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Standard "Verhalten bei
Nahrungsverweigerung" (ambulante Pflege)
Die
jahrelange und oft einseitige Berichterstattung über angebliche
Mangelernährung im Alter spiegelt sich auch im MDK-Prüfkatalog wieder.
Pflegedienste, die eine solide Strategie zur Vermeidung von
Nahrungsverweigerung entwickeln, können sich wertvolle Punkte für die
Pflegenote sichern.
Standard "Verhalten bei
Nahrungsverweigerung" (ambulante Pflege)
Definition:
-
Eine Nahrungsverweigerung liegt vor, wenn es
der Patient ablehnt, selbst zu essen oder angereichte Speisen zu sich
zu nehmen.
-
Die Nahrungsverweigerung entwickelt sich
zumeist schrittweise. Im Frühstadium isst der Patient zwar noch normal,
seine Mimik und seine Gestik zeigen jedoch eine Freudlosigkeit. Im
weiteren Verlauf nimmt der Widerwille zu. Der Patient äußert jetzt auch
verbal seine Ablehnung und beginnt, das Eingeben der Nahrung durch
Abwehrbewegungen zu verzögern. Während es Pflegekräften anfangs noch
möglich ist, den Patienten durch gutes Zureden zum Essen zu bewegen,
verweigert er letztlich die Kooperation komplett und verschließt z.B.
die Lippen.
-
Für eine Nahrungsverweigerung kann es
verschiedene Auslöser geben. In der Altenpflege sind folgende Ursachen
am häufigsten zu finden:
-
Appetitlosigkeit
-
Angebot von Lebensmitteln, die der Patient
nicht mag oder vor denen er sich sogar ekelt
-
Zahnschmerzen oder Druckstellen durch
Zahnprothesen
-
Schluckbeschwerden
-
psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen
oder Vergiftungswahn
-
nonverbale Form des Protests, Hungerstreik
-
Reaktion auf ein Ereignis, das einen
nachhaltigen Einfluss auf das Ess- und Trinkverhalten hatte (z.B.
Erstickungsanfall beim letzten Essen)
-
radikale Form der Gewichtsreduktion
-
Ausdruck, dass der Patient sterben möchte
-
Eine anhaltende Unterernährung führt zu
organischen Beeinträchtigungen, etwa Elektrolytentgleisungen, zu
Stoffwechselstörungen sowie zu körperlicher Schwäche.
-
Eine lückenlose Dokumentation ist zwingend
erforderlich, da es sich bei der Nahrungsverweigerung um einen
Grenzbereich der pflegerischen Praxis handelt.
-
Nahrungsverweigerung in suizidaler Absicht
geschieht vor allem dann, wenn der Patient immobil ist und andere
Formen der Selbsttötung unmöglich sind.
-
Jede zwangsweise Form der Ernährung einer
einwilligungsfähigen Person ist Körperverletzung und somit strafbar.
Grundsätze:
-
Eine Nahrungsverweigerung erfolgt niemals
grundlos. Es ist unsere Aufgabe, die Ursache zu finden und entsprechend
zu handeln. Gleichwohl darf eine Nahrungsverweigerung nicht
überbewertet werden. Viele Auslöser sind harmlos und vorübergehend.
-
Jeder Patient hat das Recht, nach eigenem
Ermessen zu essen oder die Nahrungsaufnahme zu verweigern. Häufig
drücken Patienten per Nahrungsverweigerung den Wunsch aus, dass ihr
Leben enden soll. Wir werden dann stets versuchen, dem Patienten durch
intensive zwischenmenschliche Betreuung neuen Lebensmut zu geben.
Trotzdem ist es unsere Pflicht, letztlich auch einen Sterbewunsch zu
akzeptieren.
-
Bei verschiedenen Krankheitsbildern, etwa
Demenz, ist der Patient nicht mehr in der Lage, die Konsequenzen seines
Handelns abzuwägen. Wenn ein Patient mit einer solchen Erkrankung
dauerhaft die Nahrung verweigert und eine Gesundheitsgefährdung droht,
müssen wir handeln und eine Selbstschädigung verhindern. (Die Nutzung
von Magensonden ist umstritten. Eine PEG bei Demenz - insbesondere in
fortgeschrittenen Stadien - bringt oftmals weder eine Verbesserung der
Lebensqualität noch eine gesteigerte Lebenserwartung.)
-
Nahrungsverweigerung ist nicht nur für den
Patienten belastend, sondern stets auch für die Pflegekräfte. Wir sind
uns der Gefahr bewusst, dass unsere Mitarbeiter mit dieser
Konfliktsituation überfordert sind.
Ziele:
-
Der Patient ernährt sich wieder angemessen.
-
Auslösende Erkrankungen werden durch Diagnostik
gefunden oder ausgeschlossen.
-
Die Angehörigen werden angemessen in die Pflege
und in die Versorgung eingebunden.
-
Es gelingt uns, einem Patienten mit suizidalen
Absichten wieder neuen Lebensmut zu schenken. Das Recht des Patienten,
sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen und zu beenden, ist
aber stets gewährleistet.
-
Der Pflegdienst und alle Mitarbeiter sind
rechtlich abgesichert. Etwaige Vorhaltungen können durch eine
lückenlose Dokumentation entkräftet werden.
Vorbereitung:
Organisation
-
Die korrekte Berechnung des BMI
(Body-Mass-Index) wird regelmäßig im Team geübt.
-
Wir bilden unser Personal regelmäßig zum Thema
Nahrungsverweigerung fort.
-
Wir halten aktuelle Fachliteratur zum Thema
Nahrungsverweigerung bereit und ermuntern unsere Mitarbeiter diese zu
lesen.
-
Wir ermuntern unsere Mitarbeiter, über
verschiedene Fragen nachzudenken. Diese Themen werden insbesondere in
Teambesprechungen diskutiert. Etwa:
-
Hat ein Mensch das moralische Recht, seinem
Leben ein Ende zu setzen?
-
Wann ist Zwangsernährung ethisch vertretbar?
-
Wann ist ein Patient nicht mehr in der Lage,
über sein Leben zu entscheiden?
-
Dürfen Pflegekräfte zusehen, wie sich ein
Patient zu Tode hungert?
-
Wir streben einen einheitlichen Standpunkt zu
diesem Thema an, der dann auch in unserem Pflegeleitbild fixiert wird.
-
Wir sprechen diese Problematik schon bei
Aufnahme der Pflege an. Wir ermuntern den Patienten, frühzeitig eine
Patientenverfügung aufzusetzen. Er soll festlegen, ob er ggf. eine
Ernährung per PEG wünscht.
-
Wir achten auf eine konsequente Bezugspflege.
Die Anzahl der Pflegekräfte, die dem Patienten das Essen eingeben,
sollte möglichst gering gewählt werden (dabei ist sicherzustellen, dass
es nicht zu einer Überforderung der einzelnen Pflegekräfte kommt).
-
Eine Nahrungsverweigerung kann auch darauf
hindeuten, dass der Patient die Bezugspflegekraft ablehnt, dieses aber
nicht verbal ausdrücken kann oder will. In diesem Fall sollte testweise
die Nahrung von einer anderen Pflegekraft eingegeben werden.
-
Angehörige werden aufgefordert, relevante
Beobachtungen zum Essverhalten umgehend dem Pflegebereich zu melden.
Anzeichen für
Nahrungsverweigerung
-
Wir achten auf Anzeichen, die für eine
willentliche Nahrungsverweigerung sprechen:
-
Der Patient dreht bei der Esseneingabe den
Kopf weg.
-
Der Patient schließt die Augen.
-
Die Pflegekraft wird beschimpft.
-
Der Patient öffnet den Mund nicht und presst
die Lippen zusammen ("klassische" Mimik dabei: krause Stirn).
-
Der Patient schiebt die Nahrung mit der Zunge
aus dem Mund.
-
Der Patient behält die Nahrung im Mund und
schluckt diese nicht.
-
Der Patient öffnet beim Essen die Augen nicht.
-
Der Löffel und die Gabel werden weggeschlagen.
-
Der Patient wirft mit dem Essen.
-
Der Patient wirft Lebensmittel eigenmächtig
in den Papierkorb oder entsorgt sie auf andere Weise.
-
Wenn eine Pflegekraft den Verdacht hat, dass
ein Patient die Nahrung verweigert, wird umgehend die
Pflegedienstleitung informiert. Diese leitet die Information ggf. an
den Hausarzt, an den Betreuer und an die Angehörigen weiter.
Informationssammlung
-
Das Ess- und das Trinkverhalten werden genau
beobachtet und dokumentiert. Relevante Kriterien sind:
-
Menge der konsumierten Speisen
-
Zeitdauer der Nahrungsaufnahme
-
verstecken von Nahrungsmitteln
-
verschenken von Nahrungsmitteln
-
Verhalten nach dem Essen, also insbesondere
ein bewusst herbeigeführtes Übergeben
-
Der Patient wird regelmäßig gewogen. Aus dem
Ergebnis und der Körpergröße wird der BMI ermittelt.
-
Gemeinsam mit dem Hausarzt werden häufige
organische Auslöser ausgeschlossen, insbesondere Obstipation und
Magenulzera.
-
Wir erstellen eine Liste, auf der wir die
Reaktionen des Patienten auf bestimmte Lebensmittel dokumentieren. Also
insbesondere, ob der Patient eine bestimmte Speise mag oder ablehnt. In
diese Informationssammlung werden der Patient selbst, seine Angehörigen
und Freunde einbezogen.
-
Wir führen Assessments zur Erfassung einer
Demenz oder Depressionen durch.
Biografiearbeit
Im
Rahmen der Biografiearbeit werden auch alle Daten erhoben, die für die
Ernährung relevant sind; also insbesondere folgende Kriterien:
-
Wie wurde in der Kindheit des Patienten der
Tisch gedeckt? Welche Rituale gab es in der Familie?
-
Welche Gewohnheiten hat der Patient in späteren
Jahren angenommen? Also etwa: Fernsehen oder Zeitung lesen während des
Essens.
-
Gab es zu bestimmten Wochen- oder Festtagen
besondere Gerichte? Also etwa: Fisch am Freitag, Nudelsalat am Heiligen
Abend usw.
-
Welche Speisen mochte der Patient in seiner
Kindheit besonders? Gibt es Speisen, mit denen er besondere
Erinnerungen verbindet?
-
Gibt es religiöse oder weltanschauliche
Vorbehalte gegen bestimmte Speisen? Moslems etwa verweigern oft
Schweinefleisch sowie Lebensmittel mit Alkoholbestandteilen. Vegetarier
lehnen Fleischprodukte ab.
-
Wir beachten: Einstellungen, Vorlieben und
Abneigungen können sich ändern. Die Ernährungsgewohnheiten werden daher
in regelmäßigen Abständen neu erfasst.
Ursachenforschung
-
Wir prüfen, welche Gründe für
Nahrungsverweigerung vorliegen können, etwa:
-
Appetitlosigkeit
-
Übelkeit
-
nachlassende Fähigkeit zu riechen, schmecken
und sehen
-
Angebot von Lebensmitteln, die der Patient
ablehnt oder vor denen er sich sogar ekelt
-
Missachtung anderer biografisch verankerter
Essgewohnheiten (etwa essen allein oder essen in Gesellschaft)
-
Protest gegen Fixierungen
-
mangelhafte Körperhygiene der eingebenden
Pflegekraft und dadurch ausgelöste Ekelgefühle
-
Zahnschmerzen oder schlecht sitzende
Zahnprothesen
-
Schluckbeschwerden, etwa als Folge einer
Seitenstrangangina
-
Infektionen im Mundraum, etwa Soor oder Herpes
-
psychische Beschwerden wie etwa Depressionen
oder Vergiftungswahn
-
versteckte Diät, Magersucht
-
hoher Hilfebedarf beim Essen, den der Patient
als unwürdig empfindet
-
Störfaktoren wie ungünstige
Lichtverhältnisse, laute Geräuschkulisse, unangenehme Gerüche oder
sonstige Unruhe
-
unbewusstes Erzwingen von mehr Aufmerksamkeit
durch Pflegekräfte, Angehörige oder Freunde
-
Wir prüfen, ob andere Ursachen in Betracht
kommen
-
Sodbrennen
-
Aufstoßen, Blähungen oder Völlegefühl
-
Demenz (Beispiel: Der Patient glaubt, dass er
bereits gegessen hat.)
-
Nebenwirkungen von Medikamenten, etwa
-
Antibiotika
-
Anti-Parkinson-Mittel
-
Antihistaminika
-
Antidepressiva
-
Diuretika
-
Opiate
-
Sedativa
-
Zytostatika
-
Achtung: Eine plötzlich auftretende selektive
Nahrungsverweigerung bei bestimmten Speisen kann auf eine körperliche
Erkrankung deuten. Bei einer Erkrankung der Leber und der Gallenblase
zeigen viele Menschen eine Abneigung gegen Nahrungsfette. Bei
Magenkrebs lehnen viele Patienten Fleisch ab.
Durchführung:
Beratung des
Patienten
-
Im persönlichen Dialog mit dem Patienten
versuchen die Pflegekräfte und insbesondere die Bezugspflegekraft, ein
Vertrauensverhältnis aufzubauen.
-
Wir machen dem Patienten klar, welche
körperlichen und seelischen Folgen eine anhaltende Nahrungsverweigerung
auslösen kann.
-
Wir versuchen zu erkennen, mit welchen
Maßnahmen wir den Patienten unterstützen und zu mehr Lebensmut
verhelfen können.
Allgemeines
-
Wir achten darauf, dass das Essen nicht zum
Hauptthema der Kommunikation zwischen Pflegekraft und Patient wird.
-
Wir versuchen, dem dementen Patienten das
Gefühl einer heimischen Umgebung zu vermitteln. Wir nutzen dafür das
Konzept der Milieutherapie.
-
Wir sprechen den Patienten direkt auf sein
Verhalten an. Wir fragen ihn nach seinen Motiven. Mitunter sind
Senioren selbst in fortgeschrittenen Stadien einer Demenz in der Lage,
die Gründe für die Nahrungsverweigerung zu nennen.
-
Wir bitten Angehörige, dem Patienten das Essen
einzugeben oder zumindest beim Essen anwesend zu sein. Ggf. sollten sie
dem Patienten seine Lieblingsspeisen kochen und diese mit in die
Einrichtung bringen.
-
Bei Schwerstpflegebedürftigen und permanent
bettlägerigen Patienten nutzen wir die Möglichkeiten der Basalen
Stimulation (z.B. die Lippen mit dem Lebensmittel bestreichen). Wir
versuchen zu verhindern, dass sich der Patient bedingt durch den Mangel
an Außenreizen in sich zurückzieht und dabei dann auch die
Nahrungsaufnahme verweigert.
-
Beim Eingeben von Speisen werden verschiedene
Regeln strikt befolgt:
-
Wenn der Patient den Mund schließt oder das
Essen ausspuckt, wird er niemals zum Essen gezwungen.
-
Insbesondere wird ihm nicht die Nase
zugehalten, um ein Öffnen des Mundes zu erzwingen.
-
Wir verstecken niemals Medikamente im Essen.
-
Wir achten auf eine ausreichende Trinkmenge, da
Flüssigkeit den Appetit anregen kann.
-
Wir bieten dem Patienten kleine Portionen an.
Große Portionen wirken auf Patienten oftmals abschreckend, da sie diese
nicht komplett verzehren können.
-
Kleine Zwischenmahlzeiten, etwa
Milchmixgetränke, werden von vielen Patienten eher akzeptiert.
-
Die Speisen werden mit Gewürzen und Kräutern
verfeinert. Damit wird die Produktion von Verdauungssäften angeregt.
-
Nach ärztlicher Rücksprache erhält der Patient
ggf. ein kleines Glas Bier, Wein oder Sherry, da geringe Mengen Alkohol
den Appetit anregen.
-
Wir prüfen, ob eine medikamentöse Therapie
sinnvoll ist. So wirkt Cortison in geringer Dosierung Appetit fördernd.
-
Wir prüfen, welche Medikamente den Appetit des
Patienten mindern. Diese Arzneimittel sollten ggf. zu einem anderen
Zeitpunkt verabreicht werden, also insbesondere nicht am Vormittag.
Wichtig: Die Nebenwirkungen vieler Medikamente nehmen zu, wenn durch
eine Exsikkose oder durch eine Niereninsuffizienz der
Medikamentenspiegel im Blut ansteigt.
-
Wenn sich der Patient an Absprachen hält (vor
allem Portionsmengen), wird er dafür ausdrücklich gelobt.
-
Wir stellen die Ernährung nicht unnötig früh
auf halbflüssige Kost um. Patienten sollten erst dann mit Breikost
ernährt werden, wenn eine Versorgung mit festen Speisen nicht mehr
machbar ist. Eine erzwungene Ernährung mit Pudding, Haferschleim und
Kartoffelbrei provoziert eine Nahrungsverweigerung.
-
Wenn der Patient unter Schluckstörungen oder
Mangelernährung leidet, wird geprüft, ob eine Magensonde gelegt werden
sollte. Entscheidungsfähige Patienten müssen dieser Maßnahme zustimmen.
-
Bei nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten
trifft der Betreuer oder ein Richter diese Entscheidung. Grundlage
dafür ist insbesondere eine Patientenverfügung oder der mutmaßliche
Wille des Patienten.
Nahrungsverweigerung
mit dem Ziel, Gewicht abzubauen
-
Falls wir feststellen, dass es sich bei der
Nahrungsverweigerung um eine radikale Diät handelt, suchen wir den
Dialog mit dem Patienten. Sofern es uns nicht möglich ist, ihn von
seinem Plan abzubringen, suchen wir nach Wegen, um die gesundheitlichen
Auswirkungen der Hungerkur zu begrenzen.
-
Im Gespräch mit dem Patienten versuchen wir,
ein persönliches Wunschgewicht festzulegen.
-
Dem Patienten wird nahe gelegt, ein Esstagebuch
zu führen. In diesem werden alle konsumierten Nahrungsmittel
verzeichnet.
-
Wir legen mit dem Patienten einen
Tagesspeiseplan fest. Wir überprüfen, ob dem Patienten die Umsetzung
gelingt.
-
In vielen Fällen verweigern Patienten die
Nahrungsaufnahme nicht vollständig, sondern nur selektiv. Sie
akzeptieren etwa nur kalorienarme Speisen und weisen nährstoffreiche
Lebensmittel zurück. Wir suchen den Dialog mit dem Patienten. Er soll
uns mitteilen, welche Lebensmittel er ablehnt und welche Gründe er
dafür hat.
-
Wir prüfen, ob der Patient ggf. heimlich
Nahrung oder einschlägige Medikamente (etwa Appetitzügler) zu sich
nimmt.
Nahrungsverweigerung
mit suizidaler Intention
-
Wenn ein Patient aus freiem Willen die
Nahrungsaufnahme einstellt und sterben will, wird umgehend eine
Fallbesprechung angesetzt. Daran nehmen neben den Pflegekräften auch
Angehörige und ggf. externe Therapeuten teil. Es ist wichtig, über das
weitere Vorgehen einen breiten Konsens zu erreichen und keinen
Mitarbeiter "allein zu lassen". (Hinweis: Da wir an die Schweigepflicht
gebunden sind, dürfen wir Angehörige i.d.R. nicht über diese
Problematik informieren. Es ist dennoch sinnvoll, hier alle
Ermessensspielräume großzügig auszulegen und Angehörige umfassend in
Kenntnis zu setzen. Falls ein Patient an den Folgen der
Nahrungsverweigerung stirbt, ist ansonsten mit erheblichen Vorwürfen
durch Familienmitglieder zu rechnen.)
-
Wir geben dem Patienten jederzeit die
Möglichkeit, seine Entscheidung zu revidieren. Wir bieten ihm
regelmäßig über den Tag verteilt Nahrungsmittel und Getränke an. Dieses
ständige Anbieten führen wir in jedem Fall fort, auch wenn der Patient
jedes Mal aufs Neue ablehnt.
-
Um dieses permanente Angebot zu ermöglichen,
halten wir rund um die Uhr frisches Obst, Gebäck, Tee, Milchgetränke,
Fruchtsäfte und Wasser bereit.
-
Wenn der Patient aufgrund der Unterernährung
bereits sehr geschwächt ist, achten wir auf nonverbale Kommunikation.
Das Saugen am nassen Waschlappen etwa kann den Wunsch ausdrücken, nun
doch etwas trinken zu wollen.
-
Wir prüfen, ob es notwendig ist, die Einsetzung
eines Betreuers einzuleiten.
-
Wir setzen ggf. die im Standard "Depressive
Störungen und Suizidprävention" beschriebenen Maßnahmen um.
Nahrungsverweigerung
im Sterbeprozess
-
Viele Patienten nehmen im Sterbeprozess keine
Nahrung oder Flüssigkeit mehr zu sich; insbesondere bei einer
demenziellen Erkrankung. In diesem Fall ändert sich unsere pflegerische
Zielsetzung. Die Nahrungs- und die Flüssigkeitsaufnahme treten in den
Hintergrund, da diese den Sterbeprozess unnötig verlängern würden.
Wichtiger wird es, die quälenden Symptome wie die Mundtrockenheit zu
lindern.
Kriterien für das
Wiegen
Es
ist unverzichtbar, das genaue Gewicht des Patienten und eventuelle
Gewichtsschwankungen exakt zu bestimmen. Um dieses zu gewährleisten,
müssen beim Wiegen verschiedene Kriterien erfüllt werden:
-
Es wird stets die gleiche Waage verwendet.
Diese hat eine Genauigkeit von 100g.
-
Es wird stets morgens nach dem Toilettengang
gewogen.
-
Der Patient sollte stets eine vergleichbare
Kleidung tragen, also etwa immer lediglich Unterwäsche.
-
Wir achten darauf, dass der Patient nicht
versucht, vor dem Wiegen größere Mengen Wasser zu trinken, um das
Messergebnis zu verfälschen.
-
Wenn der Patient zu schwach für das Wiegen im
Stehen ist, wird eine Bettwaage genutzt.
Maßnahmen bei
drohender oder einsetzender Kachexie
-
Wenn der Patient über eine längere Zeit die
Nahrung verweigert, droht eine Kachexie. Wir versuchen, dem
körperlichen Verfall entgegenzusteuern.
-
Die Vitaldaten werden regelmäßig ermittelt und
dokumentiert.
-
Alle festgestellten Funktionsstörungen werden
sorgfältig dokumentiert.
-
Der Patient wird nun (soweit möglich) täglich
gewogen.
-
Wenn ein kachektischer Patient den Entschluss
trifft, wieder essen zu wollen, muss die Ernährung vorsichtig
einsetzen. Wichtig ist ein leichtes, aber vollwertiges
Nahrungsaufbauprogramm. Wir arbeiten dafür eng mit der Hauswirtschaft
zusammen.
-
Gemeinsam mit dem Betreuer, dem behandelnden
Arzt und dem Vormundschaftsgericht prüfen wir die Notwendigkeit und
Angemessenheit einer Ernährung per PEG.
-
Wir setzen die Vorgaben des Standards "Pflege
von Patienten mit Untergewicht und Kachexie" um.
Nachbereitung:
Dokumentation
Alle Maßnahmen,
Beobachtungen und Messwerte werden sorgfältig dokumentiert. Dazu zählen
insbesondere:
-
Erst- und Verlaufsmessung des Körpergewichts
-
Allgemeinbefinden
-
Befinden nach der Nahrungsaufnahme
-
Appetit
-
Stuhl
-
Krankheitsverständnis und
Kooperationsbereitschaft
-
Berichte über Beratungsgespräche mit dem
Patienten, dem Betreuer sowie ggf. der Familie. Beschreibung der
Reaktionen
-
genaue Auflistung aller Versuche, dem Patienten
Speisen oder Getränke anzubieten
-
Ernährungsplan, Trinkplan, Trinkprotokolle,
Berichte der Hauswirtschaft über das Essverhalten
-
Dokumentation über die Versorgung mit
Sondenkost
Prognose
-
Viele Gründe für eine Nahrungsverweigerung
verlieren mit der Zeit an Relevanz. Dieses etwa, wenn das Verhalten ein
Zeichen von Trauer nach einem Todesfall ist.
-
Durch die Hypoglykämie kann sich der Patient
schwach fühlen und stürzen. Möglich sind auch Verwirrung, Unruhe und
Aggressivität.
-
Bei einer Trinkverweigerung kann es innerhalb
von 24 Stunden zu einem Nierenversagen kommen.
-
Die Anlage einer Ernährungssonde durch die Nase
ist wenig aussichtsreich, da viele demente Senioren den Schlauch als
Fremdkörper begreifen und versuchen, diesen zu entfernen. Die Anlage
einer PEG wird eher toleriert, da der Schlauch unter der Kleidung
versteckt ist und daher nicht so intensiv wahrgenommen wird.
-
Wenn Patienten die Nahrung verweigern, kann
dieses auch bei Pflegekräften zu Belastungen führen. Um ein Ausbrennen
unserer Mitarbeiter zu verhindern, nutzen wir konsequent das Mittel der
Supervision.
-
In der Sterbephase nehmen die meisten Patienten
keinerlei Nahrung oder Flüssigkeit auf. Die daraus entstehende
Exsikkose erleichtert und beschleunigt den Sterbeprozess. Durch die
Elektrolytverschiebung werden Endomorphine freigesetzt, die
schmerzstillend wirken.
Dokumente:
-
Trink- und Ernährungsprotokoll
-
Ernährungsplan
-
Vitaldatenblatt (Gewicht)
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
-
Pflegekräfte
-
Hauswirtschaftskräfte
-
Logopäden
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