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Standard "akutes Nierenversagen"

"Sie müssen mehr trinken". Selbst das gebetsmühlenartige Wiederholen der Aufforderung fruchtet bei vielen Senioren nicht. Häufige Folge dieser Minderversorgung ist akutes Nierenversagen. Unser Standard zeigt, auf welche Symptomatik Pflegekräfte achten müssen.


Standard "akutes Nierenversagen"


Definition:

  • Ein akutes Nierenversagen (ANV) ist eine plötzlich auftretende, zumeist reversible Niereninsuffizienz, die mit einem Rückgang der Urinmenge auf weniger als 500 ml pro Tag verbunden ist.
  • In der Folge kommt es zu einem Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Blut (sog. „Azotämie“). Ein Nierenversagen führt zur Urämie, also einer Vergiftung des Körpers mit harnpflichtigen Substanzen.
  • Vor allem eine reduzierte Nierendurchblutung oder eine direkte Nierenschädigung führen zu einem Nierenversagen. Je nach Ort der Schädigung werden verschiedene Formen unterschieden:
    • Bei vier von fünf Betroffenen liegt ein prärenales Nierenversagen vor. Dieses ist oft auf eine reduzierte Nierendurchblutung als Folge eines Schocks zurückzuführen (auch „Schockniere“ genannt). Bei vielen Senioren wird dieser Effekt auch durch Exsikkose ausgelöst, z.B. wenn der Betroffene unter Diarrhö, Erbrechen oder Fieber leidet und die Flüssigkeitsverluste nicht entsprechend ausgleicht.
    • Bei einem renalen Nierenversagen kommt es in der Niere zu entzündlichen Prozessen, etwa bei einer Glomerulonephritis. Als Ursache kommen auch Giftstoffe oder Medikamente in Betracht, die die Niere direkt schädigen.
    • Kommt es zu einem beidseitigen Verschluss der ableitenden Harnwege, spricht man von einem postrenalen Nierenversagen. Eine Prostatahypertrophie, Nierensteine oder gynäkologische Tumore lassen den Harn anstauen, der wiederum die Nieren schädigt.
  • Die Stärke der Symptomatik entwickelt sich abhängig vom Verlauf der Erkrankung.
    • In der Schädigungsphase lässt die Urinproduktion nach. Dieser Abschnitt dauert Stunden bis einige Tage.
    • In der oligo- oder anurischen Phase führt die reduzierte Urinmenge zu verschiedenen Komplikationen (s.u.). Diese Phase dauert zumeist rund 10 Tage. Möglich, aber selten sind Zeitspannen von 2 Tagen bis 9 Monaten.
    • In der polyurischen Phase setzt die Urinproduktion wieder ein und steigert sich auf bis zu 5 Liter pro Tag. Es besteht dann das Risiko einer Exsikkose und der Entgleisung des Elektrolythaushaltes. Dieses Stadium hält Tage bis Wochen an.
    • In den folgenden Monaten bis ein Jahr erholt sich die Niere von den Schäden. Die Heilung ist zumeist vollständig, in Einzelfällen kommt es jedoch zu einer Defektheilung.

Grundsätze:

  • Wenn hinreichende Anzeichen für ein akutes Nierenversagen sprechen, wird immer ein Arzt / Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
  • Die schriftliche Patientenverfügung wird beachtet, insbesondere bei einer Reanimation.

Ziele:

  • Ein akutes Nierenversagen wird schnell und korrekt erkannt. Der Bewohner erhält zeitnah die erforderliche ärztliche Versorgung.
  • Komplikationen werden vermieden.
  • Der Bewohner erholt sich so weitgehend wie möglich von den Folgen des Nierenversagens.

Vorbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Wir halten stets aktuelle Fachliteratur zu diesem Thema bereit.
  • Die Urinausscheidung von Bewohnern, bei denen aufgrund des Krankheitsbildes oder des Verhaltens ein akutes Nierenversagen zu befürchten ist, wird genau überwacht.

Symptome

Wir achten auf Symptome, die auf ein akutes Nierenversagen schließen lassen:

  • Der Bewohner scheidet wenig oder gar keinen Harn aus. (Hinweis: Bei 15 Prozent der Betroffenen ist die Harnausscheidung nicht spürbar verändert.)
  • Es bilden sich Ödeme als Folge der unzureichenden Ausscheidung. Betroffen sind insbesondere die Lunge (Lungenödem), das Gehirn (Hirnödem), Arme und Beine (periphere Ödeme) sowie das Herz (Herzinsuffizienz, Hypertonie).
  • Beim Abhören der Lunge ist ein Rasseln hörbar. Der Bewohner klagt über Luftnot.
  • Es kommt zu Krampfanfällen.
  • Es kommt zu Herzrhythmusstörungen als Folge der Hyperkaliämie.
  • Der Bewohner klagt über Übelkeit oder Erbrechen, also klassische Vergiftungssymptome.
  • Der Bewohner ist schläfrig und ggf. auch kurzzeitig benommen.

Durchführung:

Maßnahmen

  • Die Pflegekraft löst über die Rufanlage Alarm aus und ruft weitere Kollegen herbei.
  • Eine Pflegekraft alarmiert den Notarzt.
  • Eine Pflegekraft bleibt permanent beim Bewohner. Der Bewohner wird (soweit möglich) beruhigt.
  • Bei Herz-Kreislauf-Stillstand wird der Bewohner sofort reanimiert. Die Reanimation wird fortgesetzt bis der Notarzt eingetroffen ist oder das Herz des Bewohners wieder schlägt.
  • Der Bewohner wird ins Bett gebracht und mit erhöhtem Oberkörper gelagert (bei einem Schock nur leicht erhöht).
  • Einengende Kleidung wird gelockert oder entfernt.
  • Die Vitaldaten werden ermittelt, insbesondere Puls, Blutdruck, Atmung und Bewusstseinslage.
  • Die Pflegekraft sorgt für Frischluftzufuhr. Ggf. wird ein Fenster geöffnet.
  • Sofern ärztlich angeordnet
    • wird Sauerstoff verabreicht.
    • wird bei einem diastolischen Blutdruckwert über 100 mmHg ein bis zwei Hübe Nitro-Spray unter die Zunge verabreicht.
  • Bei einem kardiogenen Schock und bei einem systolischen Blutdruck unter 100mmHg sind Nitropräparate kontraindiziert.
  • Alle Maßnahmen und Medikamentengaben werden (ggf. formlos) dokumentiert.

Zusammenstellen der Informationen

Direkt nach dem Notruf stellt eine Pflegekraft alle relevanten Informationen zusammen, die für die weitere Behandlung des Bewohners relevant sein könnten, insbesondere:

  • bereits bekannte Schädigungen der Nieren
  • eingenommene Medikamente, insbesondere NSAR, Aminoglykoside oder ACE-Hemmer
  • Wir prüfen, ob der Bewohner vor zwei bis fünf Tagen giftige Pilze konsumiert haben könnte.
  • ggf. Erkrankung an Diabetes mellitus.
  • Personalausweis, KV-Karte, Allergiepass usw.
  • falls Zeit bleibt: alle weiteren im Standard "Krankenhauseinweisung" genannten Daten

weitere Maßnahmen

  • Bei Ankunft des Rettungstransportwagens und des Notarztes wird der Arzt ausführlich eingewiesen.
  • Die Dokumente werden übergeben.
  • Alle weiteren im Standard "Krankenhauseinweisung" beschriebenen Maßnahmen werden umgesetzt.

Nachbereitung:

nach Abfahrt des Bewohners im Rettungstransportwagen

  • Das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
  • Ggf. werden die Angehörigen informiert.

Prognose

  • Die kurzfristigen Überlebenschancen sind abhängig von der Art und der Dauer der Nierenschädigung, dem Alter und dem Allgemeinzustand des Bewohners. Sie liegen durchschnittlich bei 50 Prozent. Viele Betroffene versterben an Infektionen.
  • Die langfristigen Chancen des Bewohners sind davon abhängig, ob es gelingt, die auslösende Grunderkrankung zu therapieren.
  • Wichtig ist zudem, den betroffenen Bewohner sorgfältig zu überwachen und ein Flüssigkeitsdefizit konsequent auszugleichen.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Vitaldatenblatt
  • Medikamentenblatt

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte