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Standard "Pflege von Senioren mit Morbus Bechterew"

Bei der Pflege von Senioren mit Morbus Bechterew spielen Medikamente nur eine Nebenrolle. Viel wichtiger ist es, die Betroffenen langfristig zur Mitarbeit zu motivieren und die Lebensfreude zu erhalten. Angesichts des fast schon programmierten Krankheitsverlaufes eine schwierige Aufgabe.


Standard "Pflege von Senioren mit Morbus Bechterew"


Definition:

  • Morbus Bechterew (auch "Spondylitis ankylosans" oder "SpA") ist eine chronische Entzündung der Gelenke. Es kommt zu einer Versteifung des Achsenskeletts, also der Rumpf bildenden Knochen (Schädelknochen, Wirbelsäule und Knochen des Thorax). Betroffen sind zudem die achsenskelettnahen Gelenke; vor allem die Hüft- und. Schultergelenke.
  • Die Erkrankung ist mit einer erheblichen Schmerzbelastung verbunden und verursacht im Spätstadium einen ausgeprägten Rundrücken. Morbus Bechterew wird zumeist zwischen dem 20 bis 40 Lebensjahr festgestellt. Das Endstadium wird nach 2 bis 20 Jahren erreicht.
  • Die Krankheit verläuft in Schüben, deren Ausprägung individuell sehr unterschiedlich sein kann. Oft kommt es zu einer raschen Versteifung der Wirbelsäule. In anderen Fällen kommt die Erkrankung nach wenigen Schüben zum Stillstand.
  • Ein Heilmittel für Morbus Bechterew wurde bislang nicht gefunden. Regelmäßige Bewegung unter Anleitung einer Krankengymnastin (sog. "Bechterew-Gymnastik") kann den Krankheitsverlauf jedoch signifikant verzögern. Zudem kann das Training bewirken, dass die Wirbelsäule in einer für den Bewohner erträglichen Position versteift.
  • Wenn die Wirbelsäule bereits in einer gravierenden Fehlstellung eingesteift ist, kann eine Aufrichtungsosteotomie diese Krankheitsfolgen abmildern. Insbesondere wird der zuvor auf den Boden fixierte Blickwinkel wieder in die Horizontale ausgerichtet.
  • Die Auslöser dieser Degeneration sind unbekannt. Aufgrund der familiären Häufung ist es wahrscheinlich, dass genetische Faktoren mit ursächlich sind. Vier von fünf Betroffenen sind Männer.

Grundsätze:

  • Wir arbeiten eng mit dem Hausarzt, den Fachärzten und externen Therapeuten zusammen.

Ziele:

  • Die Gelenke des Bewohners bleiben möglichst lange funktionsfähig.
  • Unsere Bewohner können möglichst schmerzfrei leben.

Vorbereitung:

Symptomatik

Frühsymptome

  • Zu Beginn der Erkrankung klagen Betroffene über nächtliche oder frühmorgendliche Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Diese strahlen ggf. auch in die Beine aus.
  • Durch Bewegung klingen die Beschwerden ab. Viele Betroffene verlassen daher in der Nacht das Bett und laufen in der Wohnung umher.
  • Erschütterungen der Wirbelsäule können Schmerzen auslösen, ggf. also bereits ein Husten oder Niesen.
spätere Symptome
  • Die Erkrankung schränkt die Beweglichkeit der Wirbelsäule mehr und mehr ein. Diese Entwicklung beginnt in der Lendenwirbelsäule und schreitet in Richtung Kopf voran. Die knöcherne Versteifung der Wirbelsäule (sog. "Bambuswirbelsäule") verhindert, dass sich der Betroffene strecken, beugen, neigen oder drehen kann. Mitunter bleibt eine beschränkte Beweglichkeit der Kopfgelenke erhalten.
  • 20 bis 30 Prozent aller Betroffenen bilden eine Oligoarthritis anderer Gelenke aus.
  • Der Betroffene bildet einen Rundrücken aus (sog. "Kyphose"). Er ist in einer permanenten "Begrüßungshaltung", also mit stark vorgebeugtem Rumpf.
  • Die Thoraxbeweglichkeit ist reduziert. Daher ist bei vielen Betroffenen die Atmung eingeschränkt und mühseliger. Ggf. kommt es zu einer Emphysembronchitis.
  • Gleichzeitig kommt es ggf. zu einer Rechtsherzbelastung. In einigen Fällen tritt als zusätzliche Komplikation eine Nierenschädigung auf ("Nierenamyloidose").
  • Bei einem Drittel aller Betroffenen versteifen auch die Hüft-, Schulter- oder Kniegelenke. Bei einem Befall der Hüftgelenke entwickelt der Betroffene einen Trippelgang. Die Arme werden beim Gehen auffallend stark mitbewegt.
  • Als Folge einer gereizten Achillessehne erleiden sie Fersenschmerzen.
  • Häufig tritt auch ein Sternumschmerz auf.
  • Ähnlich wie bei einer chronischen Polyarthritis können die Entzündungen auch auf andere Organe übergreifen. Es kommt dann etwa zu einer entzündlichen Erkrankung der Iris (sog. "Regenbogenhautentzündung"). Innere Organe sind nur selten betroffen.

Durchführung:

Allgemeines

  • Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass sich die Erkrankung durch tägliche krankengymnastische Übungen verzögern lässt. Wir ermuntern ihn, das Programm konsequent durchzuführen. Der Bewohner sollte die Übungen jeden Tag zur gleichen Zeit durchführen.
  • Falls der Arzt zu einer Operation rät, stehen wir dem Bewohner jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung. Wir sind uns stets bewusst, welche Ängste mit einem solchen Eingriff verbunden sind.
  • Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt prüfen wir, ob sich die Symptomatik mit Moorbädern, Massagen oder Niederfrequenzstromtherapie lindern lässt.
  • Wir ermuntern den Bewohner, ggf. eine Kur anzutreten.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner die verschriebenen Medikamente regelmäßig einnimmt. Dieses sind z.B. steroidale Antirheumatika sowie neuerdings TNF-alpha-Blocker.
  • Wir nutzen die schmerzlindernde Wirkung von Wärme. Wir verwenden ggf. Biberbettwäsche und warme Nachtbekleidung. Das Bett wird mittels Wärmflasche vorgewärmt.
  • Wir prüfen den Einsatz von Schaffellen oder Angorawäsche, soweit diese vom Bewohner oder dessen Angehörigen bezahlt werden können.
  • Wir prüfen, ob die Nutzung einer harten Matratze die Beschwerden lindert. Wir wägen den Nutzen mit dem ggf. erhöhten Dekubitusrisiko ab.
  • Wir achten darauf, dass sich ein Bewohner nicht schmerz- oder schambedingt von der Gemeinschaft zurückzieht. Ggf. animieren wir erkrankte Bewohner, an Veranstaltungen teilzunehmen.
  • Im späteren Verlauf der Krankheit erfordern die abnehmenden Bewegungsmöglichkeiten eine Veränderung der Freizeitaktivitäten. Gemeinsam mit dem Ergotherapeuten ermuntern wir den Bewohner, neue Hobbys zu entdecken.

Rufen des Arztes

Wir rufen den Arzt, wenn "Alarmsymptome" vorliegen. Dieses sind:

  • unerträgliche Kreuzschmerzen
  • Augenentzündung
  • Luftnot und Thoraxschmerzen bei einer Beteiligung der Rippen

Erfassung und Dokumentation des Gesundheitszustandes durch Befragung des Bewohners

  • Wir befragen unsere Bewohner regelmäßig zur Schmerzsymptomatik.
  • Wann hat der Bewohner Schmerzen? Nimmt die Schmerzintensität im Laufe des Tages zu oder ab?
    • Strahlen die Schmerzen aus? Wenn ja, wohin?
    • Nimmt die Schmerzintensität zu, wenn sich der Bewohner bewegt?
    • Zeigen Medikamente die gewünschte Wirkung? Gibt es Nebenwirkungen?
  • Wenn eine Behandlungsmethode mit unverhältnismäßig großen Schmerzen verbunden ist, prüfen wir nach Rücksprache mit dem Hausarzt einen Abbruch der Therapie und suchen nach Alternativen.
  • Wir bestimmen gemeinsam die Zeiträume, in denen die größte Bewegungsfähigkeit besteht. Diese werden für Maßnahmen genutzt, für die die Gelenke des Bewohners bewegt werden müssen. Dazu gehören etwa das morgendliche Waschen oder Bewegungsübungen.

Erhaltung der Mobilität

Bewohner die Nutzung wichtiger Mobilitätshilfsmittel wie etwa Gehstock, Unterarmgehstützen, Gehwagen oder bewegliches Gehgestell. Das Training erfolgt in schmerzarmen Zeiten.

  • Wir sorgen dafür, dass die Mobilitätshilfen stets in Griffweite des Betts gelagert werden, damit der Bewohner selbstständig aufstehen kann.
  • Wenn möglich führen wir Bewegungsübungen im Wasser durch.
  • Wir prüfen, ob Krankengymnastik sinnvoll ist.

Sturzprophylaxe

  • Wir setzen den Standard "Sturzprophylaxe" um. Das bedeutet etwa:
  • Einsatz geeigneter Protektoren
  • trockene Böden und rutschfeste Unterlagen
  • Beseitigung von Stolperfallen
  • Haltegriffe an Wänden und insbesondere im Badezimmer
  • Ggf. bündeln wir elektrische Geräte in Steckerleisten mit Netzschalter. Damit können mehrere Geräte gleichzeitig abgeschaltet werden.
  • Bewohnern, die ohne Hilfe nicht aus dem Stuhl aufstehen können, raten wir, vor dem Setzen alle benötigten Gegenstände in Reichweite zu legen (Zeitschriften, Fernbedienung usw.). Wenn Pflegekräfte beim Hinsetzen assistieren, fragen sie den Bewohner, ob er noch etwas benötigt.
  • Wir üben mit dem Bewohner das sichere Ein- und Aussteigen aus bzw. in das Bett.

Schmerzbekämpfung

  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner eine angemessene Medikamentierung mit Schmerzmitteln erhält.
  • Wenn die Bedarfsmedikation keine ausreichende Wirkung zeigt, prüfen wir insbesondere eine Dauermedikamentierung.

Körperpflege

  • Wir assistieren dem Bewohner bei der Durchführung der Körperwäsche.
  • Wir helfen dem Bewohner bei der Benutzung der Dusche oder der Wanne.

psychologische Unterstützung

  • Insbesondere, wenn es akute Symptomverschlimmerungen gibt, bieten wir dem Bewohner eine engmaschige Betreuung an, etwa durch Gespräche.
  • Wir helfen dem Bewohner dabei, seine Grenzen zu akzeptieren.
  • Wir achten genau auf Hinweise, die auf eine beginnende Depression hindeuten.
  • Ggf. vermitteln wir Kontakt zu Seelsorgern

Nachbereitung:

Dokumentation

Alle relevanten Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert.

  • Wie wirkt sich die Krankheit auf die Bewegungsfähigkeit des Bewohners aus? Sind die Bewegungsmuster des Bewohners noch harmonisch oder nutzt er bereits eine Schonhaltung und -bewegung?
  • Wie äußert sich der Bewohner zu seinen Beschwerden? Wo hat der Bewohner Schmerzen? Gibt es typische Auslöser für den Schmerz? Wie stark ist der Schmerz? Gibt es Faktoren, die die Schmerzintensität beeinflussen?
  • In welchem Zustand sind die Gelenke? Sind diese überwärmt, gerötet, geschwollen oder in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt?
  • Nutzt der Bewohner Hilfsmittel? Wenn ja, welche? Welche Hilfsmittel nutzt der Bewohner nicht? Welche Gründe gibt er dafür an?
  • Welche Wirkung zeigen die Medikamente, welche Nebenwirkungen werden verzeichnet?
  • Wie gut spricht der Bewohner auf die Wärme- und Kältebehandlungen an?

weitere Maßnahmen

  • Wir informieren die zuständigen Ärzte über alle relevanten Gesundheitsveränderungen.
  • Die Versorgung von Bewohnern mit rheumatischen Erkrankungen wird regelmäßig im Qualitätszirkel diskutiert.

Prognose

  • Der Verlauf ist individuell höchst unterschiedlich. Die Krankheit kann in jedem Stadium zum Stillstand kommen.
  • Aus der Schmerzintensität lässt sich keine Prognose zum weiteren Krankheitsverlauf ziehen. Starke Beschwerden sind also kein Anzeichen für eine zunehmende Verknöcherung. Schmerzarmut wiederum kann nicht als ein Hinweis auf einen Stillstand von Morbus Bechterew gedeutet werden.

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter aus den Bereichen Pflege und Hauswirtschaft