pqsg mobil
Start Index Impressum
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Standard "Milieutherapie"

Gleich dutzendfach eröffneten in den letzten Monaten Pflegeeinrichtungen, die von A bis Z nur auf die Versorgung von verwirrten Bewohnern ausgerichtet sind. Da verlaufen Flure in Form einer 8, die Eingänge sind perfekt gesichert und alle Gebäudeteile sind ebenerdig. Ältere Pflegeheime geraten zumindest optisch leicht ins Hintertreffen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie in Ihrer Einrichtung die zentralen Vorgaben der Milieutherapie umsetzen können - ohne gleich den Abrissbagger zu bestellen.


Standard "Milieutherapie"


Definition:

  • Die Milieutherapie wurde ursprünglich für psychiatrische Einrichtungen entwickelt, kommt heute aber auch in vielen Pflegeheimen zum Einsatz. Der Milieutherapie liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der Mensch nicht nur seine Umwelt beeinflusst, sondern gleichzeitig auch selbst von ihr beeinflusst wird. Somit kann sich das Milieu auf die Entstehung, den Verlauf und die Heilung von Krankheiten auswirken.
  • Je stärker eine dementielle Erkrankung fortschreitet, um so weniger ist der Betroffene in der Lage, sich der Umwelt anzupassen. Daher zielt die Milieutherapie darauf, die Umwelt so zu gestalten, dass der Bewohner weder unter- noch überfordert wird und sich insbesondere nicht bedroht fühlt.
  • Vor allem in drei Bereichen setzt die Milieutherapie an:
    • die dinglich-räumliche Umgebung
    • das soziale Umfeld
    • die Tagesstrukturierung

Grundsätze:

  • Wir passen die Rahmenbedingungen an unsere dementiell erkrankten Bewohner an - und nicht umgekehrt.
  • Trotz des strukturierten Tagesablaufes muss auch ausreichend Raum für individuelle Bedürfnisse der Bewohner bleiben.

Ziele:

  • Der Bewohner fühlt sich in unserer Einrichtung zuhause.
  • Der Bewohner wird weder über- noch unterfordert.
  • Krankheitsbedingte Einschränkungen werden kompensiert.
  • Angst, Unruhe und Aggressionen werden gemildert.
  • Bestehende Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltages bleiben so lange wie möglich erhalten. Der Bewohner lebt so autonom wie möglich.
  • Wir sorgen für eine sichere Umgebung. Dazu zählt in erster Linie eine möglichst umfassende Sturzprophylaxe.

Vorbereitung:

  • Die Umsetzung der Milieutherapie erfordert ein hohes Maß an Qualifizierung. Daher werden unsere Mitarbeiter regelmäßig geschult. Schwerpunkte sind:
    • einfühlsames und biografisches Arbeiten mit dementiell veränderten Personen
    • basale Stimulation
    • Snoezelen
    • Validation
    • 10-Minuten-Aktivierung
    • individuelle Einzelbeschäftigung
    • Tagesgestaltung
  • Wir setzen zudem auf verschiedene Konzepte zur Personalförderung, etwa:
    • Teambesprechungen
    • Supervision
    • Mitarbeiter-Führungskraft-Gespräche
  • Ausgewählte Mitarbeiter werden in externen Weiterbildungen zur „Pflegefachkraft Schwerpunkt Gerontopsychiatrie“ weiterqualifiziert.

Durchführung:

Wohnraumgestaltung

Wir passen den Wohnraum an die Bedürfnisse der dementiell erkrankten Senioren an. Er soll anregend auf den Bewohner wirken und es ihm ermöglichen, sich darin zurechtzufinden. Zudem muss der Wohnraum ein großes Maß an Schutz bieten.


Architektur

  • Die Gebäudestruktur sollte übersichtlich und einfach zu erfassen sein. Die Wegführung innerhalb der Wohnbereiche muss eindeutig sein.
  • Wir bevorzugen einfache Raumstrukturen mit großen Fenstern und Glastüren. Allerdings sollte die Verglasung nicht bis zum Boden reichen.
  • Der Wohnbereich hat einen Zugang zum Garten.
    • Der Garten ist mit einem Zaun und einer verschlossenen Pforte umfriedet.
    •  Bei der Pflanzengestaltung achten wir darauf, dass der Garten nicht zuwuchert. Er muss für die Pflegekräfte komplett einsehbar bleiben.
    •  Es gibt keine giftigen, stechenden oder reizenden Pflanzen.
    • Alle Wege sind als Rundwege angelegt und so breit, dass zwei Menschen nebeneinander laufen können.
    • Es gibt Sitzplätze in der Sonne und im Schatten.
  • Unsere Ausgänge sind so gestaltet, dass diese entweder permanent beaufsichtigt werden, mit einem Alarmsystem ausgestattet sind oder in einen gesicherten Teil des Gartens führen.
  • Es gibt einen klar erkennbaren Haupteingang. Hier befinden sich zusätzliche Sitzmöglichkeiten, die es dem Bewohner erlauben, das Kommen und Gehen zu verfolgen.
  • Räume, in denen Freizeit- und Betreuungsangebote stattfinden, sollten sich entweder innerhalb des Wohnbereiches befinden oder in dessen unmittelbarer Nähe.
  • Jeder Wohnbereich sollte einen wohnlichen Mittelpunkt haben, also etwa ein Wohnzimmer mit vielen Sitzmöglichkeiten.
  • Das Dienstzimmer sollte sich in unmittelbarer Nähe zum wohnlichen Zentrum des Wohnbereiches befinden.
  • Wir richten eine Küchenzeile mit zusätzlicher Arbeitsfläche ein. Der Herd lässt sich zentral abschalten. Gefährliches Besteck ist vor dem unkontrollierten Zugriff dementiell erkrankter Senioren gesichert.

Innengestaltung

  • Die Türen wichtiger Orte, wie etwa das WC oder der Gemeinschaftsraum, können in Signalfarben gestrichen sein. Die angebrachten Hinweisschilder sollten Piktogramme enthalten, damit auch solche Bewohner sie verstehen, die nicht mehr lesen können.
  • Türen zu verschlossenen Räumen, die Bewohner nicht betreten sollen (etwa Haushalts- und Lagerräume), werden in der gleichen Farbe wie die Wand gestrichen.
  • Die Türen der Bewohnerzimmer werden mit einem Namensschild und einem Foto des Bewohners kenntlich gemacht.
  • Wir vermeiden stark spiegelnde Oberflächen wie etwa Glastische. Wandspiegel sollten nicht zu groß gewählt werden. Insbesondere lange Ankleidespiegel können bedrohlich wirken.
  • Soweit uns dieses möglich ist, darf der Bewohner Teile seines Mobiliars mit in die Einrichtung nehmen.
  • Wir geben dem Bewohner die Möglichkeit, eigene Fotos und Bilder an die Wand zu hängen.
  • Lange Flure werden mit Sitzecken „entschärft“. Wir bieten insbesondere Sitzbereiche an, in denen sich Bewohner ungestört unterhalten können.
  • Die Wände und Böden sind dezent gestaltet. Wir vermeiden knallige Farben ebenso wie starke Kontraste. Am Boden sollten vor allem starke Farbwechsel vermieden werden.
  • Die Wohnbereiche unterscheiden sich durch eine optische Gestaltung deutlich voneinander. Der Bewohner muss in der Lage sein, seinen Wohnbereich optisch sofort wieder zu erkennen.
  • Wir statten den Wohnbereich mit alten Schränken, Tischen, Stühlen usw. aus. Dabei achten wir allerdings darauf, dass von diesen Möbeln keine erhöhte Unfallgefahr oder hygienische Risiken ausgehen.
  • Sofern ein Bewohner nicht in einem Einzelzimmer untergebracht wird, sollte sein persönlicher Bereich optisch klar von dem des Mitbewohners abgegrenzt werden. Der Bewohner sollte zudem jederzeit sein Zimmer aufsuchen können.

Sicherheit

  • Die gesamte Einrichtung sollte barrierefrei gestaltet werden. Mögliche Stolperfallen werden konsequent beseitigt.
  • Wir sorgen für eine gute Beleuchtung mit mindestens 500 Lux. Die Beleuchtung sollte direkt und schattenfrei erfolgen.
  • In der Nacht werden Flure und andere Gefahrenpunkte mit einem Dämmerlicht ausgeleuchtet.
  • An exponierten Stellen bringen wir Haltegriffe an.

Atmosphäre

  • Unnötig laufende Radios und Fernseher werden konsequent ausgeschaltet. Eine visuelle und akustische Dauerberieselung werden vermieden. Sofern Radios und Fernseher laufen, sollte ein Programm gewählt werden, dass auf die Bewohner (und nicht auf die Pflegekräfte) zugeschnitten ist.
  • Wir versuchen insbesondere monotone Geräuschquellen zu dämpfen, wie etwa die Wasserpumpen der Heizung oder die Motoren des Aufzuges.

soziales Umfeld

  • Die Wohngruppen sollten mit zehn bis zwölf Personen eine übersichtliche Größe haben.
  • Die Wohngruppen werden geschlechtlich gemischt zusammengesetzt. Wir respektieren das Recht jedes Bewohners auf ein Intimleben.
  • Zum Essen werden die Bewohner in Tischgemeinschaften organisiert. Bei der Zusammensetzung berücksichtigen wir die Fähigkeiten jedes Seniors. So sollten etwa Senioren, die ausschließlich mit den Fingern essen, in einer Gruppe zusammengefasst werden. Dabei sollte das Essen gleich als Fingerfood angeboten werden.
  • Wir setzen konsequent auf Bezugspflege. Falls die Bezugspflegekraft krank ist oder Urlaub hat, sollten die Ersatzkräfte möglichst selten wechseln.
  • Wir achten auf eine enge Zusammenarbeit aller Mitarbeiter in unserer Einrichtung. Gemeinsam mit der Hauswirtschaft erarbeiten wir ein gemeinsames Konzept und orientieren uns an einem einheitlichen Pflegeverständnis.
  • Allen Pflegekräften muss bewusst sein, dass die Fähigkeiten des Bewohners von Tag zu Tag unterschiedlich sein können.
  • Wir ermöglichen unseren Bewohnern den Kontakt zu Haustieren. Dieses einerseits durch die in unserer Einrichtung lebenden Katzen, andererseits durch regelmäßige Besuche von Hundehaltern im Rahmen des Besuchsdienstes.
  • Wir ermuntern Angehörige, auch die Enkel oder andere kleine Kinder mit in die Einrichtung zu bringen.
  • Pflegekräfte sollten
    • nicht laut über den Flur rufen, etwa nach einem Kollegen.
    • lieber gehen als schnell laufen.
    • Türen vorsichtig öffnen und diese weder aufreißen noch zuschlagen.
    • ihre Parfümnote über längere Zeit beibehalten, da sie von dementiell erkrankten Bewohnern auch am Geruch erkannt werden können.
    • Ruhe und Verständnis ausstrahlen.
    • stets ein Namensschild tragen.

Tagesstrukturierung

  • Wir schätzen für jeden Bewohner individuell die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeiten ab. Abhängig von diesen Eindrücken planen wir den Tagesablauf. Dieser setzt sich aus Aktivitäten und Ruhepausen zusammen.
  • Von der einheitlichen Tagesstrukturierung wird nicht ohne Grund abgewichen. Der Bewohner muss das Gefühl haben, seinen Tagesablauf vorhersagen und kontrollieren zu können.
  • Der Beginn der Essenszeit wird akustisch mit einem Gong angekündigt.
  • An exponierten Stellen unserer Einrichtung hängen wir große Kalender und Uhren auf. Die Uhren haben ein analoges Ziffernblatt.
  • Wir bieten unseren Bewohnern verschiedene Freizeitaktivitäten an. Diese werden in Tages- und Wochenplänen gut leserlich am Schwarzen Brett bekannt gegeben.
  • Bewohner mit einer Störung des Tag/Nacht-Rhythmus werden ggf. auch in der Nacht betreut (sog. Sundowning-Störung). Unser Nachtdienst hält Getränke und Spätmahlzeiten bereit. Bewohner, die in der Nacht noch lange aktiv waren, werden am Morgen entsprechend später geweckt. Wir vermeiden allerdings, dass sich etwa durch einen zusätzlichen Mittagsschlaf der Tag/Nacht-Rhythmus komplett umkehrt.
  • Wir pflegen eine ganze Reihe von Ritualen. Dazu zählen etwa ein Tischgebet, Geburtstagsrituale usw.
  • Wir halten verschiedene Bücher und Zeitschriften bereit.
  • Wir halten Dinge zum Kramen, Sortieren und Räumen bereit, also etwa Wäschestücke zum Falten usw.

Nachbereitung:

  • Die Reaktionen des Bewohners werden genau dokumentiert.
  • Die Ergebnisse und Erfahrungen werden regelmäßig in Fallbesprechungen und in der Dienstübergabe diskutiert.
  • Relevante Fortschritte werden dem Hausarzt und der Pflegedienstleitung weitergemeldet.

Dokumente:

  • Pflegeplanung
  • Berichtsblatt
  • Leistungsnachweise

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Bezugspflegekraft
  • weitere Pflegekräfte