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Standard "Pflege
und Betreuung von schwerhörigen Senioren"
Schwerhörigkeit mag im Vergleich zu einem Dekubitus oder einer
Thrombose eher als Zipperlein wirken, für die Betroffenen
bedeutet die Behinderung aber einen enormen Verlust an
Lebensqualität.
Standard
"Pflege und Betreuung von schwerhörigen
Senioren"
Definition:
Eine Schwerhörigkeit kann
sowohl angeboren sein als auch erworben werden.
Es gibt zwei Formen der Schwerhörigkeit:
-
Eine eingeschränkte
Weiterleitung des Schalls innerhalb des
Ohres löst eine
Schallleitungsschwerhörigkeit aus. Diese
Störung kann etwa durch Zerumen (sog.
Ohrenschmalz) oder eine Mittelohrentzündung
ausgelöst werden.
-
Wenn das Innenohr
geschädigt ist, liegt eine
Schallempfindungsschwerhörigkeit vor.
Ursachen dafür sind z.B. ein Hörsturz, ein
Schalltrauma oder eine Menière-Krankheit.
Die Schwerhörigkeit wird
in fünf Stufen unterteilt:
-
Bei einer
geringfügigen Schwerhörigkeit kann der
Bewohner das Ticken einer Armbanduhr nicht
wahrnehmen.
-
Bewohner mit einer
mittleren Schwerhörigkeit können nur noch
dann mit einem anderen Menschen
kommunizieren, wenn dessen Gesicht für sie
sichtbar ist.
-
Bei einer
hochgradigen Schwerhörigkeit kann der
Betroffene seinen Gesprächspartner trotz
Blickkontakt nicht mehr verstehen.
-
Bei einer
Schwerhörigkeit an der Grenze zur Taubheit,
können nur noch sehr laute Geräusche
wahrgenommen werden. Eine Identifizierung
der Geräusche ist aber nicht mehr möglich.
-
Bei einer Taubheit
sind die Ohren nicht mehr fähig, Geräusche
wahrzunehmen.
Grundsätze:
-
Schwerhörige Bewohner
haben das Recht auf vollständige Teilhabe am
sozialen Leben. Der Kontakt von
schwerhörigen Bewohnern mit gut hörenden
Bewohnern wird von uns nach Kräften
gefördert.
-
Schwerhörige Bewohner
haben das Recht auf eine optimale Versorgung
mit technischen Hilfsmitteln und auf eine
optimale Pflege.
-
Schwerhörigkeit darf
niemals mit einer geistigen Behinderung oder
Demenz verwechselt werden.
Ziele:
-
Wir wollen die
häufigsten Folgen der Schwerhörigkeit
verhindern:
-
Misstrauen und
Eigensinn
-
Aggressionen,
insbesondere Autoaggressionen
-
Angst und
Verunsicherung
-
Verwirrtheit
-
sozialer Rückzug
bis hin zur Isolation
-
Depressionen bis
hin zum Suizid
-
Vorbehalte gegen
die Nutzung eines Hörgerätes sollen
abgebaut werden. Der Bewohner soll in
der Lage sein, sein Hörgerät sicher zu
bedienen.
-
Bewohner mit
Hörbehinderungen sollen vollständig in
die Gemeinschaft integriert werden.
Vorbereitung:
Wir achten auf Hinweise, die
auf eine Schwerhörigkeit hindeuten:
-
Der Bewohner reagiert
nur, wenn man in sein Blickfeld tritt.
-
Der Fernseher oder
das Radio werden auf eine Lautstärke
eingestellt, die Mitbewohner als störend
empfinden.
-
Die Mimik im Gesicht
des Bewohners zeigt, dass er hoch
konzentriert ist, wenn die Pflegekraft mit
ihm redet.
-
Der Bewohner legt die
Hand an das Ohr, um besser verstehen zu
können.
-
Der Bewohner dreht
eine bestimmte Kopfseite in Richtung
Schallquelle, also etwa eine Pflegekraft,
die mit ihm reden will.
-
Wenn dem Bewohner
eine Frage gestellt wird, gibt dieser
oftmals eine zum Thema unpassende Antwort.
Durchführung:
Organisation:
-
Alle Mitarbeiter im
Bereich Pflege und Betreuung werden über
eine festgestellte Schwerhörigkeit eines
Bewohners informiert. Wichtige Punkte sind:
-
Welche Ohren sind
wie stark betroffen?
-
Welche
Hilfsmittel stehen dem Bewohner zur
Verfügung?
medizinische Maßnahmen:
-
Wir sorgen dafür,
dass die Ursache für die Schwerhörigkeit
fachärztlich geklärt wird. Dies gilt
insbesondere dann, wenn die Hörstörungen
unerwartet und plötzlich auftauchen.
-
Bei jedem
Medikamenteneinsatz prüfen wir, ob sich der
Wirkstoff negativ auf die Hörleistung
auswirken kann (z.B. verschiedene
Antibiotika).
-
Eine Verstopfung des
Gehörgangs mit Cerumen wird von einem Arzt
beseitigt.
-
Wir drängen auf eine
zeitnahe Versorgung mit Hörgeräten, da jede
nicht genutzte Woche das
Kommunikationsvermögen schwinden lässt.
-
Wir versuchen
insbesondere eine beidohrige Versorgung mit
Hörgeräten zu erreichen.
Umgang mit Hörgeräten:
-
Hörgeräte sind
empfindliche Instrumente.
-
Die Geräte werden
niemals der offenen Sonne oder einer
heißen Heizung ausgesetzt. Beim Föhnen
sollte das Gerät nicht getragen werden.
-
Zum Baden und
Duschen werden sie immer entnommen.
-
Sie werden nur in
den dafür vorgesehenen Etuis gelagert.
-
Ein Hörgerät darf
niemals hart zu Boden fallen.
-
Der Kontakt zu
chemischen Lösungsmitteln, etwa in
Haarspray oder Parfüm, kann das Gerät
schädigen.
-
Das Ohrpassstück wird
regelmäßig vom eigentlichen Gerät getrennt
und gemäß den Herstellervorgaben gereinigt.
-
Bei Nichtbenutzung
(etwa in der Nacht) wird das Hörgerät
ausgeschaltet, um die Batterie zu schonen.
Wenn das Gerät über einen längeren Zeitraum
nicht benutzt werden soll, wird die Batterie
entnommen und trocken gelagert. Es muss
verhindert werden, dass der Bewohner kleine
Batterien für Tabletten hält und sie
einnimmt.
-
Wir kontrollieren
regelmäßig, ob das Gerät dem Bewohner noch
passt. Die Ohrform kann sich im Laufe der
Jahre so weit verändern, dass das Hörgerät
Druckstellen verursachen kann.
-
Wir ermuntern den
Bewohner, seine Hörgeräte auch tatsächlich
zu nutzen. Ein Verzicht, etwa um Batterien
zu sparen, ist zumeist nicht sinnvoll.
-
Der Bewohner sollte
immer eine Ersatzbatterie vorrätig haben.
-
Der Schallschlauch
sollte nicht verdreht oder geknickt werden,
da dieses das Material schädigt und die
Funktionsfähigkeit beeinträchtigt.
-
Vor jedem Einsetzen
führt die Pflegekraft eine Funktionsprüfung
durch. Dieses geschieht stets noch in der
Hand und niemals im Ohr.
-
Einsetzen und
Entfernen eines "Hinter-dem-Ohr-Gerätes":
-
Das Hörgerät wird
ausgeschaltet.
-
Die Pflegekraft
fasst dass Ohrpassstück mit dem Daumen
und dem Zeigefinger. Für das rechte Ohr
nimmt sie die rechte Hand, für das linke
Ohr die linke Hand.
-
Mit der freien
Hand zieht die Pflegekraft das Ohr
leicht zurück. Das Ohrpassstück kann
jetzt ohne Kraftaufwand in den Gehörgang
eingeführt werden. Mit kleineren
Drehbewegungen wird es in eine optimale
Position gebracht.
-
Das eigentliche
Hörgerät kann nun hinter das Ohr gelegt
werden. Der Schlauch muss dabei gerade
verlegt werden.
-
Das Gerät kann
angeschaltet werden.
-
Zum Herausnehmen
wird das Gerät ausgeschaltet. Mit einem
leichten Zug am Ohrpassstück kann das
System aus dem Ohr entnommen werden.
-
Einsetzen und
Entfernen eines "Im-Ohr-Gerätes":
-
Das Hörgerät wird
ausgeschaltet.
-
Das Gerät mit der
blauen Markierung passt in das linke
Ohr, das mit der roten Markierung in das
rechte Ohr.
-
Mit dem Kanalende
nach vorne wird das Gerät im Gehörgang
platziert.
-
Mit
Drehbewegungen und einem leichten
Zurückziehen des Ohrläppchens wird die
Position korrigiert.
-
Vor dem Entnehmen
des Gerätes wird dieses ausgeschaltet.
-
Wenn das Gerät
über einen Ziehfaden verfügt, so umfasst
die Pflegekraft diesen mit Daumen und
Zeigefinger. Ein leichter Zug entfernt
das Gerät aus dem Gehörgang. Andere
Geräte ohne Ziehfaden: Die Pflegekraft
legt den Daumen hinter das Ohrläppchen
und übt leichten Druck nach oben auf das
Ohr aus. Falls notwendig kann der
Bewohner mit Kaubewegungen das Entnehmen
unterstützen. Mit Daumen und Zeigefinger
umfasst die Pflegekraft das Gerät und
entnimmt es aus dem Ohr. Achtung: Ein "Im-Ohr-Gerät"
ist sehr klein und fällt bei der
Prozedur leicht zu Boden.
-
Wenn der Bewohner das
Gerät eigenständig ins Ohr einsetzen will,
gibt die Pflegekraft ihm wichtige Tipps:
-
Mit einem Spiegel
gelingen viele Handgriffe präziser.
-
Die Ellenbogen
sollten aufgestützt werden, da dieses
ein ruhigeres Arbeiten erlaubt.
-
Das Einsetzen
gelingt häufig erst nach viel Übung. Der
Bewohner sollte also die notwendige
Geduld aufbringen.
-
Beim Einsetzen einer
neuen Batterie achtet die Pflegekraft auf
die richtige Polung.
-
Wenn das Gerät eine
Funktionsstörung hat, wird es zum
Hörgeräte-Akustiker gebracht. Eine
selbständige Reparatur darf nicht
durchgeführt werden.
Kommunikation:
-
Vor einem Gespräch
werden alle unnötigen Geräuschquellen
ausgeschaltet, wie etwa der Fernseher, das
Radio usw.
-
Die Pflegekräfte
sollten kurze, nicht verschachtelte Sätze
formulieren. Ggf. werden wichtige Sätze
wiederholt.
-
Der Einsatz von
Fremdworten sollte vermieden werden.
-
Pflegekräfte sollten
entweder Hochdeutsch reden oder im gleichen
Dialekt wie der Bewohner.
-
Es ist wichtig,
langsam, mittellaut und gut artikuliert zu
sprechen. Mit einem Kaugummi im Mund ist das
nicht möglich. Auch sollte die Pflegekraft
beim Reden nicht die Hand vor den Mund
legen.
-
Der Bewohner wird
ermuntert, stets nachzufragen, wenn er etwas
nicht versteht.
-
Beim Sprechen sollte
der Bewohner die Mundbewegungen und das
Gesicht des Sprechenden gut sehen können.
Dazu kann es auch notwendig sein, z.B. das
Licht anzuschalten. Dieses gilt insbesondere
für die Nachtwache.
-
Mimik und Gesten
können dem Bewohner das Verstehen
erleichtern.
-
Brüllen hat meistens
keinen positiven Effekt, sondern
verschlechtert sogar das Mundbild.
-
Wenn die
Hörbehinderung auf einer Seite schwächer
entwickelt ist, sollte der Bewohner stets
von seiner "besseren" Seite angesprochen
werden.
-
Wir setzen zudem je
nach Krankheitsbild und eventuell
vorhandenen dementiellen Erkrankungen
weitere Hilfsmittel ein:
-
Bildtafeln und
Wortkarten
-
Tafel und Kreide
-
Schreibblock und
Stift
-
Viele komplizierte
Sachverhalte lassen sich durch eine
Zeichnung besser erklären.
-
Lange Kommunikation
ermüdet den Bewohner. Es ist wichtig, für
ausreichende Pausen zu sorgen. Die
Erstellung der Bewohnerbiographie etwa
sollte auf mehrere Sitzungen verteilt
werden.
technische Ausstattung:
-
Wir empfehlen den
Bewohnern, sich einen Kopfhörer zu
beschaffen, damit andere Bewohner nicht
durch Lärm aus dem Fernseher, dem Radio usw.
gestört werden.
-
Wir ermöglichen
schwerhörigen Bewohnern per Fax mit Freunden
und Verwandten zu kommunizieren.
-
Wir beschaffen
ausschließlich Fernseher, die Untertitel
einblenden können.
-
Bei unseren
Videoabenden spielen wir bevorzugt solche
DVDs, die mit einem deutschen Untertitel
versehen sind.
Betreuung:
-
Schwerhörige suchen
oftmals Körperkontakt zu Bezugspersonen.
Pflegekräfte sollten auf diese
"Ersatz-Kommunikation" eingehen.
-
Alle pflegerischen
Maßnahmen müssen dem Bewohner erklärt
werden, ggf. durch eine Tafel oder ein Bild.
-
Schwerhörige Bewohner
können sich sehr leicht erschrecken. Daher
kann es sinnvoll sein, dass eine Pflegekraft
ihr Eintreten in das Zimmer mit einem kurzen
An- und Ausschalten der Beleuchtung
ankündigt.
-
Wenn spürbar wird,
dass der Bewohner unter seiner
Schwerhörigkeit leidet, bietet insbesondere
die Bezugspflegekraft stets ein Gespräch an.
-
Ein guter Kontakt zu
den Angehörigen ist wichtig, da diese bei
fortgeschrittener Schwerhörigkeit oftmals
noch am besten mit dem Bewohner
kommunizieren können.
-
Wir schreiten ein,
wenn Mitbewohner einen Schwerhörigen als
geistig behindert ausgrenzen.
-
Wenn sich zwei
Pflegekräfte in Gegenwart des Bewohners über
diesen unterhalten, so wird der Bewohner in
das Gespräch einbezogen. Alles andere würde
Misstrauen auslösen oder fördern.
Nachbereitung:
-
Alle Maßnahmen werden
sorgfältig dokumentiert.
-
Wenn sich das
Hörvermögen eines Bewohners verändert hat,
wird die Pflegeplanung entsprechend
angepasst.
-
Die
Betreuungsqualität für schwerhörige Bewohner
wird regelmäßig im Qualitätszirkel
thematisiert.
Dokumente:
-
Berichtsblatt
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit:
|