlten kann eine Reanimation auch nach 30 bis 60 Minuten noch erfolgreich sein.

Nachbereitung:

  • In den folgenden Tagen ist mit einer gesteigerten Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten zu rechnen. Wir reagieren daher frühzeitig auf Atemwegserkrankungen, Schluckbeschwerden usw. Insbesondere wird in der folgenden Woche dreimal täglich die Körpertemperatur gemessen, um eine fiebrige Erkältung rechtzeitig zu erkennen.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Vitalzeichenkontrollblatt
  • Durchführungsnachweis
  • Fragen an den Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte