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Standard
"24-Stunden ROT" (ambulante Pflege)
Längst
nicht jeder Demenz-Patient ist schon so verwirrt, dass er nur noch
mittels Validation erreicht werden kann. Bei vielen Senioren kann der
Leistungsverlust per Realitäts-Orientierungs-Training verlangsamt
werden.
Standard "24-Stunden ROT"
(ambulante Pflege)
Definition:
-
Als Folge einer demenziellen Erkrankung
verlieren betroffene Senioren mehr und mehr den Bezug zur Realität. In
der Folge kommt es in verschiedenen Bereichen zur Desorientierung:
-
Zeitliche Orientierung: Der Klient kennt
weder das aktuelle Datum noch die Uhrzeit. Bei vielen Erkrankten kommt
es zur Schlafumkehr, sie ruhen am Tag und sind in der Nacht aktiv. Sie
möchten dann z.B. nachts zum Supermarkt gehen oder Freunde und
Angehörige anrufen.
-
Örtliche Orientierung: Der Klient kennt
seinen aktuellen Wohnort nicht mehr. Er verläuft sich in seinem
Stadtteil und findet nicht mehr zu seiner Wohnung zurück. Das eigene
Zimmer wird nicht mehr als persönlicher Wohnraum erkannt.
-
Situative Orientierung: Der Klient ist nicht
mehr fähig, sich in einer Situation angemessen zu verhalten. Andere
Menschen empfinden sein Verhalten als störend. Die Einbindung in das
soziale Umfeld reduziert sich; der Klient vereinsamt zusehends.
-
Orientierung zur Person: Der Klient verliert
seine Identität. Er weiß nicht mehr, wer er ist und wer er war.
Zentrale Informationen zur Biografie gehen verloren.
-
Das Realitäts-Orientierungs-Training ("ROT")
dient dazu, den Verfall dieser mentalen Fähigkeiten zu bremsen. Der
Klient wird immer wieder mit Informationen zu seiner Person, seiner
Biografie, seinem Lebensort und dem aktuellen Datum konfrontiert. Ist
das Verhalten des Klienten fehlerhaft oder unangemessen, so wird es von
der Pflegekraft korrigiert. Der ständige Kontakt mit diesen
Informationen soll ein Abgleiten in die für Demenz typischen
Verwirrungszustände verzögern.
Grundsätze:
-
ROT und Validation sind gegensätzliche
Betreuungsansätze. Wenn ein Klient mittels ROT gefördert wird,
vermeiden wir gegensätzliche Maßnahmen, die der Validation zugerechnet
werden.
-
ROT macht nur Sinn, wenn alle Pflegekräfte
diesem Betreuungsansatz folgen. Auch Angehörige müssen das
Wirkungsprinzip von ROT verstehen und dieses Konzept konsequent
anwenden.
-
ROT ist sehr einseitig auf die äußere Realität
ausgerichtet. Viele Senioren empfinden diesen Betreuungsansatz als
starr und wenig einfühlsam. Der kognitive Ansatz von ROT darf daher
nicht dazu führen, dass die Gefühlswelt der demenziell erkrankten
Senioren vernachlässigt wird.
-
ROT konfrontiert Klienten mit ihren mentalen
Einschränkungen, da sie bei Fehlern korrigiert werden. Dieses kann zu
Überforderung und zu Frustration führen. Aus Scham und aus einem
Minderwertigkeitsgefühl heraus ziehen sich viele Senioren zurück.
-
Die Würde des Klienten darf nicht verletzt
werden. Er darf nicht den Eindruck gewinnen, dass er wie ein Kind
behandelt wird.
-
ROT kann durchaus von einer positiven
Erwartungshaltung geprägt sein. Die Senioren sollten aber nicht durch
eine Leistungsorientierung überfordert werden.
Ziele:
-
Der Bezug des Klienten zur Realität wird
gestärkt. Insbesondere bleibt der Klient zeitlich und räumlich
orientiert.
-
Das Erinnerungsvermögen und die Merkfähigkeit
des Klienten werden gefördert.
-
Wir vermitteln dem Klienten positive
Erfahrungen und stärken dessen Selbstvertrauen.
-
Die Alltagskompetenz bleibt möglichst lange
erhalten. Unfälle werden vermieden.
-
Die Identität des Klienten wird gestärkt. Die
Angst und das Gefühl des Verlassenseins werden reduziert. Der Klient
zeigt weiterhin Interesse an seinem Umfeld.
-
Leistungsdruck wird vermieden.
-
Wir beenden ROT zum richtigen Zeitpunkt, wenn
die demenzielle Erkrankung soweit fortgeschritten ist, dass der Klient
nicht mehr in der Realität gehalten werden kann.
Vorbereitung:
Organisation
-
Wir achten schon bei der Einstellung von
Pflegekräften auf Empathievermögen und dem Interesse an biografischen
Daten unserer Klienten.
-
Wir bilden unsere Mitarbeiter regelmäßig zum
Thema ROT weiter.
-
Wir bilden ausgewählte Mitarbeiter zur
"Pflegefachkraft mit dem Schwerpunkt Gerontopsychiatrie" weiter.
-
Alle Pflegekräfte tragen gut sichtbare
Namensschilder.
Indikation /
Kontraindikation
-
Das Anwendungsspektrum von ROT bei Demenz ist
begrenzt, da viele der von uns betreuten Senioren bereits ein
fortgeschrittenes Krankheitsstadium erreicht haben. Wir nutzen ROT
insbesondere
-
bei Alzheimer-Demenz im Anfangsstadium
-
bei Stresssituationen etwa nach einem
längeren Krankenhausaufenthalt
-
Desorientierung als Nebenwirkung von
Medikamenten oder als Folge anderer Grunderkrankungen
-
Zahlreiche Faktoren können eine effektive
Anwendung von ROT verhindern:
-
Es liegt eine mittlere oder schwere Demenz
vor.
-
Manch ein Klient will gar nicht mehr in der
Realität gehalten werden. Dieses etwa, weil er den Tod seines
Lebenspartners nicht verkraften kann. Diese Hinterbliebenen immer
wieder mit der Realität zu konfrontieren, ist oftmals nicht sinnvoll.
-
Es kann leicht zu einer Über- oder
Unterforderung kommen. Beim Klienten kann das Depressionen,
Aggressivität oder Apathie auslösen.
-
Die Konfrontation des Klienten mit seiner
Erkrankung kann diese verstärken. Das Eingeständnis, selbst mental
nicht mehr voll leistungsfähig zu sein, führt häufig zu Angstzuständen
und innerem Rückzug.
-
Wenn wir bemerken, dass ROT die Beziehung
zwischen Pflegekraft und Klient stört, beenden wir die Maßnahmen.
Durchführung:
räumliche Ausstattung
Die räumliche
Ausstattung ist wichtig für den Erfolg von ROT. Gemeinsam mit den
Angehörigen prüfen wir, wie das Umfeld des Klienten angepasst werden
kann. Beispiele:
-
Wir hängen je eine große Uhr in jeden Wohnraum
des Klienten. Wir achten darauf, dass die Uhren nicht inmitten anderer
Wanddekorationen "untergehen".
-
Der Klient erhält einen großen Kalender mit
einer übersichtlichen Wochenübersicht. Die Pflegekraft trägt hier die
geplanten Einsätze ein. Wir bitten die Angehörigen, wichtige Termine zu
vermerken. Dazu zählen Geburtstage, geplante Familienfeste oder
Arztbesuche.
-
Wir hängen Spiegel auf; am besten
Ganzkörperspiegel. Der Klient soll jeden Tag mindestens einmal in den
Spiegel blicken. Bei bettlägerigen Senioren ist die morgendliche
Waschung der optimale Termin dafür.
-
Falls der Klient mobil ist, wird ein großes
Namensschild an der Haustür angebracht. Teilt sich der Klient den
Wohnraum z.B. mit seinen Kindern, so wird ein weiteres Namensschild von
außen an der Tür zu seinem Zimmer angebracht.
-
Der Wohnraum des Klienten wird jahreszeitlich
dekoriert.
-
Viele Klienten leben nicht mehr in der
vertrauten Umgebung, etwa weil sie jetzt im Haus ihrer Kinder wohnen.
Hier ist es oft sinnvoll, z.B. die Tür zum Badezimmer mit einem klaren
Piktogramm zu versehen.
Kommunikation
-
Alle stellen sich dem Klienten regelmäßig
mit Namen vor.
-
"Guten Tag, Herr Müller. Mein Name ist Gerda
Mustermann. Ich bin Ihre Pflegekraft. Ich bringe Sie jetzt in das
Badezimmer, damit Sie sich dort waschen können."
Der Klient wird regelmäßig an aktuelle
Veranstaltungen und Termine innerhalb seines sozialen Umfelds erinnert.
Guten Tag, Frau Schulze. Heute Nachmittag um
15 Uhr findet im Gemeindezentrum die Bastelstunde statt. Ihre Tochter
wird Sie dorthin bringen.
Der Klient wird an seinen derzeitigen Wohnort
erinnert: "Herr Schmidt.
Sie wohnen jetzt im Haus Ihres Sohnes in
Nürnberg. In welcher Stadt sind Sie aufgewachsen?"
Der Klient wird mit "Herr" / "Frau" und dem
Nachnamen angesprochen. Sofern es aus biografischen Gründen nicht
zwingend ist, wird kein Klient geduzt. In keinem Fall wird der Klient
verniedlicht oder mit einem Spitznamen angesprochen.
Der aktuelle Wochentag und die derzeitige
Jahreszeit werden regelmäßig thematisiert. Beispiel:
"Guten Morgen, Herr Meier. Heute ist Montag,
der 3. Juli 2012. Es ist jetzt 10.30 Uhr. Es ist draußen ein
freundlicher und warmer Sommertag."
Es werden regelmäßig biografische Daten in das
Gespräch mit dem Klienten integriert. Etwa:
"Herr Schmidt, Sie wurden 1925 in Hamburg
geboren. Können Sie mir sagen, wie alt Sie jetzt sind?"
Im Dialog mit dem Senioren sollte die
Pflegekraft immer wieder den Klienten nach biografischen Daten
befragen. Soweit möglich, sollte ein Bezug zur Gegenwart hergestellt
werden. Dieses kann z.B. ein Gespräch über die Berufsbiografie des
Klienten sein. Die Pflegekraft stellt dann die Verknüpfung zu aktuellen
Entwicklungen her. Etwa:
Wir sollen jetzt alle viel länger bis zur
Rente arbeiten. In welchem Alter sind Sie in Rente gegangen, Herr
Schulze?
Alle Mitarbeiter sprechen in einfachen kurzen
Sätzen. Der Klient kann ggf. aufgefordert werden, einzelne
Informationen zu wiederholen oder auf Fragen zu antworten.
Im Gespräch mit dem Klienten achten wir darauf,
dass wir ihn nicht mit zu vielen Informationen überfordern. Wir
unterscheiden zwischen Wichtigem und Unwichtigem. Wir überlegen genau,
welche Informationen für den Demenzkranken wichtig sind und welche
nicht.
Selbstständiges und orientiertes Verhalten des
Klienten wird gelobt und so positiv verstärkt. Lob kann sich auch in
einem Lächeln oder in einer Berührung ausdrücken.
Falsche Zuordnungen von Objekten, Personen,
Orten, Daten und Uhrzeiten werden behutsam korrigiert, ohne die Gefühle
und die Individualität des Klienten zu verletzen.
Fragen des Klienten werden wahrheitsgemäß
beantwortet, sofern der seelische Zustand des Klienten eine Notlüge
nicht zwingend erfordert.
weitere Maßnahmen
-
Der Tagesablauf des Klienten sollte
gleichförmig gestaltet werden. Sich täglich wiederholende Ereignisse,
Rituale und Gewohnheiten vermitteln dem Klienten ein Gefühl der
Sicherheit. Bei der Tourenplanung achten wir darauf, dass wir den
Klienten zu möglichst gleichen Tageszeiten besuchen. Wir leiten ihn
dazu an, auch die Mahlzeiten zu einem festen Zeitpunkt einzunehmen.
-
Klienten werden ermutigt, im Fernsehen die
Nachrichten zu verfolgen. Wir empfehlen außerdem dem Klienten, sein
Radio auf einen Sender zu stellen, der nicht ausschließlich Musik
spielt sondern auch Textbeiträge sendet.
-
Der Klient sollte Kleidung tragen, die er
selbst ausgesucht hat und die er ansprechend findet.
-
Wir stellen sicher, dass der Klient über eine
Brille mit aktuellen Glasstärken verfügt. Es ist wichtig, dass er diese
konsequent trägt. Das Gleiche gilt für Hörgeräte bei Hörstörungen.
-
Wir prüfen den Einsatz von Merkzetteln zur
Unterstützung der Erinnerung. Diese Zettel sollten wohldosiert (also
nicht zu zahlreich) eingesetzt werden. Auf jedem Zettel sollte sich nur
eine Information befinden. Die Schriftgröße sollte dem Sehvermögen
angepasst sein. Die Zettel sollten dort befestigt werden, wo die
Informationen gebraucht werden. Etwa:
-
Zettel am TV-Gerät: "Fernseher nicht zu laut
stellen!"
-
Zettel im Badezimmer: "Wasser nach dem
Händewaschen abstellen!"
Nachbereitung:
Erfolgskriterien
Das
mentale Leistungsvermögen des Klienten wird regelmäßig ermittelt und
somit die Resultate von ROT abgeschätzt. Wichtige Kriterien sind:
-
Erkennt der Klient die Namen und die Gesichter
von Pflegekräften, Betreuungspersonen und Angehörigen?
-
Weiß der Klient, wo er sich befindet?
-
Ist er in der Lage, Gegenstände korrekt zu
verwenden?
-
Findet er sich innerhalb seiner Wohnung zurecht?
-
Kann der Klient Wochentag, Monat und Jahr
korrekt nennen?
weitere Maßnahmen
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Relevante Veränderungen werden dem Hausarzt und
der Pflegedienstleitung weitergemeldet.
-
Die Ergebnisse und Erfahrungen werden
regelmäßig in Fallbesprechungen diskutiert.
Dokumente:
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Pflegeplanung
-
Berichtsblatt
-
Leistungsnachweise
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
-
Bezugspflegekraft
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weitere Pflegekräfte
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