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Standard "Pflege
von Senioren mit Tuberkulose"
Zu früh gefreut. Noch in den 90ern galt
die Tuberkulose zumindest in Mitteleuropa als nahezu
ausgerottet. Mittlerweile feiert das Bakterium ein makaberes
"Come-back". Es ist häufig resistent gegen übliche Antibiotika
und profitiert von der menschlichen Sorglosigkeit.
Standard "Pflege
von Senioren mit Tuberkulose"
Definition:
Die Tuberkulose (Tbc)
ist eine Infektion mit dem Mycobacterium tuberculosis. Besonders
gefährdet sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem, insbesondere
HIV-Patienten, krebskranke Menschen, Hochbetagte oder Alkohol-/Drogenkranke.
Erkrankungen und Todesfälle, die durch Tuberkulose
ausgelöst werden, sind meldepflichtig.
Unterschieden wird die Tuberkulose in eine
pulmonale (Lunge) und in eine extrapulmonale Tbc (sie betrifft andere
Organe wie etwa die Niere). Die Tbc tritt in zwei Formen auf:
-
Eine offene Tuberkulose liegt vor, wenn im
Sputum des Erkrankten
Tuberkelbakterien nachweisbar sind. Es besteht eine offene
Passage des Infektionsherdes in der Lunge zum Bronchialsystem und somit
Infektionsgefahr durch Aushusten.
-
Bei einer geschlossenen Tbc werden keine
Tuberkelbakterien nach außen getragen. Die Infektion kann nur klinisch oder
histologisch (per Gewebeentnahme) nachgewiesen werden.
Pro Jahr infizieren sich weltweit rund 8 Millionen
Menschen mit Tuberkulose, von denen ca. 3 Millionen Fälle tödlich
verlaufen. In Mitteleuropa galt die Krankheit bis in die 90er Jahre als
nahezu ausgerottet, während Tbc in Osteuropa weiterhin sehr präsent
blieb. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs intensivierte sich dann die
Migration von Menschen aus Ost- nach Mitteleuropa. Zudem haben viele
Bakterienstämme mittlerweile eine Resistenz gegen übliche Antibiotika
entwickelt.
Grundsätze:
-
Tbc ist eine ernstzunehmende Krankheit.
Fehler in der Behandlung dieser Infektion gefährden die Gesundheit
aller Bewohner und Mitarbeiter.
-
Wir legen Wert auf eine "normale" Behandlung
des Bewohners. Wir dulden keine Stigmatisierung von Tbc-Infizierten.
-
Übertriebene Hygienemaßnahmen und Distanz zum
infizierten Bewohner diskriminieren ihn.
Ziele:
-
Bewohner sollen eine Infektion mit möglichst
wenigen Komplikationen überstehen.
-
Übertragungen auf Mitbewohner, Pflegekräfte,
Angehörige und externe Partner müssen vermieden werden.
-
Mit geschlossener Tbc infizierte Bewohner
nehmen weiterhin am sozialen Leben innerhalb der Einrichtung teil.
Jede Form der Ausgrenzung wird vermieden.
Vorbereitung:
Allgemeines
In Altenpflegeeinrichtungen werden
keine infektiösen Tuberkulosekranken versorgt. Wenn bei einem Bewohner
eine Infektion festgestellt wird, wird dieser umgehend in ein
Krankenhaus überwiesen und dort für mindestens 3 bis 6 Wochen versorgt.
Etwaige Kontaktpersonen werden ebenfalls untersucht, um eine Übertragung
auszuschließen. Symptome einer Infektion sind:
-
schlechter Allgemeinzustand
-
Schwäche, Mattigkeit und Gliederschwere
-
schnelle Ermüdung selbst bei mäßigen
Anstrengungen
-
Appetitmangel und Gewichtsreduktion
-
subfebrile Temperaturen, ggf. verbunden mit
Frösteln und Hitzegefühl; in fortgeschrittenen Stadien kommt es zu
einem starken Temperaturanstieg
-
starke Schweißbildung, insbesondere nachts
und morgens
-
Husten mit zunächst geringem, später mehr
Auswurf, ggf. blutigen Beimengungen
-
Tachykardie
-
Kopfschmerzen, Brust- und Rückenschmerzen
Nach dem Klinikaufenthalt muss die Behandlung zwar
fortgesetzt werden, der Bewohner kann aber zumeist in die
Altenpflegeeinrichtung zurückkehren. Der Senior gilt als nicht mehr
infektiös und kann am gesamten Heimleben regulär teilnehmen.
Voraussetzung dafür ist, dass die Medikamente konsequent eingenommen
werden.
weitere Maßnahmen
-
Wir halten stets aktuelle Literatur zum Thema
Tbc bereit.
-
Wir beschäftigen einen Hygienebeauftragten.
-
Wir arbeiten eng mit Krankenhäusern und
Ärzten zusammen, insbesondere in einrichtungsübergreifenden
Arbeitsgruppen.
-
Unser Qualitätszirkel beschäftigt sich
regelmäßig mit Hygieneproblemen.
-
Wir halten stets ausreichend Schutzkleidung
bereit.
-
Unsere Pflegekräfte werden regelmäßig zum
Thema Tbc fortgebildet.
-
Die korrekte und sichere Pflege von
Tbc-Trägern ist Teil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
Durchführung:
Hilfe beim Abhusten
-
Immobile Bewohner werden mehrfach am Tag in
eine aufrechte Sitzposition gebracht. Die Pflegekraft fährt dazu das
Kopfteil des Bettes hoch. Der Bewohner wird nun aufgefordert,
mehrfach tief durchzuatmen und dann kraftvoll abzuhusten. Falls
notwendig, führt die Pflegekraft eine Vibrationsmassage durch.
-
Wir raten dem Bewohner, das Husten nicht zu
unterdrücken, da es sich dabei um eine wichtige Schutzfunktion des
menschlichen Körpers handelt.
-
Wir versuchen den Hustenreiz zu lindern. Ggf.
erhält der Bewohner Hustenbonbons.
-
Wir bieten dem Bewohner ggf. lauwarme
Getränke an, vor allem Hustentees.
-
Sofern vom Arzt verordnet, erhält der
Bewohner Antitussiva (hustenhemmende Medikamente). Dieses kann
insbesondere in der Nacht notwendig sein, um einen ruhigen Schlaf zu
ermöglichen.
-
Wir raten dem Bewohner, beim Husten die
Lippenbremse einzusetzen. Ggf. wird ihm diese Technik demonstriert.
-
Falls das Sekret zu fest sitzen sollte,
nutzen wir einen Ultraschallvernebler, um das Sputum zu
verflüssigen.
-
Der Bewohner wird gebeten, beim Abhusten ein
Taschentuch vor den Mund zu halten.
-
Der Bewohner sollte stets einen Sputumbecher
samt Zellstoff oder Taschentücher in Griffweite haben. Verbrauchtes
Material sollte der Bewohner sofort im bereitgestellten
Abwurfbehälter entsorgen. Der Behälter wird mehrfach täglich
entleert.
-
Falls der Hausarzt regelmäßige Kontrollen des
Sputums wünscht, wird ein Sputumröhrchen bereitgelegt und der
Bewohner über die Untersuchung informiert. Zumeist muss das Sekret
an drei auf einander folgenden Tagen jeweils morgens aufgefangen
werden. Der Anteil von Speichel sollte möglichst gering sein.
-
Falls notwendig wird mehrfach täglich eine
Mundpflege gemäß unserem Standard "Mundpflege" durchgeführt.
-
Sofern verordnet führt die Pflegekraft oder
eine externe Therapeutin mit dem Bewohner Atemübungen durch.
Fieber
-
Wenn wir den Verdacht haben, dass der
Bewohner unter erhöhter Temperatur leidet, messen wir per
Infrarotthermometer im Ohr nach. Falls sich ein relevanter Wert
ergibt, wird das Ergebnis mittels rektaler Messung überprüft.
-
Bei Bedarf führen wir den Standard "Pflege
von Senioren mit Fieber" aus.
Schlafen
Vor allem in den ersten Wochen nach
Entlassung aus dem Krankenhaus ist der Bewohner häufig kraftlos und
erschöpft. Das Schlaf- und Ruhebedürfnis ist deutlich erhöht.
-
Wir ermöglichen dem Bewohner zusätzliche
Ruhe- und Schlafzeiten. Insbesondere nach dem Mittagessen sollte der
Bewohner zumindest ein bis zwei Stunden schlafen.
-
Wir sorgen dafür, dass der Bewohner in seinen
Schlafzeiten möglichst wenig gestört wird. Insbesondere sollten
Pflegetätigkeiten falls möglich verschoben werden.
-
Das Zimmer des Bewohners wird vor den
Schlafzeiten gründlich gelüftet.
-
Lärmquellen werden soweit möglich reduziert,
insbesondere Fernseher und Radio ausgeschaltet.
Infektionsprophylaxe
Die Erkrankung kann zu einer
Schwächung des Immunsystems führen. Daher ist es wichtig, den Bewohner
vor zusätzlichen Infektionen zu schützen. Insbesondere wenn der Bewohner
unter Hautschädigungen leidet oder katheterisiert wird, besteht ein
deutlich erhöhtes Risiko.
-
Pflegekräfte, Angehörige und externe Partner
führen vor jedem Kontakt mit dem Bewohner eine hygienische
Händedesinfektion durch. Ggf. wird diese Maßnahme von einer
Pflegekraft demonstriert.
-
Wir achten auf eine fundierte Hautpflege.
-
Beim Umgang mit zu- und ableitenden Systemen
muss besonders hygienisch gearbeitet werden. Dazu gehören
insbesondere die Nutzung von Einmalhandschuhen und eine konsequente
Händedesinfektion.
-
Erkältete Personen sollten den Kontakt mit
dem Bewohner meiden. Insbesondere gilt dieses bei Influenza
(Grippe).
Ernährung
-
Wir ermitteln regelmäßig den BMI des
Bewohners. Es gilt, einen Gewichtsverlust rechtzeitig zu bemerken
und korrigierend einzugreifen.
-
Gemeinsam mit der Hauswirtschaft prüfen wir,
welche Lieblingsgerichte wir dem Bewohner anbieten können.
-
Sofern der Bewohner dieses akzeptiert, wird
der Anteil der Vollwertkost deutlich erhöht.
-
Der Bewohner sollte seinen Alkoholkonsum nach
Möglichkeit einstellen, zumindest aber deutlich reduzieren.
-
Sofern dieses nicht kontraindiziert ist,
sollte der Bewohner mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen.
psychosoziale Betreuung
-
Wir stehen dem Bewohner jederzeit für ein
Gespräch zur Verfügung.
-
Falls die Tuberkuloseinfektion anderen
Mitbewohnern bekannt wird, klären wir diese über den Charakter der
Tbc auf. Insbesondere versuchen wir zu verhindern, dass diese aus
übertriebener Vorsicht den Kontakt zum infizierten Bewohner
einstellen.
-
Wir ermuntern den Bewohner, den Kontakt zu
Freunden und Verwandten aufrecht zu erhalten und insbesondere Besuch
zu empfangen.
medikamentöse Behandlung
-
Antituberkulotika können nur dann erfolgreich
wirken, wenn sie über die gesamte Therapiedauer konsequent
eingenommen werden. Diese erstreckt sich mindestens über sechs
Monate, kann im ungünstigsten Fall aber auch zwei Jahre in Anspruch
nehmen.
-
Wir befragen den Bewohner regelmäßig zur
Intensität der Nebenwirkungen. Falls diese unerträglich werden,
nehmen wir Kontakt mit dem behandelnden Arzt auf.
-
Wir raten dem Bewohner strikt davon ab, die
Behandlung eigenmächtig abzubrechen. Dieses planen Bewohner
insbesondere dann, wenn sich die Krankheitssymptome legen,
gleichzeitig aber die quälenden Nebenwirkungen spürbar bleiben.
-
Verschiedene Medikamente zeigen mitunter
Nebenwirkungen, die das Hinzuziehen eines Facharztes notwendig
machen können. Streptomycin etwa erfordert ggf. eine Überwachung
durch einen HNO-Arzt, Ethambutol wiederum kann die Augen schädigen.
Je nach Wirkstoffen können auftreten:
-
Schwindel
-
Allergien
-
Leberschäden
-
Nierenschäden
-
Gicht
-
Polyneuropathie (Erkrankung peripherer
Nerven)
-
Krämpfe
-
Thrombopenie (verminderte Zahl der
Thrombozyten)
-
hämolytische Anämie (Verminderung von
Hämoglobinkonzentration)
-
Harnsäureretention
-
Gelenkschmerzen
-
entzündlicher Hautausschlag auf großen
Bereichen der äußeren Haut
-
Fotosensibilisierung
(Lichtempfindlichkeit mit Auftreten von Hauterscheinungen nach
Lichteinwirkung)
-
Hörminderung
-
reduziertes Gesichtsfeld und vermindertes
Sehvermögen
-
Naturheilverfahren und andere alternative
Heilmethoden können eingesetzt werden, sofern der Hausarzt
zustimmt.
Nachbereitung:
Symptome für einen Rückfall
Selbst Jahre nach einer Infektion
kann eine Tbc wieder auftreten. Die Symptome entsprechen denen einer
Erstinfektion. Auslöser können dafür sein:
-
fortgeschrittenes Alter
-
AIDS
-
Tumore
-
Kortisontherapie
-
Diabetes mellitus
-
Alkoholmissbrauch
Aussicht auf Heilung
-
Wenn es sich um keine resistenten
Bakterienstämme handelt, liegen die Heilungschancen bei mehr als 99
Prozent.
-
Bei resistenten Stämmen sinken die Aussichten
deutlich, selbst dann wenn noch wirksame Reservemedikamente
eingesetzt werden können.
-
Bei mangelnder Therapiebereitschaft besteht
das Risiko, dass die Bakterienstämme durch Selektion weitere
Resistenzen aufbauen können.
weitere Maßnahmen
-
Alle Maßnahmen werden sorgfältig
dokumentiert.
-
Nach dem Ende der Infektion tritt der
Qualitätszirkel unter Leitung des Hygienebeauftragten zusammen und
bespricht den Verlauf der Maßnahmen.
Dokumente:
-
Pflegebericht
-
ärztliches Verordnungsblatt
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
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