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Standard "Pflege von Senioren mit Migräne"

Bei der Betreuung von migränekranken Senioren sollten Pflegekräfte nicht ausschließlich auf Medikamente vertrauen. Mindestens ebenso wichtig für eine schnelle Erholung sind zwischenmenschliche Wärme und viel Verständnis für den Betroffenen.


Standard "Pflege von Senioren mit Migräne"


Definition:

  • Migräne ist ein gefäßbedingter Kopfschmerz. Die Beschwerden treten anfallsartig, wiederholt und oftmals einseitig auf. Betroffene schildern die Schmerzen als pulsierend.
  • Die Beschwerden beginnen häufig morgens und können mehrere Tage anhalten. Erkrankte leiden häufig unter Übelkeit und neurologischen Ausfällen. Sie sind sehr empfindlich für Lärm und Licht.
  • Bei jedem fünften bis zehnten Betroffenen tritt vor dem Migräneanfall eine sog. „Aura“ auf. Es handelt sich dabei um eine Gesichtsfeldveränderung. Der Bewohner bemerkt ein Flimmern, das zwischen 20 bis 60 Minuten anhält.
  • In Deutschland leiden rund 8 Millionen Menschen unter Migräne. Frauen sind mit 10 bis 15 Prozent häufiger betroffen als Männer, von denen nur 5 bis 8 Prozent an Migräne leiden.

Grundsätze:

  • Migräne ist ein ganzheitliches Gesundheitsproblem, dass folglich mit Medikamenten allein nicht behandelt werden kann. Unverzichtbar ist vor allem, die tägliche Stressbelastung zu reduzieren.
  • Wir sehen Migräne als eine ernstzunehmende Krankheit. Uns ist bewusst, dass Betroffene teils unerträgliche Schmerzen über sich ergehen lassen müssen.
  • Wir verwahren uns gegen jeden Versuch, die Migräne als rein psychische Erkrankung darzustellen, die sich der Bewohner „einbildet.“
  • Die Anwendung von Schmerzmitteln erfolgt mit Augenmaß, um einen medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz zu vermeiden.
  • Der Schmerz ist ein subjektives Geschehen. Er kann nur vom Bewohner selbst korrekt erfasst und beschrieben werden. Alle Beobachtungen von Außenstehenden können daher ungenau oder fehlerhaft sein.

Ziele:

  • Die Migräneanfälle werden seltener und haben eine geringere Intensität.
  • Der Bewohner kann die Vorzeichen einer nahenden Attacke korrekt erkennen. Er bereitet sich angemessen vor.
  • Der Bewohner kennt die Auslöser der Migräne und meidet diese.
  • Der Bewohner verfügt über eine angemessene Bedarfsmedikation. Er kennt Wirkungen und Nebenwirkungen der Arzneien.
  • Der Bewohner wird vor ungeeigneten Therapien geschützt. Dieses insbesondere, wenn damit vor allem finanzielle Ziele verfolgt werden.

Vorbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Unser Personal wird regelmäßig auch zum Thema Migräne fortgebildet.
  • Wir erweitern unsere Bibliothek regelmäßig um aktuelle Fachbücher zu diesem Thema. Wir ermuntern unsere Pflegekräfte, diese Bücher zu lesen.
  • Wir suchen den Kontakt zur Schmerzambulanz.

Ressourcen

Wir prüfen, welche Ressourcen der Bewohner nutzen kann, um die Folgen der Migräne besser ertragen zu können. Etwa:

  • Der Bewohner ist in der Lage, seine Schmerzen genau zu beschreiben.
  • Der Bewohner verlangt frühzeitig nach einem Schmerzmittel.
  • Der Bewohner hat in der Vergangenheit Strategien entwickelt, um die Schmerzphase zu meistern.
  • Der Bewohner ist ansonsten in einem guten Allgemeinzustand.

Durchführung:

Bewertung der Attacke

Anhand von Definitionskriterien prüfen wir, ob es sich bei dem Kopfschmerz tatsächlich um eine Migräne handelt. Anhand der Symptomlage entscheiden wir, ob wir den Hausarzt informieren.

  • Die Beschwerden dauern zwischen 4 bis 72 Stunden.
  • Der Schmerz ist stechend oder pochend.
  • Die Beschwerden treten einseitig auf.
  • Der Bewohner bemerkt vor der Schmerzattacke eine Aura.
  • Die Alltagsaktivitäten werden stark eingeschränkt.
  • Der Bewohner ist appetitlos. Er leidet unter Übelkeit.
  • Die Schmerzintensität ist hoch bis sehr hoch.
  • Die Schmerzen verstärken sich bei körperlicher Aktivität.
  • Pro Monat kommt es zu 1 bis 6 Attacken.
(Hinweis: Ein starker Kopfschmerz kann auch von Meningitis, einer Blutung im Hirn oder etwa einer hypertensiven Krise ausgelöst werden. Daher ist es erforderlich, bei einem hinreichenden Verdacht den Notarzt zu rufen.)

medikamentöse Prophylaxe und Behandlung

In vielen Fällen kann durch eine mehrmonatige medikamentöse Prophylaxe das Symptombild deutlich verbessert werden. Zur Verfügung stehen:

  • Betablocker, insbesondere Propranolol
  • Kalziumantagonisten
  • Antidepressiva
Je nach Symptombild nutzen wir verschiedene Medikamente, um akute Beschwerden des Bewohners zu lindern.
  • Wir nutzen Metoclopramid, um die Übelkeit zu lindern.
  • Der Bewohner erhält ein geeignetes Schmerzmittel, vor allem Acetylsalicylsäure oder Paracetamol. Wir wählen schnell resorbierbare Medikamente, etwa Brausetabletten. Retardpräparate (Depotpräparate) sind weniger geeignet. Der Bewohner sollte das Medikament schon bei den ersten Symptomen einnehmen und nicht warten, bis die Beschwerden die maximale Intensität erreichen. Zudem raten wir dem Bewohner, nach der Einnahme auszuruhen und Kräfte zu sammeln.
  • Serotoninagonisten werden bei schweren Migräneattacken eingesetzt. Sie sollten bei den ersten Symptomen verabreicht werden. Die parallele Einnahme von Ergotamin ist kontraindiziert.
  • Ergotamine führen zur Engstellung der Gefäße und werden nur selten bei sehr schweren Anfällen eingesetzt.
Hinweise:
  • Wir raten dem Bewohner von jeder Form der Selbstmedikation ab. Die medikamentöse Behandlung sollte stets von einem Arzt vorgegeben werden.
  • Ein Großteil der typischen Migränemittel kann bei längerer Einnahme zu einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz führen.
  • Mitunter kann es sinnvoll sein, das Schmerzmittel mit einem Antiemetikum zu kombinieren. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Analgetikum auch vom Körper aufgenommen werden kann und nicht erbrochen wird.
  • Falls sich der Bewohner anhaltend übergibt, können Schmerzmittel auch als Zäpfchen verabreicht werden. Viele Wirkstoffe gibt es auch als Nasenspray oder Spritze.
  • Während der Aura-Phase dürfen Triptane (Serotonin-5-HT1B/1D-Rezeptoragonisten) nicht verabreicht werden.
  • Patienten mit hohem und nicht behandelbarem Blutdruck, mit Schlaganfall oder Herzinfarkt dürfen Triptane nicht einnehmen.

allgemeine Pflegemaßnahmen

  • Wir raten dem Bewohner zu einer gesunden Lebensweise. Er sollte Alkohol, Nikotin und unnötige Medikamenteneinnahmen vermeiden.
  • Der Bewohner sollte kritische Lebensmittel nicht verzehren. Je nach individuellem Krankheitsbild können das Käse, Schokolade oder Wein sein. Weitere Auslöser sind häufig das Süßungsmittel Aspartam, oder Glutamat.
  • In vielen Fällen kann ein Heilfasten die Symptome lindern, da viele Migräneattacken von Nahrungsmittelbestandteilen ausgelöst werden.
  • Der Bewohner sollte sich im Rahmen seiner Fähigkeiten körperlich bewegen.
  • Der Bewohner sollte einem gleich bleibenden Tagesablauf folgen und von diesem nicht ohne Grund abweichen. So können etwa eine spätabendliche Feier oder ein Urlaubsausflug nach einigen Tagen eine Migräneattacke auslösen.
  • Homöopathische Heilmethoden können ergänzend eingesetzt werden. Der Erfolg ist allerdings individuell sehr unterschiedlich.
  • In vielen Fällen lässt sich die Häufigkeit der Anfälle durch eine Therapie mit Pestwurz senken.
  • Zahlreiche Betroffene berichten, dass Akupunktur die Anfallshäufigkeit und -schwere gesenkt hat.
  • Wir demonstrieren dem Bewohner verschiedene Entspannungstechniken, wie etwa progressive Muskelentspannung oder autogenes Training. Diese Übungen sind ebenso wichtig wie die medikamentöse Behandlung.
  • Das Einrenken der Halswirbelsäule (sog. „knacksen“) durch den Chiropraktiker ist zur Behandlung und Prophylaxe einer Migräne ungeeignet. Dieses gilt auch für Hormonbehandlungen.

Pflegemaßnahmen während einer Attacke

  • Wir geben dem Bewohner die Möglichkeit, sich in einen dunklen und ruhigen Raum zurückzuziehen.
  • Falls der Bewohner in einem Zweibettzimmer lebt, bitten wir den Mitbewohner um entsprechende Rücksichtnahme. Falls finanzierbar sollte der Bewohner bei häufigen Anfällen letztlich in ein Einzelzimmer umziehen.
  • Der Bewohner erhält Kälteanwendungen, also etwa einen kalten Umschlag oder ein Kühlelement auf die Stirn.
  • In vielen Fällen lindert Pfefferminzöl die Beschwerden, wenn es auf die Schläfen aufgetragen wird.
  • Die Beschwerden können dazu führen, dass der Bewohner gereizt oder gar aggressiv wirkt. Wir zeigen daher im Umgang mit dem Bewohner ein großes Maß an Einfühlungsvermögen.
  • Der Bewohner sollte unnötigen Stress vermeiden. Wir sagen daher ggf. Besuchstermine etwa von Verwandten ab.

Ursachenforschung

Wir raten dem Bewohner dazu, ein Migränetagebuch zu führen. In diesem soll er alle Faktoren dokumentieren, die als Auslöser der Migräne in Frage kommen.

  • Hat der Bewohner ungewöhnliche Nahrungsmittel zu sich genommen, die bereits in der Vergangenheit als Auslöser verdächtig waren?
  • Hat der Bewohner Medikamente eingenommen, deren Nebenwirkungen die Attacke ausgelöst haben könnten?
  • Könnten psychische Faktoren der Auslöser sein? In Frage kommen eine plötzliche Belastung ebenso wie eine unvermittelte Entlastung, also ein Wegfall von Stressfaktoren.
  • War der Bewohner Lärm oder Flackerlicht ausgesetzt?
  • Gibt es eine familiäre Belastung? Litten schon die Eltern unter Migräne?
  • Wie bewertet der Bewohner die Intensität des Anfalls und die Schmerzqualität?
  • Welche Begleitsymptome treten auf? Etwa: Erbrechen, Schwindel, Sehstörungen usw.

Nachbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Alle gewonnenen Informationen werden in der Pflegedokumentation und ggf. im Migränetagebuch festgehalten.
  • Der Gesundheitszustand von Bewohnern mit Schmerzen wird regelmäßig in der Dienstübergabe und bei Fallbesprechungen thematisiert.
  • Wir informieren den Hausarzt über alle relevanten Veränderungen und leiten ggf. eine adäquate Schmerzbehandlung ein.
  • Wir aktualisieren ggf. die Pflegeplanung.

Dokumentation

Der Verlauf der Attacke und die aufgetretene Symptomatik werden zusätzlich zum Migränetagebuch auch von uns erfasst und dokumentiert. Wichtig sind insbesondere folgende Kriterien:

  • Wann begann die Attacke?
  • Wie stark war die Schmerzbelastung?
  • Welche Form hatte der Schmerz? Etwa: drückend, pochend, bohrend, dumpf oder stechend.
  • Trat der Schmerz beidseitig auf oder nur auf einer Kopfseite?
  • Reagierte der Bewohner empfindlich auf Licht oder Geräusche?
  • Litt der Bewohner unter Übelkeit? Hat er sich übergeben?
  • War das Sehvermögen des Bewohners beeinträchtigt?
  • War dem Bewohner schwindelig?
  • Gab es Sensibilitätsstörungen?
  • Litt der Bewohner unter Lähmungen?
  • Waren die Vitaldaten (insbesondere Blutdruck und Puls) auffällig?

Prognose

  • Migräne ist nicht heilbar.
  • Letztlich kann eine fundierte Therapie aber dazu führen, dass die Beschwerden für den Betroffenen erträglich werden.
  • In den letzten Jahren sprechen Ärzte von einer Zunahme der chronischen Migräne. Diese liegt vor, wenn der Bewohner an mehr als 15 Tagen im Monat unter einer Migräne leidet.

Dokumente:

  • Pflegedokumentation
  • Migränetagebuch

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter