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Standard "Pflege von Senioren bei Unruhe und Agitiertheit"

Unruhe wird häufig als unabänderliche und untherapierbare Folge von Demenz hingenommen. Dabei ist zumeist ein ganzes Bündel von Auslösern für die Agitiertheit verantwortlich. Mit der richtigen Pflege lassen sich die Verhaltensauffälligkeiten lindern.


Standard "Pflege von Senioren bei Unruhe und Agitiertheit"


Definition:

  • Bei einem Unruhezustand sind der Körper und die Gedankenwelt eines Bewohners hyperaktiv. Weder ist es dem Betroffenen möglich, sich zu beruhigen, noch haben entsprechende Versuche von Pflegekräften, Mitbewohnern oder Angehörigen Erfolg.
  • Die Gedanken des Bewohners kreisen oftmals um ein bestimmtes Thema, ohne jedoch zu einem Ergebnis oder zu einem Ende zu kommen.
  • Der Bewohner versucht, durch körperliche Bewegung, die innere Unruhe nach außen abzuleiten. Er ist ständig in Bewegung. Normale soziale Kontakte sind dabei kaum möglich.
  • Motorische Unruhe ist ein häufiges Symptom bei Demenz sowie bei psychotischen Zuständen.
  • Bei vielen Demenzkranken steigern sich die motorische Unruhe und die Verhaltensauffälligkeiten am Abend. Dieses wird "Sundowning-Syndrom" genannt. Auslöser dieser Symptomatik sind häufig hormonelle Einflüsse oder die zunehmende Ermüdung des Bewohners. Weitere Ursachen sind die zum Abend hin reduzierte körperliche Aktivität, nachlassende Lichtexposition sowie Langeweile.

Grundsätze:

  • Jeder Mensch hat das Recht, seine Eigenheiten und Gewohnheiten auszuleben. Er darf dabei aber nicht unverhältnismäßig in die Lebensqualität seiner Mitbewohner eingreifen.
  • Wir bewahren stets Ruhe und reagieren nicht genervt auf das Verhalten des Bewohners.
  • Es ist uns bewusst, dass unser eigenes Verhalten eine Unruhe lindern oder steigern kann.

Ziele:

  • Wir schaffen ein vertrautes, sicheres und ruhiges Umfeld für den Bewohner.
  • Der Bewohner ist ausgeglichen. Er fühlt sich in unserer Einrichtung sicher und geborgen.
  • Der Bewohner führt ein Leben, das klaren Tag-Nacht-Strukturen folgt.
  • Eine Eigen- und Fremdgefährdung wird verhindert.
  • Fremdes Eigentum wird respektiert.

Vorbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Der Umgang mit unruhigen Bewohnern wird im Rollenspiel geübt. Eine Pflegekraft darf sich von einem agitierten Bewohner nicht aus der Ruhe bringen lassen.
  • Wir setzen konsequent auf das System der Bezugspflege. Bewohner mit häufiger Unruhe sollten von einer erfahrenen Pflegekraft betreut werden.
  • Wir erstellen für jeden Bewohner eine ausführliche Biographie. Wichtig ist insbesondere eine Auflistung seiner Hobbys.
  • Wir suchen den Kontakt zu Angehörigen. Wir befragen sie, welche Strategien sie entwickelt haben, um die Unruhe des Bewohners zu lindern.

Informationssammlung

Wir stellen alle relevanten Informationen zusammen. Wichtig ist vor allem eine Beschreibung des Verhaltens:

  • Wie verhält sich der Bewohner, wenn er unruhig ist?
    • Kontrolliert der Bewohner unablässig etwas? Etwa, dass die Elektrogeräte in seinem Zimmer ausgeschaltet sind?
    • Werkelt der Bewohner im Gartenbereich der Einrichtung?
    • Kramt der Bewohner in seinen Kleiderschränken oder räumt er diese gar komplett aus?
    • Läuft der Bewohner permanent einer bestimmten Person hinterher, insbesondere einer Pflegekraft? Verkennt der Bewohner diese Person etwa als Mutter, Tochter usw.?
    • Ruft der Bewohner nach einer bestimmten Person, etwa seiner Mutter oder seinen Kindern? Ruft der Bewohner um Hilfe?
    • Wandert der Bewohner ziellos oder zielgerichtet in der Einrichtung umher?
    • Lebt der Bewohner im Gestern? Äußert sich der Bewohner dazu, welche Tätigkeiten er ausführen möchte? Etwa: Die Kinder von der Schule abholen, zur Arbeit gehen usw.?
    • Zeigt der Bewohner auch aggressives Verhalten? Ist das Verhalten enthemmt?
    • Zeigt der Bewohner Anzeichen von Wahnvorstellungen?
    • Macht er beim Wandern Pausen oder bewegt er sich bis zur Erschöpfung?
    • Schwächt sich die Unruhe ab, sobald sich eine Pflegekraft dem Bewohner zuwendet und sich mit diesem beschäftigt?
    • Verstärkt sich das Verhalten, sobald sich der Bewohner in sein Zimmer zurückzieht?
    • Sind Muskelzuckungen erkennbar? Beschreibt der Bewohner ein Prickelgefühl im Körper?
  • Weitere Informationen:
    • Wie und womit beschäftigt sich der Bewohner, wenn er nicht unruhig ist?
    • Kann sich der Bewohner verbal ausdrücken, etwa um anzuzeigen, dass er Schmerzen hat?
    • Ist der Bewohner gehäuft zu bestimmten Tageszeiten unruhig? Etwa vor allem nachts?
    • Steigert sich die Unruhe im Winter, wenn es abends früher dunkel wird?
    • Gibt es eine Mondphase, in der der Bewohner auffallend unruhig ist? Insbesondere etwa bei Vollmond?
    • Folgen auf die Phasen der Unruhe längere Zeitabschnitte, in denen der Bewohner antriebsgemindert oder gar apathisch ist?
  • Gibt es Anzeichen, die auf eine Fremd- oder Eigengefährdung schließen lassen?
    • Verirrt sich der Bewohner in der fremden Umgebung?
    • Findet er aus eigener Kraft zurück oder wird er zumeist von Dritten (etwa der Polizei) zurückgebracht?
    • Gefährdet er den Straßenverkehr?
    • Stürzt er häufig? Zieht er sich dabei Verletzungen zu?
    • Kommt es zu Konflikten mit Passanten?
    • Verliert der Bewohner durch die Bewegung und den Stress so viel Energie, dass er langfristig Körpergewicht abbaut?
    • Verliert er während des Wanderns Eigentum, etwa einen Gehstock, Kleidung, Schmuck usw.?
    • Sammelt er fremdes Eigentum von seinen Mitbewohnern ein? Hortet er dieses in seinem Zimmer?

Bestimmung des Auslösers

Wir suchen nach Ursachen für die Unruhe.

  • Gibt es Konflikte aus der Vergangenheit, die den Bewohner nicht zur Ruhe kommen lassen?
  • Gibt es aktuelle Konflikte mit Mitbewohnern, Angehörigen oder Pflegekräften?
  • Ist der Bewohner frustriert über den fortschreitenden Verlust seiner körperlichen und mentalen Fähigkeiten?
  • Ist der Bewohner verärgert über den Verlust der Privatsphäre, der sich zwangsläufig aus dem Leben in der Pflegeeinrichtung ergibt?
  • Fühlt sich der Bewohner durch seine Umwelt gestört, etwa durch einen Mitbewohner oder Geräuschquellen?
  • Gibt es Anzeichen für eine sich entwickelnde Depression?
  • Leidet der Bewohner unter Wahnvorstellungen?
  • Ist der Bewohner innerhalb der Einrichtung sozial isoliert? Fühlt sich der Bewohner ausgeschlossen?
  • Ist dem Bewohner langweilig, weil er seine vertrauten Hobbys aufgrund der Pflegebedürftigkeit nicht mehr wahrnehmen kann?
  • Steht ein freudiges Ereignis bevor? Etwa die Hochzeit eines Enkels, Geburt eines Urenkels usw.?
  • Steht ein unangenehmes Ereignis bevor? Etwa ein operativer Eingriff, vor dem der Bewohner Angst hat?
  • Friert der Bewohner?
  • Hat der Bewohner Harndrang, geht aber nicht auf Toilette?
  • Leidet der Bewohner unter Infektionen der Harnröhre?
  • Leidet der Bewohner unter Verstopfungen?
  • Gibt es eine Schilddrüsenunterfunktion?
  • Liegt ein Blutzuckerabfall vor?
  • Hat der Bewohner Hunger?
  • Ist der Blutdruck erniedrigt?
  • Leidet der Bewohner unter starken Schmerzen?
  • Ist der Bewohner in seinem Bett oder im Rollstuhl fixiert?
  • Nimmt der Bewohner Medikamente, deren Nebenwirkungen für die Unruhe verantwortlich sein könnten? Vor allem Anticholinergika, Antiparkinsonmittel, Sympathicomimetika und Neuroleptika können die Unruhe steigern.
  • Konsumiert der Bewohner eine ungewöhnlich hohe Menge an Koffein?
  • Raucht der Bewohner? Ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Nikotinkonsum und Unruhe erkennbar?
  • Nimmt der Bewohner Drogen ein?
  • Konsumiert der Bewohner Alkohol?
  • Ist der Bewohner auf Entzug? Dazu zählt auch das Absetzen eines Medikaments mit Suchtpotenzial.

Durchführung:

  • Wir bringen den Bewohner zur Toilette, sofern die Unruhe ein typisches Anzeichen für Harndrang ist.
  • Der Bewohner erhält eine Mahlzeit und etwas zu trinken, soweit er dieses wünscht.
  • Ggf. erhält der Bewohner ein Schmerzmittel, sofern eine Bedarfsmedikation dafür vorliegt. Ansonsten wird der Bewohner einem Arzt vorgestellt.
  • Wir wirken beruhigend auf den Bewohner ein. Wir suchen das Gespräch. Soweit möglich werden die Wünsche des Bewohners erfüllt.
  • Wir lenken den Bewohner ab. Wir nutzen dafür das Freizeitprogramm in unserer Einrichtung, etwa die Gymnastikgruppe, die Bastelstunde usw. Ggf. kann der Bewohner (begleitet von anderen Mitbewohnern) spazieren gehen.
  • Wir ermuntern den Bewohner, familiäre Kontakte zu pflegen. Ggf. wenden wir uns an einen Besuchsdienst, der von ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben wird.
  • Wir bringen den Bewohner mit Haustieren in Kontakt. Diese leben entweder in der Einrichtung oder werden von unseren Mitarbeitern mitgebracht.
  • Nur wenn alle anderen Optionen erschöpft sind, prüfen wir als letzte Möglichkeit die Nutzung von Medikamenten. In Frage kommen etwa Baldrian, Midazolam, Tavor-Expidet (bei Panik) oder Risperdal (bei Gewalt).
  • Sofern keine Gefährdung vorliegt, lassen wir den Bewohner umhergehen. Die Unruhe wird durch die körperliche Bewegung abgebaut.
  • Wir stellen körperliche Nähe zum Bewohner her. Wir nehmen ihn ggf. in den Arm und wiegen ihn vorsichtig umher. Ggf. singen wir ein Lied mit dem Bewohner.
  • Wir entwickeln ggf. eine Kommunikationsform, die nicht auf Sprache angewiesen ist. Geeignet dafür sind vor allem die basale Stimulation und Snoezelen.
  • Wenn medikamentöse Nebenwirkungen für die Unruhe verantwortlich sein könnten, bitten wir den Hausarzt um die Verschreibung von alternativen Wirkstoffen.
  • Wir achten auf Anzeichen, die für ein gesteigertes Suizidrisiko sprechen. Ggf. wird der Standard "Depressive Störungen und Suizidprävention" umgesetzt.
  • Verschiedene Mittel, die gegen die Unruhe genutzt werden können, haben den Nebeneffekt, dass sie die Sturzgefährdung steigern. Der entsprechende Prophylaxestandard muss umgesetzt werden.
  • Bei der Einnahme von Medikamenten zur Dämpfung der Unruhe besteht ggf. Suchtgefahr.
  • Wir führen ggf. eine beruhigende Ganz- oder Teilkörperwaschung durch.
  • Der Bewohner wird mit möglichst anspruchsvollen körperlichen Aufgaben betraut, um diesen so auf natürliche Weise zu ermüden. Wir beachten dabei die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit.
  • Wenn es zu potentiell gefährlichen Situationen kommt, schreiten wir umgehend ein.
  • Wenn der Bewohner fremde Gegenstände sammelt, bitten wir ihn, seine Schränke und seine Taschen regelmäßig inspizieren zu dürfen. Gefundene Objekte werden den rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben.

Nachbereitung:

  • Alle Beobachtungen werden genau dokumentiert. Die Beschreibung erfolgt wertfrei. Wir achten insbesondere auf Veränderungen im Verhalten des Bewohners.
  • Die Dokumentation sollte präzise erfolgen. Statt also zu schreiben, dass der Bewohner "unruhig" ist, sollten dessen Handlungen genau beschrieben werden, etwa:
    • Frau Schulze folgte der Pflegekraft Meier über eine halbe Stunde und lies sich davon auch durch Zureden nicht abbringen.
    • Herr Schulze sortierte zwei Stunden lang Kleidungsstücke in seinem Kleiderschrank um. Unseren Vorschlag, an der zeitgleich stattfindenden Gymnastikgruppe teilzunehmen, lehnte er ab.

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegefachkräfte
  • Pflegehilfskräfte