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Standard
"Pflege von Senioren
während einer Strahlenbehandlung"
Krebs wird mehr und mehr zur "klassischen"
Alterskrankheit. Inzwischen liegt das durchschnittliche
Erkrankungsalter in Deutschland bei 69 Jahren. Vor allem dank der
Strahlentherapie können die Tumore vielfach dauerhaft aufgehalten
werden. Die Versorgung der oft hochbetagten Patienten bleibt jedoch bei
allem Fortschritt eine pflegerische Herausforderung.
"Pflege
von Senioren während einer Strahlenbehandlung"
Definition:
Neben
der Chemotherapie und chirurgischen Eingriffen ist die
Strahlenbehandlung ein wichtiges Therapiemittel, um Tumore zu
bekämpfen. Die befallenen Körperbereiche werden dafür hochenergetischer
Strahlung ausgesetzt. In der Folge sterben die Tumorzellen aber auch
umliegendes gesundes Gewebe ab.
Eine
Bestrahlung kann massive Nebenwirkungen auslösen. Art und Umfang sind
vor allem abhängig von der Dosis und dem Bestrahlungsort. Die Vielzahl
der möglichen Beschwerden wirkt auf den ersten Blick erschreckend.
Allerdings verlaufen die meisten Strahlentherapien vergleichsweise
schonend.
Die
Therapie wird i.d.R. ambulant durchgeführt. Der Bewohner wird mehrmals
wöchentlich mit einem Taxi von unserer Einrichtung abgeholt und in die
Klinik gefahren. Die Bestrahlung selbst dauert nur wenige Minuten.
Grundsätze:
Eine
enge fachliche Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und dem
behandelnden Strahlentherapeuten ist entscheidend für den Erfolg der
Behandlung.
Die
Strahlentherapie verliert ihren Schrecken, je mehr der Bewohner über
die Behandlung weiß und mitbestimmen kann. Wir stellen daher sicher,
dass der Bewohner in alle Entscheidungsprozesse zu medizinischen und
pflegerischen Fragen eingebunden wird.
Wir
respektieren stets die Entscheidungen des Bewohners. Dieses auch, wenn
er sich gegen die Therapie entscheidet, weil die Nebenwirkungen für ihn
unerträglich sind.
Ziele:
Durch
die Strahlenbehandlung bildet sich der Tumor zurück.
Auftretende
Nebenwirkungen werden frühzeitig erkannt. Sie werden durch Medikamente
und pflegerische Maßnahmen auf ein Minimum reduziert.
Die
Lebensqualität und die Lebensfreude des Bewohners bleiben erhalten.
Vorbereitung:
Risikoabschätzung
Ob
und wie stark Strahlenreaktionen auftreten, ist von verschiedenen
Risikofaktoren abhängig. Anhand der uns vorliegenden Informationen
schätzen wir die Gefährdung ab und leiten frühzeitig entsprechende
Pflege- und Prophylaxemaßnahmen ein.
Der
Bewohner erhält eine Gesamtstrahlendosis von mehr als 60 Gy ("Gray").
Der
Bewohner erhält hohe Einzeldosen von mehr als 2 Gy.
Umfangreiche
Hautareale und große Körpervolumina sind von der Bestrahlung betroffen.
Für
die Bestrahlung werden Neutronen genutzt.
schlechter
Allgemeinzustand, etwa durch vorherige Radikaloperationen (Amputationen)
Zigarettenkonsum
oder regelmäßiger Alkoholgenuss, insbesondere vor der
Bestrahlung
relevante
Begleiterkrankungen wie etwa Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Diabetes
mellitus
Bindegewebserkrankungen
(Kollagenosen)
hohes
Lebensalter
Organisation
Wir
halten engen Kontakt mit dem Strahlentherapeuten. Dieser teilt uns mit,
mit welchen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Wir definieren gemeinsam,
welche Intensität toleriert wird und bei welchem Symptombild eine
Meldung an den Arzt erforderlich wird.
Wir
halten Medikamente zur Bekämpfung der Nebenwirkungen als
Bedarfsmedikation bereit. Der Arzt gibt vor, unter welchen Bedingungen
eine definierte Dosis eines Medikaments verabreicht werden soll.
Durchführung:
allgemeine Nebenwirkungen
Die
Strahlentherapie ist sowohl mental wie körperlich sehr kräftezehrend.
Der Bewohner ist nach der Behandlung oftmals sehr müde. Wir sorgen für
die notwendige Ruhe und passen ggf. die Freizeitaktivitäten
entsprechend an.
Wenn
die Mobilität deutlich eingeschränkt ist, muss eine Neueinschätzung der
Dekubitusgefährdung erfolgen. Ggf. werden die entsprechenden
Prophylaxemaßnahmen intensiviert.
Viele
Betroffene setzen auf freiverkäufliche Medikamente, um die Auswirkungen
des "Strahlenkaters" zu begrenzen. Diese stammen auch aus dem Bereich
der alternativen Medizin. Wir raten dem Bewohner, die Einnahme solcher
Präparate kritisch zu hinterfragen, da der Nutzen bislang nicht belegt
ist. Wir verdeutlichen ihm, dass insbesondere die Übelkeit sehr
schwankend verläuft. Sie kann plötzlich auftreten und ebenso
unvermittelt nachlassen. Auch psychische Faktoren spielen dabei eine
Rolle.
Es
ist mit einem erhöhten Infektionsrisiko als Folge einer
Knochenmarksdepression zu rechnen. Der Bewohner wird daher vor allen
vermeidbaren Infektionsquellen geschützt. Zumeist ist auch eine
Grippeschutzimpfung sinnvoll.
Wir
prüfen, ob es zu einer Gerinnungsstörung kommt. In diesem Fall können
auch kleine innere Verletzungen zu lebensbedrohlichen Zuständen führen.
Der
Bewohner soll den Alkoholkonsum einstellen, da dieser die Schleimhäute
zusätzlich schädigt.
Haut
Die
auf die Haut aufgebrachten Markierungslinien dürfen nicht entfernt
werden. Sie sind insbesondere bei der Körperpflege zu schützen.
(Anmerkung:
Diese Markierungen zeigen der Außenwelt die Krebserkrankung an. Viele
Menschen reagieren mit Mitleid oder Distanzierung. Es kann daher
sinnvoll sein, die Markierungen durch Kleidung zu verdecken.)
Wir
achten auf Hautveränderungen, also insbesondere auf Rötungen,
Überwärmungen, Schwellungen und auf Druckempfindlichkeiten. Wir
beobachten primär den durch die Markierungslinien definierten
Hautbereich, da hier die Strahlung in den Körper eintritt. Wichtig sind
auch regelmäßige Inspektionen der Austrittspunkte, die sich auf der
gegenüberliegenden Körperseite befinden. Beispiel: Bei einer
Brustbestrahlung wäre ggf. auch die hintere Thoraxwand betroffen.
Gefährdet
sind vor allem Hautbereiche, die mechanischen Belastungen ausgesetzt
sind, also etwa im Bereich von Gelenken. Die bestrahlten Abschnitte
werden vor allem bei immobilen Senioren konsequent vor Auflagedruck
geschützt.
Die
Haut wird beim Waschen oder Duschen nur mit Wasser ohne Seife
gereinigt. Danach wird die Haut nicht trockengerieben, sondern
trockengetupft. Kommt es zu Verschmutzungen, werden diese mit einem
weichen Tuch entfernt. Dieses sollte mit Panthenol getränkt sein. Die
Verschmutzung sollte nach Möglichkeit nur abgetupft und nicht
abgerieben werden.
Das
Bestrahlungsfeld wird lediglich mit einer schonenden Lotion versorgt.
Wir nutzen keine Deos, Parfüm oder sonstige Pflegemittel.
Im
ersten Jahr nach der Bestrahlung wird der bestrahlte Hautbereich
konsequent vor Sonnenlicht geschützt. Wenn sich die Exposition nicht
vermeiden lässt, tragen wir ein Sonnenschutzmittel mit einem hohen
Lichtschutzfaktor auf (sog. "Sunblocker").
Der
Bewohner soll die Haut vor Kälteeinflüssen schützen und insbesondere im
Winter eine angemessene Kleidung tragen.
Der
Bewohner soll lockere Kleidung tragen, die an den gefährdeten
Hautbereichen weder drückt noch scheuert. Bewohnerinnen sollten keine
engen BHs tragen. Wir empfehlen dem Bewohner, Kleidung aus Naturfasern
zu tragen.
Im
Bereich der gefährdeten Hautregionen werden keine Injektionen oder
ähnliche Maßnahmen durchgeführt.
Wenn
es zu nässenden Läsionen kommt, wird der Strahlentherapeut darüber
informiert.
Bestrahlungen im Kopf- und Halsbereich
Der
Mundraum des Bewohners wird regelmäßig auf Rötungen, Blutungen und
Geschwüre untersucht.
Wir
achten auf eine sorgfältige Mundhygiene. Dabei sollte der Bewohner eine
weiche Zahnbürste nutzen. Alle weiteren Maßnahmen zur Soor- und
Parotitisprophylaxe werden konsequent durchgeführt.
Eine
Mundtrockenheit wird durch eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr
gelindert. Ggf. erhält der Bewohner zuckerfreie Kaugummis oder Bonbons.
Alternativ kann künstlicher Speichel als Spray zugeführt werden.
Dem
Bewohner wird empfohlen, langsam zu essen. Vor dem Essen erhält der
Bewohner ggf. anästhesierende Lutschtabletten. Der Bewohner sollte ggf.
weiche und wenig gewürzte Speisen konsumieren.
Bei
einer schweren Stomatitis kann es erforderlich sein, die Ernährung per
Ernährungssonde oder per PEG sicherzustellen.
Wenn
der Bewohner aufgrund eines Geschmacksverlustes zu wenig Nahrung zu
sich nimmt, kann es sinnvoll sein, die Würzung der Speisen zu
intensivieren.
Es
kann zu einem massiven Befall mit Zahnkaries und Zahnnekrose kommen.
Wir achten auf entsprechende Veränderungen und stellen den Bewohner
dann umgehend einem Zahnarzt vor. Ggf. kann es sinnvoll sein, dass der
Bewohner den Zahnarzt therapiebegleitend (also prophylaktisch) aufsucht.
Falls
der Bewohner über Schwindelgefühle klagt, werden die Maßnahmen im
Rahmen der Sturzprophylaxe intensiviert. Insbesondere in den ersten
Momenten nach dem Aufstehen aus dem Bett besteht eine erhöhte
Sturzgefahr.
Wir
prüfen, ob es zu Konzentrationsstörungen kommt. Solche Defizite können
den Hilfebedarf bei verschiedenen komplexen Pflegemaßnahmen erhöhen.
Der
Bewohner wird regelmäßig nach Kopfschmerzen befragt. Wenn er derartige
Beschwerden hat, erhält er ggf. ein entsprechendes Medikament. Zudem
sorgen wir dafür, dass der Bewohner nicht unnötig gestört wird.
Wenn
der Bewohner über Sehstörungen berichtet, wird er zeitnah einem
Augenarzt vorgestellt. Es kann eine Linseneintrübung vorliegen
("Strahlenkatarakt").
Wenn
es zu Haarausfall kommt, sollte der Bewohner ggf. frühzeitig eine
Perücke erhalten. Auf Wunsch werden die Haare schon vorher abrasiert,
um einem büschelweisen Ausfallen zuvorzukommen.
Bestrahlungen im Thoraxbereich
Wir
achten auf Husten und Luftnot, die sich ggf. durch Atemgymnastik
lindern lassen. Inhalationen können zur Sekretlösung genutzt werden.
Ggf.
erhält der Bewohner ein Antitussiva.
Bei
einer Hypoxie (reduzierte O2-Sättigung) erhält der Bewohner ggf.
Sauerstoff.
Der
Bewohner soll das Rauchen komplett einstellen.
Die
Vitalwerte des Bewohners werden regelmäßig überprüft, um eine
einsetzende Herzinsuffizienz festzustellen. Wir achten höchst sensibel
auf Anzeichen eines Herzinfarktes und rufen frühzeitig einen Notarzt.
Abdomen
Wir
achten auf Anzeichen für eine Magen- oder Darmschleimhautentzündung,
also etwa Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Durchfälle,
Blutbeimengungen im Stuhl oder Bauchschmerzen.
Der
Bewohner sollte statt den üblichen drei Hauptmahlzeiten mehrere kleine
Mahlzeiten erhalten, die über den Tag verteilt werden.
Wir
prüfen, welche Speisen der Bewohner gut verträgt und welche
Nahrungsmittel die Symptomatik intensivieren.
Wenn
der Bewohner über einen längeren Zeitraum unter Durchfall oder
Erbrechen leidet, wird die Flüssigkeitszufuhr intensiviert. Der
Bewohner erhält zudem Elektrolyte.
Komplikationen
bei der Bestrahlung der Blase wie etwa Infektionen können oft durch
eine verstärkte Flüssigkeitszufuhr gemildert werden. Der Urin wird
engmaschig auf Blutbeimengungen kontrolliert. Die Anlage eines
Blasendauerkatheters wird kritisch hinterfragt, da die reduzierte
Immunabwehr die Gefahr von Harnwegs- und Genitalinfektionen steigen
lässt.
psychologische Betreuung
Uns
ist bewusst, dass der Bewohner große Ängste um sein eigenes Leben hat
und sich zudem um die Zukunft seiner Bezugspersonen sorgt. Wir stehen
ihm daher jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.
Auf
Wunsch vermitteln wir den Kontakt zu einem Seelsorger oder zu
Selbsthilfegruppen.
Nachbereitung:
Die
Pflegeplanung des Bewohners wird regelmäßig an den Gesundheitszustand
angepasst.
Alle
Maßnahmen und Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert. Bei
relevanten Gesundheitsveränderungen, die außerhalb der zu erwartenden
Symptomatik liegen, wird der behandelnde Arzt informiert.
Dokumente:
Pflegebericht
ärztliches
Verordnungsblatt
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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