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Standard "Pflege von Senioren mit Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie)"

Über das Thema "Prostatavergrößerung reden Männer bestenfalls in Form von mehr oder minder derben Witzen. Kein Wunder, schließlich vereinigt dieses Leiden gleich mehrere Urängste des starken Geschlechts: Rektale Tastuntersuchungen, Inkontinenz und Erektionsstörungen. Bei der Pflege von Betroffenen ist folglich Einfühlungsvermögen und Diskretion ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor.


Standard "Pflege von Senioren mit Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie)"


Definition:

  • Bei einer benignen Prostatahyperplasie (kurz "BPH", Prostataadenom oder "Altherrenkrankheit") handelt es sich um eine Vergrößerung der Prostata. Die BPH ist gutartig und nicht entzündlich. Da die Störung aber stetig fortschreitet, kann es letztlich zu einer Verlegung der Harnleiter kommen, die dem Betroffenen das Wasserlassen erschwert.
  • Bei jedem Zweiten der über 50-Jährigen ist die Prostata vergrößert. In der Altersgruppe der über 80-Jährigen sind es neun von zehn. Jeder fünfte Betroffene muss sich wegen der BPH ärztlich behandeln lassen. Daher gilt die Prostatahyperplasie in Deutschland als Volkskrankheit.
  • Als wahrscheinlichste Ursache für BPH gelten hormonelle Veränderungen, die das Wachstum der harnröhrennahen (periurethralen) Drüsenanteile auslösen. Insbesondere das in der Prostata gebildete Dihydrotestosteron (eine Variante des männlichen Geschlechtshormons Testosteron) scheint bei der Krankheitsentstehung ein wichtiger Faktor zu sein. Die Einnahme von Anabolika sowie trizyklischen Antidepressiva können die Symptomatik verstärken.

Grundsätze:

  • Eine Prostatahyperplasie ist kein Tabuthema.
  • Eine Harnentleerungsstörung ist keine normale Veränderung im Alter, die ohne Therapieversuch hingenommen werden sollte.
  • Methoden der Pflanzenheilkunde können die konventionelle Therapie nur ergänzen aber nicht ersetzen.

Ziele:

  • Der Bewohner kann selbstständig die Harnblase entleeren. Eine Inkontinenz wird vermieden.
  • Das Schamgefühl des Bewohners wird respektiert.
  • Der Bewohner kennt Risikofaktoren und Prophylaxemaßnahmen.
  • Komplikationen als Folge der Prostatavergrößerung werden vermieden, insbesondere Harnwegsinfektionen und Nierenschädigungen.
  • Der Bewohner ist in der Lage, seine Blase vollständig zu entleeren.
  • Der Bewohner hat keine Schmerzen.

Vorbereitung:

Symptome

Wir achten auf Symptome, die für eine benigne Prostatahyperplasie sprechen:

  • erstes Stadium:
    • Schmerzen beim Wasserlassen
    • Harnstrahl tritt verzögert ein
    • ausgedünnter Harnstrahl
    • Harnstottern (Unfähigkeit der kontinuierlichen Harnentleerung)
    • Bewohner muss beim Wasserlassen die Bauchpresse einsetzen ("drücken")
    • nachtröpfelnder Urin nach dem Wasserlassen
    • häufiger Harndrang, allerdings nur kleine Harnmengen
    • plötzlicher starker Harndrang, auch mit unfreiwilligem Abgehen von Harn
    • nächtlicher Harndrang
    • Ejakulationsstörungen
    • Hämaturie (krankhafte Ausscheidung von Erythrozyten im Harn)
    • Unruhezustände und zunehmende Verwirrtheit bei demenziell erkrankten Senioren
  • zweites Stadium:
    • Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerung
    • Restharnbildung
    • permanenter Harndrang
    • nur geringes Volumen an Harnabgang
    • gehäuft auftretende Harnwegsinfektionen
    • Blasensteinbildung
  • drittes Stadium
    • Überlaufinkontinenz, da die Blase den nachfließenden Harn nicht aufnehmen kann
    • unvermittelt auftretende Verwirrtheitszustände
    • deutlich tastbare Blase, die sich nur noch per Katheterisierung entleeren lässt
    • große Mengen an Restharn
    • gravierende Bauchschmerzen
    • Nierenschmerzen als Folge des Restharnrückstaus bis in die Nieren.
    • Niereninsuffizienz
Achtung:
  • Die Erkrankung kann lange Zeit völlig symptomfrei verlaufen.
  • Harnverhalt kann in jedem Stadium der Erkrankung auftreten.

Diagnostik

Wenn hinreichende Anzeichen für eine benigne Prostatahyperplasie vorliegen, raten wir dem Bewohner zu einer ärztlichen Untersuchung. Diese umfasst zumeist:

  • rektale Untersuchung und Ertastung der Prostata
  • transrektale Prostatasonografie, (Ultraschalldiagnostik der Prostata über den Enddarm)
  • Uroflowmetrie (Messung der Harnmenge und der Miktionsdauer)
  • Untersuchung auf Harnwegsinfektionen
  • Blutuntersuchung zur Funktionsprüfung der Nieren
  • Kontrolle der Tumormarker zur Früherkennung eines Prostatakarzinoms

Vermeidung von Wechselwirkungen

Zahlreiche Medikamente zur Therapie zeigen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen. Wir sammeln alle relevanten Informationen und stellen diese dem behandelnden Hausarzt zur Verfügung. Dieses insbesondere, wenn der Bewohner demenziell erkrankt ist und eine Kommunikation zwischen Arzt und Patient somit erschwert ist.

  • Leidet der Bewohner unter Leberfunktionsstörungen? (Hinweis: In diesem Fall sind 5-Alpha-Reduktase-Hemmer sowie Alpha1-Rezeptoren-Blocker kontraindiziert.)
  • Gibt es eine bekannte Allergie auf das Konservierungsmittel Parabene? (Dieses ist in vielen Arzneimitteln enthalten, auch in 5-Alpha-Reduktase-Hemmern.)
  • Gibt es Nierenfunktionsstörungen? (Hinweis: In diesem Fall sind Alpha1-Rezeptoren-Blocker kontraindiziert.)
  • Ist der Bewohner anfällig für Blutdruckschwankungen? (Hinweis: Betroffene sollten Alpha1-Rezeptoren-Blocker direkt vor dem Zubettgehen einnehmen. Nach einer längeren Anwendung sollten diese Präparate ausgeschlichen werden.)
  • Nimmt der Bewohner Cimetidin oder andere Medikamente ein, die den Leberstoffwechsel beeinflussen? (Hinweis: In diesem Fall muss die Anwendung von Alpha1-Rezeptoren-Blockern besonders vorsichtig erfolgen.)
  • Leidet der Bewohner unter Störungen der Herzfunktion, chronischen Harnwegsinfektionen, Blasenstau oder Harnrückstau? Liegt eine schwere Nierenfunktionsstörung vor? Sind die Speiseröhre oder der Magen-Darm-Trakt verengt? (Hinweis: In diesem Fall dürfen Alfuzosin, Doxazosin sowie Terazosin nicht genutzt werden.)

Durchführung:

Beratung des Bewohners

Wir suchen den Dialog mit dem Bewohner und informieren ihn über die wichtigsten Verhaltensregeln:

  • Wir berichten dem Bewohner, dass ein mäßiges Nachlassen des Harnstrahls und vermehrte Toilettengänge mit steigendem Lebensalter kein Grund zur Sorge sind.
  • Der Bewohner sollte eine Überdehnung der Blase vermeiden. Er sollte insbesondere nicht übermäßig viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Der Bewohner sollte die tägliche Flüssigkeitsmenge gleichmäßig verteilt zu sich nehmen, also keine großen Trinkmengen in kurzer Zeit konsumieren.
  • Der Konsum von alkoholischen Getränken sollte reduziert oder idealerweise eingestellt werden.
  • Wenn der Bewohner Harndrang verspürt, sollte er zeitnah die Toilette aufsuchen. Er soll das Wasserlassen nicht aufschieben.
  • Der Bewohner sollte an allen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. Insbesondere die rektale Prostatauntersuchung ist ein wichtiges Element in der Krebsfrüherkennung.
  • Der Bewohner sollte auch dann Beckenbodentraining betreiben, wenn er (noch) nicht unter Inkontinenz leidet.
  • Der Bewohner sollte auf eine sorgfältige Intimhygiene achten. Dieses geschieht insbesondere zur Vermeidung einer Harnwegsinfektion.
  • Der Bewohner sollte nicht zu lange sitzen; vor allem nicht auf kalten Flächen.
  • Der Bewohner sollte sich ausgewogen und ballaststoffreich ernähren. Etwaiges Übergewicht sollte abgebaut werden.
  • Der Bewohner sollte sich im Rahmen seiner Fähigkeiten sportlich betätigen. Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass Sport einen großen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Beckenbodenmuskulatur hat.

pflegerische Maßnahmen

  • Bei Verschmutzung der Kleidung mit Urin wird diese unverzüglich gewechselt.
  • Eine lokale Wärmebehandlung kann das Wasserlassen erleichtern, z. B. ein Sitzbad, ein warmer Waschlappen oder eine Wärmflasche auf die Blase legen. Wir halten zuvor Rücksprache mit dem behandelnden Hausarzt.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner keine zu enge Unterwäsche trägt.
  • Insbesondere im Winter wird der Bewohner konsequent vor Kälte geschützt. Er soll zudem den Konsum von kalten Getränken vermeiden.
  • Der Urin wird regelmäßig untersucht.
  • Soweit dieses ärztlich angeordnet wurde, wird der Bewohner katheterisiert.
  • Bei einem akuten Harnverhalt führt das Ablassen der gesamten Harnmenge mitunter zu Blutungen, da die Blasenschleimhaut zu plötzlich entlastet wurde ("Entlastungsblutung"). Diese droht vor allem bei einem großen Harnvolumen von mehr als 800 ml. Sinnvoll ist die schrittweise Entleerung um zunächst rund 500 ml.
  • Ein geregelter Stuhlgang reduziert den Druck im Bereich des Beckenbodens. Insbesondere führen wir alle Maßnahmen zur Obstipationsprophylaxe durch.
  • Es wird kein Blasentraining durchgeführt, da dieses die Gefahr einer Harnrückstauung erhöht.

medikamentöse Therapie

Je nach Schwere der Störung stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung:

  • Phytopräparate z. B. aus Sägepalmenfrüchten oder Kürbiskernen. Diese wirken oft entzündungshemmend und abschwellend. (Achtung: Die Wirkung ist nicht erwiesen.)
  • Alpha-1-Rezeptorenblocker (oder "Alphablocker", senken die Muskelspannung in der Blase und in der Prostata und verbessern den Harnfluss). Häufige Nebenwirkungen sind Blutdruckverminderung, Schwindel, Kopfschmerzen sowie nachlassende Libido.
  • Reduktasehemmer, also Wirkstoffe, die das männliche Hormon Testosteron in Dihydrotestosteron umwandeln und langfristig das Prostatavolumen reduzieren. Bei der Anwendung kann es zu abdominellen Beschwerden, Kopfschmerzen, Brustwachstum sowie zum Libidoverlust und zur Impotenz kommen.
  • Achtung: Bei einer Hormonbehandlung kann es zu einer Verweiblichung des Körpers kommen, insbesondere zur Vergrößerung der Brust. Dieses kann psychische Probleme auslösen. Wir versuchen, Ängste des Bewohners im Gespräch abzubauen.

operative Maßnahmen

Heute stehen verschiedene vergleichsweise schonende Operationsmethoden zur Verfügung. Wir raten dem Bewohner dazu, einem Eingriff zuzustimmen, wenn alle medikamentösen Therapieversuche fehlschlagen. Dieses ist zumeist ab dem zweiten Stadium erforderlich. Indikationen für eine Operation:

  • wiederholter Harnverhalt
  • häufige Infekte der Harnwege
  • wiederholte Blutbeimengungen im Urin
  • Harnblasensteine
  • Nierenschädigungen
Eingriffsmöglichkeiten:
  • Bei einer transurethralen Resektion an der Prostata ("TUR-P") wird mittels einer durch die Harnröhre eingeführten elektrischen Schlinge Prostatagewebe entfernt. In neun von zehn Fällen ist dieser Eingriff erfolgreich. Es können allerdings auch Komplikationen auftreten wie etwa eine Verletzung des Blasenschließmuskels.
  • Bei einer erheblichen Vergrößerung lässt sich zumeist eine Prostataadenomektomie nicht vermeiden. Bei dieser offenen Operation wird ebenfalls unnötiges Gewebe entfernt. Durch den Eingriff können Inkontinenz, retrograde Ejakulationen und ggf. Erektionsstörungen ausgelöst werden.
  • In vielen Fällen kann auch die Laser-Vaporisation genutzt werden. Hierbei wird überschüssiges, einengendes Prostatagewebe per Laserstrahl verdampft. Die Risiken und Komplikationen sind dabei wesentlich geringer. Gleichzeitig sinkt die Krankenhausverweildauer auf zwei bis vier Tage.
  • Zum Ausschluss eines Karzinoms kann eine Prostatapunktion und -biobsie durchgeführt werden.

pflegerische Maßnahmen nach einer Operation

Nach einer Operation kann es mehrere Wochen dauern, bis die Wunden verheilt sind.

  • Falls es zu Blutausscheidungen kommt, wird umgehend ein Arzt gerufen.
  • In den folgenden drei Monaten sollte der Bewohner auf das Heben schwerer Lasten verzichten.
  • Der Bewohner sollte das Fahrradfahren einstellen.
  • Heiße Bäder und der Besuch einer Sauna sind zu unterlassen.
  • Dem Bewohner sollte sehr schonend nahe gelegt werden, zunächst auf sexuelle Aktivitäten zu verzichten.

Nachbereitung:

Prognose

  • Es ist damit zu rechnen, dass eine unbehandelte Prostatahyperplasie immer weiter fortschreitet. Allerdings geschieht dieses häufig so langsam, dass ein Bewohner auch im hohen Alter keine gravierenden Beschwerden verspüren wird.
  • Nach einer Operation hat der Bewohner gute Aussichten.
  • Nach dem Eingriff ist vorübergehend mit Inkontinenz zu rechnen. Diese kann jedoch per Beckenbodengymnastik wirksam therapiert werden.
  • Die Potenz bleibt in 90 Prozent der Fälle erhalten.
  • In 60 bis 90 Prozent der Fälle ist der Betroffene aufgrund einer retrograden Ejakulation unfruchtbar. Das Ejakulat ergießt sich dann in die Blase und wird mit dem Harn ausgeschieden.

weitere Maßnahmen

  • Alle Leistungen werden dokumentiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung aktualisiert.
  • Relevante Beobachtungen werden dem Hausarzt und der Pflegedienstleitung weitergemeldet.
  • Die Ergebnisse und Erfahrungen werden regelmäßig in Fallbesprechungen und in der Dienstübergabe diskutiert.

Dokumente:

  • Durchführungsnachweis
  • Berichtsblatt
  • Vitalzeichenkontrollblatt

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte