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Standard "Pflege und Versorgung von Senioren mit einem Ulcus ventriculi (Magengeschwür)"

Lange Jahre machten Ärzte vor allem psychosomatische Faktoren für Magengeschwüre verantwortlich. Inzwischen jedoch ist klar, dass Stress allein kein Ulcus auslöst sondern ein ganzes Ursachenbündel. In unserem Standard bilden wir den aktuellen Stand der Wissenschaft ab.


Standard "Pflege und Versorgung von Senioren mit einem Ulcus ventriculi (Magengeschwür)"


Definition:

Ein Ulcus ventriculi (Magengeschwür) ist eine klar abgrenzbare Verletzung in dem Bereich der Magenschleimhaut, der Magensäften ausgesetzt ist. Anders als etwa bei einer Magenschleimhauterosion wird dabei auch die Muscularis mucosae (Schicht glatter Muskelzellen des Magens) durchbrochen. Das Areal der kleinen Kurvatur des Magens ist gehäuft von derartigen Schädigungen betroffen. Die Läsionen sind zumeist auf die Oberfläche begrenzt und heilen dann ohne Beschwerden aus. Wenn die Schädigung jedoch tiefgehender ist, kann der Betroffene Schmerzen erleiden. Geschädigtes Muskulaturgewebe heilt dann ggf. nicht mehr ab sondern vernarbt. Vor allem Menschen ab dem 60. Lebensjahr sind von Magengeschwüren betroffen; Männer und Frauen sind gleichermaßen gefährdet. Fünf bis zehn Prozent aller Menschen in Deutschland erkranken im Laufe ihres Lebens mindestens einmal an einem gastroduodenalen Ulkus (zusammenfassende Bezeichnung für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre). Lange Zeit ging die Medizin davon aus, dass ein Ungleichgewicht zwischen defensiven und aggressiven Faktoren (etwa die Magensäure) Magengeschwüre auslösen und dass Stress dabei eine zentrale Rolle spielt. In den letzten Jahren jedoch weisen Forschungsergebnisse in eine andere Richtung: Drei von vier Betroffenen haben einen positiven HP-Status, sind also vom Helicobacter pylori infiziert. Dieses Bakterium gilt als Erreger der Gastritis Typ B und spielt offenbar auch eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Ulcus ventriculi sowie beim Auftreten eines Magenkarzinoms.


Grundsätze:

  • Magengeschwüre sind - entgegen der landläufigen Meinung - kein primär psychosomatisches Leiden. Daher ist die bloße Beseitigung von mentalen Stressfaktoren keine ausreichende Therapie.
  • In vielen Fällen ist eine langfristige Therapie nur dann möglich, wenn der Bewohner seine Lebens- und Ernährungsgewohnheiten grundsätzlich ändert.
  • Wir arbeiten eng mit dem behandelnden Hausarzt zusammen. Alle Anweisungen werden genau dokumentiert. Wir drängen stets auf schriftliche Instruktionen.

Ziele:

  • Der Bewohner hat keine Schmerzen.
  • Der Bewohner kennt Risikofaktoren und Prophylaxemaßnahmen.
  • Die häufigsten Komplikationen werden vermieden, insbesondere:
    • kaffeesatzartiges Erbrechen oder Teerstuhl als Folge von Blutungen
    • Durchbruch des Geschwürs in die Bauchhöhle (Perforation)
    • Verengung des Magenausgangs (Pylorusstenose)
    • maligne Entartung zum Magenkrebs

Vorbereitung:

Allgemeine Maßnahmen

  • Wir bilden unser Personal kontinuierlich zum Thema Ulcus ventriculi fort.
  • Wir halten stets aktuelle Literatur auch zum Thema Ulcus ventriculi bereit.

Risikofaktoren

Wir prüfen, welche Risikofaktoren beim Bewohner bestehen. Je mehr davon vorhanden sind, um so wahrscheinlicher ist es, dass der Betroffene ein Magengeschwür entwickeln wird:

  • dauerhafter mentaler Stress, etwa bei lang anhaltendem Streit mit Mitbewohnern oder Angehörigen
  • anhaltender körperlicher Stress, etwa bei schweren Erkrankungen
  • erbliche Belastung, also insbesondere ebenfalls erkrankte Eltern oder Großeltern
  • Einnahme belastender Medikamente wie etwa Kortikosteroide, bestimmte Antihypertonika oder nicht-steroidale Antirheumatika
  • Alkohol- und Nikotinmissbrauch
  • unregelmäßige und einseitige Ernährung
  • Blutgruppe 0

Symptome

  • Oberbauchschmerzen, die vom Bewohner als brennend, bohrend oder kneifend beschrieben werden
  • häufig keine Ausstrahlung in den Rücken
  • keine Veränderung der Schmerzintensität durch Lagewechsel
  • gesteigerte Schmerzintensität zu stets gleichen Tageszeiten
  • Schmerzen kurz nach der Nahrungsaufnahme
  • Schmerzen vermindern sich, wenn der Bewohner Milch trinkt
  • anhaltender Druck und Völlegefühl im Oberbauch
  • saures Aufstoßen
  • Sodbrennen
  • saures Erbrechen, teilweise mit Gallensäure
  • stetiger Gewichtsverlust
  • Appetitlosigkeit
  • Teerstuhl bei Blutungen

Durchführung:

Ernährung:

Da sich die Belastungsfaktoren individuell unterschiedlich auswirken, gibt es keine allgemeingültige Ulkus-Diät. Zumeist weiß der Bewohner recht genau, welche Lebensmittel bei ihm Beschwerden verursachen. Im Dialog mit dem Senioren erstellen wir eine Liste der problematischen Lebensmittel, die später bei Bedarf ergänzt werden kann. Ggf. sollte der Bewohner ein Esstagebuch führen.

  • Der Bewohner sollte statt drei größerer Mahlzeiten lieber sechs kleinere Portionen pro Tag zu sich nehmen.
  • Spätmahlzeiten sind häufig belastend und sollten dann unterbleiben.
  • Sofern nicht anders verordnet erhält der Bewohner eine leichte Vollkost.
  • Der Bewohner sollte sehr heiße und sehr kalte Speisen meiden.
  • Der Bewohner soll sich Zeit für die Mahlzeiten nehmen, langsam essen und seine Speisen gut durchkauen. Der damit angeregte Speichelfluss schützt den Magen.
  • Nahrungsmittel, die eine vermehrte Säureproduktion auslösen (z.B. Milch) sollten vermieden werden.
  • Die Speisen des Bewohners sollten nur in Maßen gewürzt werden.
  • Der Bewohner wird aufgefordert, den Konsum von Alkohol drastisch zu reduzieren. Vor allem hochprozentige Getränke sind sehr belastend.
  • Wir streben einen normalen BMI an.
  • Der Bewohner sollte den Konsum von Kaffee reduzieren und dieses Getränk insbesondere nicht auf leeren Magen zu sich nehmen. Ähnliches gilt für schwarzen Tee und Cola.
  • Nach dem Essen sollte sich der Bewohner in Maßen körperlich bewegen und sich nicht hinlegen.
  • Viele Bewohner erlegen sich selbst unnötig strenge Ernährungsbeschränkungen auf. Diese können zur Mangelernährung führen.
  • Der Bewohner sollte keine Lebensmittel zu sich nehmen, die angebraten, geröstet oder gepökelt wurden.
  • Gekochtes Gemüse und Kartoffeln wirken säurebindend.
  • Die Vorgaben unseres Standards "Obstipationsprophylaxe" werden sorgfältig umgesetzt.

Lebensweise

  • Der Bewohner wird über die belastenden Faktoren aufgeklärt.
  • Wir raten dem Bewohner, Entspannungsübungen durchzuführen, etwa autogenes Training oder Yoga.
  • Der Bewohner sollte einen möglichst gleichmäßigen Tageszyklus einhalten, also insbesondere zu gleichen Zeiten schlafen und essen.
  • Es ist wichtig, dass der Bewohner nachts ausreichend schläft.
  • Der Bewohner sollte den Nikotingenuss komplett einstellen.
  • Bei Schmerzen und beim Schlafen wird der Oberkörper ggf. höher gelagert.
  • Einschnürende Kleidung sollte gelockert werden. Insbesondere sollte der Gürtel nicht zu eng anliegen.
  • Dem Bewohner wird empfohlen, beim Stuhlgang nicht zu pressen, da dieses den abdominalen Druck erhöht.

Unterstützung bei der ärztlichen Therapie

  • Wenn eine Operation notwendig wird, intensivieren wir die psychologische Unterstützung des Bewohners. Insbesondere raten wir dem Bewohner, auch unangenehme Untersuchungen durchführen zu lassen wie etwa eine Magenspiegelung.
  • Bei einer Antibiotikatherapie sorgen wir für eine konsequente Einnahme des Wirkstoffes. Wir raten dem Bewohner dringend davon ab, das Medikament ohne vorherige Rücksprache mit dem Hausarzt abzusetzen.
  • Viele Medikamente müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt genommen werden, also etwa vor dem Essen oder eine bestimmte Zeitspanne danach. Insbesondere bei älteren und verwirrten Bewohnern ist es daher wichtig, diese bei der Einnahme zu unterstützen.
  • Wir prüfen, ob die verschriebenen Medikamente einen Ulkus fördern und regen ggf. den Austausch des Wirkstoffes an. So gelten etwa Aspirin oder Diclofenac als belastend.
  • Bei lang anhaltenden Schmerzen kann es zu Persönlichkeitsveränderungen kommen. Wir regen daher frühzeitig beim Hausarzt eine begleitende Analgetikaversorgung an.
  • Wir achten auf Nebenwirkungen der Medikamente. Diese werden dokumentiert und dem Hausarzt mitgeteilt. Je nach Wirkstoff können auftreten:
    • Obstipation
    • Schwindel, Müdigkeit
    • Blähungen
    • Diarrhöe
    • Mundtrockenheit
    • allergische Reaktionen

Verhalten bei Komplikationen

Bei einem Magengeschwür kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen. Da diese häufig lebensbedrohlich sind, ist es wichtig, schnell und angemessen zu reagieren. Bei einer Komplikation gehen wir vor wie folgt:

  • Notarzt rufen
  • Vitalzeichen überwachen, insbesondere Puls, Atmung und Bewusstseinszustand
  • insbesondere bei akuter Blutung: Flachlagerung
  • Einweisung in das Krankenhaus vorbereiten

akute Blutung: Symptome:

  • kaffeesatzartiges Bluterbrechen (Hämatemesis)
  • Teerstuhl (schwärzlich gefärbter, ggf. teerartig-klebriger Stuhl)
  • Volumenmangel (Hypovolämie, also eine Verminderung der zirkulierenden Blutmenge)
  • Müdigkeit
  • Leistungsabfall
  • Anämie
  • Schocksymptome

Perforation (Magendurchbruch) Symptome:

  • Peritonitis (sog. Bauchfellentzündung, brettharter Bauch mit Abwehrspannung)
  • plötzliche und massive Schmerzen, die in beide Schultern ausstrahlen können
  • Herzrhythmusstörung mit einem Anstieg der Herzfrequenz auf über 100/min (Tachykardie)
  • Kreislaufschock

Penetration in umgebende Organe (also etwa ein Übergreifen des Geschwürs auf die Bauchspeicheldrüse) Symptome:

  • starke bis unerträgliche Schmerzbelastung
  • Beschwerden strahlen aus bis in den Rücken und in die Schultern

Stenose des Pylorus Symptome:

  • Völlegefühl
  • Übelkeit und Übergeben vor allem nach der Nahrungsaufnahme
  • Gewichtsreduktion
  • Intensität der Beschwerden nimmt stetig zu.

nach einer Magenoperation (Billroth-Magenresektion)

Es ist zu beachten, dass das Verdauungssystem auch nach einer gelungenen Operation massiv in seiner Leistungsfähigkeit beschränkt bleibt. Daher ist ggf. eine radikale Umstellung der Ernährung erforderlich.

  • Kohlenhydratreiche Lebensmittel müssen vermieden werden, dazu zählen insbesondere Süßspeisen oder Milch.
  • Der Bewohner sollte zu den Mahlzeiten nichts trinken.
  • Nach dem Essen ist es sinnvoll, den Bewohner eine halbe Stunde ruhen zu lassen.
  • Zehn bis fünfzehn Jahre nach dem Eingriff steigt das Krebsrisiko an. Sieben bis zehn Prozent aller Betroffenen erwickeln Magenkrebs.
Nach einer Magenoperation können sich die Passagewege verändern. Dieses kann Verdauungsstörungen auslösen ("Früh-Dumping" und "Spät-Dumping"). Je nach Schwere der Symptome wird ggf. ein Notarzt alarmiert. Dieses ist insbesondere bei Blutbeimengungen im Stuhl oder im Erbrochenen zwingend erforderlich.
  • Früh-Dumping (sofort nach dem Essen sowie in den folgenden 30 Minuten):
    • starke Bauchschmerzen
    • Durchfall
    • Schocksymptome wie Herzrasen, Blässe und Schweißausbrüche
    • Druckgefühl im Oberbauch
    • Singultus ("Schluckauf")
  • Spät-Dumping (1 bis 3 Stunden nach dem Essen)
    • Hypoglykämie mit Kaltschweißigkeit
    • Übelkeit und Erbrechen
    • Schocksymptome

Nachbereitung:

Prognose

  • Jeder zweite Ulkus heilt auch ohne Therapie binnen weniger Wochen ab.
  • Bei einer medikamentösen Behandlung steigen die Erfolgsaussichten auf 90 Prozent.
  • Vor allem eine Helicobacter-Eradikationstherapie kann einen Rückfall verhindern.
  • Ohne Umstellung der Ernährungs- und Lebensweise erleiden zwei von drei Betroffenen binnen eines Jahres einen Rückfall. Diese treten gehäuft im Frühjahr und Herbst auf.
  • Drei Prozent aller Magengeschwüre entarten karzinomatös (Magenkrebs).

Weiteres

  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert:
    • Wie äußert sich der Bewohner zu seinen Beschwerden?
    • Welche Wirkung zeigen die Medikamente, welche Nebenwirkungen werden verzeichnet?
    • Welche Einschränkungen treten auf?
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.
  • Ggf. aufgetretene Probleme werden im Qualitätszirkel thematisiert.

Dokumente:

  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Leistungsnachweis

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegefachkraft