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Standard "Pflege von Senioren mit einer chronischen Pankreatitis"

Der Preis ist hoch, den viele Alkoholiker für jahrzehntelangen Konsum zahlen müssen. Die Gesundheit ist ruiniert, familiäre Bindungen sind zerbrochen und das Selbstwertgefühl liegt am Boden. An diesem Zustand können Pflegekräfte wenig ändern, da betroffene Senioren selbst in dieser Lage zumeist nicht fähig oder willens sind, sich der Sucht zu stellen. Am Beispiel einer chronischen Pankreatitis zeigen wir Möglichkeiten und Grenzen pflegerischer Intervention auf.


Standard "Pflege von Senioren mit einer chronischen Pankreatitis"


Definition:

  • Die Bauchspeicheldrüse ("Pankreas") bildet Verdauungsenzyme und gibt diese in den Zwölffingerdarm ab. Die in ihr enthaltenen Langerhans-Inseln sind zudem wichtig für die Regulation des Blutzuckerspiegels.
  • Bei einer chronischen Pankreatitis ist die Bauchspeicheldrüse chronisch entzündet. Das Pankreasgewebe wird im Verlauf der Erkrankung zunehmend zu Bindegewebe umgebaut. Die Krankheit kann gleichmäßig oder in Schüben fortschreiten.
  • Es kommt zum Funktionsverlust des Pankreas mit einem Defizit an Verdauungsenzymen und später auch Insulinmangel.
  • Verschiedene Komplikationen können auftreten, etwa eine Stenose von Pankreas- oder Gallengang mit auftretendem Ikterus, Milz- und Pfortader-Venenthrombose, Bildung von Pseudozysten, Abszessen oder Fisteln.
  • Betroffen sind zumeist Männer. Zentraler Auslöser für eine Pankreatitis ist langjähriger Alkoholmissbrauch. 70 bis 80 Prozent aller Erkrankten sind alkoholabhängig.

Grundsätze:

  • Wir dulden keine Denkansätze, die eine chronische Pankreatitis als verdiente Strafe für frühere Alkoholexzesse werten.
  • Ohne den Verzicht auf Alkoholkonsum wird jede Therapie zwangsläufig scheitern.

Ziele:

  • Die Schmerzbelastung wird reduziert.
  • Die nachlassende Leistungsfähigkeit der Pankreas wird durch eine angemessene Substitution von Pankreasenzymen und Insulin kompensiert.
  • Das Fortschreiten der Erkrankung wird verzögert und die Häufigkeit der Krankheitsschübe wird vermindert.
  • Komplikationen werden vermieden.
  • Dem Bewohner sind die Risiken bewusst. Er weiß, mit welchen gesundheitlichen Folgen der regelmäßige Alkoholkonsum verbunden ist.

Vorbereitung:

Wir achten auf Symptome, die für eine sich entwickelnde chronische Pankreatitis sprechen. Bei hinreichendem Verdacht wird der Hausarzt über unsere Beobachtungen informiert.

  • heftige Schmerzen, die einige Stunden oder Tage anhalten und gürtelförmig in den Rücken und auch in die Schultern ausstrahlen
  • verstärkte Symptomatik im Anschluss an fette Mahlzeiten oder Alkoholkonsum
  • Druckschmerz im Oberbauch
  • Bewohner nimmt eine typische, gekrümmte Schonhaltung im Bett ein
  • oftmals mehrtägige Nahrungskarenz
  • Diarrhöe (Durchfall)
  • lehmfarbiger, breiiger und stinkender Stuhlgang
  • Steatorrhö (sog. "Pankreasstuhl" oder "Fettstuhl")
  • Meteorismus (sog. "Blähsucht")
  • Gewichtsverlust, Abmagerung
  • typische Diabetes-mellitus-Symptome

Durchführung:

Pflegemaßnahmen während eines Schubes

  • Je nach Schwere des Schubes ist es erforderlich, den erkrankten Bewohner in ein Krankenhaus einzuweisen.
  • Wir bitten den behandelnden Hausarzt um die Verschreibung geeigneter Analgetika. (Hinweis: Oftmals sind sehr hohe Dosen für eine hinreichende Schmerzbefreiung erforderlich. Als Nebenwirkungen treten dann gehäuft Schwindel, Benommenheit, Übelkeit und Blutdruckabfall auf. Es besteht dann das Risiko, dass diese Symptomatik verwechselt wird mit den Anzeichen für sich entwickelnde Komplikationen.)
  • Ggf. können warme Wickel die Schmerzbelastung senken.
  • Wir prüfen, welche Lagerungspositionen die Bauchdecke entspannen.
  • Falls der Bewohner wegen der Schmerzbelastung vorübergehend bettlägerig wird, werden die entsprechenden Prophylaxen intensiviert, insbesondere die Dekubitus- und die Pneumonieprophylaxe. Zudem wird der Bewohner auf Hilfe bei der Grundpflege angewiesen sein.
  • Oftmals sind die Beschwerden so unerträglich, dass der Bewohner über Tage keine Nahrung zu sich nehmen möchte. Nach dem Abklingen des Schubs muss die Kost vorsichtig wieder aufgebaut werden.

Ernährung

Gemeinsam mit der Hauswirtschaft und ggf. einer Diätassistentin passen wir die Ernährung des Bewohners an:

  • Wir fragen den Bewohner, welche Speisen er aus eigener Erfahrung nicht verträgt. Dieses können z.B. auch Milch oder Süßspeisen sein.
  • Statt wie üblich drei große Mahlzeiten pro Tag sollte der Bewohner 6 bis 8 kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen.
  • Der Bewohner soll sich kohlenhydrat- und eiweißreich ernähren. Pro Tag sollten 100 bis 120 Gramm Eiweiß konsumiert werden. Die Menge der zu verzehrenden Kohlenhydrate ist abhängig von der Leistungsfähigkeit der Langerhans-Inseln (Insulinproduktion).
  • Die Fettzufuhr wird auf 20 bis 25 Prozent des täglichen Energiebedarfs reduziert. (Hinweis: Viele betroffene Senioren vertragen fettreiche Ernährung ohnehin nicht mehr und meiden diese selbständig.)
  • Der Bewohner soll langkettige Triglyceride durch mittelkettige ersetzen, da diese leichter absorbiert werden. Er kann also etwa sog. "MCT-Margarine" oder "MCT-Öle" (Verkauf in Reformhäusern) nutzen.
  • Der Bewohner erhält vor jeder Mahlzeit Pankreasenzym-Präparate. (Hinweis: Viele Betroffene essen weiterhin sehr fettreich und glauben dieses Verhalten durch den Konsum von noch mehr Pankreasenzymen kompensieren zu können. Dieses ist jedoch nicht möglich.)
  • Wir stellen eine ausreichende Versorgung mit fettlöslichen Vitaminen sicher, insbesondere mit den Vitaminen A-E-D-K.
  • Der Bewohner soll ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, zumeist also mindestens zwei Liter. Er muss Kaffee und Tee meiden.

weitere Maßnahmen

  • Der Bewohner wird aufgefordert, den Alkoholkonsum komplett einzustellen. Dieses auch in den beschwerdefreien Intervallen. Die Vorgaben des Standardpflegeplans "Alkoholsucht" werden umgesetzt.
  • Wir schaffen für den Bewohner eine möglichst stressarme Umgebung und sorgen für regelmäßige Erholungsphasen. Wir leiten den Bewohner dazu an, mentalen Belastungssituationen konstruktiv zu begegnen. Wir vermitteln ihm dazu Entspannungstechniken, etwa Autogenes Training.
  • Der Bewohner wird dazu angeleitet, die eigene Stuhlausscheidung zu beobachten. Wenn er voluminöse, fettig glänzende und übelriechende Fettstühle absetzt, ist dieses ein Anzeichen für eine Zunahme der Maldigestion (mangelnde Verdauung durch fehlende Pankreasenzyme).
  • Eine Gesundung kann nur gelingen, wenn der Bewohner seine Lebensweise komplett umstellt und insbesondere auf bevorzugte Speisen und Alkohol verzichtet. Diese Veränderungen sind mental sehr belastend und gelingen zumeist nur dann, wenn der Betroffene in ein soziales Netzwerk integriert ist. Wir fördern daher die Erhaltung familiärer Kontakte auch nach dem Einzug in unsere Pflegeeinrichtung. Wir verdeutlichen den Angehörigen die immense Bedeutung dieser Unterstützung und Motivation.

Nachbereitung:

Prognose

  • Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann aufgrund der Schädigung der Pankreas eine Insulintherapie erforderlich werden.
  • Die Überlebenschancen des Bewohners sind davon abhängig, ob dieser die Ernährungsempfehlungen einhält und auf jeden Alkoholkonsum verzichtet. Im Durchschnitt überleben nur 50 Prozent der Betroffenen die ersten zehn Jahre nach der Diagnosestellung.
  • Eine vollständige Genesung ist nicht möglich. Eine sich entwickelnde chronische Pankreatitis kann auch durch einen generellen Verzicht auf Alkohol nicht mehr zur Abheilung gebracht werden. Es ist lediglich mit einem deutlich verlangsamten Fortschreiten der Erkrankung zu rechnen.
  • Eine chronische Pankreatitis ist ein Risikofaktor für die Entstehung eines Pankreaskarzinoms.
  • In vielen Fällen treten Komplikationen auf, die auf eine konservative Therapie nicht mehr ansprechen. In diesen Fällen muss ggf. eine Drainage zur Druckreduktion in der Bauchspeicheldrüse gelegt werden. Nach einem solchen Eingriff lassen zumeist auch die starken Schmerzen nach.

Weiteres

  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert. Insbesondere muss aus der Dokumentation deutlich hervorgehen, dass wir dem Bewohner regelmäßig Unterstützung bei der Überwindung der Sucht anbieten.
  • Wir nutzen Supervision, um die Kräfte unserer Pflegekräfte zu schonen und einen Burn-Out zu vermeiden.
  • Der behandelnde Arzt wird über alle relevanten Veränderungen umgehend informiert.

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter