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Standard "Noroviren-Infektion (ambulant)"

Bei einer Brechdurchfall-Virus-Infektion entscheidet in erster Linie die sorgfältige Vorbereitung der Pflegekräfte darüber, ob sich die Krankheit eindämmen lässt. Jahr für Jahr vor allem im Herbst und Winter schaffen es die hoch infektiösen und widerstandsfähigen Noroviren, Pflegeteams an den Rand ihrer Kräfte zu bringen.


Standard "Noroviren-Infektion (ambulant)"


Definition:

  • Noroviren (ehemals auch "Norwalk-Viren" genannt), sind neben Rotaviren die häufigsten Auslöser von viralen Schleimhautentzündungen des Magens (Gastritis) und des Dünndarms (Enteritis). Die Viren kommen weltweit vor und zirkulieren ganzjährig in der Bevölkerung. Ein saisonaler Gipfel tritt zumeist in den Monaten Oktober bis März auf.
  • Noroviren verbreiten sich zumeist auf fäkal-oralem Weg. Infektionsquellen sind Stuhl oder Erbrochenes. Ansteckungen werden oftmals von kontaminierten Speisen oder Getränken ausgelöst. In seltenen Fällen überträgt sich der Virus auch auf aerogenem Weg, etwa wenn sich ein Klient übergibt.
  • Die Inkubationszeit beträgt rund 12 Stunden, daher ist die Infektionsquelle oftmals recht leicht zu bestimmen. Bereits beim Auftreten geringer gastrointestinaler Beschwerden besteht schon eine gewisse Ansteckungsfähigkeit.
  • Die hohe Ansteckungsrate erklärt sich durch die immense Viruskonzentration im Stuhl oder im Erbrochenen von Erkrankten sowie durch die geringe infektiöse Dosis, die für eine Ansteckung notwendig ist.
  • Bereits 10 bis 100 Virusteilchen können eine Infektion auslösen. Der Virus überlebt Temperaturen von minus 20 bis plus 60°C.
  • Eine ursächliche Therapie, die die Viren gezielt bekämpft, existiert nicht. Stattdessen achten wir auf körperliche Schonung und vor allem auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
  • Erkrankte sind auch mehrere Wochen nach Abklingen der Symptome potenziell infektiös.
  • Eine Impfung gegen die Infektion ist nicht verfügbar, da der Virus sein Erbgut permanent ändert.
  • Der Virus wird per "Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA)" nachgewiesen. Das System nutzt enzymatische Farbreaktionen.
aktuelle Erweiterung zu "Noro/ Sydney 2012":
  • Aktuell ist ein neuer Noro-Stamm aktiv. Dieser wurde erstmals im Jahr 2012 im australischen Sydney nachgewiesen und verbreitete sich von dort nach Großbritannien, den Niederlanden und Japan. Aufgrund des neuen genetischen Profils ist davon auszugehen, dass gegen diesen Erreger viel weniger Menschen immun sind als gegen bisherige Virustypen.
(Hinweis: Die in diesem Standard definierten Maßnahmen bieten ein sehr hohes Hygieneniveau. Der dafür notwendige Arbeitsaufwand ist jedoch in der pflegerischen Realität nicht immer leistbar und wird auch nicht hinreichend von den Kostenträgern vergütet. Sie sollten daher gemeinsam mit Ihrem Pflegeteam diskutieren, welche zusätzlichen Hygienemaßnahmen bei einer Noro-Infektion notwendig sind. Verzichtbare Sicherheitsvorkehrungen können Sie aus diesem Text streichen.)

Grundsätze:

  • Die korrekte Desinfektion der Hände hat oberste Priorität.
  • Wir arbeiten eng mit dem behandelnden Hausarzt zusammen.

Ziele:

  • Der Noroviren-Ausbruch wird zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eingedämmt. Übertragungen auf Pflegekräfte und Angehörige werden vermieden.
  • Klienten überstehen eine Infektion mit möglichst wenigen Komplikationen. Insbesondere wird eine Dehydratation vermieden.
  • Durch eine gute Pflege und Betreuung werden Schmerzen gelindert.

Vorbereitung:

Organisation

  • Wir halten Flächen- und Hautdesinfektionsmittel bereit, die eine bestätigte Wirkung gegen Noroviren aufweisen. Viele von diesen Produkten sind aggressiver als herkömmliche Desinfektionsmittel. Daher kommen diese Chemikalien nur bei einem Noroviren-Ausbruch oder bei ähnlichen Vorkommnissen zum Einsatz.
  • Wir halten stets ausreichend Schutzkleidung bereit.
  • Die korrekte und sichere Pflege von an Noroviren Erkrankten ist Teil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
  • Wir halten stets aktuelle Literatur zum Thema Noroviren bereit.
  • Wir beschäftigen einen Hygienebeauftragten.
  • Wir arbeiten eng mit Krankenhäusern und Ärzten zusammen, insbesondere in einrichtungsübergreifenden Arbeitsgruppen.
  • Unser Qualitätszirkel beschäftigt sich regelmäßig mit Hygieneproblemen.
  • Wir halten unseren "Hygieneplan Noroviren" stets auf dem aktuellen Stand.

Material

  • Wir halten "Noro-Packs" bereit, mit deren Hilfe wir einen infizierten Klienten für drei Tage versorgen können. Die Packs enthalten alle zusätzlich notwendigen Schutzartikel:
  • 1 Flasche viruzides Händedesinfektionsmittel
  • 3 Beutel viruzides Flächendesinfektionsmittel
  • 3 langärmlige Schutzkittel
  • 10 mehrlagige Mund-Nasen-Masken
  • 10 Paar Einmalhandschuhe

Symptome

  • Wir achten stets auf Frühsymptome, um eine Noroviren-Infektion möglichst rasch zu entdecken. Diese Hinweise sind:
    • ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit abdominalen Schmerzen
    • Kopfschmerzen
    • Übelkeit
    • Mattigkeit
    • erhöhte Temperaturen
  • Im weiteren Verlauf stellt sich die typische Symptomatik einer Noro-Infektion ein. Etwa:
    • schwallartiges Erbrechen und Durchfall 12 bis 48 Stunden nach dem Infektionsbeginn
    • abdominale Krämpfe
  • ggf. leichtes bis mäßiges Fieber

Durchführung:

Händehygiene

  • Die hygienische Händedesinfektion ist von entscheidender Bedeutung, um die Ausbreitung von Noroviren zu stoppen. Alle Pflegekräfte führen nach jedem Ablegen der Einmalhandschuhe und vor Verlassen der Wohnung / des Hauses eine Desinfektion durch. Eine strikte Einhaltung der Einwirkzeit sowie eine ausreichende Menge an Desinfektionsmittel und die korrekte Einreibetechnik sind absolut unverzichtbar.
  • Alle hinreichend orientierten Klienten sowie pflegende Angehörige werden in die Technik der Händedesinfektion eingewiesen. Wir erklären den Ablauf der hygienischen Händedesinfektion, führen diese einmal vor und kontrollieren, ob der Klient und seine Angehörigen diese korrekt durchführen. Hilfreich ist eine Händedesinfektion insbesondere nach Toilettengängen und vor der Nahrungsaufnahme.
  • (Hinweis: Die Händedesinfektion ist ein gravierendes Problem, da alkoholische Desinfektionsmittel bei Noroviren eine sehr begrenzte Wirkung haben. Viele Produkte töten Noroviren nicht ausreichend ab. Stattdessen sollten Desinfektionsmittel mit Ethanol und n-Propanol genutzt werden. Das Desinfektionsmittel muss nach Herstellerangaben gegen Polio- und/oder gegen Adenoviren wirken.)
  • Stark verschmutzte Hände werden vorsichtig und ohne Wasserspritzer gewaschen. Das Waschbecken und ggf. die Umgebung werden danach durch eine Wischdesinfektion gesäubert.
  • Während einer Häufung von Noroviren-Infektionen kommt es zu vermehrten Händedesinfektionen mit zudem aggressiveren Produkten. Daher wird die Haut der Hände größeren Belastungen ausgesetzt. Dieses versuchen wir durch eine intensivere Hautpflege zu kompensieren. Pflegekräfte sollten die Hände mit einer Pflegelotion einreiben und abwarten, bis die Lotion vollständig eingezogen ist. Sie sichern damit die natürliche Geschmeidigkeit und Widerstandskraft der Haut.

Anpassung der Ausstattung:

  • Ggf. prüfen wir, ob ein bereitgestellter Toilettenstuhl sinnvoll ist.
  • Wir stellen sicher, dass Handwaschbecken mit Seifenspendern, Desinfektionsmittel und Einmalhandtüchern ausgestattet sind.
  • Hygieneartikel werden personenbezogen genutzt.
  • Wenn im Haus des Klienten mehrere Badezimmer vorhanden sind, soll der Klient nur noch eines benutzen. Das andere Badezimmer, etwa das Gäste-WC, bleibt Angehörigen und Gästen vorbehalten.

Reinigungsmaßnahmen

  • Pflegekräfte werden über die Noro-Infektion informiert, wenn sie die jeweilige Tour betreuen.
  • Alle Pflegehilfsmittel sind stets personenbezogen einzusetzen und nach der Benutzung zu desinfizieren. Materialien, die nicht desinfiziert werden können, sind nach der Benutzung zu entsorgen.
  • Pflegehilfsmittel wie Haarwaschwannen, Waschschüsseln oder Nierenschalen werden per Wischdesinfektion behandelt, wenn es zu einer Kontamination gekommen ist. Dieses gilt auch für Toilettensitzerhöhungen sowie für Lifter.
  • Empfindliche Geräte wie Stethoskope, Blutdruckmanschetten oder Blutzuckermessgeräte werden mittels Desinfektionstüchern gesäubert. Dieses ist notwendig nach jeder Nutzung, wenn die Geräte bei mehreren Klienten genutzt werden sollen.
  • Abwaschbare Fußböden werden nach einer Kontamination mit einer Wischdesinfektion behandelt. Die Pflegekraft tränkt Zellstoff mit dem Desinfektionsmittel und nimmt damit grobe Verschmutzungen auf. Danach wird die Fläche im Nasswischverfahren desinfizierend gereinigt.
  • Falls Klienten an Noro erkrankt sind, werden die Fahrzeuge entsprechend gereinigt. Die Handgriffe, das Lenkrad, der Schalthebel und alle anderen Kontaktflächen werden mit Desinfektionstüchern gesäubert.
  • Bettwäsche, Handtücher und Unterwäsche werden täglich gewechselt. Sie werden mit 90°C gewaschen.
  • Das Bett, die Bettbügel und der Bettaufrichter werden täglich desinfiziert. Dieses gilt auch für den Nachttisch, den Schrank sowie Stühle und Tische.
  • Verunreinigungen durch Stuhl oder Erbrochenes werden sofort entfernt und die betroffenen Oberflächen desinfiziert.
  • Alle wichtigen patientennahen und -fernen Kontaktflächen werden täglich wischdesinfiziert. Dazu zählen insbesondere Türklinken, Schalter, Klingelknöpfe und kritische Flächen im Badezimmer.
  • Alle benutzten Gegenstände werden täglich per Wischdesinfektion gereinigt.
  • Alle Instrumente, Spritzen oder medizinische Abfälle werden patientennah in dicht verschließbaren Behältern oder in Plastiksäcken verpackt und unverzüglich sorgfältig entsorgt oder der Wiederaufbereitung zugeführt.
  • Die Flächendesinfektion erfolgt entweder mit einem aldehydischen Flächendesinfektionsmittel oder mit einem Sauerstoffabspalter. Die Konzentration und Einwirkzeit gibt der Hersteller vor.
  • Geschirr wird mit mindestens 65°C gesäubert, sofern der Klient über einen Geschirrspüler verfügt.

Schutzkleidung:

  • Einmalhandschuhe sind zu verwenden bei der Grundpflege sowie bei möglichem Kontakt mit kontaminierten Flächen oder Gegenständen. Die Einmalhandschuhe werden spätestens beim Verlassen des Bewohnerzimmers als Abfall entsorgt. Nach jedem Abwurf der Einmalhandschuhe führt die Pflegekraft eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Bei allen Pflegemaßnahmen sind Einmalhandschuhe sowie Schutzkleidung oder ein langärmliger Einmalkittel zu tragen.
  • Um das Verwechseln der Innen- und Außenseite zu vermeiden, kann die Außenseite von Schutzkleidung mit einem wasserfesten Stift markiert werden.
  • Der Kittel wird stets im Klientenzimmer aufgehängt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Innenseite nach außen gewendet wird. (Anmerkung: Dieser Punkt ist umstritten. Einige Hygieneexperten empfehlen das genaue Gegenteil, also die Innenseite nicht nach außen zu schlagen.)
  • Ggf. sollten ergänzend eine Haube und eine Schutzbrille getragen werden, etwa wenn Klienten abgesaugt werden müssen oder diese häufig husten.
  • Ein Mund-Nasenschutz ist zu tragen, wenn das Risiko besteht, mit virushaltigen Tröpfchen in Kontakt zu kommen, z. B. bei Erbrechen oder bei Kontakt mit Erbrochenem.

Zusammenarbeit mit Ärzten, Mithilfe bei der Behandlung von erkrankten Bewohnern:

  • Sofern keine gravierenden Grunderkrankungen vorhanden sind, ist eine symptomatische Therapie ausreichend. Vor allem ist es wichtig, den Flüssigkeits- und den Mineralverlust zu kompensieren. Es gelten daher folgende Standards:
  • Standard "Pflege von Senioren mit Diarrhö (Durchfall)"
  • Standard "Pflege von Senioren bei Erbrechen"
  • Bei schweren Krankheitsverläufen verbunden insbesondere mit Exsikkose ist frühzeitig eine Krankenhauseinweisung in Erwägung zu ziehen.
  • Erkrankte Klienten werden aufgefordert, Bettruhe einzuhalten.
  • Wir führen eine intensive Kontrolle der Vitalfunktionen durch.
  • Alle relevanten Krankenbeobachtungen werden dokumentiert und falls nötig sofort an den behandelnden Hausarzt weitergegeben.
  • Gemeinsam mit dem Hausarzt prüfen wir, ob Elektrolytverluste durch geeignete Infusionen ausgeglichen werden müssen.
  • Wir achten auf eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung von erkrankten Klienten und erstellen ggf. eine Flüssigkeitsbilanz.
  • Krampfartige Bauchschmerzen können durch feuchtwarme Wickel gelindert werden.
  • Gemeinsam mit dem Hausarzt prüfen wir den Einsatz schmerzlindernder Medikamente.

Personalorganisation:

  • Der Kreis der Pflegekräfte, die erkrankte Klienten behandeln, wird möglichst klein gehalten. Wir achten auf eine feste Zuordnung der Pflegekräfte im Rahmen der Bezugspflege.
  • Wenn der Klient von einem mitpflegenden Angehörigen versorgt wird, ist davon auszugehen, dass der Angehörige früher oder später ebenfalls erkranken wird. Wir bereiten uns daher darauf vor, dass wir vorübergehend zusätzliche Aufgaben übernehmen werden.
  • Schwangere Mitarbeiterinnen versorgen keine erkrankten Klienten.
  • Pflegekräfte, die eventuell durch den Kontakt mit infiziertem Kot oder Erbrochenem den Viren ausgesetzt waren, sollten in den folgenden zwei Wochen eine besonders intensive Händehygiene betreiben.
  • Pflegekräfte sollten schon bei geringen Magen-Darm-Beschwerden von der Arbeit freigestellt werden und diese frühestens 48 Stunden nach Abklingen der Symptome wieder aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Virenlast erfahrungsgemäß bereits hinreichend gesunken. Diese Pflegekräfte müssen in den folgenden zwei Wochen besonders streng auf die eigene Hygiene, insbesondere Händedesinfektion, achten.

weitere Maßnahmen:

  • Soweit möglich werden Noroviren-Träger als letzte versorgt, also erst dann, wenn alle nicht infizierten Klienten versorgt wurden. Ggf. wird die Tourenplanung angepasst.
  • Bei Verlegungen - etwa in ein Krankenhaus - wird der Noroviren-Befund in den Begleitunterlagen vermerkt und das zuständige Personal mündlich informiert.
  • Klienten sollten während einer Noroviren-Infektion nur solche Wäsche tragen, die sich mit mindestens 60 °C., besser 90°C. waschen lässt.
  • Wir fordern Klienten auf, Besuche von Angehörigen zu verschieben und diese ggf. telefonisch zu benachrichtigen. Wenn der Klient dazu nicht in der Lage sind, kann das von Pflegekräften übernommen werden.
  • Erkrankte Klienten sollten keine Speisen für andere Familienangehörige zubereiten.
  • Wir informieren erkrankte Klienten und deren Angehörige umfassend über die Infektion und klären sie über alle Maßnahmen auf, die zu ihrem eigenen Schutz und dem der Mitmenschen notwendig sind.

Nachbereitung:

Prognose

  • Die Beschwerden klingen nach 24 bis 48 Stunden wieder ab. Lebensbedrohliche Zustände sind wegen der ggf. hohen Flüssigkeitsverluste möglich. Es besteht das Risiko der Dekompensation des Herz-Kreislaufsystems besonders bei entsprechenden Vorerkrankungen.
  • Eine einmal durchgestandene Infektion bietet keinen Schutz vor einer erneuten Erkrankung.

weitere Maßnahmen

  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Alle Hygienemaßnahmen werden weitergeführt, bis der Klient gesundet ist und zwei weitere Tage vergangen sind. (Hinweis: Zwei Tage sind die Untergrenze; eine längere Sicherheitsspanne kann sinnvoll sein.)

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter