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Standard "Pflege von Senioren mit Trigeminusneuralgie"
Gäbe es eine Hitparade
der stärksten Schmerzen, der Trigeminusneuralgie wäre ein Platz
in den Top-10 sicher. Betroffene berichten von unerträglichen
Attacken, die bis zu 100 Mal pro Tag auftreten. Wir zeigen, wie
Pflegekräfte effektiv helfen können.
Standard "Pflege von Senioren mit
Trigeminusneuralgie
"
Definition:
Die
Trigeminusneuralgie ist ein heftiger einseitiger Gesichtsschmerz,
der anfallsartig auftritt. Die mit einer Trigeminusneuralgie
verbundenen Schmerzen zählen zu den stärksten überhaupt und werden
von Betroffenen als unerträglich beschrieben.
Die meisten
Erkrankten sind älter als 50 Jahre. Frauen sind doppelt so häufig
betroffen wie Männer.
Die
Beschwerden können idiopathisch, also ohne erkennbare Ursache
auftreten. Als mögliche Auslöser werden Kurzschlüsse zwischen
schmerzleitenden Nervenfasern oder Quetschungen des Nervs vermutet.
Die Schmerzbelastung kann aber auch die Folge einer anderen
Erkrankung sein (s.u.).
-
Je nach
betroffenem Nervenast treten die Schmerzen in drei Hauptzonen auf:
Haut der
Augenhöhle und der Stirn
Gesichtshaut unterhalb der Augenhöhle, Nasenschleimhaut,
Oberlippe sowie Zähne des Oberkiefers
Haut des
Unterkieferbereiches, Unterlippe, Zahnfleisch und Zähne des
Unterkiefers
Grundsätze:
Schmerz ist
immer ein subjektives Empfinden. Nur der betroffene Bewohner selbst
kann einschätzen, wie stark die Beschwerden sind und in welchem Maß
er sich schonen will.
Jahrelange
Schmerzen verdunkeln die Seele. Wir gehen entsprechend mitfühlend
mit dem Bewohner um.
Ziele:
Durch eine
angemessene medikamentöse Behandlung werden die Schmerzen auf ein
Minimum reduziert.
Bei
unvermeidbaren Schmerzen schaffen wir ein Umfeld, das die
Belastungen für den Bewohner erträglicher macht.
Vorbereitung:
Wir achten auf die
typischen Symptome, die für eine Trigeminusneuralgie sprechen:
Der Bewohner
klagt über blitzartige und heftige Schmerzattacken. Diese dauern
zumeist nur wenige Sekunden.
Die Attacken
können in Serien bis zu 100 Mal pro Tag auftreten.
Die Schmerzen
können durch Kälte, sprechen oder kauen ausgelöst werden. Die
Attacken werden ggf. auch durch das Berühren bestimmter
Gesichtsbereiche hervorgerufen.
-
Als
Folge der anhaltenden Schmerzbelastung kann es zu verschiedenen
psychischen Folgen kommen, etwa:
Depressionen bis hin zu Suizidtendenzen
Angstzustände
Antriebslosigkeit
Schlafstörungen
körperliche Schwäche
Appetitmangel; der Betroffene vermeidet das Essen aus Angst, mit
dem Kauen eine Attacke auszulösen.
Durchführung:
Pflegemaßnahmen
Wir
berücksichtigen, dass der Bewohner durch die anhaltenden Schmerzen
zermürbt ist. Wir achten auf alle Anzeichen, die auf eine Depression
oder gar Suizidpläne hindeuten.
Uns ist
bewusst, dass die ständigen Schmerzattacken zu einem aggressiven
Verhalten des Bewohners führen können. Wir lassen dem Bewohner dann
mehr Freiraum und wirken beruhigend und verständnisvoll auf ihn ein.
Wir suchen insbesondere den Kontakt zu Angehörigen und Mitbewohnern
und bitten um Verständnis für die unvorhersehbaren
Stimmungsschwankungen.
Wenn das
Sprechen gehäuft Anfälle auslöst, ermöglichen wir es dem Bewohner,
die verbale Kommunikation auf ein Minimum zu reduzieren. Wir stellen
Fragen, die der Bewohner mit einer Geste bejahen oder verneinen kann
("geschlossene Fragen").
Wir sammeln
alle Informationen, die Rückschlüsse auf individuelle Auslöser eines
Anfalls erlauben. So kann z.B. das Berühren der medialen Ober- und
Unterlippe eine Trigeminusneuralgie auslösen ("triggern"). Es kommen
auch vermeintlich abwegige Ursachen in Frage, wie bei manchen
Betroffenen etwa Zugluft. Das Krankheitsbild des Bewohners wird
insbesondere im Rahmen von Fallbesprechungen thematisiert.
Wenn es der
Bewohner wünscht, erhält er Speisen, die er kaum oder gar nicht
kauen muss. Also insbesondere flüssige oder passierte Speisen. Wir
prüfen, ob durch das vermiedene Kauen eine Trigeminusneuralgie
wirklich vermieden werden kann. Wenn eine orale Ernährung deutlich
erschwert ist, prüfen wir die Nutzung einer Magensonde. In jedem
Fall wird der Ernährungszustand des Bewohners, also insbesondere
sein BMI-Wert, engmaschig überwacht. Wenn Kältereize zu einem Anfall
führen, achten wir darauf, dass der Bewohner keine kalten Getränke
oder Speiseeis erhält.
Bei vielen
Betroffenen lösen Körperpflegemaßnahmen wie das Rasieren oder das
Zähneputzen bereits eine Trigeminusneuralgie aus. Wir empfehlen dem
Bewohner, trotz der Schmerzbelastung die Körperpflege nicht zu
vernachlässigen. Wenn die Maßnahme von uns durchgeführt wird, achten
wir darauf, die Gesichtsregion nur sehr vorsichtig zu berühren. Eine
umfangreichere Mundpflege kann durch eine rechtzeitige
Schmerzmittelapplikation erträglich gestaltet werden.
Wir gestalten
das Umfeld des Bewohners nach seinen Wünschen so angenehm wie
möglich, um die Schmerzen erträglicher zu machen.
Ggf.
eingenommene Schmerzmittel können die Reaktionsfähigkeit und den
Gleichgewichtssinn beeinträchtigen. Wir intensivieren daher die
Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe.
Die
Medikamente können zu Müdigkeit und Konzentrationsproblemen führen.
Wir berücksichtigen diese Symptomatik insbesondere bei
Beschäftigungsangeboten.
Wir bitten den
behandelnden Arzt um eine wirksame Bedarfsmedikamentation, um
Schmerzspitzen kompensieren zu können.
ärztliche Therapie
Wir sammeln
wichtige Daten für den behandelnden Arzt, soweit der Bewohner (etwa
aufgrund einer Demenz) Fragen nicht mehr beantworten kann. Relevant
sind etwa zurückliegende Traumata, entzündliche Prozesse sowie
Multiple Sklerose, Tumorwachstum, Herpes zoster, Fehlbildungen im
Kopfbereich oder Fehlstellungen des Kiefergelenks. Wichtig ist auch
eine genaue Abschätzung der Symptomatik, also etwa Sehstörungen,
Gleichgewichtsbeeinträchtigungen usw. Häufig kommt es auch zu
Rötungen im betroffenen Hautbereich, sowie zu einer Sekretion von
Tränen-, Nasen- und Speicheldrüsen.
Carbamazepin
führt bei vielen Betroffenen zu einer deutlichen Schmerzreduktion.
Das Medikament kann aber die Herztätigkeit beeinflussen. Wir achten
daher insbesondere auf Symptome einer Herzrhythmusstörung.
Alternativ
verschreiben viele Ärzte Antiepileptika. Wir achten auf die
entsprechenden Nebenwirkungen des jeweiligen Wirkstoffes, wie etwa
eine sedierende Wirkung bei Barbituraten.
Bei einer
symptomatischen Trigeminusneuralgie unterstützen wir die Behandlung
der auslösenden Grunderkrankung.
Nachbereitung:
Prognose
In vielen
Fällen treten Trigeminusneuralgien nur vorübergehend auf; dieses oft
im Abstand von vielen Monaten oder Jahren.
Anhaltende
Trigeminusneuralgien können in vier von fünf Fällen mit Carbamazepin
behandelt werden, sodass der Bewohner schmerzfrei ist.
Ist eine
medikamentöse Therapie erfolglos, bleibt als letzte Option ein
operativer Eingriff. Dieser ist in 90 Prozent der Fälle dauerhaft
erfolgreich.
weitere Maßnahmen
Die
Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert. Wir berücksichtigen
insbesondere das phasenweise Ansteigen und Nachlassen der
Schmerzbelastung.
Alle
relevanten Beobachtungen werden dem behandelnden Hausarzt
mitgeteilt.
Dokumente:
Pflegeplanung
Berichtsblatt
Dokumentationsbogen "Fragen an den Arzt"
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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