pqsg mobil
Start Index Impressum
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Standard "Wundbehandlung Ulcus cruris venosum"

Rund 1,2 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Ulcus cruris venosum ("offenes Bein"). Bis zur Entwicklung moderner Wundauflagen konnten Pflegekräfte kaum mehr, als Druckverbände anlegen und Schmerzmittel verabreichen. Nun jedoch ermöglichen Hydrokolloide und Hydropolymere endlich eine effektive und schmerzarme Therapie. Wir haben den aktuellen Stand in einem Standard zusammengefasst.


Standard "Wundbehandlung Ulcus cruris venosum"


Definition:

  • In Deutschland leiden schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen an Ulcus cruris venosum. Den Hauptteil der Betroffenen bilden die über 70-Jährigen.
  • Ulcus cruris (Umgangssprache "offenes Bein") bezeichnet ein Unterschenkelgeschwür mit Gewebedefekten, die mindestens bis zur Lederhaut reichen. Vier von fünf Ulcus cruris treten im Bereich des Knöchels auf. Ein Ulcus cruris wird nur selten durch externe Faktoren ausgelöst, sondern zumeist durch Stoffwechselstörungen (z.B. Diabetes Mellitus) und Bewegungsmangel.
  • In Folge einer tiefen Beinvenenthrombose oder einer Venenklappenunterfunktion steigt der Blutdruck im Venensystem und es kommt zu einer Stauung des Blutes. Dieses fördert die Entstehung von Ödemen und Geschwüren, die zusätzlich die Blutzirkulation beeinträchtigen. Letztlich erleitet der Patient schwere Gewebeschädigungen, die sich nur mit hohem Aufwand behandeln lassen.

Grundsätze:

  • Sobald der Verdacht auf Ulcus cruris venosum besteht, leiten wir eine entsprechende ärztliche und pflegerische Behandlung ein. Jede Verzögerung kann das Krankheitsbild verschlimmern.
  • Wir legen großen Wert auf eine kollegiale Zusammenarbeit mit den Hausärzten.
  • Pflegekräfte dürfen Maßnahmen zur Wundreinigung nur dann durchführen, wenn sie entsprechend qualifiziert sind und eine Einweisung durch den Hausarzt durchgeführt wurde.
  • Fragen zur Delegation ärztlicher Maßnahmen (etwa bei der Wundreinigung) werden mit dem Hausarzt diskutiert. Wir bestehen darauf, dass unsere Pflegekräfte rechtlich abgesichert sind. Wenn nicht klar ist, ob eine durchzuführende Maßnahme delegierbar ist, verweigern wir die Durchführung und lassen die Maßnahme vom Arzt durchführen.
  • Wenn sich die Wunde in einem Maß verschlimmert, dass sie mit unseren pflegerischen Mitteln nicht mehr kontrolliert werden kann, wird der Bewohner in ein Krankenhaus überwiesen.
  • Wir versuchen möglichst wirkstofffrei zu arbeiten, da die betroffenen Hautbereiche anfällig für Allergien sind.
  • Sofern medizinisch nicht anders indiziert, bleiben wir beim einmal gewählten lokaltherapeutischen Mittel. Ein ständiger Wechsel würde es unmöglich machen, die Wirksamkeit eines bestimmten Mittels zu bestimmen. Zudem können ständige Änderungen in der Pflegestrategie das Vertrauen des Bewohners in die Kompetenz der Pflegenden erschüttern.
  • Ein wichtiger Faktor bei der Auswahl des Desinfektionsmittels ist stets die schmerzfreie oder schmerzarme Anwendbarkeit.
  • Alternative Heilmethoden (z.B. Akupunktur) sind kein Ersatz für eine medizinische Behandlung.
  • Eine begleitende Kompressionstherapie ist unabdingbar zur Heilung.

Ziele:

  • Infektionen der Wunden müssen vermieden werden.
  • Die Ödeme sollen sich zurückbilden.
  • Eine Sepsis soll verhindert werden.
  • Schmerzen sollen auf ein Minimum reduziert werden.
  • Die Lebensqualität des Bewohners soll erhalten bleiben bzw. verbessert werden.

Vorbereitung:

Organisation

  • Wir bilden unsere Fachkräfte regelmäßig zum Thema Wundversorgung fort und halten aktuelle Fachliteratur bereit.
  • Wir benennen einen Wundbeauftragten, der eine entsprechende Weiterbildung erhält.
  • Wir bitten den Hausarzt um eine Bedarfsmedikation zur Schmerzbehandlung.

notwendige Informationen

Die Pflegekraft stellt sicher, dass sie über alle Informationen verfügt, die sie für die Wundversorgung benötigt:

  • allgemeiner Gesundheitszustand
  • bestehende Risikofaktoren, wie etwa Stoffwechselerkrankungen, Bewegungsmangel, Tabakkonsum, Übergewicht, Alkoholgenuss usw.
  • Allergien, etwa gegen Komponenten der Wundauflagen
  • erstes Auftreten, Ursache und Entwicklung der Wunde
  • bisher eingesetzte Maßnahmen, Verbände und Wundauflagen sowie die damit erzielten Ergebnisse
  • bisher aufgetretene Komplikationen wie etwa Entzündungen
  • Schmerzbefinden des Bewohners
  • Medikamente, die der Bewohner nimmt

verwendete Wundauflagen:

Hydrokolloide: Sehr saugstarke Substanzen nehmen bei dieser Wundauflage das Wundsekret auf und binden dieses in einem gallertartigen Gel. Nach und nach bildet dieses Gel sichtbare Blasen, die größer werden und zu einem Gelkissen zusammenwachsen. Wenn das Gelkissen den Rand der Wundauflage erreicht, muss diese gewechselt werden. Wundauflagen auf Hydrokolloid-Basis verkleben nicht mit der Wunde. Dank guter Formbarkeit können damit auch solche Wunden versorgt werden, die aufgrund ihrer Lage sonst nur schwer bedeckt werden können (etwa am Hacken). Sie lassen sich gut mit der Kompressionstherapie vereinbaren. Ungeeignet sind diese Wundauflagen für infizierte Wunden oder Wunden mit starker Exsudation.


Hydropolymere: Auch Verbandstoffe auf Hydropolymer-Basis sind in der Lage, Exsudat aufzunehmen. Allerdings bilden diese zumeist kein Gel, sondern geben die Feuchtigkeit durch eine semipermeable Folie an die Luft ab. Die Verbände erhalten ein feuchtes Wundklima und eignen sich für Wunden mit bis zu mittlerer Exsudation. Diese Auflagen gelten als gut verträglich und lassen sich präzise an die Wunde anpassen. Dadurch sind sie ebenfalls gut geeignet, unter dem Kompressionsverband oder -strumpf getragen zu werden.


Alginate: Diese Kompressen und Tamponaden sind konzipiert für stark nässende, infizierte und tiefe Wunden. Das Exsudat mitsamt ggf. vorhandenen Keimen wird in einem Gel gebunden. Alginate können ggf. mit Hydrokolloiden kombiniert werden. Hierbei wird die Wunde mit Alginaten tamponiert und schließlich mit Hydrokolloidverbänden abgedeckt.


Hydrogele: Hydrogelplatten sind ideale Auflagen für einen trockenen Ulcus cruris. Mittels Hydrogelen aus Tuben lassen sich Fibrinbeläge und nekrotisches Gewebe aufweichen.


benötigtes Material

steriles Material:

  • 50-ml-Spritzen
  • sterile Einmalhandschuhe
  • Wundverband
  • Tupfer / Kompressen
  • 2 Nierenschalen für die Wundspülung
  • Wunddesinfektionsmittel
unsteriles Material:
  • Händedesinfektionsmittel
  • Schutzkleidung
  • unsterile Handschuhe
  • Kompressionsbinden
  • Heftpflaster
  • Schere
  • Abwurfbehälter
  • Ringerlösung
  • Einmalunterlage als Schutz für das Bett

weitere Vorbereitung

  • ggf. erhält der Bewohner 30 Minuten vor dem Verbandswechsel ein Schmerzmittel.
  • Der Bewohner wird über die bevorstehende Maßnahme informiert und um Zustimmung gebeten.
  • Der Bewohner wird nach Beschwerden befragt, insbesondere nach Schmerzen, die die Wunde auslöst.
  • Der Bewohner wird bequem gelagert. Die Beine werden hochgelagert.
  • In einem Doppelzimmer wird entweder ein Sichtschutz aufgebaut oder der Mitbewohner für die Zeit nach draußen gebeten.
  • Das Bett wird durch eine Einmalunterlage vor Verschmutzungen geschützt.
  • Wir messen regelmäßig die Fußpulse.

Durchführung:

Entfernung des alten Verbandes:

  • Die Pflegekraft legt die Schutzkleidung an, führt eine hygienische Händedesinfektion durch und legt die unsterilen Einmalhandschuhe an.
  • Der Kompressionsverband wird entfernt.
  • Sollte ein Verband an der Wunde haften, so kann er mit Kochsalz- oder Ringerlösung gelöst werden.
  • Der alte Wundverband wird vorsichtig abgehoben und entfernt.
  • Der alte Wundverband wird kurz begutachtet und danach im Abwurfbehälter entsorgt.

Inspektion der Wunde

Sobald die Wunde freiliegt, kann die Pflegekraft die Wunde inspizieren, um die Ergebnisse nach Abschluss der Wundversorgung zu dokumentieren.

  • genaue Position und Größe des Ulcus cruris
  • Abtastergebnis des Ulcus cruris und der nahe gelegenen Hautregionen
  • Hautverfärbungen in der Umgebung des Ulcus cruris (etwa braun-gelb)
  • Beschreibung des Wundzustandes, also ggf. vorhandene Nekrosen, Belege, Entzündungen, Granulierung, Epithelisation usw.
  • Ggf. bittet die Pflegekraft eine Kollegin um die Fertigung einer Aufnahme für die Fotowunddokumentation.

Versorgung der Wunde während der Reinigungsphase (exsudative Phase)

  • Händedesinfektion durchführen
  • sterile Handschuhe anlegen
  • Um eine Heilung der Wunde zu ermöglichen, muss das nekrotische Gewebe sowie schmierige Beläge entfernt werden. Für die Wundausschneidung (Debridement) nutzt der Arzt verschiedene konservative und operative Techniken.
  • Zusätzlich zur Wundausschneidung in der Reinigungsphase sollten Wundverbände verwendet werden, die sehr saugfähig sind und gleichzeitig aber die Wunde feucht halten. Ein Sekretstau kann eine Wundinfektion auslösen. Zudem sollte eine Aufweichung der Haut vermieden werden.
  • Nekrosen werden mit feuchten Wundauflagen (etwa Tender Wet©) abgebaut. Tupfer und Kompressen werden immer nur einmal verwendet und danach verworfen.
  • Zusätzlich führen wir mittels der Spritze Wundspülungen mit Ringerlösung durch.
  • Falls eine chirurgische Entfernung des nekrotischen Gewebes notwendig ist, wird der Hausarzt informiert. Bei Entzündungen der Wunde leiten wir eine Behandlung mit Antibiotika ein.
  • Die Wunde wird mit Auflagen bedeckt, die eine hohe Absorptionsfähigkeit für Wundexsudat haben. In Frage kommen Hydrofaserverbände, Kalziumalginate, Polyurethanschäume und Saugkompressen.
  • Bei infizierten oder infektionsgefährdeten Wunden prüfen wir den zusätzlichen Einsatz von silberhaltigen Wundauflagen.

Versorgung der Wunde während der Granulationsphase (proliferative Phase)

  • Händedesinfektion durchführen
  • sterile Handschuhe anlegen
  • Während der Granulationsphase ist es sehr wichtig, das nachwachsende Gewebe vor der Austrocknung zu schützen. Um das Aufweichen (Mazeration) der Haut zu vermeiden, muss zusätzlich überschüssiges Wundexsudat gebunden werden.
  • Tendiert die Wunde zur Trockenheit, sollte sie mit Hydrogelen befeuchtet werden.
  • Bei Wunden mit starkem Exsudat werden Verbände mit großer Saugkapazität wie z.B. Alginate oder Schaumverbände verwendet.
  • Das granulierte Gewebe wird mittels hydroaktiver Wundauflagen sorgfältig feucht gehalten, um ein Absterben der nachwachsenden Zellen zu vermeiden.
  • Die Verbände werden so selten wie medizinisch indiziert gewechselt. Damit werden Gewebeschäden vermieden, da das granulierte Gewebe leicht mit der Wundauflage verklebt.
  • Die Wunde wird nicht mehr gespült oder gereinigt. Wir verzichten auf Salben und Puder.
  • Wir nutzen Wundauflagen aus der Gruppe der Hydrokolloide, Hydropolymere und Alginate.
  • Wenn die Granulation nicht weiter fortschreitet, setzen wir Promogran© ein.
  • Wir verwenden keine Enzympräparate zur Wundbehandlung.

Versorgung der Wunde während der reparativen Phase (Reepithelisierungsphase)

  • Händedesinfektion durchführen
  • sterile Handschuhe anlegen
  • Die Reepithelisierung markiert den Abschluss der Wundheilung. Ebenso wie das Granulationsgewebe ist auch das nachwachsende Epithelgewebe auf feuchte und warme Bedingungen angewiesen. Zusätzlich muss die Wunde vor mechanischen Einwirkungen von außen sowie einer möglichen Traumatisierung beim Verbandswechsel geschützt werden.
  • Wir nutzen vor allem Wundauflagen auf Hydrokolloid-Basis.
  • Zusätzlich kommen Hydrogele und selbstklebende Transparentverbände zum Einsatz.

Versorgung von ekzematösen Hautveränderungen in der Umgebung des Ulcus cruris.

  • Akut nässende Ekzeme werden mittels feuchter Mullkompressen vor dem Austrocknen geschützt.
  • Chronische Ekzeme werden mit allergenneutralen Salben behandelt. Wir verwenden Ringelblumensalbe statt Zinkpaste (Gefahr der Austrocknung).

Abschluss der Wundversorgung

  • Die Hochlagerung der Beine wird noch für einige Minuten beibehalten. Danach legt die Pflegekraft einen Druckverband an. Der Kompressionsdruck wird so gewählt, dass er in Richtung Körpermitte sinkt.

Nachbereitung:

  • Der Bewohner wird nach dem Befinden und Schmerzen befragt.
  • Der Bewohner wird bequem gelagert.
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
  • ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.

Dokumente:

  • Wunddokumentation
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegefachkräfte