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Standard "Versorgung von Parkinsonpatienten: Unterstützung bei der Ernährung und bei der Ausscheidung"

Die Ansprüche an eine gesunde Ernährung von Parkinsonpatienten sind hoch. Schon die Bestimmung des richtigen Kalorienbedarfs und die zeitliche Planung der Mahlzeiten ist eine Wissenschaft für sich. Und der weitverbreitete Irrglaube an eine Parkinson-Diät macht es Pflegekräften nicht eben leichter.


Standard "Versorgung von Parkinsonpatienten: Unterstützung bei der Ernährung und bei der Ausscheidung"


Definition:

    Mit dem Fortschreiten der Parkinsonerkrankung reduziert sich schrittweise auch die Fähigkeit der Betroffenen, Nahrung eigenständig zu sich zu nehmen. Das Hauptproblem sind die unkontrollierbaren Handbewegungen. Zu Beginn der Erkrankung reduziert sich der Hilfebedarf auf wenige Handgriffe, etwa das mundgerechte Zuschneiden der Speisen durch die Pflegekraft. Später ist es erforderlich, dass dem Bewohner die Nahrung angereicht wird. Eine spezielle Parkinson-Diät gibt es nicht. Die Ernährung sollte wie auch bei gesunden Senioren vitamin- und ballaststoffreich sein. Allerdings ergeben sich aus den Wechselwirkungen der Medikamente mit verschiedenen Nahrungsbestandteilen Einschränkungen, die eine sorgfältige zeitliche Planung der Nahrungsaufnahme erfordert. Die stetige Degeneration des Nervensystems beeinträchtigt letztlich auch die autonomen Funktionen des Verdauungssystems. Viele gängige Medikamente im Rahmen der Parkinsontherapie verstärken diese Symptomatik. Daher klagen rund 80 Prozent aller Betroffenen über Obstipation. Rund die Hälfte aller Patienten leidet zumindest zeitweilig unter Blasenfunktionsstörungen.

Grundsätze:

    Angesichts der stetig zunehmenden körperlichen Einschränkungen ist das Essen oftmals eine der wenigen verbliebenen Freuden und entsprechend wichtig für die Erhaltung der Lebensqualität. Die Aspirationsgefahr darf niemals der alleinige Gradmesser für die Gestaltung der Nahrungsaufnahme sein. Viele Bewohner sind bereit, die Gefahr eines gelegentlichen Verschluckens in Kauf zu nehmen, wenn im Gegenzug die Ernährung nicht auf Breie und ähnliche wenig ansprechende Speisen beschränkt wird. Die Wünsche des Bewohners werden beachtet.

Ziele:

    Der Bewohner wird angemessen ernährt. Vor allem entspricht die Kalorienzufuhr dem schwankenden Energiebedarf im Verlauf der Krankheitsphasen. Die Pflegekraft leistet stets nur das Maß an Hilfe, das sich aus den körperlichen Einschränkungen ergibt. Der Bewohner wird weder über- noch unterfordert. Bei der Ausscheidung bewahrt sich der Bewohner möglichst lange eine umfassende Autonomie. Das Selbstwertgefühl wird gestärkt. Funktionsstörungen des Darms werden zügig erkannt und durch geeignete Pflegemaßnahmen kompensiert. Insbesondere wird eine Obstipation vermieden.

Vorbereitung:

Informationssammlung

    Viele Betroffene haben die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Speisen die Symptomatik verstärken oder abschwächen. Ggf. führen wir ein Ernährungstagebuch, um den individuellen Einfluss verschiedener Nahrungsmittel auf den Zustand des Bewohners strukturiert zu erfassen. Wir nutzen diese Informationen bei der Auswahl der Speisen. Das Aspirationsrisiko des Bewohners wird eingeschätzt. Wenn es in der Vergangenheit gehäuft zum Verschlucken kam, werden die Maßnahmen gemäß des Standards "Aspirationsprophylaxe" intensiviert. Wir prüfen stets, bei welchen Speisen sich der Bewohner am wenigsten verschluckt. Diese werden bei der individuellen Speisenplanung bevorzugt.

Planung

    Die Mahlzeiten sollten so geplant werden, dass sie in die On-Phasen des Bewohners fallen, also in Tagesabschnitte mit einer guten Beweglichkeit. Der Bewohner kann die Speisen dann besser kauen und schlucken. Das Aspirationsrisiko sinkt deutlich. Die Portionsgrößen sollten tendenziell etwas kleiner gewählt werden, um den Magen nicht unnötig zu belasten. Im Gegenzug erhält der Bewohner im Verlauf des Tages mehrere Zwischenmahlzeiten. Bei ausgeprägten Hyperkinesen erhält der Bewohner hochkalorische Kost. In einigen Fällen führen zuckerhaltige Lebensmittel zu Gleichgewichtsstörungen. Geschmacksverstärker wie Glutamat können die Beweglichkeit einschränken. Wir beachten, dass die Wirkung von L-Dopa-Präparaten durch eiweißreiche Lebensmittel beeinträchtigt wird. Daher werden diese Medikamente 30 Minuten vor einer solchen Mahlzeit oder 90 Minuten danach eingenommen. Wenn trotz dieses zeitlichen Abstands das L-Dopa in seiner Wirkung reduziert wird, sollte der Bewohner seine Hauptmahlzeit am Abend einnehmen. Der Bewohner bleibt damit am Nachmittag beweglich. Die Bewegungseinschränkungen in der Nacht sind weniger belastend. L-Dopa sollte mit Wasser, nicht aber mit Milch oder mit Jogurt eingenommen werden. Viele Bewohner vertragen die morgendliche L-Dopa-Applikation auf nüchternen Magen nicht. Wir halten in diesen Fällen eine kleine Frühmahlzeit bereit. Ideal sind ein Zwieback oder zwei Kekse sowie ein Glas Wasser. Bei starken Beschwerden erhält der Bewohner Haferschleim, der in warmem Wasser aufgelöst wurde. Wir halten Hilfsmittel bereit, die dem Betroffenen eine möglichst selbständige Nahrungsaufnahme ermöglicht. Das Messer und die Gabel sollten mit einem Moosgummigriff ausgestattet sein. Eine Antirutschmatte fixiert den Teller auf dem Tisch. Der Teller sollte einen erhöhten Rand aufweisen. Viele Bewohner können zwar aus dem Bett mobilisiert werden, der Transfer zum Speisesaal ist jedoch zu anstrengend. Wir richten dann die Speisen auf dem Esstisch im Zimmer an. Wir fragen den Bewohner, ob er möchte, dass die Pflegekraft beim Essen anwesend ist. In vielen Fällen ist es ausreichend, die Speisen mundgerecht zuzuschneiden oder zu passieren. Der Bewohner kann dann eigenständig essen, sofern ihm ausreichend Zeit dafür eingeräumt wird und er die entsprechenden Hilfsmittel nutzen kann. Die Pflegekraft bleibt dann in der näheren Umgebung und greift nur dann ein, wenn der Bewohner Hilfe braucht, etwa weil er sich verschluckt hat. Viele Bewohner schämen sich wegen ihrer Ungeschicklichkeit, etwa wenn sie ein Glas umschütten. Um eine Isolation zu vermeiden, sollte der Bewohner so lange wie möglich im Speisesaal essen. Die Pflegekräfte wirken entsprechend auf den Bewohner ein.

Durchführung:

Hilfe bei der Nahrungsaufnahme

    Der Bewohner erhält ausreichend Zeit für das Essen. Wenn die Speisen im Verlauf des Essens auskühlen, nutzen wir einen Warmhalteteller. Alternativ werden Speisen in der Mikrowelle aufgewärmt. In keinem Fall wird ein halbvoller Teller abgeräumt, weil der Bewohner die Speisen nicht rechtzeitig konsumieren konnte und nun keinen Appetit mehr auf kaltes Essen hat. Ggf. schneidet die Pflegekraft die Speisen für den Bewohner mundgerecht zu. Bei der Nahrungsaufnahme achtet die Pflegekraft darauf, dass die Hilfe möglichst diskret erfolgt. Dieses insbesondere, wenn der Bewohner etwas verschüttet. Brot und hartes Gebäck können in Kaffee oder in Tee getunkt werden, um den Kau- und Schluckvorgang zu erleichtern. Der Bewohner erhält eine große Serviette, um seine Kleidung zu schützen. Nach dem Essen muss in jedem Fall eine Mundpflege durchgeführt werden, um Essensreste zu entfernen und einer Aspirationspneumonie vorzubeugen.

Einsatz von Hilfsmitteln bei der Nahrungsaufnahme

    Das Trinkglas sollte bruchsicher sein. Wir füllen es stets nur zur Hälfte. Für Bewohner, die mit der Handhabung des Glases überfordert sind, halten wir einen Strohhalm bereit. Erst im späten Krankheitsverlauf wird ein Schnabelbecher erforderlich sein. Wir prüfen, ob der Bewohner Tassen und Gläser mit zwei Henkeln nutzen sollte. Statt eines normalen Messers sollte der Bewohner ein sog. "Winkelmesser" nutzen. Dieses erleichtert die Sägebewegung. Wenn der Bewohner mit der Nutzung einer Gabel überfordert ist, sollte er einen Löffel nutzen.

Flüssigkeitszufuhr

    Wir achten darauf, dass der Bewohner ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt, also i.d.R. nicht unter zwei Liter täglich. Ein Flüssigkeitsdefizit kann die Symptomatik intensivieren. Vor allem in den heißen Sommermonaten kann es zu Obstipation, Verwirrtheit und letztlich zu einer akinetischen Krise kommen. Ggf. ist es notwendig, den Flüssigkeitskonsum zu erfassen oder letztlich sogar die Ein- und Ausfuhr zu bilanzieren. Wenn eine negative Bilanz auf konventionelle Weise nicht korrigiert werden kann, prüfen wir die Notwendigkeit von Infusionen. Ggf. kann der Bewohner eine Suppe aus einem Glas trinken, statt sie mit einem Löffel zu sich zu nehmen.

Beratung des Bewohners zur Ernährung

    Viele Betroffene ernähren sich bewusst eiweißarm in der Hoffnung, die phasenweise Unbeweglichkeit zu reduzieren. Diese Strategie ist riskant, da es zu gravierenden Eiweißmangelzuständen kommen kann, in deren Folge die Infektionsgefahr steigt. Zudem leiden viele Betroffene unter Osteoporose und Muskelschwäche; beides sind wiederum Faktoren bei der Sturzgefahr. Oftmals haben Erkrankte phasenweise Heißhunger auf Süßigkeiten. Wir raten dem Bewohner, diesen Drang zu kontrollieren und den Zuckerkonsum zu normalisieren, da er ansonsten schnell an Körpergewicht zunehmen würde. Leidet der Betroffene hingegen an Hyperkinese, ist der erhöhte Energiekonsum der Muskulatur in die Überlegung einzubeziehen.

Hilfe bei Harninkontinenz

    Viele Betroffene leiden unter nächtlichem Harndrang. Wenn sie den Urinabfluss noch teilweise kontrollieren können, nutzen wir einen Toilettenstuhl oder eine Urinflasche. Bei Männern kann das ungewollte Einnässen mittels Kondomurinal vermieden werden. Im weiteren Verlauf der Erkrankung lässt sich eine Versorgung mit Inkontinenzeinlagen oder mit Inkontinenzhosen oft nicht vermeiden. Die Harn- und Stuhlausscheidung muss insbesondere im späteren Krankheitsverlauf sorgfältig überwacht werden. Ein sich entwickelnder Harnverhalt oder ein Darmverschluss müssen frühzeitig erkannt werden. Wenn der Bewohner häufig unter einer Dranginkontinenz leidet, fordern wir ihn regelmäßig dazu auf, die Toilette aufzusuchen und die Blase zu entleeren. Dieses insbesondere, wenn er zudem unter Hypokinese und unter Startschwierigkeiten leidet. Wir empfehlen Männern, im Sitzen und nicht im Stehen zu urinieren. Es fällt vielen Betroffenen dann leichter, sich auf die Blasenentleerung zu konzentrieren. Viele Betroffene sind am Tag zwar kontinent, verlieren aber in der Nacht ungewollt Urin. Wir prüfen dann, ob die Flüssigkeitsversorgung in den Abendstunden reduziert werden kann. Zudem kann eine nächtliche Versorgung mit Einlagen oder Inkontinenzhosen sinnvoll sein. Wir bestimmen regelmäßig die Restharnmenge. Wenn diese über einen längeren Zeitraum ein Volumen von 50ml überschreitet, wird i.d.R. eine Katheterbehandlung erforderlich. Wir empfehlen dem Bewohner, regelmäßige Beckenbodengymnastik durchzuführen. Ergänzend kann eine Elektrostimulation die Symptomatik verbessern. Ggf. nutzen wir eine Toilettensitzerhöhung, um dem Bewohner den Transfer auf die Toilette und zurück in den Stand zu erleichtern. Die Parkinsonerkrankung ist keine allumfassende Erklärung für urologische Störungen. Wir regen stets eine fachärztliche Untersuchung an, um etwaige andere Faktoren zu klären. Bei Frauen ist der Gynäkologe der erste Ansprechpartner. Männer sollten einen Urologen aufsuchen; dieses insbesondere für eine Prostatadiagnostik.

Hilfe bei der Stuhlausscheidung

    Wir achten auf die typischen Symptome einer einsetzenden Obstipation wie etwa starkes Pressen beim Stuhlgang oder harter Stuhl. Die Vorgaben des Pflegestandards zur Obstipationsprophylaxe werden umgesetzt. Viele Medikamente, die im Rahmen der Parkinsontherapie eingesetzt werden, können eine Obstipation verstärken. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt prüfen wir den Einsatz von alternativen Wirkstoffen. Wir prüfen, ob Gymnastikübungen für die Bauchwandmuskulatur und den Beckenboden die Darmtätigkeit anregen. Letztlich wird sich bei vielen Erkrankten der Einsatz von Abführmitteln nicht vermeiden lassen. Wir verwenden bevorzugt solche Präparate, deren langfristige Anwendung nicht zur Darmträgheit führt. Erste Wahl ist i.d.R. Macrogolen.

Nachbereitung:

    Der Ernährungszustand des Bewohners wird regelmäßig überprüft und als BMI-Wert dokumentiert. Wir streben für jeden Bewohner das Normalgewicht an und richten die Ernährung entsprechend aus. Viele typische Folgeerkrankungen von Parkinson lassen sich damit vermeiden. Insgesamt verbessert sich die Langzeitprognose des Bewohners deutlich. Der Hilfebedarf des Bewohners wird basierend auf den Beobachtungen der Pflegekräfte regelmäßig neu eingeschätzt. Insbesondere wird der aktuelle Zustand des Bewohners regelmäßig in Fallbesprechungen thematisiert. Zudem werden die Ressourcen und Pflegeprobleme per Pflegevisite strukturiert erfasst.

Dokumente:

    Trink- und Ernährungsprotokoll Ernährungsplan Vitaldatenblatt (Gewicht) Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

    alle Pflegekräfte