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Standard "Pflege von Senioren mit einem Reizdarm-Syndrom"

Patienten mit einem Reizdarm-Syndrom brauchen ein dickes Fell. Bis zur Diagnose gehen nicht selten Monate ins Land. Und am Ende wird die Ursache dann irgendwo zwischen Hirngespinst und Depression einsortiert. Wir zeigen Ihnen, wie Pflegekräfte einem betroffenen Senioren wirklich helfen können.


Standard "Pflege von Senioren mit einem Reizdarm-Syndrom"


Definition:

  • Ein Reizdarm (auch "Reizkolon", "Colon irritabile", "Colon spasticum", "Kolonneurose", "irritables Kolon oder "spastisches Kolon") ist eine unphysiologisch veränderte Motilität des Dünn- und des Dickdarms. Diese tritt oftmals in Verbindung mit emotionalem Stress auf. Organische Auslöser sind nicht feststellbar.
  • In Industrieländern leidet jeder fünfte unter einem Reizdarmsyndrom. Frauen sind etwa doppelt (andere Quellen: viermal) so häufig betroffen wie Männer. Der Altersgipfel liegt bei 30 bis 40 Jahren.

Grundsätze:

  • Wenn sich ein Bewohner krank fühlt, dann ist er krank. Wir sind uns stets bewusst, dass auch Krankheiten ohne feststellbare organische Ursache für den Betroffenen sehr belastend sein können.
  • Wir schützen jeden betroffenen Bewohner vor dem Vorwurf, sich die Krankheit lediglich einzubilden.
  • Wir sehen ein "Reizdarm-Syndrom" immer auch als Anlass, die psychosoziale Betreuung in unserem Haus zu hinterfragen.

Ziele:

  • Auftretende Schmerzen werden gelindert.
  • Der Bewohner kann regelmäßig abführen.
  • Der Bewohner fühlt sich an- und ernstgenommen.
  • Es können sich keine organischen Krankheiten unbemerkt entwickeln, deren Symptombild fälschlicherweise dem "Reizdarm-Syndrom" zugeschrieben wird.

Vorbereitung:

Symptome

Wir achten auf Symptome, die auf ein Reizdarmsyndrom hindeuten:

  • Der Bewohner klagt über krampfartige Bauchschmerzen, Druck- und Völlegefühl und über ein aufgeblähtes Abdomen ("Blähbauch").
  • Die Schmerzen treten zumeist morgens, aber in wechselnder Intensität und Lokalisation auf. In der Nacht ist der Bewohner zumeist beschwerdefrei.
  • Die Defäkationsfrequenz schwankt.
    • Sie kann sich erhöhen. Es kommt zu flüssigerem Stuhlgang bis zur Diarrhöe.
    • Sie kann aber auch abnehmen. Der Bewohner scheidet dann trockenen und harten Stuhl aus oder leidet unter Obstipation.
  • Es kommt zu Schleimbeimengungen im Stuhl.
  • Das Abdomen ist zumeist nicht druckempfindlich; abgesehen ggf. vom Sigma (Abschnitt des Dickdarms im linken Unterbauch).
  • Die Beschwerden lassen zumeist nach, sobald der Bewohner Stuhl abgesetzt hat oder es zum Abgang von Winden (Flatulenz) gekommen ist. Gleichwohl klagen Betroffene dann darüber, dass sie ihren Darm beim Stuhlgang nicht ausreichend entleeren können.
  • Die Beschwerden bessern sich, wenn ein Bewohner abgelenkt wird, etwa an Festtagen oder bei einem Ausflug. Gleichzeitig verstärkt sich die Symptomatik, sobald der Betroffene vom Heimalltag gelangweilt wird und mehr Zeit mit sich selbst verbringt.

Mithilfe bei der ärztlichen Diagnostik

  • Die Diagnose erfolgt durch das Ausschlussprinzip. Durch technische Untersuchungen und Labordiagnostik werden organische Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik nach und nach ausgeschlossen. Wir unterstützen den Arzt, indem wir relevante Informationen insbesondere über die bisherige Krankheitsgeschichte zusammenstellen. Relevant sind auch Medikamente, die von anderen Ärzten verschrieben wurden, Selbstmedikationen sowie uns bekannte psychiatrische Erkrankungen.
  • Insbesondere bei Senioren darf die Ursachensuche nicht verfrüht mit der Diagnose "Reizdarm" beendet werden. Wenn ein Senior erst seit kurzer Zeit unter der Symptomatik leidet, ist ein Reizdarm als Auslöser eher unwahrscheinlich.

Durchführung:

Ernährung

  • Wir prüfen, ob eine Ernährungsumstellung die Symptomatik lindern könnte. Insbesondere sollte der Bewohner blähende, sehr fette, kalte und sehr heiße Speisen meiden. Alternativ sollte der Betroffene verstärkt faserreiche Kost zu sich nehmen. Die Darmpassage kann durch Quellmittel (etwa Cisaprid, Flohsamenschalen, Weizenkleie) sowie einen erhöhten Flüssigkeitskonsum erleichtert werden.
  • Der Bewohner sollte statt drei großer Mahlzeiten lieber fünf kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen. Wir achten zudem darauf, dass der Bewohner seine Speisen ausreichend durchkaut.
  • Die Schmerzbelastung kann ggf. durch Fencheltee mit Kümmelextrakt gelindert werden.

ärztliche Therapie

  • Ein Darmspasmolytikum (etwa Mebeverin) oder Pfefferminzöl wirken krampflösend.
  • Bei jedem zweiten bis dritten betroffenen Senioren bessern sich die Symptome nach der Verabreichung von Placebotabletten. Die Frage, ob wir bei der Verabreichung von Placebos mit dem Arzt kooperieren, wird in einer Fallbesprechung diskutiert. Wir thematisieren insbesondere die Gefahr, dass der Bewohner eine solche Medikamentierung als Vertrauensbruch wertet.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner ohne ärztliche Anordnung Abführmittel nutzt. Die Vorgaben des Standards "Pflege von Senioren mit einer Abführmittelabhängigkeit" werden umgesetzt.
  • In selteneren Fällen erhalten Betroffene trizyklische Antidepressiva wie etwa Amitriptylin oder Doxepin. Wir bereiten uns darauf vor, dass die entsprechenden Nebenwirkungen auftreten (etwa Hypotonie, Tachykardie oder Miktionsstörungen). Bei vielen Betroffenen ist bereits eine sehr geringe Dosis wirksam, die deutlich unterhalb der Wirkstoffmenge liegt, die für die Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen erforderlich wäre.

weitere Maßnahmen

  • Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass es sich bei der Erkrankung um keine lebensbedrohliche Störung handelt. Sobald der Bewohner dieses verinnerlicht, gibt es eine große Chance, dass sich die Symptomatik bessert.
  • Wir vermitteln dem Bewohner Entspannungstechniken wie etwa autogenes Training.
  • Wir prüfen stets, ob es Anzeichen für eine sich entwickelnde Depression oder für Angstzustände gibt. Wir prüfen zudem, ob der Bewohner eine psychotherapeutische Betreuung nutzen sollte.
  • Der Bewohner soll sich im Rahmen seiner körperlichen Fähigkeiten bewegen. Wir animieren ihn insbesondere zur Teilnahme an unserer Tanz- und Gymnastikgruppe.
  • Wir prüfen, ob eine Wärmflasche oder ein warmes Bad dem Bewohner Entspannung bringt.
  • Ggf. werden die im Standard "Obstipationsprophylaxe" beschriebenen Maßnahmen umgesetzt; insbesondere also die Verabreichung von rektalen Entleerungshilfen (etwa Mikroklyst).

Nachbereitung:

Prognose:

  • Die meisten Betroffenen leiden lebenslang unter den Beschwerden. Die Schmerzbelastung nimmt im Laufe der Jahre oftmals weiter zu. Allerdings entwickeln sich daraus zumeist keine organischen Darmerkrankungen.
  • Ein Reizdarm kann gemeinsam mit einem Reizmagen auftreten oder in diesen übergehen.
  • Wenn sich die Symptomatik allerdings ändert, ist eine erneute ärztliche Vorstellung erforderlich. Es ist möglich, dass sich eine organische Erkrankung entwickelt hat, deren Symptome anfänglich dem Reizdarm zugeschrieben werden.

weitere Maßnahmen

  • Alle relevanten Beobachtungen werden dokumentiert.
  • Ggf. wird der Arzt über wichtige Veränderungen des Gesundheitszustandes informiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Trinkprotokoll
  • Durchführungsnachweis
  • Leistungsnachweis medizinische Pflege
  • Fragen an den Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte