pqsg mobil
Start Index Impressum
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Standard "Umgang mit ‚schwierigen' und unkooperativen Senioren"

Die freundliche Oma mit der stets gefüllten Pralinenschachtel am Pflegebett ist nur eine Seite der Medaille. Manch Senior versteht es, mit ständigen Nörgeleien und mangelndem Kooperationswillen seine Bezugspflegekraft an den Rand eines Burn-out-Syndroms zu bringen.


Standard "Umgang mit ‚schwierigen' und unkooperativen Senioren"


Definition:

  • Der alltägliche Kontakt zwischen Bewohner und Pflegekraft unterliegt wie jede andere Beziehung einem Wechselspiel zwischen Sympathie und Antipathie. Aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses treten Spannungen hier jedoch besonders schnell und heftig auf.
  • Bei Demenzpatienten tragen Beziehungsstörungen zum Abbau der geistigen Fähigkeiten bei. Dieses etwa wenn eine Pflegekraft den Bewohner in der Öffentlichkeit kritisiert und korrigiert. Das Ausüben von Zwang sowie ein ruppiger Umgangston können den "Rückzug in die Innenwelt" beschleunigen.

Grundsätze:

  • Pflegekräfte haben das Recht auf persönliche Vorlieben, sie können nicht alle Bewohner mit der gleichen Sympathie versorgen. Es ist natürlich, wenn Mitarbeiter einzelne Senioren als sympathisch empfinden und andere als unsympathisch.
  • Gleichwohl haben alle Bewohner unabhängig davon ein Anrecht auf eine gleichermaßen menschliche Pflege.
  • Jeder Bewohner kann seine Individualität ausleben, sofern er damit nicht die Lebensqualität der Mitbewohner und Pflegekräfte unangemessen einschränkt.
  • Wir deuten "schwieriges" Verhalten nicht als bewusste gegen uns gerichtete Provokation. Vielmehr verstehen wir diese Handlungen als Aufforderung, uns mit den Pflegeproblemen und Pflegeressourcen des Bewohners zu beschäftigen.
  • Ein Bewohner, der lediglich die Handlungen der Pflegekräfte hinterfragt und eigene Vorschläge einbringt, ist nicht "schwierig". Im Gegenteil wünschen wir uns von unseren Bewohnern, dass sich diese aktiv in den Pflegeprozess einbringen.
  • Wir sind uns bewusst, dass das Geschlecht des Bewohners mitentscheidend ist bei der Frage, ob dieser einer Pflegekraft sympathisch ist. Tendenziell werden Patienten des eigenen Geschlechts eher abgelehnt als Patienten des anderen Geschlechts.

Ziele:

  • Konflikte zwischen Bewohnern und Pflegekräften werden vermieden und bestehende Differenzen abgebaut.
  • Die Individualität unserer Bewohner wird gefördert.
  • Ein Burn-Out unserer Pflegekräfte wird vermieden.

Vorbereitung:

Prävention

  • "Schwierige" Bewohner erhalten eine geschulte und erfahrene Bezugspflegekraft. Diese sollte nach Möglichkeit nicht wechseln.
  • Wir versuchen ein Klima zu schaffen, in dem sich jeder Bewohner akzeptiert und angenommen fühlen darf. Wir ermöglichen ihm ein weitgehend selbst bestimmtes Leben.
  • Wir achten auf ein gutes Arbeitsklima. Spannungen unter den Pflegekräften und insbesondere ein rauer Umgangston können sich auf die Senioren übertragen.
  • Unverzichtbar sind Rückzugsmöglichkeiten für Bewohner, insbesondere wenn diese in einem Zweibettzimmer leben. Dazu zählt etwa ein Garten oder eine Bibliothek.
  • Dauerhafter Lärm kann Aggressionen auslösen und wird daher vermieden. Dazu zählen Straßenlärm, Lärm aus der Hauswirtschaft usw.
  • Eine Reizüberflutung des Bewohners wird vermieden. Insbesondere werden unnötig laufende Fernseher und Radios ausgeschaltet.
  • Wir vermeiden weitere aggressionsauslösende Faktoren, etwa:
    • unangenehme Gerüche
    • Hitze, insbesondere Temperaturen über 25°C
    • unbekannte Geräusche
    • Unterzuckerung oder Hunger
    • Atemnot
    • Austrocknung
    • Harnverhalt
    • hoher Blutdruck
    • Schilddrüsenüberfunktion
    • Arzneimittel, insbesondere Nootropika, aktivierende Antidepressiva oder Coffein-Produkte
    • morgendlicher Stress, wenn der Bewohner noch verlangsamt reagiert
    • unnötige Störungen in der Nacht
    • mangelhafte Schmerzbehandlung
    • bedrohlich wirkende Pflegemaßnahmen, wie etwa das unangekündigte Einführen von Schläuchen

Ursachenforschung

  • Wenn ein Bewohner nur mangelhaftes Kooperationsverhalten zeigt, versuchen wir die Ursachen für dieses Verhalten zu ergründen. Möglich sind:
    • Das unkooperative Verhalten ist eine "Retourkutsche" für einen früheren Konflikt mit der Pflegekraft, in dem sich der Bewohner nicht durchsetzen konnte.
    • Der Bewohner vertraut auf unzutreffende Informationen und falsche Ratschläge zu seinem Krankheitsbild. Diese Fehlinformationen kann er z.B. einer Zeitschrift entnommen haben. Möglich ist auch, dass er sich mit Freunden oder Angehörigen ausgetauscht hat.
    • Der Bewohner weiß, dass er Unrecht hat, würde aber durch ein Abrücken von seinem Standpunkt sein Gesicht verlieren.
    • Der Bewohner nimmt eine grundsätzliche Oppositionshaltung ein. Dieses ist Teil eines in Jahrzehnten gefestigten Charakterbildes.
    • Das Verhalten soll die wahren Ursachen verschleiern. Ggf. versucht der Bewohner verschiedene Aspekte geheim zu halten, die ihm peinlich sind oder vor denen er Angst hat. Er glaubt, dass die Pflegekraft dafür kein Verständnis zeigen würde.
  • Wir prüfen, ob das "schwierige" Verhalten ein anderes Problem überdecken soll. Etwa:
    • Depressionen
    • Streit mit Angehörigen, Mitbewohnern usw.
    • Drogen- und Alkoholabhängigkeit
    • psychische Störungen, etwa Wahnerkrankungen

Hinterfragen der eigenen Einstellung

Wir hinterfragen, warum wir einen Bewohner als "schwierig" empfinden. Mögliche subjektive(!) Kriterien können sein:

  • Der Bewohner stellt viele Fragen, deren Beantwortung viel Zeit in Anspruch nimmt.
  • Innerhalb der Gemeinschaft ist der Bewohner isoliert, etwa weil er sich an den Heimbetrieb nicht anpassen möchte.
  • Der Bewohner lehnt verschiedene Pflegemaßnahmen ab, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe gibt. Er muss ständig überzeugt oder überredet werden.
  • Der Bewohner beschwert sich häufig. Er kritisiert z.B. die Arbeit der Pflegekräfte, die Qualität der Speisenversorgung oder die Unterbringung.
  • Der Bewohner ist misstrauisch, fürchtet etwa bestohlen oder vergiftet zu werden.
  • Der Bewohner ist undankbar.
  • Der Bewohner zeigt eine ängstlich-hypochondrische Grundhaltung.

Durchführung:

  • Pflegekräfte sollten es vermeiden, im Kollegenkreis einen Bewohner grundlos als "schwierig" o. Ä. zu bezeichnen. Sie übertragen damit ihre eigene Einschätzung auf Kollegen, die vielleicht anfangs ein anderes Bild hatten oder sich noch keinen eigenen Eindruck verschafft haben. Vor allem im Rahmen der Einarbeitung neuer Mitarbeiter unterbleibt bei der Vorstellung der Bewohner jede persönlichkeitsbezogene Wertung.
  • Gleichwohl ist es wichtig, sich im Kollegenkreis über die eigenen Eindrücke und Empfindungen auszutauschen. Die Pflege und Betreuung sollte innerhalb des Teams koordiniert werden.
  • Pflegekräfte sollten eindeutig kommunizieren. Verbal und nonverbal ausgedrückte Botschaften müssen übereinstimmen. Beispiel: Die Pflegekraft sagt: "Es ist schön Sie zu sehen". Der Gesichtsausdruck und die verschränkten Arme zeigen jedoch Ablehnung.
  • Die Pflegekraft sollte beim Sprechen stets den Blickkontakt mit dem Bewohner suchen.
  • Es ist hilfreich, sich in die Position des Bewohners zu versetzen. Die Pflegekraft kann dann abschätzen, wie dieser das Handeln erlebt.
  • Unverzichtbar ist die Beobachtung der Mimik und der Gestik des Bewohners. Hieran kann die Pflegekraft ablesen, ob der Bewohner z.B. verärgert oder ängstlich ist.
  • Die Pflegekraft sollte stets die Biografie des Bewohners beachten und diese in die Betreuung einfließen lassen. Etwa: War der Bewohner im Berufsleben in leitender Position? War die Bewohnerin Opfer von Gewalt? All das muss sich auf die Beziehung zwischen Pflegekraft und Bewohner auswirken.
  • Auch wenn der Bewohner im Unrecht ist, muss die Pflegekraft stets einen Kompromiss suchen. Dieser sollte dem Bewohner die Möglichkeit lassen, sein Gesicht zu wahren.
  • Hilfeleistungen sollten ggf. diskret angeboten werden, damit der Bewohner diese ohne Gesichtsverlust annehmen kann. Dieses gilt beispielsweise für die Inkontinenzversorgung, die nicht vor dritten thematisiert werden sollte.

Nachbereitung:

  • Alle Beobachtungen werden genau dokumentiert. Die Beschreibung erfolgt wertfrei. Wir achten insbesondere auf Veränderungen im Verhalten des Bewohners.
  • Wir bieten unseren Pflegekräften regelmäßig Supervision an.

Dokumente:

  • Pflegedokumentation

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter