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Standard "Pflege von Bewohnern
mit Stuhlinkontinenz"
Stuhlinkontinenz ist nicht nur für betroffene Senioren
belastend, sondern auch für Pflegekräfte. Wenn dann noch demente
Bewohner in ihrer Verwirrtheit mit Kot schmieren, kann das
selbst erfahrene Mitarbeiter an die Schmerzgrenze führen.
Standard "Pflege von Bewohnern mit
Stuhlinkontinenz"
Definition:
Stuhlinkontinenz ist definiert durch
das Unvermögen, den Stuhl willkürlich bzw. reflektorisch
(durch einen Reflex bedingt) zurückzuhalten.
Die Stuhlinkontinenz wird unterteilt
in drei Schweregrade:
-
Teilinkontinenz 1. Grades. Es
kommt zu geringen Stuhlabgängen bei Belastung und
Diarrhö (Durchfall). Daraus resultieren geringe
Verunreinigungen der Unterwäsche sowie
unkontrollierter Gasabgang.
-
Teilinkontinenz 2. Grades.
Hierbei tritt Inkontinenz für Winde und dünnen Stuhl
auf. Diese führt zu häufigen Wäscheverschmutzungen
und unkontrolliertem Abgang von Darmgasen. Mitunter
kommt es auch zu einem Abgang von flüssigem Stuhl.
-
Totalinkontinenz. Diese liegt
vor bei völligem Kontrollverlust. Der Abgang von
Stuhl und Gasen kann nicht mehr gesteuert werden.
Grundsätze:
-
Stuhlinkontinenz ist ein
ganzheitliches Problem, das daher auch ganzheitlich
behandelt werden muss.
-
Stuhlinkontinenz ist für uns
kein Tabuthema, sondern ein Pflegeproblem wie jedes
andere auch. Wir reden mit dem Bewohner offen über
diese Symptomatik.
-
Wir akzeptieren, dass unsere
Möglichkeiten zur Therapie von Stuhlinkontinenz
begrenzt sind.
-
Wir respektieren, dass auch
stuhlinkontinente Bewohner ein Recht auf eine
Intimsphäre haben.
Ziele:
-
Der Bewohner soll die
Kontrolle über seine Ausscheidungen möglichst
umfassend behalten oder wiedergewinnen.
-
Die Mobilität des Bewohners
soll möglichst weitreichend erhalten bleiben.
-
Die sozialen Kontakte des
Bewohners sollen unter der Stuhlinkontinenz nicht
unnötig leiden.
-
Der Bewohner soll keine
Schmerzen erleiden.
-
Folgeerkrankungen,
insbesondere Hauterkrankungen in der Intimregion,
sollen vermieden werden.
-
Hygieneprobleme sollen
vermieden werden.
-
Das Pflegepersonal soll vor
seelischer Überlastung geschützt werden, etwa bei
kotschmierenden Bewohnern.
Vorbereitung:
Bereitstellung notwendiger
Materialien
Wir halten folgende
Inkontinenzmaterialien bereit:
-
Slipeinlagen in
unterschiedlichen Größen, Stärken und Formen
-
waschbare Netzhosen
-
Inkontinenzhosen mit wiederverschließbaren Klebe- oder Klettbändern.
-
Analtampons
-
Fäkalkollektoren
-
Steckbecken und
Toilettenstühle
-
Toilettensitzerhöhungen
-
Haltegriffe im Badezimmer
Informationssammlung
Wir sammeln alle relevanten
Informationen, um diese dem Hausarzt mitteilen zu
können. Etwa:
-
Wann wurde die
Stuhlinkontinenz festgestellt?
-
Welche Hilfsmittel werden
genutzt? Wie ist der Erfolg?
-
Wie reagiert der Bewohner auf
die Stuhlinkontinenz? Ist er offen im Umgang mit dem
Problem oder streitet er die Inkontinenz ab?
-
Wir führen ggf. ein
Stuhlprotokoll, in dem wir alle relevanten
Informationen schriftlich fixieren. Wichtige
Kriterien sind:
-
Zeitpunkte der
Entleerungen
-
Menge und Konsistenz des
Stuhls
-
mögliche auslösende
Faktoren für einen unwillkürlichen Stuhlabgang
(Stress, Durchfall usw.)
-
Wirkungsweise des
Inkontinenzmaterials.
-
ggf. Stuhlschmieren
Durchführung:
allgemeine Maßnahmen
-
Wir erstellen für jeden
inkontinenten Bewohner eine umfassende schriftliche
Anamnese.
-
Um die Intimsphäre des
Bewohners zu schützen, verlassen wir (sofern
möglich) das Zimmer oder das WC, wenn der Bewohner
abführt. Zuvor stellen wir sicher, dass die Klingel
in erreichbarer Nähe bereit liegt.
-
Wir bieten dem Bewohner stets
Gespräche über seinen Gesundheitszustand an. Wir
beantworten Fragen mit größter Sorgfalt.
-
Wir erfragen die
individuellen Ausscheidungsgewohnheiten jedes
Bewohners und berücksichtigen diese bei allen
weiteren Maßnahmen.
-
Ggf. decken wir die Matratze
mit einem Gummituch ab. Das Laken kann mit Molton
geschützt werden.
-
Wir schaffen auf dem WC eine
angenehme Atmosphäre (Wärme, Sauberkeit, Geruch
usw.).
-
Ggf. stellen wir nachts einen
Toilettenstuhl neben das Bett.
Gemeinsam mit dem Hausarzt suchen wir
die Ursache für die Stuhlinkontinenz und wählen dann die
passenden Maßnahmen
Diarrhöe
-
Beschreibung: Wenn das
Schließmuskelsystem bereits geschwächt ist, kann
Durchfall zu Stuhlinkontinenz führen.
-
Maßnahmen: Wir versuchen den
Auslöser der Diarrhöe zu bestimmen. Wir setzen dafür
die Maßnahmen aus dem Pflegestandard "Pflege von
Bewohnern mit Diarrhöe" um.
"paradoxe Diarrhöe"
-
Beschreibung: Bei einer
"paradoxen Diarrhöe" ist der Darmausgang durch
angedickten Stuhl ("Stuhlstein") versperrt. Diese
Blockade löst den Entleerungsmechanismus aus.
Ausgeschieden wird dann allerdings nicht der
Stuhlstein, sondern dünnflüssiger Stuhl, der aus
höheren Darmregionen stammt und an dem Hindernis
vorbeigeführt wird.
-
Maßnahmen: Einerseits muss
die aktuelle Stuhlverstopfung beseitigt werden, etwa
mittels Ausräumen oder Einlauf laut Pflegestandard
"Obstipationsbehandlung - manuelle Ausräumung".
Gleichzeitig gilt es, zukünftig weitere
Verstopfungen zu verhindern. Wir setzen dafür die im
Standard "Obstipationsprophylaxe" beschriebenen
Maßnahmen um.
neurologische Störungen
-
Beschreibung: In diesem Fall
verhindern Schädigungen des Gehirns und des
Rückenmarks eine Kontinenz. Das kann etwa bei
multipler Sklerose, Schlaganfällen oder
Querschnittslähmungen der Fall sein.
-
Maßnahmen: Unsere
Möglichkeiten beschränken sich darauf, den
gastrokolischen Reflex auszunutzen. Wenn dem
Bewohner Nahrung zugeführt wird, kann dieses den
Defäkationsreiz auslösen. Häufig reicht dafür auch
ein warmes Getränk. Wir begleiten den Bewohner fünf
Minuten nach der Nahrungsaufnahme auf die Toilette.
Verletzungen oder Erkrankungen des
Schließmuskels:
-
Beschreibung: Diese
Funktionsstörungen können etwa aus Unfällen oder
chirurgischen Eingriffen resultieren. Möglich sind
auch Entzündungen oder Krebserkrankungen. Als Folge
ist der Bewohner nicht in der Lage, seinen
Schließmuskel willkürlich zu steuern. Dieses führt
zum unkontrollierbaren Abgang von Stuhl und
Darmgasen.
-
Maßnahmen: Der Hausarzt
entscheidet über das weitere Vorgehen. In vielen
Fällen lässt sich die Funktionsfähigkeit des
Schließmuskels medikamentös oder operativ wieder
herstellen.
psychische Auslöser
-
Beschreibung:
Stuhlinkontinenz tritt häufig direkt nach dem
Heimeinzug auf und ist dann ein Indiz für seelische
Beeinträchtigungen. Stuhlinkontinenz kann vom Wunsch
nach mehr Beachtung ausgelöst werden. Der Bewohner
erzwingt (häufig unbewusst) durch einen vermeintlich
unwillkürlichen Stuhlabgang die Aufmerksamkeit einer
Pflegekraft.
-
Maßnahmen: Wir verbessern die
psychosoziale Betreuung des Bewohners und versuchen
Kontakte zu Mitbewohnern zu intensivieren. Wenn die
Stuhlinkontinenz die Folge von Spannungen zur
Bezugspflegekraft ist, prüfen wir, ob ein Wechsel
notwendig sein kann.
pflegerisch-medizinische Maßnahmen
-
Wir achten auf eine fundierte
Haut- und Intimpflege. Insbesondere Anzeichen auf
eine Hautkrankheit werden umgehend dem Hausarzt
mitgeteilt.
-
Nach jedem Stuhlgang wird
eine gründliche Intimreinigung durchgeführt (laut
Standard "Ganzwaschung im Bett").
-
Stuhlinkontinenz erhöht die
Dekubitus- und Intertrigogefahr. Wir passen daher
die Prophylaxemaßnahmen entsprechend an.
-
Wir bitten immobile Bewohner,
beim ersten Stuhldrang eine Pflegekraft per Klingel
zu rufen.
-
Bei der Versorgung mit
Inkontinenzmaterial achten wir darauf, dass dieses
durch die Kleidung gut verdeckt wird. Diskretion
mildert die Unsicherheit des Bewohners im Umgang mit
Mitbewohnern.
Behandlung der Stuhlinkontinenz durch
geeignete Pflegemaßnahmen
Wir wählen in Abhängigkeit vom
Auslöser unter folgenden Pflegemaßnahmen:
Stuhlgangtraining:
-
Wir führen den Bewohner zu
regelmäßigen Zeiten auf die Toilette und bitten ihn, den
Darm zu entleeren. Dieses kann etwa immer 30 Minuten
nach einer bestimmten Mahlzeit erfolgen und zwar
unabhängig vom Stuhldrang.
-
Wir berücksichtigen dabei immer
die individuellen Gewohnheiten des Bewohners. Ggf. regen
wir die Entleerung mit einem geeigneten Zäpfchen an.
-
Zunächst versuchen wir einen
täglichen Stuhlgang zu etablieren, danach kann die
Frequenz auf drei bis vier Stühle pro Woche reduziert
werden.
rektale Irrigation (Darmspülung zur
Entleerung des Colons bzw. Rektums):
-
Wenn der Bewohner mobil ist, kann
eine rektale Irrigation durchgeführt werden. Mittels
eines Schlauches wird warmes Leitungswasser in den
Enddarm eingeführt. Der Bewohner bleibt bis zur
restlosen Entleerung auf der Toilette sitzen. Dieses
dauert rund 45 Minuten. Nach Abschluss ist der Bewohner
bis zu zwei Tage stuhlkontinent.
Sphinktertraining (durch
Krankengymnastin):
-
Wir
trainieren mit dem Bewohner das willkürliche Anspannen
des Schließmuskels. Der Bewohner soll dafür seinen
Schließmuskel mehrfach zusammenkneifen. Ggf. prüfen wir
den Einsatz einer Reizstromtherapie. Voraussetzung für
das Training ist die Einsichtsfähigkeit des Bewohners
und der Wille zur Kooperation.
Inkontinenzversorgung:
-
Wir nutzen aufsaugende
Vorlagen. Diese werden regelmäßig gewechselt.
-
Wenn es medizinisch indiziert
ist, führen wir einen Analtampon ein. Wir nutzen
dafür verschiedene Einführhilfen. Dementiell
veränderte Bewohner tolerieren diese Maßnahme häufig
nicht und versuchen, den Fremdkörper aus dem Darm zu
entfernen.
-
Fäkalkollektor: Dieser
Plastikbeutel nimmt (vergleichbar mit einem
Stomabeutel) Kot auf. Er wird alle 24 Stunden
gewechselt, kann allerdings mittels eines
Verschlusssystems mehrfach entleert werden. Er eignet
sich besonders gut für immobile Bewohner, die einen
ständigen und dünnflüssigen Stuhlgang haben.
Wir beachten, dass die
Stuhlinkontinenz indirekt zu weiteren Problemen führen
kann.
Stuhlinkontinenz kann das soziale
Leben des Bewohners deutlich einschränken.
-
Aus Angst, dass die
Mitbewohner den ausgetretenen Stuhl oder die
Darmgase riechen können, zieht sich der Bewohner
mehr und mehr aus dem Gemeinschaftsleben zurück.
-
Viele Angehörige tabuisieren
die Stuhlinkontinenz. Unterbewusst verspürter Ekel
kann dazu führen, dass die Angehörigen die Besuche
und die Besuchsdauer reduzieren.
-
Die Abhängigkeit vom
Pflegepersonal steigt erheblich. Gleichzeitig
empfinden viele Bewohner die intensivierte
Intimpflege als einen Verlust an Würde. Dieses kann
zu Aggressionen führen, etwa gegen Mitbewohner oder
Pflegekräfte. Möglich sind auch Depressionen und
Angstgefühle. Das Suizidrisiko ist erhöht.
-
Der erhöhte Bedarf an nicht
verschreibungsfähigen Pflegemitteln kann die
finanziellen Ressourcen des Bewohners überfordern.
Dieses kann zu Minderwertigkeitsgefühlen oder
Verschuldung bei Mitbewohnern führen.
Kotschmieren
Bei stark dementiell erkrankten
Bewohnern kann es zum Kotschmieren kommen. Abgeführter
Kot wird mit den Händen am Körper oder am Bett
verschmiert.
Ursachen:
-
schwindendes Schamgefühl
aufgrund dementieller Veränderungen des Gehirns
-
Langeweile infolge von
Stimulansmangel
-
Protest
-
Wunsch nach mehr Beachtung
durch die Pflegekräfte
Maßnahmen:
-
Vorwürfe gegen den Bewohner
sind nutzlos. Er versteht sie nicht.
-
Der Bewohner wird gewaschen,
geduscht oder gebadet. Vor allem die Finger und
Fingernägel müssen sorgfältig gesäubert werden.
-
Die Kleidung und die
Bettwäsche werden gewechselt.
-
Das Bett und die Umgebung des
Bewohners werden gereinigt und die Oberflächen
desinfiziert.
-
Wenn durch das Kotschmieren
die Gesundheit des Bewohners gefährdet ist, prüfen
wir die Notwendigkeit von Fixierungsmaßnahmen.
-
Bei der Zuteilung von
Bezugspflegekräften werden "problematische" Bewohner
gerecht vergeben.
-
Falls die psychische
Belastung für die Pflegekräfte zu groß wird, nutzen
wir das Mittel der Supervision. Zudem wird diese
Thematik in den Teambesprechungen angemessen
besprochen.
-
Wir prüfen inwieweit ein
kotschmierender Bewohner am Gemeinschaftsleben
teilnehmen kann. Die Ekelgefühle von Mitbewohnern
werden bei der Abwägung ebenso berücksichtigt wie
die Belange des Bewohners.
-
Empfehlenswert ist es, ein
Ersatzobjekt für den Stuhl (= weich, warm und
schmiegsam) anzubieten. Es eignet sich z.B. ein
Plastikhandschuh mit Therapieknete zu füllen oder
Gelkissen in einem stabilen Plastikbeutel zu
reichen. Auch Kirschkernkissen sind ein Angebot, mit
denen sich der Betroffene taktil auseinandersetzen
kann. Achtung: Angebote erst immer unter Beobachtung
in die Hände geben.
-
Des Weiteren eignen sich nach
Rücksprache mit dem Hausarzt und den Betreuern
geschlossene Schlafanzüge mit Reißverschluss oder
Druckknöpfen. Auch diese sollten zunächst unter
Beobachtung angezogen werden und das Verhalten des
Bewohners beobachtet werden. (Achtung:
Fixierungsproblematik!)
Nachbereitung:
-
Wir prüfen, inwieweit unsere
Pflegemaßnahmen die Stuhlinkontinenz und ihre Folgen
gemildert haben. Faktoren sind:
-
Anzahl der
unwillkürlichen Stuhlabgänge
-
Hautveränderungen
-
psychischer Zustand des
Bewohners
-
korrekter Umgang mit
Hilfsmitteln
-
Wohlbefinden des
Bewohners
-
Kooperationsbereitschaft
des Bewohners
-
Ggf. wird die
Pflegeplanung angepasst.
Dokumente:
-
ärztliches Verordnungsblatt
-
Pflegebericht
-
Pflegeplanung
-
Leistungsnachweis
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
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