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Standard "Pflege von Senioren mit Tumorschmerzen"

Vier von fünf Krebspatienten leiden im Endstadium an chronischen Schmerzen. Doch längst nicht jeder Arzt ist bereit, die notwendigen Medikamente zu verschreiben. Dann liegt es an den Pflegekräften, für eine menschenwürdige Therapie zu sorgen.


Standard "Pflege von Senioren mit Tumorschmerzen"


Definition:

  • Tumorschmerzen treten als Spätsymptom bei malignen Tumorerkrankungen auf. Vier von fünf Krebspatienten leiden im Endstadium daran.
  • Die Beschwerden sind i.d.R. die Folge des Wachstums des Tumors, der gesunde Strukturen verdrängt und dabei Druck auf schmerzempfindliches Gewebe ausübt. Dazu kommt, dass viele Therapiemaßnahmen im Rahmen der Krebsbehandlung mit schmerzhaften Nebenwirkungen verbunden sind. Als Schmerz verstärkend wirken zudem die mentalen Belastungen, die mit einer Krebserkrankung verbunden sind.
  • Da die Schmerzen oftmals permanent vorhanden sind, erhält der Bewohner eine kontinuierliche Schmerzmittelversorgung. Die Analgetika werden also in regelmäßigen Abständen appliziert, um permanent einen ausreichenden Wirkstoffpegel im Blut aufrechtzuerhalten. Dadurch wird eine kontinuierliche Schmerzlinderung sichergestellt.
  • Schmerzspitzen, die über das gewohnte Niveau hinausgehen, werden als “Durchbruchsschmerzen” bezeichnet. Diese treten oft ohne erkennbare Ursache auf. Die Beschwerden sind so intensiv, dass die reguläre Dauermedikation mit Analgetika keine hinreichende Linderung bringt. Es ist daher erforderlich, für solche Fälle schnell wirksame Analgetika mit hoher Wirkung als Bedarfsmedikation bereitzuhalten.
  • Die Maßnahmen zur Schmerztherapie sowie zum Umgang mit den jeweiligen Nebenwirkungen sind detailliert in folgenden Standards beschrieben:
    • Standard "nichtmedikamentöse Schmerztherapie"
    • Standard "Schmerzbekämpfung mit nicht-opioiden Analgetika"
    • Standard "Schmerzbekämpfung mit Opioiden"

Grundsätze:

  • Tumorschmerzen sind chronische Schmerzen. Sie erfordern somit eine langfristig geplante und konsequent durchgeführte Dauertherapie.
  • Eine möglichst umfassende Schmerzfreiheit ist unverzichtbar für eine menschenwürdige Existenz. Es ist erniedrigend, wenn ein Bewohner um ein Schmerzmedikament bitten muss.
  • Wir begreifen Schmerzen nicht nur als rein körperliche Beeinträchtigung, sondern auch als mentale Belastung.

Ziele:

  • Der Bewohner ist möglichst schmerzfrei.
  • Der Bewohner weiß, dass die Pflegekraft seine Beschwerden ernst nimmt.
  • Die psychische Stabilität wirkt sich fördernd auch auf den Krankheitsverlauf aus.
  • Der Wirkstoffspiegel wird konstant im therapeutischen Bereich gehalten. Ein Wiederauftreten von Schmerzen wird verhindert.

Vorbereitung:

  • Der Bewohner und seine Angehörigen werden von uns eingehend über die Möglichkeiten des Schmerzmanagements beraten. Wir informieren diese über die Wirkungen und die Nebenwirkungen verschiedener Analgetika sowie über begleitende Behandlungsstrategien.
  • Der Bewohner wird an der Planung der schmerzlindernden Maßnahmen beteiligt. Er sollte folgende Fragen beantworten:
    • Möchte er eine vollständige Schmerzfreiheit?
    • Möchte er lediglich eine Linderung der Schmerzen?
    • Welche Nebenwirkungen ist er bereit, dafür zu ertragen?
  • Der Bewohner wird angeleitet, die Schmerzbelastung eigenständig zu dokumentieren. Dieses insbesondere in Form eines Schmerztagebuches.
  • Wir vermitteln dem Bewohner Entspannungstechniken, also etwa Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga, autogenes Training, Imaginations-Verfahren oder Selbsthypnose.
  • Bei Verlegungen in das Krankenhaus sowie bei Transfers zurück in unser Haus stellen wir sicher, dass zwischen allen Einrichtungen sämtliche relevanten Informationen ausgetauscht werden. Die Schmerztherapie sollte nahtlos weitergeführt werden.
  • Bei vielen Krebskranken entsteht ein Teufelskreis. Der Schmerz verursacht ein zusätzliches Pflegeproblem. Dieses Pflegeproblem steigert nun den Schmerz zusätzlich. Wir versuchen, die Spirale zu durchbrechen. Zwei Beispiele dafür:
    • Die Sicherstellung einer angemessenen Ernährung ist wichtig. Viele Analgetika beeinträchtigen den Appetit des Bewohners. Es kann zu einer Abmagerung und zur Kachexie kommen. Ein schlechter Ernährungszustand setzt wiederum die Widerstandsfähigkeit des Bewohners gegen den Schmerz herab.
    • Viele Betroffene leiden als Folge der Schmerzen an Vereinsamung, Angstzuständen und Hoffnungslosigkeit. Mentale Instabilität wiederum führt dazu, dass der Schmerz nun noch intensiver wahrgenommen wird. Wir stehen dem Bewohner jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung. Er soll die Kontakte zu Freunden und zu seiner Familie nicht abbrechen. Wir suchen ggf. den Kontakt zur Kirchengemeinde.

Durchführung:

  • Die Behandlung von Tumorschmerzen sollte auf dem “modifizierten WHO-Stufenschema” basieren. Beginnend mit Nicht-Opioidanalgetika bei leichteren Schmerzen steigert sich die Medikation schrittweise bis zu starken Opioidanalgetika. Wird dieses System beachtet, ist in mehr als 80 Prozent aller Fälle für den betroffenen Bewohner eine zufriedenstellende Schmerzlinderung möglich.
  • Erfahrungsgemäß gibt es immer wieder Probleme bei der Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten. Pflegekräfte achten daher auf folgende Parameter:
    • Wir stellen sicher, dass der Arzt überhaupt mit dem WHO-Schema vertraut ist.
    • Falls der Bewohner bereits zu Beginn der Krebserkrankung an starken Schmerzen leidet, muss gleich mit der zweiten oder mit der dritten Stufe begonnen werden. In der Praxis erhalten viele krebskranke Senioren Opioide viel zu spät, in zu geringer Dosis oder - im schlimmsten Fall - gar nicht.
    • Wenn sich der Zustand des Bewohners verschlechtert, muss zeitnah auf die nächste Stufe gewechselt werden. Wir stellen sicher, dass der behandelnde Arzt alle Informationen zur Schmerzbeobachtung erhält.
    • Ein häufiger Fehler ist auch, dass Medikamente einer zu niedrigen Stufe gewählt werden. Da diese Präparate nicht mehr ausreichend wirken, wird die Dosierung immer weiter erhöht. Damit intensivieren sich aber auch die Nebenwirkungen. Stattdessen ist es besser, die Medikamente einer höheren Stufe zu wählen, die dann entsprechend geringer dosiert sind.
    • Eine orale oder transdermale Applikation sollte so lange wie möglich gewählt werden. Auch eine Verabreichung per PEG ist i.d.R. unproblematisch. Erst wenn der Bewohner auf diesen Wegen keine Tabletten mehr einnehmen kann und auch Wirkstoffpflaster keinen hinreichenden therapeutischen Effekt zeigen, sollte das Medikament per Injektion verabreicht werden.
    • Es ist sinnvoll, wenn ein Arzt im Bedarfsfall auch außerhalb der Sprechstundenzeit telefonisch erreichbar ist.
    • Wir erwarten, dass der Arzt eine ausreichende Bedarfsmedikation für Durchbruchsschmerzen vorgibt. Ein guter Arzt verschreibt außerdem auch wirksame Begleitmedikamente etwa zur Linderung von Nebenwirkungen von Analgetika.
  • Bei Vorbehalten suchen wir den Dialog mit dem behandelnden Arzt. Wir legen unseren Standpunkt dar.
  • Falls der behandelnde Arzt offensichtlich nicht willens oder fähig ist, dem Bewohner eine angemessene Schmerztherapie zukommen zu lassen, raten wir dem Bewohner dringend zu einem Wechsel des Mediziners.
  • Vor Pflegemaßnahmen, die für den Bewohner erfahrungsgemäß sehr schmerzhaft sind, sollte vorbeugend ein stärkeres Schmerzmittel verabreicht werden. Alternativ wird die Dosierung des üblichen Analgetikums erhöht. Belastend sind z.B. Mobilisationen, Krankentransporte sowie Verbandswechsel.
  • Die Schmerzmittel werden zur ärztlich vorgegebenen Zeit in der verordneten Dosis appliziert.
  • Falls erforderlich sollte die Pflegekraft nicht zögern, die Bedarfsmedikation zu verabreichen und die verschriebene Dosis komplett auszuschöpfen.
  • Wir beobachten den Bewohner, um anhand seines Verhaltens auf die Schmerzintensität schließen zu können. Dieses ist insbesondere bei demenziell erkrankten Senioren wichtig, da diese krankheitsbedingt keine Angaben zu ihren Beschwerden machen können. Andere Bewohner, insbesondere Männer, geben aufgrund ihres biografisch geprägten Rollenbildes ungern zu, dass sie Schmerzen haben. Relevant sind z.B. folgende Punkte:
    • Klagt der Bewohner über Schlafstörungen, weil er im Liegen unter Schmerzen leidet?
    • Ist die Atmung beeinträchtigt, weil sich Rippenmetastasen gebildet haben? Kann der Bewohner nicht mehr richtig abhusten?
    • Kommt es zu Schmerzen beim Sitzen oder bei Bewegung, weil Tumorzellen in die Skelettmuskulatur oder in das Bindegewebe eingedrungen sind?
    • Kommt es zu Schmerzen in den Gliedmaßen? Drückt der Tumor Blutgefäße zusammen? Bildet sich als Folge des gestörten Blutkreislaufes deshalb ein Ischämieschmerz?
  • Wir befragen den Bewohner mindestens zweimal pro Schicht nach der Schmerzbelastung. Wichtig ist dabei insbesondere die Frage, in welchem Maß die Analgetika tatsächlich den gewünschten Effekt zeigen. Wir befragen den Bewohner einige Zeit nach der Schmerzmittelapplikation: Bei intravenöser Applikation nach 30 Minuten, bei oraler Applikation nach 60 Minuten und bei transdermaler Applikation nach 12 bis 16 Stunden.
  • Die Pflegekraft sollte sich bei der Schmerzbetrachtung nicht auf den Tumor fixieren. Nicht jeder Schmerz, den ein krebskranker Bewohner verspürt, ist automatisch ein Tumorschmerz. Krebskranke Bewohner können z.B. durchaus auch verspannungsbedingte Kopfschmerzen haben.

Nachbereitung:

  • Der Zustand des Bewohners wird regelmäßig im Rahmen von Fallbesprechungen diskutiert.
  • Falls der Zustand des Bewohners unsere pflegerischen Möglichkeiten übersteigt, sollte geprüft werden, ob der Bewohner in einem Hospiz versorgt werden sollte.
  • Der behandelnde Arzt wird regelmäßig über den Zustand des Bewohners informiert. Wir überstellen ihm insbesondere die Aufzeichnungen zur Schmerzbelastung, also etwa das Schmerztagebuch.

Dokumente:

  • Wunddokumentation
  • Berichtsblatt
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte