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Standard "Schmerzbekämpfung mit Opioiden (ambulante Pflege)"

So ziemlich alles beim Umgang mit Betäubungsmitteln ist riskant. Selbst geringe Überdosierungen gefährden die Gesundheit des Pflegebedürftigen. Und wenn BtM-Ampullen verschwinden, zerbrechen oder falsch entsorgt werden, steht die Kriminalpolizei in der Tür. Es gibt folglich gute Gründe, sämtliche Abläufe innerhalb des Pflegeteams penibel zu standardisieren.


Standard "Schmerzbekämpfung mit Opioiden (ambulante Pflege)"


Definition:

  • Viele Krankheiten sind mit einer permanent steigenden Schmerzbelastung verbunden. Da mit den Beschwerden auch der Pflegeaufwand steigt, müssen viele zuvor ambulant versorgten Senioren in ein Pflegeheim umziehen. Wir möchten unsere Klienten so lange wie möglich in ihrer eigenen Häuslichkeit versorgen. Dieses auch dann, wenn die Schmerzbelastung so weit angewachsen ist, dass die Anwendung von Opioiden erforderlich wird.
  • Schon vor 6000 Jahren wurde Mohnsaft (Opium) als Schmerz- und Rauschmittel genutzt. Zentraler Inhaltsstoff des Mohnsaftes ist Morphin, ein natürliches Opiat. Dieses bindet sich vorübergehend an die Opioid-Rezeptoren und löst dadurch neben der angestrebten Schmerzlinderung zahlreiche weitere (oft ungewollte) körperliche Reaktionen aus.
  • Um Nebenwirkungen zu reduzieren und die analgetischen Effekte besser zu steuern, wurde die chemische Struktur der natürlichen Opiate mehrfach weiterentwickelt und optimiert. Diese halb- und vollsynthetischen Schmerzmittel werden Opioide genannt. Sie bilden heute die Grundlage der modernen Analgesie:
    • Zahlreiche bekannte Schmerzarten werden deutlich gedämpft.
    • Bei Therapiebeginn ist häufig eine sedierende Wirkung zu beobachten, die sich jedoch nach einigen Tagen reduziert.
    • Bei einer Überdosierung oder bei gleichzeitiger Applikation anderer atemdepressiver Medikamente kann es zu einer Hemmung des Atemzentrums kommen.
    • Der Hustenreflex wird reduziert. Aus diesem Grund wird Codein (ein schwach wirksames Opiat) verschrieben, um quälenden Hustenreiz zu mildern.
    • Das Brechzentrum im Stammhirn wird stimuliert. Viele Patienten klagen daher zu Beginn einer Opioid-Therapie über Übelkeit und Erbrechen.
    • Der Tonus der glatten Muskulatur im Bereich des Magen-Darm-Traktes und der ableitenden Harnwege wird gesteigert. In der Folge kommt es gehäuft zu spastischer Obstipation sowie zu Harnverhalt.
    • Die Stimmung wird verändert. Starke Opioide haben ggf. einen euphorisierenden Effekt. Andere Patienten beschreiben die Wirkung vor allem als entspannend und angstlösend. Einige Betroffene berichten aber auch über einen genau gegenteiligen Effekt, also Angst und Unruhe.
    • Als Folge einer Histaminfreisetzung kann es zu Juckreiz, Bronchialverengung sowie zu einer Weitstellung der Gefäße kommen.
    • Bei längeren Therapien kann eine moderate Toleranzentwicklung hinsichtlich der analgetischen Wirkung eintreten, in deren Folge ggf. auch eine Dosissteigerung erforderlich wird. 
  • Bei Klienten kann durch eine Einschränkung der Nierenfunktion die Ausscheidung der Opioide verlangsamt sein. Dadurch kann es zu einer Überdosierung kommen.
  • Bei Klienten mit Fieber kann eine vorübergehende Dosisanpassung erforderlich sein.
  • Die derzeit angebotenen Opioide sind chemisch miteinander verwandt. Dennoch können die individuelle Schmerzlinderung und die Intensität der auftretenden Nebenwirkungen stark voneinander abweichen. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, bei auftretenden Problemen testweise ein anderes Präparat zu nutzen.
  • Die meisten Opioide und Opiate unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Wir beachten daher den Standard "Umgang mit Betäubungsmitteln".
  • Entscheidend für den Therapieerfolg ist eine fundierte Einweisung der pflegenden Angehörigen. Die Gesetze und Verordnungen sind häufig so kompliziert abgefasst, dass sie von Laienpflegern nicht verstanden werden. Dieses führt zu Unsicherheiten im Umgang mit Betäubungsmitteln. Aus Angst vor juristischen Konsequenzen kann es in Einzelfällen passieren, dass die vorhandenen Optionen zur Nutzung von Betäubungsmitteln nicht vollständig ausgeschöpft werden. Daraus resultiert dann eine Unterversorgung des Klienten.
(Hinweis: In der Altenpflege werden zahlreiche verschiedene Opioide genutzt, deren Wirkungen und Nebenwirkungen ggf. von den hier beschriebenen Eigenschaften abweichen können. Sie sollten daher diesen Standard auf die in Ihrem Pflegedienst genutzten Medikamente anpassen. Es ist sinnvoll, den behandelnden Arzt an diesem Prozess zu beteiligen.)

Grundsätze:

  • Jeder Mensch hat Anspruch auf ein schmerzfreies oder zumindest möglichst schmerzarmes Leben und Sterben.
  • Wir sind uns stets der emotionalen Belastung des Klienten bewusst. Die Opioide schalten den Schmerz nicht gänzlich aus. Gleichzeitig führen sie insbesondere in den ersten Tagen zu massiven Nebenwirkungen. Daher ist es nur verständlich, dass diese Situation auch Auswirkungen auf die Lebensfreude und auf den Kooperationswillen des Klienten hat.
  • Jede Pflegekraft muss sich vor Augen führen, dass die Betreuung von Klienten mit starken Schmerzen immer auch die Grenzen der eigenen pflegerischen Möglichkeiten aufzeigt. Gefühle der Machtlosigkeit sind daher eine zutiefst menschliche Reaktion.
  • Wir arbeiten eng mit den Hausärzten unserer Klienten zusammen. Deren Vorgaben zur Verabreichung und Dosierung werden ohne Abstriche ausgeführt. Jede eigenmächtige Anpassung der Medikamentierung unterbleibt.
  • Schmerzen sind eine subjektive Erfahrung. Wir schenken dem Schmerzempfinden unserer Klienten Glauben.
  • Wir wissen, dass sich die Schmerzschwelle im Alter keineswegs erhöht. Die häufig vertretene Ansicht, dass alte Menschen weniger schmerzempfindlich sind, ist falsch.
  • Wir beachten kulturelle und religiöse Beschränkungen hinsichtlich der Verwendung von Betäubungsmitteln.

Ziele:

  • Der behandelnde Arzt erhält alle Informationen, die für eine effektive Therapie erforderlich sind.
  • Die Schmerzbelastung des Klienten wird so weit wie möglich reduziert.
  • Komplikationen werden rechtzeitig erkannt und angemessen behandelt.
  • Der Klient gewinnt seine Lebensfreude zurück.
  • Der Klient vertraut auf den Erfolg der Therapie. Er ist bereit, kurzfristig auch die erheblichen Nebenwirkungen hinzunehmen.

Vorbereitung:

Organisation

  • Unsere Pflegekräfte werden regelmäßig zum Thema Schmerzen und Schmerzmanagement fortgebildet.
  • Wir halten stets aktuelle Fachliteratur zum Thema Schmerzen bereit.
  • Wir stellen den Kontakt zu Schmerzambulanzen her.
  • Wir passen die Tourenplanung an das Applikationsintervall der Opioide an. Retardierte Opioide sollten immer zum selben Zeitpunkt eingenommen werden, etwa morgens um 8 Uhr und abends um 20 Uhr.

Schulung von pflegenden Angehörigen

Wir prüfen, ob die Voraussetzungen gegeben sind, damit die Angehörigen zum Umgang mit BTM angeleitet werden können.

  • Es gibt einen schriftlichen Behandlungsplan mit eindeutiger Nennung des Medikaments, der Dosis und der Uhrzeit für die Regelmedikation. Für die Bedarfsmedikation sind Indikation, Einzeldosis, Mindestabstand zwischen zwei Applikationen und maximaler Tagesdosis definiert.
  • Die Angehörigen sind ausreichend zuverlässig, kompetent und lernfähig. 
  • Eine 24h-Erreichbarkeit des Arztes zur Beratung der Angehörigen ist sichergestellt.
  • Gemeinsam mit dem Arzt werden die Angehörigen dann in folgende Themenbereiche eingewiesen:
    • Erläuterung der Medikamentenapplikation 
    • Hinweise zur Medikamentenlagerung
    • Empfehlung zur Dokumentation der Medikamentenapplikation
    • Empfehlung zur Beurteilung der Wirksamkeit 

Vorbehalte gegen die Anwendung von Opioiden

  • Viele Klienten, aber auch deren Angehörige, lehnen die Anwendung von Opioiden ab. Wir informieren die Betroffenen und versuchen, unzutreffende Ängste abzubauen.
    • Die Angst vor einer Suchtentwicklung ist unbegründet. Da die euphorisierende Wirkung von Opioiden bei Schmerzpatienten i.d.R. ausbleibt, wird der Klient keine Abhängigkeit entwickeln. Eine langsame Dosisreduzierung am Ende der Therapie senkt das Risiko zusätzlich.
    • Eine Atemdepression ist nicht zu befürchten, da die Dosis vom behandelnden Arzt individuell angepasst wird. Die Wirkstoffmengen werden stets so niedrig wie möglich gewählt.
    • Viele Betroffene haben Angst davor, dass die Sedierung soziale Kontakte unmöglich macht. Wir verdeutlichen dem Klienten, dass dieser Effekt nach wenigen Tagen nachlässt. Tatsächlich erleichtern Opioide sogar die soziale Interaktion, da der Klient nun schmerzfrei ist und sich auf sein Gegenüber konzentrieren kann.
    • Tatsächlich ist es im Laufe der Opioidtherapie ggf. erforderlich, die Dosis zu erhöhen. Dieses liegt einerseits daran, dass die Medikamente oftmals kontinuierlich an Wirkung verlieren. Ein weiterer Grund ist, dass die auslösende Krankheit fortschreitet und somit auch die Schmerzintensität zunimmt. Anders als viele Betroffene befürchten, ist aber die Dosiserhöhung medizinisch sinnvoll. Sie gefährdet weder das Leben des Klienten, noch wird die Lebenserwartung reduziert.
    • Wir verdeutlichen dem Klienten zudem, dass Opioide nicht nur dann verwendet werden, wenn es "dem Ende entgegen geht". Tatsächlich werden diese Wirkstoffe heute bei allen starken Schmerzen eingesetzt, und das unabhängig von der Prognose.

Indikationen / Kontraindikationen

  • Wir prüfen gemeinsam mit dem Hausarzt, ob die Nutzung von Opioiden angemessen ist. Dieses ist i.d.R. der Fall bei chronischen Schmerzen, die mit leichteren Analgetika nicht ausreichend behandelt werden können. Also etwa:
    • nach operativen Eingriffen
    • bei Lungenödemen
    • bei Tumorerkrankungen
    • bei Verbrennungen
    • bei Osteoporose
    • bei anderen extremen Schmerzen
  • Verschiedene Schmerzen sprechen nicht oder nur eingeschränkt auf Opioide an, etwa:
    • Muskelschmerzen, die als Folge von Verspannungen entstehen
    • neurogene Schmerzen
    • Phantomschmerzen
    • Schmerzen durch Knochenmetastasen
  • Wir prüfen, ob es Faktoren gibt, die gegen die Nutzung von Opioiden sprechen. Wir stellen sicher, dass der Hausarzt über alle Informationen verfügt. Dieses ggf. auch dann, wenn der Klient diese aus Scham verschweigt. Relevant sind etwa:
    • schwere Beeinträchtigung der Funktion des zentralen Nervensystems
    • Beeinträchtigung der Atemfunktion (z.B. durch andere medizinische Behandlungen, Harnvergiftung oder ernste Infektionen)
    • Opiatabhängigkeit
    • Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch
    • langsamer unregelmäßiger Herzschlag (Bradyarrhythmie)
    • Bewusstseinsstörung
    • bekannte Unverträglichkeit gegenüber Opioiden
    • Gallengangsobstruktion
    • Prostatahyperplasie mit Restharnbildung
    • Einnahme von Barbituraten, Buprenorphin, Nalbuphin oder Pentazocin
    • Lungenerkrankungen (z.B. chronisch obstruktive Bronchitis, Bronchialasthma, stark begrenzte Atemreserve)
    • eingeschränkte Leber- oder Nierenfunktion
    • starke körperliche Schwächung, sehr geringes Körpergewicht
    • Erkrankungen, die zur Ermüdung und zur Schwäche der Muskeln führen (Myasthenia gravis)
    • Kopfverletzung, Hirntumor oder Anzeichen von erhöhtem Hirndruck, Bewusstseinsstörungen oder Bewusstlosigkeit

Durchführung:

Organisation

  • Wir achten auf Hinweise dafür, dass der Klient Opioide hortet. Dieses etwa, weil er einen Suizid plant oder weil er die Medikamente weiterverschenken bzw. weiterverkaufen will.
    • Bei chronischen Schmerzen müssen Opioide nach einem strikten Zeitplan verabreicht werden. Es kann dann für Angehörige ggf. notwendig sein, den Klienten nachts für die Applikation zu wecken. Falls möglich nutzen wir daher retardierte Präparate.
    • In den ersten Tagen der Therapie müssen Puls, Blutdruck und Atmung besonders engmaschig überprüft und dokumentiert werden.
    • Wir bitten den behandelnden Arzt um die Verschreibung einer Bedarfsmedikation, um auftretende Schmerzspitzen zu kompensieren (auch "incident pain" oder "Durchbruchschmerzen" genannt). Die Verschreibung muss regelmäßig aktualisiert werden. Wenn also die Regeldosierung gesteigert wird, muss auch die Bedarfsmedikation erhöht werden.
    • Der Klient wird gebeten, sich bei Unwohlsein sofort beim Pflegedienst oder beim Arzt zu melden.
    • Wir erfassen regelmäßig die Vitalfunktionen, also insbesondere Puls, Blutdruck und Atmung. Der behandelnde Arzt wird informiert, wenn der Klient Fieber hat.
    • Alle Opioide müssen vor dem Zugriff Dritter geschützt werden. Es muss vor allem sichergestellt werden, dass Fentanyl-Sticks nicht in die Hände von kleinen Kindern geraten, da diese den Stick mit einem normalen Lutscher verwechseln.
    • In keinem Fall sollte der Klient die Opioid-Therapie ohne vorherige Rücksprache mit dem behandelnden Mediziner abbrechen. Wenn der Klient die Einnahme anhaltend verweigert, wird unverzüglich der Arzt informiert.
    • Opioide müssen stets ausgeschlichen werden; dieses auch nach einer vergleichsweise kurzen Therapie.
    • Einige Präparate haben bei oraler Applikation einen bitteren Geschmack. Viele Betroffene verdünnen den Wirkstoff daher z.B. mit Orangensaft.
    • Das Gewicht des Klienten wird regelmäßig erfasst. Die vom Hersteller empfohlene Dosis ist häufig berechnet für einen Menschen mit rund 70 kg Körpergewicht. Viele Klienten sind aber nach langer Erkrankung leichter. Es kann dann u.U. zu einer Überdosierung kommen. Daher wird der behandelnde Arzt zeitnah über Gewichtsschwankungen informiert.

Anwendungsformen:


Nutzung von Fentanylpflastern

  • Fentanylpflaster haben eine Wirkungsdauer von drei Tagen. Sie geben den Wirkstoff langsam und kontinuierlich an die Haut ab. Von dort wird das Medikament dann über die Blutbahn im ganzen Körper verteilt. Sie sind ideal bei gleichmäßiger Schmerzbelastung ohne Schmerzspitzen.
  • Die Klebestelle sollte sich auf dem Oberkörper befinden. Das Areal sollte möglichst unbehaart sein. Ggf. können störende Haare geschnitten, aber nicht rasiert werden.
  • Die Hautstelle darf keine Schnittwunden, Flecken oder andere Hautschäden aufweisen. Der Hautbereich darf nicht im Zusammenhang mit einer Strahlentherapie bestrahlt worden sein.
  • Muss die Haut gesäubert werden, verwenden wir Wasser. Wir nutzen keine Seife, Öl, Lotionen, Alkohol oder andere Reinigungsprodukte, die die Haut reizen können. Die Haut muss absolut trocken sein, bevor das Pflaster aufgeklebt wird.
  • Beim Hantieren mit Fentanylpflastern trägt die Pflegekraft Einmalhandschuhe.
  • Die Pflegekraft klebt das Pflaster sofort nach der Entnahme aus der Verpackung auf. Nach dem Entfernen der Schutzfolie presst die Pflegekraft das Pflaster mit der Handfläche für rund eine halbe Minute fest auf die dafür vorgesehene Stelle. Sie stellt sicher, dass das gesamte Pflaster Kontakt mit der Haut hat. Die Pflegekraft achtet sorgfältig darauf, dass das Pflaster an den Rändern gut haftet.
  • Bei erstmaliger Nutzung vergehen acht bis zwölf Stunden, ehe die Schmerzlinderung eintritt. Erst nach 24 bis 48 Stunden ist eine konstante Plasmakonzentration des Wirkstoffes gegeben. In diesem Zeitraum sollte daher die perorale Therapie fortgeführt werden.
  • Wenn ein Pflaster nicht die erwünschte Wirkung bringt, können ggf. auch mehrere Pflaster gleichzeitig aufgeklebt werden.
  • Bei jeder Pflasterapplikation wird die Hautstelle gewechselt. Eine Hautstelle sollte erst nach sieben Tagen erneut für eine Applikation genutzt werden.
  • Die Pflaster dürfen nicht beschädigt oder zerschnitten werden. Diese Vorgabe darf nur dann übergangen werden, wenn das Zerschneiden laut Beipackzettel ausdrücklich erlaubt ist.
  • Beschädigte Pflaster werden verworfen. Gebrauchte Pflaster werden mit den Klebeflächen aneinander geklebt und mit dem Hausmüll entsorgt.
  • Der Klient sollte nicht auf dem Pflaster liegen. Dieses könnte die Absorptionsrate beeinflussen.
  • Der Klient sollte das aufgeklebte Pflaster keiner direkten Hitze aussetzen, also elektrischen Wärmedecken, Wärmflaschen, Sauna, Solarium usw. Wärme erhöht die Resorption, steigert den Plasmaspiegel samt Nebenwirkungen und erhöht das Risiko einer Vergiftung.
  • Eine optimale Aufnahme des Wirkstoffes ist nur bei einem normalen Ernährungszustand gegeben, ansonsten ist die Resorption ungleichmäßig und schlecht vorherzusagen. Dieses gilt für adipöse Klienten ebenso wie für kachektische Klienten ohne subkutanes Fett.
  • Ein Aufenthalt im Freien ist auch im Sommer möglich. Die Pflegekraft achtet jedoch darauf, dass das Pflaster mit Kleidung geschützt wird und klärt auch ggf. die Angehörigen darüber auf.
  • Nach Entfernung des Pflasters klingt die Plasmakonzentration erst nach einigen Tagen wieder ab, da die Haut eine Depotfunktion hat. Dieses muss eingerechnet werden, wenn von Pflastern auf andere Applikationsformen umgestellt werden soll. Es kann zu schlecht steuerbaren Vergiftungen kommen.

Nutzung von fentanylhaltigen Sticks

  • Viele Klienten leiden unter plötzlich auftretenden Schmerzspitzen, die mit der regulären Schmerztherapie nicht kompensiert werden. In diesen Fällen können fentanylhaltige Sticks genutzt werden.
  • Der Vorteil dieser Applikationsform ist, dass sich mit vergleichsweise geringen Dosierungen eine große Wirkung erzielen lässt.
  • Der Stick wird dem Klienten im Mund an die Wange gelegt und mit Hilfe des Applikators im Mund hin und her bewegt, um den Kontakt der Schleimhaut mit dem Wirkstoff zu erhöhen.
  • Der Klient soll ggf. an dem Stick lutschen, ihn aber nicht kauen, da die Resorption von Fentanyl über die Wangenschleimhaut schneller erfolgt als über den Magen-Darm-Trakt.
  • Klienten, die unter Mundtrockenheit leiden, sollten die Wangenschleimhaut mit Wasser anfeuchten.
  • Der Stick wird über einen Zeitraum von 15 Minuten angewendet. Wenn Symptome übermäßiger Opioid-Wirkung auftreten, bevor der Stick vollständig aufgelöst ist, sollte der Stick sofort aus dem Mund entfernt werden. Wir prüfen dann, ob die Dosierung reduziert werden sollte.
  • Der rasche Wirkungseintritt kann bei Betroffenen ein kurzes Glücksgefühl auslösen. Dieser Effekt erhöht das Risiko einer Suchtentwicklung.

Beobachtungen von erwünschten und unerwünschten Wirkungen:


sedierende Wirkung

  • Insbesondere zu Beginn der Behandlung klagen viele Klienten darüber, dass sie sich "ruhiggestellt" fühlen. In der Folge kann der Kooperationswille nachlassen. Pflegekräfte müssen daher damit rechnen, dass insbesondere die Mobilisierung mühseliger werden wird.
  • Dieser Effekt wiederholt sich jedes Mal, wenn aufgrund des Wirkungsverlustes die tägliche Dosis erhöht werden muss.
  • Wenn die Behandlung erstmals durchgeführt wird, ist damit zu rechnen, dass der Klient viel schläft. Dieses ist nur teilweise eine Nebenwirkung der Opioide. Häufig litten Klienten im Vorfeld unter Schlaflosigkeit, die durch die Schmerzen verursacht wurde. Dieses Defizit wird nun abgebaut.
  • Wenn sich das Ruhebedürfnis tatsächlich dauerhaft erhöht, prüfen wir gemeinsam mit dem Klienten, wie die zusätzlichen Schlafzeiten über den Tag verteilt werden. Es sollte vermieden werden, dass der Klient wichtige Termine verschläft. Die soziale Interaktion mit Nachbarn, Freunden und Angehörigen sollte nicht unnötig beeinträchtigt werden.
  • Ggf. sollte die Dosierung überprüft werden. Viele Betroffene sind bereit, mehr Schmerzen zu ertragen, wenn sie dafür den Tag nicht permanent schläfrig sind.
  • Die sedierende Wirkung erhöht die Sturzgefahr. Daher müssen die im entsprechenden Prophylaxestandard beschriebenen Maßnahmen sorgfältig umgesetzt werden. Vor allem darf der Klient nicht allein aufstehen.
  • Letztlich lassen sich viele dieser Probleme durch eine sorgfältige Dosierung vermeiden.

Übelkeit

  • Rund jeder fünfte Nutzer von Opioiden klagt über Übelkeit und Erbrechen. In den meisten Fällen klingen die Beschwerden innerhalb von zwei bis drei Tagen ab.
  • Wenn die Belastung für den Klienten so groß wird, dass ein Therapieabbruch droht, sollte die Übelkeit mittels Antiemetika behandelt werden. In vielen Fällen werden die Antiemetika vorsorglich gleich für die ersten 10 bis 14 Tage der Opioidtherapie verschrieben.
  • Oft verstärken Antiemetika die sedierende Wirkung der Opioide.
  • Wenn die Übelkeit nach Ablauf von zwei Wochen erneut auftritt, muss geprüft werden, ob andere Ursachen dafür in Frage kommen.

Atemdepression

  • Bei einer Überdosierung kann eine atemdepressive Wirkung eintreten. In der Praxis jedoch sind Probleme eher selten, da die Schmerzen die Atmung intensivieren. Trotzdem werden die Vitalfunktionen insbesondere direkt nach der Applikation sorgfältig überwacht. Eine besonders engmaschige Kontrolle ist auch sinnvoll, wenn die Dosis erhöht wurde.
  • Besondere Vorsicht ist angezeigt, wenn der Klient unter obstruktiven Atemwegserkrankungen leidet. Riskant ist auch die parallele Einnahme von zentral dämpfenden Psychopharmaka, wie etwa Neuroleptika, Antidepressiva oder Tranquillanzien.
  • Das Risiko ist ebenfalls abhängig von der Verabreichungsform:
    • Die orale Verabreichung ist unproblematisch, sofern die Dosis individuell angepasst wurde und die Atmung des Klienten bislang unauffällig war.
    • Eine intravenöse Verabreichung per Infusion ist ebenfalls risikoarm. Dennoch sollte die Atmung engmaschig überwacht werden. Bei Veränderungen ist umgehend der Arzt zu informieren, damit dieser ggf. ein Gegenmittel injizieren kann.
    • Die intravenöse Applikation mittels Bolus ist riskant, da der Morphinspiegel schnell ansteigen kann ("Bolus" = große Arzneistoffmenge, die schnell appliziert wird).
  • Aus dem atmungsdepressiven Effekt resultiert auch ein erhöhtes Pneumonierisiko. Die Vorgaben des entsprechenden Prophylaxestandards werden sorgfältig umgesetzt.
  • Die Pflegekraft beachtet, dass der Klient beim Auftreten einer Atemdepression keine Atemnot verspürt und sich daher nicht selbstständig melden wird.

Obstipation

  • Fast alle Anwender von Opioiden klagen über Obstipation. Daher sollte zeitgleich mit dem Beginn der Opioidtherapie eine regulierende Therapie begonnen werden.
  • Die im Standard "Obstipationsprophylaxe" beschriebenen Maßnahmen werden sorgfältig umgesetzt. Insbesondere sollte der Klient ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen und auf den Genuss von Quellstoffen verzichten.
  • Wir bitten die Angehörigen dafür zu sorgen, dass ausgewogene Kost mit vielen Ballaststoffen vorhanden ist, z.B. frisches Obst, Salat und Gemüse.
  • Die Stuhlfrequenz und die Stuhlkonsistenz werden überwacht. Ein täglicher Stuhlgang ist ideal, ein zwei- bis dreitägiges Intervall ist noch im Rahmen des Akzeptablen.
  • Eine einsetzende Obstipation wird gemäß Standard und ärztlichen Vorgaben behandelt.

Harnverhalt

  • Opioide können zur Kontraktion des Blasenschließmuskels führen und somit einen Harnverhalt auslösen. Gleichzeitig wird der Tonus der Harnblasenmuskulatur erhöht.
  • Normalerweise würde eine Überfüllung der Blase zu Schmerzen führen. Diese Beschwerden allerdings werden durch die Opioide gedämpft.
  • Wenn ein Klient über Beschwerden im Unterbauch klagt, sollte stets an einen Harnverhalt gedacht werden.
  • Pflegekräfte sollten daher darauf achten, dass der Klient regelmäßig Wasser lässt.

Opiatvergiftung

  • Wir achten auf Anzeichen, die auf eine Vergiftung / Überdosierung schließen lassen. In diesem Fall wird sofort der Notarzt gerufen.
  • Anzeichen einer Überdosierung:
    • kalte und feuchte Haut
    • Verwirrtheit, Nervosität, Unruhezustände, schwere Somnolenz
    • Atemdepression. Der Klient atmet sehr flach und weniger als achtmal pro Minute
    • Muskelzuckungen
    • paradox auftretende Hyperalgesie, also eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei Reizen, die normalerweise keine Beschwerden verursachen (Beispiel: Kontakt mit Kleidungsstücken)
    • zerebrale Krampfanfälle
    • Bradykardie
    • Zyanose als Folge einer zentralen Atemlähmung
    • Ansammlung von Bronchialsekret als Folge der Dämpfung des Hustenreflexes
    • Hypothermie, also ein Abfall der Körpertemperatur
    • reduzierte oder fehlende Darmtätigkeit
    • zunächst Miosis, also eine Verengung der Pupillen als Folge von Sauerstoffmangel und Blutdruckabfall
    • dann Mydriasis, Pupillenerweiterung

Nachbereitung:

  • Wir führen eine sorgfältige Krankenbeobachtung durch, um Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und den Grad der Schmerzbekämpfung zu erfassen.
  • Wir bitten den Klienten, ein Schmerzprotokoll zu führen. Ggf. assistiert die Bezugspflegekraft.
  • Uns ist bewusst, dass die Versorgung von Klienten mit chronischen Schmerzen eine erhebliche mentale Belastung für die Pflegekraft darstellt. Wir achten daher darauf, dass diese Betroffenen im Rahmen der Zuteilung der Bezugspflegekraft gerecht "verteilt" werden.
  • Der Zustand des Klienten wird immer wieder im Rahmen von Fall- und Teambesprechungen thematisiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.

Dokumente:

  • Leistungsnachweis
  • Berichtsblatt
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter